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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.09.2005
Aktenzeichen: 3 S 1061/04
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauNVO § 15
1. Ein Zusammenwachsen mehrerer Betriebe unter dem Gesichtspunkt einer Funktionseinheit zu einem Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO kommt nur in den Fällen in Frage, in den damit eine Größenordnung erreicht wird, die deutlich über der eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO liegt.

2. Eine Agglomeration mehrerer kleinerer, nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe (Ziff. 2.3.3. des Einzelhandelserlasses vom 21.2.2001, GABl. vom 30.3.2001, 290) wird von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht erfasst. Als Korrektiv kommt nur § 15 BauNVO in Betracht.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

3 S 1061/04

Verkündet am 22.09.2005

In der Verwaltungsrechtssache

wegen baurechtlicher Entscheidung

hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Stopfkuchen-Menzel und die Richterinnen am Verwaltungsgerichtshof Fricke und Ecker auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. November 2003 - 16 K 1079/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt einen Bauvorbescheid für den Neubau eines Nahversorgungszentrums.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. 516/12 der Gemarkung Pfedelbach. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Pfedelbach "Nord-West, 2. Änderung" vom 16.3.1999, der für das Grundstück ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt. Die Einschränkung betrifft bestimmte immissionsschutzrechtliche Betriebe. Hinsichtlich Einzelhandelsbetrieben enthält die Festsetzung ebenso wie bereits die Festsetzung des Bebauungsplans "Nord-West, 1. Änderung" vom 29.7.1997 keine Einschränkung. Dagegen waren nach dem Bebauungsplan "Nord-West" vom 18.5.1993 in dem das Grundstück der Klägerin betreffenden Gewerbegebiet Einzelhandelsbetriebe nur in Ausnahmefällen zulässig (Festsetzung GE1).

Am 2.11.2001 beantragte die Klägerin für den Neubau eines Nahversorgungszentrums, Metzgerei - Bäckerei - Bekleidungsverkauf, die Erteilung eines Bauvorbescheids. Nach den Antragsunterlagen sind in dem eingeschossigen Gebäude eine Bäckerei mit 61,52 m² Verkaufsfläche, eine Metzgerei mit 54,93 m², ein Bekleidungsverkauf mit 557,61 m² Verkaufsfläche und schließlich ein Windfang/Eingang mit 44,90 m², d.h. einer Gesamtfläche von 718,96 m², vorgesehen. Mit Nebenräumen für Metzgerei und Bäckerei, Kühlräumen, WC, Flur, Aufenthaltsräumen und Technikraum ergibt dies eine Nutzfläche von insgesamt 846,23 m². Die Geschossfläche beträgt 912 m².

In unmittelbarer Nachbarschaft des Grundstücks der Klägerin befindet sich ein ebenfalls in deren Eigentum stehender LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt mit 715 m² Verkaufsfläche sowie ein JET-Tankstelle nebst Verkaufsladen und ein Verkaufsladen für Backprodukte.

Mit baurechtlicher Entscheidung vom 16.4.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen am 13.5.2002 eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 28.2.2003 zurück.

Zwischenzeitlich hatte im Auftrag der Beklagten die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (künftig: GMA) im September 2002 zu der geplanten Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebs in Pfedelbach eine Stellungnahme abgegeben, wonach bereits die Bezeichnung "Nahversorgungszentrum" irreführend sei, da der Bekleidungsfachmarkt der im vorliegenden Fall die Hauptfläche beanspruche, kaum als Nahversorgungsbetrieb charakterisiert werden könne. Außerdem könne auf Grund der Standortlage, der ausschließlich Pkw-orientiert sei, kein Beitrag zur Verbesserung der verbrauchernahen Versorgung gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO geleistet werden. Es sei offensichtlich, dass der Betrieb nicht an der Versorgungsstruktur der Gemeinde Pfedelbach, einem nicht-zentralen Ort mit 8.650 Einwohnern, orientiert sei, da dieser kein ausreichendes Potenzial für die Realisierung eines Textilfachmarkts in der vorgesehenen Größenordnung biete. Es sei offensichtlich, dass der Standort auf ein überörtliches Einzugsgebiet angewiesen sei. Dies ergebe sich aus der Lage unmittelbar an der Gemarkungsgrenze zu Öhringen und dem Verbund mit benachbarten frequenzstarken Einrichtungen, wie LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und Jet-Tankstelle. Zur Realisierung eines Bekleidungsfachmarkts in Pfedelbach sei aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Frequenz der benachbarten Nutzungen zwingend erforderlich. Die GMA kommt zusammenfassend zu der Bewertung, Standortlage und Projektkonzeption ließen eindeutig erkennen, dass das Vorhaben nicht ausschließlich an einer Versorgung der Standortgemeinde Pfedelbach orientiert sei. Insofern sei der Standort an einer auch überörtlichen Versorgungsfunktion orientiert, damit seien mögliche Auswirkungen auf die betroffene Nachbargemeinde Öhringen nicht auszuschließen. Das Vorhaben bilde eine Abrundung im Sinne einer Ergänzung vorhandener Einzelhandelseinrichtungen, insbesondere des benachbarten LIDL-Lebensmitteldiscountmarkts. Insofern sei eine Funktionseinheit gegeben, bei der einzelne Betriebe wechselseitig voneinander profitierten. Im vorliegenden Fall sei dies um so stärker ausgeprägt, als der vorgesehene Bekleidungsfachmarkt sowie die Bäckerei und Metzgerei ohne die hohe Kundenfrequenz des benachbarten LIDL-Lebensmitteldiscountmarkts aus betriebswirtschaftlicher Sicht in Pfedelbach kaum überlebensfähig wären. Gemäß Einzelhandelserlass Baden-Württemberg könne die vorliegende Standortagglomeration wie ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb bewertet werden.

Auf die am 5.3.2003 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart die Beklagte mit Urteil vom 26.11.2003 zur Erteilung der beantragten Bebauungsgenehmigung im Wege des Bauvorbescheids. Zur Begründung ist ausgeführt, das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans, gegen dessen Rechtsgültigkeit Bedenken weder geltend gemacht worden seien, noch sich aufdrängten. Es sei als nicht erheblich belästigender Gewebebetrieb in dem Gewerbegebiet allgemein zulässig. Es handle sich weder um ein Einkaufszentrum noch um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb. Im Hinblick auf ein Einkaufszentrum müsse auf die Sicht des Kunden abgestellt werden und insofern könne der vorhandene LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und die JET-Tankstelle nebst Laden nicht mit einbezogen werden, denn der Kunde werde diese Betriebe und das geplante Nahversorgungszentrum nicht als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Koordination miteinander verbunden erkennen. Dazu fehle es an äußerlich erkennbaren Merkmalen für das Vorliegen einer organisatorischen oder betrieblichen Gemeinsamkeit. Der Umstand, dass die Grundstücke einen gemeinsamen Eigentümer hätten, sei kein äußerlich erkennbarer Umstand für eine organisatorische und betriebliche Gemeinsamkeit. Auch die gemeinsame Zufahrt, die sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen geboten sei, sei nicht geeignet, beim Kunden die Vorstellung vom Vorliegen einer organisatorischen und betrieblichen Gemeinsamkeit zu wecken. Das geplante Nahversorgungszentrum erfülle auch nicht die Merkmale eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Rechtssinne. Mit der Verkaufsfläche von 718,96 m² bewege es sich im (Grenz-)Bereich eines Einzelhandelsbetriebs zur Großflächigkeit und zwar noch außerhalb der Großflächigkeit, weil die Verkaufsfläche nur unwesentlich über dem ungefähren Schwellenwert von 700 m² liege und dies auch nur wegen der Fläche des für Verkaufszwecke nur wenig geeigneten Windfangs. Werde unterdessen die Großflächigkeit unterstellt, so greife die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1990 nicht, denn das Vorhaben soll lediglich eine Geschossfläche von 912 m² erreichen. Diese Regelvermutung könne allerdings widerlegt werden, jedoch seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das geplante Vorhaben trotz seiner geringeren Geschossfläche atypisch in dem Sinne wäre, dass es Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1990 genannten Art hätte. Selbst die im Verwaltungsverfahren eingeholte Stellungnahme der GMA vom September 2002 hätte diese Auswirkung nicht aufzeigen können, sondern sich darauf beschränkt, dass Auswirkungen auf die Beklagte (nur) nicht ausgeschlossen werden könnten. Es sei auch keine auf die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1990 durchschlagende sogenannte Einzelhandelsagglomeration (vgl. Nr. 2.3.3 des Einzelhandelserlasses) gegeben. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Zusammenwachsen mehrerer Betriebe zu einem Einkaufszentrum sei auch in diesem Falle für das Vorliegen einer Funktionseinheit ein gemeinsames Nutzungskonzept erforderlich. Die Annahme eines gemeinsamen Nutzungskonzepts verbiete sich schon deshalb, weil es im Falle des LIDL-Lebensmitteldiscountmarkts und des geplanten Nahversorgungszentrums der Klägerin teilweise zu konkurrierenden Sortimentsüberschneidungen kommen werde.

Gegen das am 9.12.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.12.2003 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 22.4.2004 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit und wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 3.5.2004 zugestellt.

In einem Gutachten der GMA vom Januar 2004, erstellt im Auftrag der Gemeinde Pfedelbach, ist u.a. folgendes festgehalten:

Der Standort befinde sich an einer städtebaulich nicht integrierten Lage, sei ausschließlich autokundenorientiert und profitiere vom Pendlerverkehr aus und in Richtung Öhringen. Das Vorhaben verfüge über keine klassische Nahversorgungsfunktion, da im Umfeld kaum Wohnbebauung existiere, es besitze keine Bedeutung für die wohnortnahe, insbesondere fußläufige Versorgung, obwohl es als "Nahversorgungszentrum" deklariert sei. Da im Nahrungs- und Genussmittelwarenbereich von keinem wesentlichen Erweiterungspotenzial in Pfedelbach auszugehen sei, sei die Ansiedlung insbesondere für die gewachsenen Strukturen in der Ortsmitte von Pfedelbach als kritisch zu betrachten. Im Zentrum von Pfedelbach seien mehrere Betriebe des Ladenhandwerks vorhanden, die im Falle einer Realisierung in ihrer Existenz gefährdet sein könnten. Insbesondere durch die Möglichkeit von Kopplungseinkäufen in den vorhandenen Discountern seien Umorientierungen im Kundenverhalten möglich. Derzeit befinde sich in Pfedelbach noch eine Funktionstrennung: Während die größeren Lebensmittelmärkte ihren Standort am Ortsrand hätten, habe die Ortsmitte ihre Position im Bereich des frischeorientierten Ladenhandwerks (Bäcker, Metzger) noch aufrechterhalten können. Eine weitere Verlagerung dieser Anbieter an den Ortsrand hätte nicht nur städtebauliche Konsequenzen (Leerstände, Frequenz- und Bedeutungsverlust der Ortsmitte), sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Belange der Nahversorgung zur Folge. Im Bereich Textilien würden Umsatzumverteilungen gegenüber dem bestehenden Anbietern in der Ortsmitte von Pfedelbach von über 10 % erzielt, so dass städtebauliche Auswirkungen durch Geschäftsaufgaben zu erwarten seien. Außerdem widerspreche die Planung den regionalplanerischen Vorgaben, da offensichtlich sei, dass der Standort nicht primär auf die lokale Versorgung ausgerichtet sei, sondern auch Kaufkraft aus dem übergeordneten Mittelzentrum Öhringen abziehen werde. Bezüglich der Konzeption werde deutlich, dass die vorgesehene Planung auf die bestehenden Einzelhandelsbetriebe (insbesondere LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt) abgestimmt sei. Die vorgesehenen Betriebe Bäcker und Metzger ergänzten die im LIDL-Markt nicht vorhandenen Frischesortimente. Damit würde ein zusammenhängendes Versorgungszentrum entstehen, in dem der gesamte Lebensmitteleinkauf abgewickelt werden könne. Insofern sei auch eine systematische Planung des Gesamtstandortes erkennbar. Damit sei eine "Agglomeration" gemäß Einzelhandelserlass Baden-Württemberg Ziff. 2.3.3 gegeben. Dieser Sonderfall Agglomeration sei im vorliegenden Fall offensichtlich gegeben, da der gleiche Grundstückseigentümer zunächst einen Lebensmittel-Discountmarkt sowie eine Tankstelle errichtet habe (heutiger Bestand). Dieses Angebot solle nunmehr zielgerichtet um weitere an sich kleinflächige Betriebsformen ergänzt werden. Damit entstehe in der Agglomeration ein Versorgungszentrum, das ein gesamtes Warenspektrum abdecke, so wie es derzeit noch in der Ortsmitte vorhanden sei. Angesichts des geringen Potenzials der Gemeinde Pfedelbach sei offensichtlich, dass eine parallele Entwicklung ähnlicher Strukturen in der Ortsmitte und im Gewerbegebiet nicht möglich sein werde. Im Übrigen folgen dann Ausführungen dazu, dass auch wenn formal die angegebene Grenze der Großflächigkeit von 1.200 m² Geschossfläche nicht erreicht werde, im vorliegenden Fall doch erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Auswirkungen auch bei weniger als 1.200 m² Geschossfläche zu erwarten seien, bzw. dass deutliche Hinweise dafür vorlägen, dass auch bei einer Geschossfläche unter 1.200 m² negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Ortsmitte gegeben seien.

Mit baurechtlicher Entscheidung vom 4.2.2004 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 16.4.2004 dahingehend, dass eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, wie sie sich auf Grund von Ziff. 1.1.3 des Bebauungsplans "Nord-West" der Gemeinde Pfedelbach aus dem Jahre 1993 ergebe, nicht gewährt werde. Im Hinblick darauf, dass der Bebauungsplan "Nord-West" aus dem Jahre 1993 Grundlage für die Entscheidung des Vorhabens sein müsse, werde nachträglich - vorsorglich, das Ermessen der Baurechtsbehörde dahingehend ausgeübt, dass die Ausnahme nicht gewährt werden könne, da der Standort am Ortsrand von Pfedelbach ungünstig gelegen, eine Zulassung wegen der "zentrumsrelevanten" Nutzung des Vorhabens allein und insbesondere auch durch eine Konzentration mit den schon vorhandenen Einzelhandelsnutzungen (LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt, JET-Tankstelle) wegen negativer Auswirkungen auf das Ortszentrum von Pfedelbach und/oder Öhringen nicht befürwortet werde. Demgegenüber würden die Interessen der Eigentümerin weniger schwer wiegen, ein von ihr geplantes Nahversorgungszentrum an diesem Standort realisieren zu können.

Am 18.5.2004 hat die Beklagte die Berufung begründet, sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.11.2003 - 16 K 1079/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Die 1. und 2. Änderung des Bebauungsplans "Nord-West" aus den Jahren 1997 und 1999 seien unwirksam, weil sie nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB städtebaulich erforderlich seien. Zur Zeit der 1. Änderung habe man befürchtet, dass die Klägerin Schwierigkeiten beim Bau einer Umgehungsstraße im Westen Pfedelbachs verursachen könnte. Zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten habe man im Bereich der Grundstücke der Klägerin Einzelhandelsbetriebe zugelassen. Im Übrigen fehle es seit der 1. Änderung des Bebauungsplans "Nord-West" hinsichtlich der Festsetzungen GEE und GEE1-E3 insgesamt an einer planerischen Einzelhandelskonzeption. Weder in der Begründung zum Bebauungsplan noch sonst sei eine städtebauliche Konzeption dafür zu finden, weshalb Einzelhandelsbetriebe im ortsfernen Bereich GEE zulässig, in den ortsnäheren Bereich GEE1-E3 aber unzulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sein sollen. Durch die 2. Änderung seien diese Mängel nicht geheilt worden, denn sie habe nur nordwestlich an den Sportplatz angrenzende Flächen betroffen. Schließlich seien die im Schreiben der Beklagten vom 18.7.1996 erhobenen Bedenken gegen die Zulassung von Lebensmitteleinzelhandel in der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mit Schriftsatz vom 17.5.2004 habe die Beklagte diese Mängel gegenüber der Beigeladenen fristgerecht gerügt. Grundlage für die Beurteilung des Bauvorhabens sei deshalb der Bebauungsplan "Nord-West" aus dem Jahre 1993. Danach seien Einzelhandelsbetriebe nur ausnahmsweise zulässig. Ihr insoweit bestehendes Ermessen habe die Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Unabhängig davon handele es sich bei dem Nahversorgungszentrum, dem LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und der JET-Tankstelle um ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO. Dies folge aus einem Schreiben der Klägerin vom 13.2.1997, wonach sie das Ziel verfolge, ein "Verkaufs- und Dienstleistungszentrum" zu schaffen. Die JET-Tankstelle habe ohne ein bestimmtes Umfeld keine Überlebenschance, weshalb ein geschlossenes Zentrum bestehend aus LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt, Bekleidungsfachmarkt, Bäckerei und Metzgerei entstehen solle, um Kunden anzulocken. Dementsprechend sei die GMA in ihrer Stellungnahme vom September 2002 zu dem Ergebnis gelangt, dass ein aufeinander abgestimmtes Nutzungskonzept zwischen diesen Einrichtungen bestehe. Schließlich stelle das Nahversorgungszentrum auch einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO dar. Es überschreite die von der Rechtsprechung für die Großflächigkeit angenommene Schwelle einer Verkaufsfläche von 700 m² bereits für sich, denn der Eingangsbereich und Windfang sei einzubeziehen, weil typischerweise auch dort Verkaufsstände aufgebaut würden. Auf Grund einer Funktionseinheit mit dem LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und der JET-Tankstelle sei darüber hinaus sogar von einer Gesamtverkaufsfläche von 1.503,02 m² auszugehen. Die einzelnen Betriebe ergänzten sich gegenseitig und konkurrierten nicht direkt miteinander. Dies werde auch durch das GMA-Gutachten vom Januar 2004 bestätigt. Wegen der Gesamtverkaufsfläche von 1.503,02 m² greife auch die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO. Im Übrigen bestünden nach dem GMA-Gutachten Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO, dass durch das Nahversorgungszentrum strukturelle Folgen mit hohem Konfliktpotenzial für den bestehenden Einzelhandel in Öhringen und in der Ortsmitte von Pfedelbach zu erwarten seien.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise einen Bauvorbescheid für einen Bekleidungsfachmarkt mit 558 m² Verkaufsfläche zu erteilen.

Sie trägt vor, der Bebauungsplan "Nord-West, 1. Änderung" von 1997 sei im Sinne des § 11 Abs. 3 BauGB städtebaulich erforderlich. Die Vermeidung von Schwierigkeiten beim Bau der Umgehungsstraße sei nicht alleiniger Beweggrund für die Festsetzung der Nutzung der Grundstücke der Klägerin gewesen. Das Einbringen privater Interessen sei nicht verwerflich, sondern gerade gewollt. Die Planung der Beigeladenen sei nicht allein dadurch bestimmt gewesen, sondern habe vielmehr das Ziel einer stärkeren Bindung der Kaufkraft der Bevölkerung von Pfedelbach verfolgt. Dies sei zunächst vom Regionalverband Franken in einer Stellungnahme vom 27.2.1996 angeregt worden, wonach starke Kaufkraftabflüsse vorhanden seien. In der Niederschrift über die nicht-öffentliche Sitzung vom 18.2.1997 sei dann vermerkt, dass die zur Verbesserung der Situation erforderlichen Einzelhandelsbetriebe nur an einem Standort im Baugebiet "Nord-West" zugelassen werden sollten, damit für die Entwicklung des Einzelhandels im Ortszentrum hinreichend Spielraum verbleibe. Für die Festsetzung dieser Nutzung auf den Grundstücken der Klägerin spreche, dass dort mehrere Betriebe angesiedelt werden könnten und eine rasche Realisierung auf Grund des Interesses der Klägerin sichergestellt sei. Unabhängig davon bildeten das Nahversorgungszentrum, der LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und die JET-Tankstelle kein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO. Allein die räumliche Nähe genüge nicht, es fehle an einer einheitlichen Finanzierung, einem einheitlichen Bau und einem einheitlich verwalteten Gebäudekomplex. Die einzelnen Betriebe würden selbstständig in drei eigenständigen Gebäuden betrieben. Zwischen dem Nahversorgungszentrum und dem LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt bestehe an der schmalsten Stelle noch ein Abstand von 50 m. Ein gemeinsames Konzept oder eine Kooperation zwischen den Betrieben sei nicht vorhanden. Eine gemeinsame Werbung finde nicht statt. Die Werbung für LIDL-Lebensmitteldiscountmärkte sei in Süd- und Norddeutschland jeweils einheitlich gestaltet. Aus Sicht der Kunden liege daher eine Ansammlung mehrerer Läden vor. Das Nahversorgungszentrum, der LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt und die JET-Tankstelle seien auch nicht als großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zu klassifizieren. Aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO folge, dass grundsätzlich jeder Betrieb einzeln zu bewerten sei. Eine Ausnahme sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine Funktionseinheit zur Umgehung des § 11 Abs. 3 BauNVO vorliege. Vorliegend werde indessen kein einheitlicher Betrieb missbräuchlich in mehrere Einheiten aufgespalten. Für sich genommen stelle das Nahversorgungszentrum keinen großflächigen Einzelhandelsbetrieb dar, denn die ungenutzte Fläche für Eingang/Windfang sei abzuziehen, so dass eine Verkaufsfläche von deutlich unterhalb 700 m² verbleibe. Insoweit fehle es auch an Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO, denn die GMA-Stellungnahme aus dem Jahre 2002 und das Gutachten vom Januar 2004 ließen offen, welche Auswirkungen das Vorhaben auf die Nahversorgung von Öhringen und Pfedelbach konkret habe.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung das Grundstück der Klägerin und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, die Stellungnahme der GMA vom September 2002 und das GMA-Gutachten vom Januar 2004, die Verfahrensakten des Bebauungsplans "Nord-West, 1. Änderung" der Beigeladenen sowie die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Beklagte hat sie insbesondere den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 1, 2 und 4 VwGO entsprechend begründet.

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erteilung der beantragten Bebauungsgenehmigung im Wege des Bauvorbescheids verpflichtet; denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids über die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Bebauung des Grundstücks Flst.-Nr. 516/12 der Gemarkung Pfedelbach mit dem von ihr beabsichtigten Nahversorgungszentrum. Dessen Ablehnung ist - im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat - rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Bereits vor Einreichung eines förmlichen Baugesuchs können nach § 57 LBO einzelne Fragen durch einen Bauvorbescheid abgeklärt werden. Dabei besteht trotz der Formulierung in § 57 Abs. 1 LBO, der Bauvorbescheid "könne" erteilt werden, durch den Verweis in § 57 Abs. 2 LBO auf § 58 Abs. 1 LBO ein Rechtsanspruch, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften den zur Klärung gestellten Fragen nicht entgegenstehen (vgl. Sauter, LBO Bad.-Württ., 3. Aufl., Stand April 2001, § 57 RdNr. 7). Vorliegend stehen der Erteilung des begehrten Bauvorbescheids bauplanungsrechtliche Vorschriften nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Vorhaben nicht wegen Unwirksamkeit der 1. und 2. Änderung des Bebauungsplans "Nord-West" der Beigeladenen aus den Jahren 1997 und 1999 nach dem Bebauungsplan "Nord-West" aus dem Jahre 1993 zu beurteilen, der für das betreffende Grundstück eine Festsetzung enthält, wonach Einzelhandelsbetriebe nur ausnahmsweise zulässig sind.

Das Vorhaben ist vielmehr bauplanungsrechtlich nach den Festsetzungen des Bebauungsplans "Nord-West, 2. Änderung" aus dem Jahre 1999 zu beurteilen, der für das betreffende Grundstück ein Gewerbegebiet ohne besondere Einschränkungen im Hinblick auf die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben festsetzt.

Die 1. und 2. Änderung des Bebauungsplans "Nord-West" verstoßen nicht gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Danach sind Bauleitpläne aufzustellen, zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.

Die Erforderlichkeit von Bauleitplänen bestimmt sich maßgeblich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Beschlüsse vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 -, UPR 1995, 311 = PBauE § 9 Abs. 1 (Nr. 24) BauGB Nr. 9 und vom 11.5.1999 - 4 NB 15.99 -, UPR 1999, 352). Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Das Gesetz ermächtigt sie, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Beschluss vom 14.8.1995 - 4 NB 21.95 -, Buchholz 406.11, § 1 BauGB Nr. 86). Nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB sind nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind. Davon ist auszugehen, wenn eine planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen, oder eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338 m.w.N.). Die Erforderlichkeit fehlt lediglich dann, wenn eine Planung erkennbar von keiner städtebaulichen Konzeption getragen ist und deshalb einen groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriff darstellt (BVerwG, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BauR 1993, 585 <587> = PBauE § 123 BauGB Nr. 1; VGH Bad.-Württ., NK-Urteil vom 23.7.1998 - 3 S 960/97 -). Das Gebot, Bauleitpläne aufzustellen, wird nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass die Gemeinde einen Vertrag über die Durchführung eines Bebauungsplans geschlossen hat (BVerwG, Beschluss vom 28.12.2000 - 4 BN 37.00 -, BauR 2001, 1060) oder der Bebauungsplan ein einzelnes Bauvorhaben betrifft und auf Anregung eines Privaten eingeleitet und im Wesentlichen seinen Vorstellungen entsprechend vorgenommen worden ist. Die Gemeinde darf hinreichend gewichtige private Belange grundsätzlich zum Anlass einer Bauleitplanung nehmen und sich dabei auch an den Wünschen der Grundstückseigentümer im Plangebiet orientieren. Auch in diesen Fällen ist eine Erforderlichkeit nur dann zu verneinen, wenn etwa die Planung nur im privaten Interesse eines bestimmten Grundstückseigentümers erfolgt, um ihm einen wirtschaftlichen Vorteil zu ermöglichen, bzw. für die Gemeinde letztlich keinerlei Gründe der städtebaulichen Ordnung maßgeblich waren (BVerwG, Beschluss vom 24.8.1993 - 4 NB 12.93 -, ZfBR 1994, 100 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.6.1996 - 8 S 487/96 -, VBlBW 1996, 376 = PBauE § 3 BauGB Nr. 13 a; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 21.7.1999 - 1 K 3526/97 -, NuR 2000, 343 = ZfBR 2000, 269 m.w.N.).

Die Bebauungsplanakten erhalten zwar Hinweise darauf, dass die Beigeladene mit den entsprechenden Festsetzungen auf die Vorstellungen der Klägerin eingehen wollte und deren Zustimmung zum Bau der Westtangente anstrebte, wie der Aktenvermerk auf S. 121 der Bebauungsplanverfahrensakten zeigt, in dem die Wünsche der Klägerin aufgeführt sind, u.a. "7 m Grünstreifen, Abstände Gehwege 2,50 m, Extragrundstücke mit Zufahrt und Stellplätze, 3 x 800 m² Verkaufsfläche, Zustimmung zum Bau der Westtangente". Allerdings verfolgte die Beigeladene überdies eine stärke Bindung der Kaufkraft ihrer Bevölkerung. In einem Schreiben vom 27.2.1996 hatte bereits der Regionalverband Franken dies angeregt. Aus dem Protokoll der nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 18.2.1997 folgt, dass nach Angaben des Regionalverbands Franken in der Gemeinde der Beigeladenen noch 2.000 m² an Verkaufsfläche fehlten, es wünschenswert wäre, diese innerorts unterzubringen und nicht am Ortsrand, andererseits aber auch die Problematik gesehen werden, dass derzeit innerorts die notwendige Grundstücksfläche für einen größeren Einzelhandelsbetrieb nicht vorhanden sei. Die erwogene Ausweisung eines Sondergebiets wurde indessen wegen entgegenstehender Ziele des Regionalplans als schwer durchführbar angesehen; für denkbar erachtet wurde, mehrere Einzelhandelsbetriebe nebeneinander, aber auf jeweils eigenen Grundstücken zu errichten. Im Weiteren wurde u.a. als eine von drei Möglichkeiten eine Zulassung von Verkaufsflächen für Einzelhandelsbetriebe im Bereich der Grundstücke der Klägerin ins Auge gefasst, wobei als Vorteil dieser Möglichkeit angesehen wurde, dass hier Tanken und Einkaufen usw. zusammengefasst wären und wegen des großen Interesses des Grundstückseigentümers eine schnelle Realisierung möglich sei. Nach dieser planerischen Konzeption ist damit auch zwanglos erklärbar, weshalb in dem Bereich zwischen Ortskern und dem Grundstück der Klägerin kein weiteres eingeschränktes Gewerbegebiet ausgewiesen wurde. Trotz des Ziels einer raschen Verminderung der festgestellten Kaufkraftabflüsse hatte die Beigeladene die Stärkung ihres Ortskerns mit erster Priorität im Auge und wollte negative Auswirkungen auf die innerörtlichen Strukturen/Einzelhandelsbetriebe vermeiden. Diese planerische Konzeption ist nicht zu beanstanden. Einen planerischen Missgriff kann der Senat nicht erkennen.

Der angefochtene Bebauungsplan entspricht auch den Anforderungen des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 6 BauGB), die von der Beklagten geltend gemachten Abwägungsfehler liegen nicht vor.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle der von der Gemeinde gemäß § 1 Abs. 6 BauGB vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen und privaten Belange hat sich nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 5.7.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 3) auf die Prüfung zu beschränken, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen entscheidet (BVerwG, Urteile vom 12.12.1969 - 4 C 105.65 -, BVerwGE 34, 301 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 1 und vom 5.7.1974, a.a.O.). Diese Anforderungen beziehen sich sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das Abwägungsergebnis. Der angefochtene Bebauungsplan genügt diesen Anforderungen.

Die Bedenken der Beklagten, die sie in ihrem Schreiben vom 18.7.1996 gegen die beabsichtigte Zulassung von Lebensmitteleinzelhandel geäußert hat, auch wenn dieser unterhalb der Großflächigkeit im Sinne der Baunutzungsverordnung liege, wurden hinreichend in die Abwägung eingestellt und behandelt. In der Begründung zum Bebauungsplan "Nord-West, 1. Änderung" heißt es auf S. 2:

"Die Gemeinde hat sich ausführlich mit den Auswirkungen und der Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben (auch auf die Stadt Öhringen) beschäftigt, und ist zur Auffassung gelangt, dass die Zusammenfassung von Wohnen, Arbeiten, Versorgen in unmittelbarer Nähe der Gemeindeentwicklung ein wichtiges städtebauliches infrastrukturelles Ziel ist.

Die Verdichtungsentwicklung der Bevölkerung der Gemeinde Pfedelbach (ca. 8.000 Einwohner), sowie die Entwicklung der Stadt Öhringen, werden durch die geringfügige Ausweisung und Zulassung von Einzelhandelsbetrieben - wie im Bebauungsplan vorgesehen - nicht so beeinträchtigt, dass infrastrukturelle Nachteile für die Innenstadt der Stadt Öhringen entstehen können. Die Gemeinde bleibt deshalb bei ihrem Wunsch, die bisherige Festsetzung der Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in Teilen des Gewerbegebiets beizubehalten."

Dies ist nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hat die Belange der Beklagten in die Abwägung eingestellt, dabei auch die Bedeutung der betroffenen öffentlichen Belange erkannt und sich im Rahmen des Ausgleichs kollidierender Interessen für die Bevorzugung ihres städtebaulichen Ziels, die Kaufkraft ihrer Bevölkerung stärker dort selbst zu binden, entschieden.

Nach den daher maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Nord-West, 2. Änderung" aus dem Jahre 1999 ist in dem Gewerbegebiet ein Einzelhandelsbetrieb unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit als Gewerbebetrieb aller Art grundsätzlich zulässig, wobei die Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nach wie vor bei einer Verkaufsfläche von ca. 700 m² anzunehmen ist (BVerwG, Urteil vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 -, DVBl. 2004, 1308, VGH Bad.-Württ., Urteile vom 13.7.2004 - 5 S 1205/03 - und vom 16.6.2005 - 3 S 479/05 -). Selbst wenn man die Flächen der in dem Nahversorgungszentrum vorgesehenen Betriebe, nämlich der Metzgerei, der Bäckerei und des Bekleidungshandels zusammenrechnet, wird dadurch diese Grenze zur Großflächigkeit nicht überschritten. Zwar ist der Windfang hinzuzurechnen, denn Verkaufsfläche ist die Fläche, die dem Verkauf dient einschließlich der Gänge, Treppen in den Verkaufsräumen, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster und sonstiger Flächen, soweit sie dem Kunden zugänglich sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16.6.2005, a.a.O. und 13.7.2004, a.a.O. sowie Ziff. 2.2.4 des Einzelhandelserlasses vom 21.2.2001, GABl. vom 30.3.2001, S. 290 f.). Insgesamt ist daher von einer Verkaufsfläche von 718 m² auszugehen. Indessen führt die geringfügige Überschreitung um 18 m² nicht zur Großflächigkeit des als Nahversorgungszentrum bezeichneten Vorhabens der Klägerin.

Nicht zulässig ist es, das Vorhaben zusammen mit dem vorhandenen LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt als Einkaufszentrum (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO) anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorliegen eines Einkaufszentrums (Urteil vom 27.4.1990, BRS 50, 149 f.) kann auch eine nicht von vornherein als solche geplante und organisierte Zusammenfassung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO darstellen. Ein solches "Zusammenwachsen" mehrerer Betriebe zu einem "Einkaufszentrum" setzt jedoch neben der erforderlichen räumlichen Konzentration weitergehend voraus, dass die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Dabei kommt ein "Zusammenwachsen" mehrerer Betriebe zu einem "Einkaufszentrum" im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO nur in den Fällen in Frage, in denen damit eine Größenordnung erreicht wird, die deutlich über der eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO liegt. Denn ein Einkaufszentrum ist auch ohne die Auswirkungen des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO in einem Gewerbegebiet nicht zulässig, während ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO darüber hinaus voraussetzt, dass von ihm im Einzelfall die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beschriebenen nachteiligen Auswirkungen ausgehen. Vorliegend scheidet ein solches "Zusammenwachsen" von vornherein schon deshalb aus, weil das geplante Nahversorgungszentrum und der LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt zusammen lediglich eine Verkaufsfläche von 1433 m² und damit keine Größenordnung erreichen, bei der man von einem Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO sprechen kann. Davon abgesehen können weder die räumliche Komponente noch betriebliche Gesichtspunkte ein Zusammenrechnen der jeweiligen Verkaufsflächen rechtfertigen. Zwar verfügen das Nahversorgungszentrum und der LIDL-Lebensmitteldiscountmarkt über eine gemeinsame Zufahrt und auch die Stellplätze stehen sowohl dem vorhandenen Lebensmitteldiscountmarkt als auch dem neuen Vorhaben zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Indessen werden sie in deutlich voneinander getrennt errichteten Gebäuden untergebracht sein. Sie wurden unabhängig voneinander konzipiert. Auch wenn von vornherein die Absicht bestand, auf den in Frage stehenden Grundstücken der Klägerin mehrere Betriebe anzusiedeln, die jeweils von der Anziehungskraft des anderen profitieren sollten, fehlt es dennoch an einem gemeinsamen Konzept. Die verschiedenen Unternehmen werden keine gemeinsame Werbung betreiben und sind auch in ihrem Sortimentsangebot nicht aufeinander zugeschnitten, vielmehr - wenn auch nicht in allen Bereichen - auf Konkurrenz angelegt, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat.

Auch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO rechtfertigt nicht ein Zusammenrechnen der Verkaufsflächen der verschiedenen Betriebe im Sinne einer Funktionseinheit, sodass die Grenze zur Großflächigkeit überschritten würde. Diese Vorschrift kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch solche Fälle erfasst, in denen "mehrere kleinere Betriebe mit einer Größe von jeweils unter 1.200 m² Geschossfläche in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang errichtet werden, zu vorhandenen Betrieben neue Betriebe unter 1.200 m² hinzutreten oder vorhandene Betriebe entsprechend erweitert oder umgenutzt werden sollen" (sog. Agglomeration nach Ziff. 2.3.3 des Einzelhandelserlasses vom 21.2.2001, GABl. vom 30.3.2001, 290). Denn der ausdrückliche Wortlaut des 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO stellt für die Frage der Großflächigkeit auf den jeweiligen Einzelhandelsbetrieb ab. Eine Agglomeration mehrerer kleinerer Betriebe ist davon nicht erfasst. Es ist Sache des Gesetzgebers, § 11 BauNVO entsprechend zu ändern, um auch diese Fälle zu steuern. Anlässlich der 3. Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung (ÄndVO 1987) hat der Gesetzgeber indessen klar zum Ausdruck gebracht, dass er das Problem der Agglomeration mehrerer kleinerer Betriebe mit den in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Auswirkungen nicht gesondert regeln will, vielmehr hat er auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Funktionseinheit im Hinblick auf das Vorhandensein eines Einkaufszentrums verwiesen und darüber hinaus wiederum unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in § 15 BauNVO ein geeignetes, die örtlichen Verhältnisse berücksichtigendes Rechtsinstrument gesehen, um eine mit der geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht zu vereinbarende Agglomeration zu vermeiden (BT-Drs. 354/89, S. 28). Das Prinzip der Funktionseinheit findet folglich auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO keine Anwendung (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.4.2005, ZfBR 2005, 572; offen gelassen von Bay.VGH, Beschluss vom 7.7.2003 - 20 CS 3.1568 - BauR 2003, 1857), auch wenn sich aus der in der Gesetzesbegründung zu § 15 BauNVO angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nämlich Urteile vom 3.2.1984 - 4 C 17.82 - und vom 4.5.1988 - 4 C 34.86 - , die Problematik der Agglomeration mehrerer kleinerer Einzelhandelsbetriebe in einem Gewerbegebiet, in dem sie je für sich als Gewerbebetrieb aller Art grundsätzlich zulässig sind, nur unzureichend erschließt. Denn die Entscheidung vom 3.2.1984 betraf einen Fall, der nach der BauNVO 1968 zu beurteilen war, die für großflächige Einzelhandelsbetriebe noch keine dem § 11 Abs. 3 BauNVO vergleichbare Regelung enthielt. Das Urteil vom 4.5.1988 bezog sich auf die Zulässigkeit von mehreren Einzelhandelsbetrieben in einem Mischgebiet.

Davon abgesehen rechtfertigt im vorliegenden Fall § 15 BauNVO die Versagung des begehrten Bauvorbescheids nicht. Nach § 15 Abs. 1 BauNVO 1990 ist ein in einem Baugebiet allgemein zulässiges Vorhaben im Einzelfall gleichwohl unzulässig, wenn es "nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht" (Satz 1) oder wenn von ihm "Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die für die Umgebung nach der Eigenart des Gebiets unzumutbar sind" (Satz 2). Anders als bei einem Mischgebiet, das durch die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und nicht störendem Gewerbe gekennzeichnet ist, gibt es eine derartige die Verhältnisse verschiedener Nutzungen zueinander betreffende Regelung in Gewerbegebieten nicht. Der Senat kann indessen offen lassen, inwiefern die oben genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Gewerbegebiete übertragen werden kann, sodass auch Vorhaben die an sich ihrer Art nach bauplanungsrechtlich zulässig sind, im Einzelfall unzulässig sind, wenn sie in einer Situation verwirklicht werden sollen, in der sie städtebaulich nicht (mehr) verträglich sind und die Umgebung sie nicht (mehr) aufnehmen kann (BVerwG, Urteil vom 4.5.1988, a.a.O.). Auch wenn mit dem GMA-Gutachten vom Januar 2004 belegt sein dürfte, dass städtebauliche Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO durch das Hinzutreten des geplanten Nahversorgungszentrums zu erwarten sind, so ist im konkreten Fall (noch) nicht die Grenze überschritten, bei der wegen der Anzahl vorhandener Einzelhandelsbetriebe eine Unzulässigkeit nach § 15 Abs. 1 BauNVO zu bejahen ist. Bisher ist in dem betreffenden Bereich lediglich ein Einzelhandelsbetrieb vorhanden, zu dem nun ein weiterer hinzutritt. Bei zwei Einzelhandelsbetrieben, ergänzt durch Bäckerei und Metzgerei, kann indessen noch nicht von einer städtebaulich unverträglichen "Häufung" von Einzelhandel in dem Gewerbegebiet gesprochen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben.

Beschluss vom 20. September 2005

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 36.000,-- EUR (720 m² x 100,-- EUR; vgl. Streitwertkatalog 1996) x 1/2 (wegen Bauvorbescheid) festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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