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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 5 S 1899/03
Rechtsgebiete: VwGO, BJagdG, WaffG


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
BJagdG § 17 Abs. 1 Satz 2
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 1a
1. Zum Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache bei begehrter Erteilung eines Jagdscheins.

2. Es spricht alles dafür, dass dem Deutschen Bundestag bei der Beschlussfassung über § 5 Abs. 1 WaffG ein Redaktionsversehen unterlaufen ist, das im Wege einer berichtigenden Auslegung des Gesetzes überwunden werden kann.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

5 S 1899/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Erteilung eines Jagdscheins

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers

am 25. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06. August 2003 - 7 K 1224/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Über die Beschwerde entscheidet der Senat durch Beschluss. Einer vom Antragsteller angeregten, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und im Beschwerdeverfahren jedoch nicht gebotenen (§ 101 Abs. 3, § 150 VwGO) und regelmäßig nicht erforderlichen mündlichen Verhandlung bedarf es nicht.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller einen vorläufigen und bis zur Entscheidung in der Hauptsache befristeten erstmaligen Jagdschein zu erteilen.

Der begehrten einstweiligen Anordnung dürfte bereits das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen stehen (vgl. Senatsbeschl. v. 09.04.1990 - 5 S 511/90 - RdL 1990, 252; Sächs. OVG, Beschl. v. 18.08.1992 - I 167/92 - RdL 1992, 307; Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 15 BJagdG Rdnr. 4 m.w.N.; a. A. allgemein zum Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache Schoch, in: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 RdNr. 90). Dies dürfte auch dann gelten, wenn man der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht folgt, die Hauptsache werde schon dann vorweg genommen, wenn die angestrebte Rechtsposition inhaltlich unbeschränkt, aber vorläufig und zeitlich befristet eingeräumt wird (vgl. zum Streitstand Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 RdNr. 14b). Denn es spricht einiges dafür, dass der Antragsteller bei einer Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erteilung eines Jahresjagdscheins diesen während seiner gesamten Geltungsdauer nutzen könnte, die höchstens drei Jagdjahre beträgt und im Falle einer einstweiligen Verpflichtung eher kürzer zu bemessen wäre (§ 15 Abs. 2, § 11 Abs. 4 BJagdG).

Die Beschwerde hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Aus seinem Vorbringen ergibt sich insbesondere nicht, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung nötig wäre, um wesentliche Nachteile von ihm abzuwenden. Dabei sind an das Vorliegen wesentlicher Nachteile in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Jagdscheinbewerbers in Frage steht, erhöhte Anforderungen zu stellen.

Wesentliche Nachteile sind nicht damit glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller geltend macht, er sei auf die Erteilung des Jagdscheins aus geschäftlichen Gründen dringend angewiesen; er sei Inhaber eines mittelständischen Datenverarbeitungsbetriebes im ländlichen Raum; sehr viele seiner Geschäftspartner seien Jäger und wüssten, dass er die Jägerprüfung bestanden habe; er habe bereits sehr viele Jagdeinladungen erhalten und könne seinen Geschäftspartnern nur schwer erklären, dass er noch keinen Jagdschein gelöst habe; seine Geschäftspartner seien gewohnt, geschäftliche Dinge anlässlich gemeinsamer Jagden zu besprechen; vor allem bestehe bei seiner konservativ geprägten Kundschaft die große Gefahr, dass sie sich von ihm abwende, wenn sie erführe, aus welchen Gründen das Landratsamt die Erteilung des Jagdscheins ablehne; empfindliche existenzbedrohende Umsatzeinbußen für ihn wären die Folge.

Die Jagdausübung ist grundsätzlich eine Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung (vgl. Senatsbeschl. v. 09.04.1990 - 5 S 511/90 - und Sächs. OVG, Beschl. v. 18.08.1992 - jeweils a.a.O.). Dass der Antragsteller nach erfolgreich abgelegter Jägerprüfung der Jagd bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht nachgehen kann, erscheint dem Senat nicht als wesentlicher Nachteil, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte. Er hält es auch nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller gezwungen sein könnte, seinen Geschäftspartnern und Jagdgenossen gegenüber die Gründe offen zu legen, aus denen ihm das Landratsamt die Erteilung des Jagdscheins verweigert, und dass diese sich ggf. von ihm abwenden würden. Seine diesbezügliche Befürchtung hat er nicht durch einen substantiierten Vortrag glaubhaft gemacht.

Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat jedoch: Nach § 17 Satz 1 Satz 2 BJagdG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts (WaffRNeuRegG) vom 11.10.2002 (BGBl. I S. 3970; berichtigt BGBl. I S. 4592) darf, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 WaffG fehlen, nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 (Falknerjagdschein) erteilt werden. § 5 Abs. 1 Nr. 1a WaffG i.d.F. von Art. 1 WaffRNeuRegG ist in folgender Fassung gemäß Art. 82 Abs. 1 GG im Bundesgesetzblatt verkündet worden: "Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, die 1. rechtskräftig verurteilt worden sind a) wegen eines Verbrechens oder b) wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind, ...". Der zuletzt angeführte Nebensatz schließt dabei ohne Absatz an, so dass er nur die Alternative b) erfasst.

Bei diesem nach dem Textbild der Vorschrift eindeutigen Verständnis wäre dem Antragsteller der Jagdschein zu versagen, weil er rechtskräftig wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist. Das Amtsgericht Emmendingen hat ihn am 13.10.1989 wegen verschiedener Verstöße gegen das Waffengesetz, u.a. wegen des Erwerbs und Besitzes von vollautomatischen Selbstladewaffen (§ 52 a Abs. 1 Nr. 1 WaffG, § 12 StGB), zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden und die mit Wirkung vom 12.12.1992 erlassen worden ist. Dass der Antragsteller diese Verurteilung nach seiner Einlassung gegenüber dem Antragsgegner hingenommen haben will, obwohl er ohne Vorsatz gehandelt habe, um weiteres Aufsehen zu vermeiden, ändert am Vorliegen des Tatbestands des § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1a WaffG nichts.

Es spricht jedoch alles dafür, dass dem Deutschen Bundestag bei der Beschlussfassung über § 5 Abs. 1 WaffG ein Redaktionsversehen unterlaufen ist, das im Wege einer berichtigenden Auslegung des Gesetzes überwunden werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.05.1960 - 2 BvL 4.59 -, BVerfGE 11, 139 = NJW 1960, 1563; BVerwG, Urt. v. 27.01.1998 - 4 NB 3.97 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 = NVwZ 1998, 1067 m.w.N.; Urt. v. 29.09.1998 - 9 C 31.97 -, BVerwGE 107, 231 = InfAuslR 1999, 141; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.04.2002 - 11 S 223/02 - NVwZ 2002, 1395). Das Redaktionsversehen beruht wohl auf einem Fehler bei der Wiedergabe des Regierungsentwurfs im Gesetzgebungsverfahren, der noch vor der Ausfertigung des Gesetzes eingetreten ist (dazu und zu einer gleichfalls möglichen Berichtigung durch die Bundesregierung in einem solchen Fall vgl. Schneider, Gesetzgebung, 2. Auflage 1991, Rdnr. 497 unter Hinweis auf § 62 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien - Besonderer Teil - GGO II). Tatsächlich dürfte der Deutsche Bundestag die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1a WaffG mit einem Absatz vor der Wortfolge "... wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind" beschlossen haben, so dass die Zehnjahresfrist, nach deren Ablauf eine Zuverlässigkeit nicht mehr absolut ausgeschlossen ist, auch für die Alternative a) gilt. Im einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem: Die zuletzt genannte Fassung ist die des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BR-Drucks. 596/01; BT-Drucks. 14/7758). In seiner Begründung heißt es dementsprechend, dass auch bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens die absolute Unzuverlässigkeit des Betroffenen nur für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft des Urteils unwiderlegbar vermutet wird (BT-Drucks. 14/7758 S. 54). Demgegenüber gibt erstmals die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucks. 14/8886), in dem in der jeweils linken Spalte der Regierungsentwurf und in der jeweils rechten Spalte die Beschlüsse des Ausschusses aufgeführt werden - nach ihnen sollte § 5 Abs. 1 WaffG des Regierungsentwurfs unverändert bleiben -, die Fassung des Regierungsentwurfs abweichend, in der später verkündeten Fassung wieder. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf unter Berufung auf den Regierungsentwurf gemäß der Drucksache 14/7758 "in der Ausschussfassung mit redaktionellen Änderungen" angenommen (BT-Plenarprot. 14/234 S. 23347D und 23348A). Dem weiteren Gesetzgebungsverfahren und dem folgenden Vermittlungsverfahren lag dieser Gesetzesbeschluss des Bundestags zu Grunde. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG wurde nicht mehr geändert (BT-Drucks. 14/9432; BT-Plenarprot. 14/243 S. 24424A). Der Senat geht davon aus, dass die Beschlussfassung des Deutschen Bundestags sich nicht etwa auf die fehlerhafte Wiedergabe von § 5 Abs. 1 WaffG des Regierungsentwurfs in der Drucksache seines Innenausschusses, sondern auf die Drucksache 14/7758 und den Beschluss des Innenausschusses bezog, dass diese Vorschrift unverändert bleiben sollte.

Somit wäre der Antragsteller, den das Landratsamt von Mai 2002 an bis zum Inkrafttreten des neuen Waffenrechts als zuverlässig beurteilt und dem es deshalb den Besitz zahlreicher Waffen erlaubt hat, jedenfalls nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a WaffG unzuverlässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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