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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: 1 S 1678/07
Rechtsgebiete: GG, VersG, LGebG


Vorschriften:

GG Art. 8 Abs. 1
GG Art. 8 Abs. 2
VersG § 15 Abs. 1
LGebG § 4 Abs. 1
LGebG § 4 Abs. 4
Für den Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG, mit der eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewehrt werden soll, kann vom Veranstalter eine Verwaltungsgebühr erhoben werden.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 1678/07

Verkündet am 26.01.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gebührenbescheids (Versammlungsrecht)

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. März 2007 - 2 K 1163/05 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem er zur Zahlung einer Verwaltungsgebühr für die Erteilung von Auflagen für eine von ihm angemeldete Versammlung herangezogen wird.

Der Kläger meldete mit Schreiben vom 21.02.2005 bei der Beklagten eine Demonstration an, die sich mit dem Thema "23. Februar hatte auch eine Vorgeschichte - Beispiel Adolf-Hitler-Schule" befassen und am 23.02.2005 in der Zeit von 17:30 Uhr bis 19:30 Uhr in Pforzheim vor der Nordstadtschule (ehemals Adolf-Hitler-Schule) stattfinden sollte. Die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit 150 Personen beziffert. Angemeldet wurden ferner ein Ordnerdienst sowie Megaphone, Plakate, Transparente, Flugblätter und ein Pkw mit Lautsprecheranlage. Am 21.02.2005 fand ein Kooperationsgespräch zwischen dem Kläger und der Beklagten statt. Darin teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit Blick auf die Bedeutung des 23. Februar als offizieller Gedenktag der Stadt und des am 23.02.2005 stattfindenden 60. Jahrestages des Bombardements und aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, nach der der Kläger der örtlichen antifaschistischen und autonomen Szene zuzuordnen sei, sowie der im Bereich der Nordstadt angemeldeten rechtsextremen Mahnwache die Kundgebung nicht im Bereich der Nordstadt zugelassen werden könne. Als mögliche Alternativstandorte wurden dem Kläger der - öffentlichkeitswirksa-me - Waisenhausplatz oder der Turnplatz (ehemals "Platz der SA" als geschichtlich belasteter Standort - vergleichbar der Nordstadtschule -) angeboten. Beide Standorte lehnte der Kläger mit der Begründung ab, dass die Wahl des Kundgebungsortes nicht im Zusammenhang mit der im Bereich der Nordstadt angemeldeten rechtsextremistischen Mahnwache stehe.

Mit Bescheid vom 22.02.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger für die angemeldete Versammlung die Genehmigung, Megaphone und Lautsprecher im öffentlichen Verkehrsraum zu betreiben (Ziff. 1) und Ordner einzusetzen (Ziff. 2). Der räumliche Verlauf der Versammlung wurde - abweichend von der Anmeldung - durch Auflagen festgelegt (Ziff. 3). Unter Ziff. 9 der Verfügung wurde eine Gebühr in Höhe von 100,-- EUR festgesetzt. Zur Begründung für die räumliche Verlegung wurde ausgeführt, die vom Kläger angemeldete Versammlung sei dem antifaschistischen Projekt Pforzheim (APP) zuzuordnen. Die in der Verfügung im Einzelnen dargestellten Aktivitäten des APP machten deutlich, dass das eigentliche Ziel der Demonstrationen in den Vorjahren darin bestanden habe, die versammlungsrechtlich geschützte Mahnwache des "Freundeskreises ein Herz für Deutschland" (FHD) zu verhindern bzw. massiv zu stören. Nach polizeilichen Erkenntnissen sei am 23.02.2005, dem 60. Jahrestag des Bombardements auf die Stadt Pforzheim, ein nicht zu unterschätzendes überregionales gewaltbereites Potenzial der Antifa und der autonomen Szene in Pforzheim zu erwarten. Die angemeldete Kundgebungsörtlichkeit befände sich ortsnah zur versammlungsrechtlich geschützten Mahnwache des FHD. Diese räumliche Nähe lasse den Schluss zu, dass es ohne die unter Ziff. 3 verfügte räumliche Auflage zu einem unfriedlichen Aufeinandertreffen der Teilnehmer der Veranstaltung des Klägers und der Versammlung des FHD kommen würde. Hieraus ergebe sich nicht nur die Gefahr von Straftaten, sondern auch eine Störung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Versammlung des FHD.

Am 03.03.2005 legte der Kläger gegen die Festsetzung der Verwaltungsgebühr Widerspruch ein. Für die Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dürfe keine Gebühr festgesetzt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Gebührenfestsetzung finde ihre Rechtsgrundlage in § 4 Landesgebührengesetz (LGebG). Die erteilte Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Megaphonen und Lautsprechern im öffentlichen Verkehrsraum beruhe auf § 46 Abs. 1 Nr. 9, § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVO, die Genehmigung zum Einsatz von Ordnern auf § 18 Abs. 2 VersammlG und die Auflagen stützten sich auf §§ 15, 18 VersammlG. Für diese dem Kläger individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen könne nach Maßgabe des Landesgebührengesetzes eine Verwaltungsgebühr erhoben werden. Die versammlungsrechtliche Auflage Ziff. 3 sei aufgrund der Gefahrenlage unumgänglich gewesen. Dieses Tätigwerden (Kooperationsgespräch, Erstellen der Verfügung usw.) sei als öffentliche Leistung im Sinne des Landesgebührengesetzes einzustufen. Diese sei ihm individuell zurechenbar, da er die Versammlung angemeldet und sich als deren Verantwortlicher und Veranstalter benannt habe. Eine sachliche Gebührenfreiheit nach § 9 Landesgebührengesetz liege nicht vor. Die Gebühr von 100,-- EUR sei am unteren Ende des bis 10.000,-- EUR reichenden Gebührenrahmens angesetzt. Unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände sei die Höhe der Gebühr angemessen.

Der Kläger erhob am 02.06.2005 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen den Gebührenbescheid. Durch Urteil vom 29.03.2007 - 2 K 1163/05 - hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Klage stattgegeben und Ziff. 9 der Verfügung der Beklagten vom 22.02.2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 02.05.2005 aufgehoben sowie die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG stehe der Gebührenerhebung für die Erteilung von Auflagen nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz entgegen. Die gebührenrechtliche Generalklausel sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass für die Erteilung von Auflagen nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz keine Gebühr erhoben werden könne. Selbständig tragend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der im Landesgebührengesetz vorgesehene Gebührenrahmen bis 10.000,-- EUR erdrosselnde Wirkung habe. Diese hohe Maximalgebühr erscheine für die Erteilung einer versammlungsrechtlichen Auflage unverhältnismäßig.

Am 18.07.2007 hat die Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Gebührenerhebung verstoße nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Etwas anderes gelte erst dann, wenn diese geeignet sei, von der Durchführung der Versammlung abzuhalten. Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.2007 - 1 BvR 943/02 - sei davon auszugehen, dass die hier vom Kläger angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien. Anders als in dem dort zugrunde liegenden Fall hätten die dem Kläger gegenüber verfügten Auflagen nicht lediglich der Gefahrenvorsorge und der Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs der Versammlung gedient. Vielmehr seien sie wegen einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz erlassen worden. Dies sei im Bescheid vom 22.02.2005 ausführlich begründet worden. Insbesondere hätten Erkenntnisse vorgelegen, dass das eigentliche Ziel der vom Kläger angemeldeten Versammlung habe darin bestehen sollen, eine in unmittelbarer räumlicher Nähe zum geplanten Versammlungsort stattfindenden Mahnwache des rechtsgerichteten "Freundeskreis ein Herz für Deutschland (FHD)" zu verhindern bzw. massiv zu stören.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29.03.2007 - 2 K 1163/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend aus: Eine Gebührenerhebung für eine versammlungsrechtliche Auflage verstoße gegen Art. 8 GG, aber auch gegen Art. 3 GG, weil für Spontanversammlungen, die nicht der Anmeldepflicht unterlägen, eine Gebühr nicht erhoben werden könne. Im Übrigen setze eine Gebührenerhebung eine konkret sich auf Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG beziehende gesetzliche Gebührenregelung voraus; der entsprechende Gebührenrahmen selbst sowie auch die Festlegung der Gebühren müssten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Dies sei in Baden-Württemberg nicht der Fall. Schließlich habe eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG, die eine räumliche Verlegung des Aufzugs hätte rechtfertigen können, nicht vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die einschlägigen Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie die verwaltungsgerichtlichen Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar ist die im Gebührenbescheid genannte Rechtsgrundlage mit höherrangigem Recht vereinbar (1.). Der angegriffene Gebührenbescheid beruht jedoch auf fehlerhaften Ermessenserwägungen (2.).

Als Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Gebührenbescheid kommen die Regelungen in §§ 3, 4 und 7 Landesgebührengesetz - LGebG - in Betracht. Gemäß § 4 Abs. 1 LGebG setzen die Behörden, die die öffentliche Leistung erbringen, für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen Gebühren und Auslagen nach diesem Gesetz fest. Für eine Leistung, für die weder ein Gebührentatbestand noch Gebührenfreiheit vorgesehen ist, kann eine Gebühr bis 10.000,-- EUR erhoben werden (§ 4 Abs. 4 LGebG).

Eine spezialgesetzliche Regelung für die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für den Erlass von versammlungsrechtlichen Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG enthält das Landesgebührengesetz nicht. Es sieht zwar in § 4 Abs. 2 und 3 LGebG eine entsprechende Ermächtigung zum Erlass von konkretisierenden Gebührentatbeständen vor. Von dieser hatte die Beklagte aber zum Zeitpunkt der Gebührenfestsetzung noch keinen Gebrauch gemacht. Die mittlerweile erlassene Satzung der Beklagten über die Erhebung von Gebühren für öffentliche Leistungen als untere Verwaltungs- und Baurechtsbehörde vom 01.01.2007, die unter der laufenden Nr. 1.1.1.5 für Auflagen nach §§ 15, 18 VersammlG eine Gebühr von 42,-- EUR pro Stunde vorsieht, misst sich insoweit keine Rückwirkung bei. Danach kommt als Ermächtigungsgrundlage nach dem Landesgebührengesetz allein die in § 4 Abs. 4 enthaltene Generalklausel in Betracht.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung der Auffangnorm des § 4 Abs. 4 LGebG für die Erteilung von Auflagen nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersammlG bestehen nicht.

Insbesondere steht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG einer Gebührenerhebung für die Erteilung von Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nicht grundsätzlich entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 25.10.2007 - 1 BvR 943/02 -, NVwZ 2008, 414 f. m.w.N.) sind Beschränkungen dieses Grundrechts nach Maßgabe des Abs. 2 verfassungsgemäß, wenn sie zum Schutz eines mit der Versammlungsfreiheit kollidierenden Rechtsguts geeignet und erforderlich und ferner angemessen sind, weil der Schutz des anderen Rechtsguts gegenüber der Versammlungsfreiheit im konkreten Fall vorrangig ist. Ob dies der Fall ist, muss unter Beachtung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine Demokratie geklärt werden. Insbesondere dürfen Beschränkungen nicht einschüchternd auf die Ausübung des Grundrechts wirken. Diese allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen sind auch für die Auslegung und Anwendung einer Gebührenregelung für den Erlass von versammlungsrechtlichen Auflagen maßgebend. Da sich eine Kostenregelung mittelbar einschränkend auf die Ausübung der Versammlungsfreiheit auswirkt, widerspricht es Art. 8 Abs. 1 GG, für hoheitliche Maßnahmen aus Anlass einer verfassungsrechtlich geschützten Versammlung eine Gebührenpflicht vorzusehen, wenn diese nicht den Zweck verfolgen, ein Rechtsgut zu schützen, das im konkreten Fall Vorrang vor der Versammlungsfreiheit genießt. Die Erhebung einer Verwaltungsgebühr ist daher nur für die Erteilung von Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG zulässig. Denn diese Norm sieht Auflagen nur zur Abwehr von unmittelbaren, also konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vor. Eine solche Abwehr konkreter Gefahren ist dagegen nicht bezweckt bei Amtshandlungen, die sich in bloßen Hinweisen auf die allgemeine Rechtslage erschöpfen oder bei Verhaltensanweisungen, die Vorkehrungen für abstrakt gefährliche Tatbestände vorsehen oder im Sinne vorsorgender Maßnahmen auch ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr den reibungslosen Ablauf einer Versammlung gewährleisten sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.2007, a.a.O. mit Hinweis auf VGH Kassel, Urteil vom 26.04.2006 - 5 UE 1567/05 - NVwZ-RR 2007, 6 f.).

Da nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist, dass zwischen der Verwaltungsleistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, diesem die Amtshandlung individuell zuzurechnen, ist außerdem zu fordern, dass dem Veranstalter oder Leiter einer Versammlung der gebührenrechtlich relevante Gefahrentatbestand zuzurechnen ist. Gefahrentatbestände, die nicht von ihm, sondern - wenn auch im Zusammenhang oder infolge der konkreten Versammlung - eigenständig durch Dritte unter Einschluss von Versammlungsteilnehmern geschaffen werden, reichen hierfür nicht aus. Ebenso wenig genügt die bloße Verursachung der Amtshandlung durch Anmeldung oder Durchführung einer Versammlung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.2007, a.a.O.; BVerwGE 109, 272 <275 f.>; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2006 - 7 A 10017/06 -, NVwZ 2007, 236 f.).

Die gebührenrechtliche Generalklausel des § 4 Abs. 4 LGebG ist danach verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur für die Erteilung von Auflagen nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersammlG, die dem Betroffenen zuzurechnen sind, eine Verwaltungsgebühr erhoben werden kann.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG ergibt sich hieraus nicht. Der Kläger macht insoweit geltend, dass für Spontanversammlungen, die nicht der Anmeldepflicht des § 14 Abs. 1 VersammlG unterlägen und damit auch nicht von Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG abhängig gemacht werden könnten, eine Gebühr nicht erhoben werde, während der eine Versammlung ordnungsgemäß anmeldende Veranstalter sich der Gefahr einer Auflagenverfügung mit Gebührenerhebung aussetze.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln vgl. BVerfGE 116, 164 <180>: stRspr). Spontanversammlungen unterscheiden sich jedoch von anmeldepflichtigen, geplanten Veranstaltungen im gebührenrechtlichen Zusammenhang insoweit, als es hier nicht einen Veranstalter gibt, dem die Amtshandlung konkret zugerechnet werden kann. Bereits dies rechtfertigt die gebührenrechtliche Ungleichbehandlung.

Auch ansonsten ist die von der Beklagten für den Gebührenbescheid herangezogene Rechtsgrundlage mit höherrangigem Recht vereinbar.

Den Ländern steht insoweit für das Verwaltungskostenrecht die Gesetzgebungskompetenz zu. Zwar kann für den Vollzug von Bundesgesetzen - wie hier des Versammlungsgesetzes - der Bund auch die Erhebung von Verwaltungskosten regeln. Macht dieser jedoch insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch, sind die Länder am Erlass eigener Gebühren nicht gehindert. Dem Landesgesetzgeber ist danach eine Regelung, die den jeweiligen Kostenschuldner mit Gebühren für die Erteilung von versammlungsrechtlichen Auflagen nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersammlG belastet, von Verfassung wegen nicht verwehrt.

Der erkennende Senat vermag auch nicht die Bedenken unter dem Gesichtspunkt der rechtsstaatlichen Bestimmtheit zu teilen. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Bestimmtheitsgebot erfordert, dass der Gebührenpflichtige erkennen kann, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung verfolgt. Allerdings steht einer hinreichenden Regelungsklarheit nicht entgegen, dass diese im Wege der Auslegung gewonnen werden muss. Auch soll (und kann) das Bestimmtheitsgebot, was Gebühren anbelangt, nicht gewährleisten, dass jeder Betroffene anhand des gesetzlichen Tatbestands "gleichsam auf den Pfennig genau vorausberechnen können solle, was ihn eine bestimmte Behördenhandlung an Gebühren kostet" (BVerwG, Beschluss vom 25.09.1989, Buchholz 401.8 Nr. 23). Vielmehr hat das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot insoweit allein die Funktion, Gebührentatbestände auszuschließen, die infolge ihrer Unbestimmtheit den Behörden "die Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handhabung" eröffnen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2005 - 2 S 2488/03 -, VBlBW 2005, 314 f.).

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.2007 - 1 BvR 943/02 (NVwZ 2008, 414 f.) nicht entnehmen, dass zwingende Voraussetzung für eine Gebührenerhebung im Zusammenhang mit einer versammlungsrechtlichen Auflage eine sich hierauf beziehende gesetzliche Gebührenregelung ist. Dieser Entscheidung lag zwar die bayerische Kostenregelung zugrunde, die in einem als Rechtsverordnung erlassenen Kostenverzeichnis eine Rahmengebühr für das Verbot oder die Festlegung von Auflagen nach § 5 oder § 15 Abs. 1 VersammlG vorsieht. Die Forderung, dass die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für eine versammlungsrechtliche Auflage nach § 15 Abs. 1 VersammlG eine den Gebührentatbestand konkretisierende Regelung voraussetzt, wird jedoch an keiner Stelle erhoben.

Schließlich ist die Gebührenfestsetzung nicht wegen einer erdrosselnden Wirkung des im Landesgebührengesetz vorgesehenen Gebührenrahmens bis 10.000,-- EUR rechtswidrig.

Von einer erdrosselnden Wirkung der der Gebührenfestsetzung zugrunde liegenden Norm als solcher kann nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für versammlungsrechtliche Auflagen stets so hohe Gebühren festzusetzen wären, dass der Anmeldende faktisch von der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ausgeschlossen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei § 4 Abs. 4 LGebG handelt es sich lediglich um eine Rahmengebühr. Im Gebührenrecht ist die Verwendung von Rahmengebühren und Generalklauseln allgemein anerkannt, da nicht alle in Betracht kommenden Fallgestaltungen im Einzelnen sachgerecht geregelt werden können. Das Gesetz bedient sich zur Ausfüllung des Gebührenrahmens durch die Verwaltungsbehörde der insbesondere in § 7 LGebG enthaltenen allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätze. Diese sind ausreichend, um das Verwaltungshandeln zu steuern, für den Bürger vorhersehbar und für die Gerichte kontrollierbar zu machen. Bei rechtmäßiger Handhabung dieser Grundsätze und Beachtung des Freiheitsrechts des Art. 8 Abs. 1 GG ist es ausgeschlossen, dass die Behörde Verwaltungsgebühren für versammlungsrechtliche Auflagen festsetzt, die faktisch zu einem Ausschluss der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit führen. Entsprechend kann die Tatsache, dass § 4 Abs. 4 LGebG einen Gebührenrahmen bis 10.000,-- EUR vorsieht, die Gebührenerhebung nicht von vornherein unzulässig machen.

2. Der angegriffene Gebührenbescheid ist gleichwohl aufzuheben, weil er auf fehlerhaften Ermessenserwägungen beruht.

Zwar spricht nach den erkennbaren Umständen vieles dafür, dass die unter Ziff. 3 der Verfügung vom 22.02.2005 angeordnete räumliche Verlegung der Versammlung der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG diente, die dem Kläger zurechenbar waren. Dabei steht einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung nicht entgegen, dass diese bestandskräftig geworden ist. Denn es würde eine unverhältnismäßige Beschränkung der Versammlungsfreiheit bedeuten, wenn ein Veranstalter oder Leiter der Versammlung damit rechnen müsste, für jede von der Versammlungsbehörde ergriffene und von ihr als "Auflage" bezeichnete Maßnahme eine Gebühr zahlen zu müssen, wenn er sie nicht erfolgreich mit Rechtsmitteln angreift (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.2007, a.a.O.).

Es bedarf indes keiner weiteren Klärung, ob die Gefahrenprognose der Beklagten zutreffend war und deswegen eine dem Kläger zurechenbare rechtmäßige Auflage zum Versammlungsort nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 VersammlG ergehen konnte. Denn jedenfalls hat die Beklagte bei der Bemessung der Höhe der festgesetzten Gebühr ihr Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt.

Ein Ermessensfehlgebrauch ist dann anzunehmen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen dürfen. Sie darf insbesondere nicht von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgehen. (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, Rdnr. 63 zu § 40). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat bei ihrer Gebührenerhebung nicht lediglich an die Auflage nach § 15 Abs. 1 VersammlG angeknüpft, sondern auch Amtshandlungen miteinbezogen, die den reibungslosen Ablauf der Versammlung gewährleisten sollten bzw. gebührenrechtlich über eine andere Ermächtigungsgrundlage hätten erfasst werden müssen.

Die Verfügung vom 22.02.2005 enthält unter Ziff. 5 zur Gebührenfestsetzung lediglich den Hinweis auf die Rechtsgrundlage und darauf, dass die Gebührenfestsetzung gemessen an dem Verwaltungsaufwand unter Bedeutung des Gegenstandes für den Gebührenschuldner angemessen sei. Aus dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.05.2005 ergibt sich indes, dass die Gebührenfestsetzung nicht lediglich mit Blick auf die Auflagenverfügung nach § 15 Abs. 1 VersammlG erfolgt ist, sondern auch die Genehmigung der Verwendung von Lautsprechern im öffentlichen Verkehrsraum gemäß § 33 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StVO und Auflagen nach § 18 VersammlG hinsichtlich des Einsatzes von Ordnern miteinschließt. Das Tätigwerden (Kooperationsgespräch, Erstellen der Verfügung usw.) sei als öffentliche Leistung im Sinne des Landesgebührengesetzes einzustufen. Die öffentliche Leistung sei dem Kläger individuell zurechenbar, da er die Versammlung angemeldet und sich als deren Verantwortlicher und Veranstalter benannt habe.

Nach diesen Ausführungen ist die Beklagte erkennbar von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen bei der Gebührenfestsetzung ausgegangen. Sie hat diese auch mit Maßnahmen begründet, die nach der gesetzlichen Definition keine Auflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG darstellen, bzw. Verhaltensanweisungen miteinbezogen, die Vorkehrungen für abstrakt gefährliche Tatbestände vorsehen oder im Sinne vorsorgender Maßnahmen lediglich den reibungslosen Ablauf einer Versammlung gewährleisten sollen.

Ob die Verwendung von Ordnern, für die gemäß § 18 Abs. 2 VersammlG eine Erlaubnis ausgesprochen wurde (vgl. Ziff. 2 des Bescheids vom 22.02.2005), für sich gesehen zur Erhebung einer Verwaltungsgebühr führen kann, erscheint unter Berücksichtigung des Schutzgehaltes der Versammlungsfreiheit und des Umstandes, dass der Einsatz von Ordnern auch im Interesse der Beklagten liegen kann, eher fraglich, bedarf indes im vorliegenden Fall ebenfalls keiner abschließenden Entscheidung.

Soweit die Gebühr ausweislich des Widerspruchsbescheids der Beklagten auch für die dem Kläger antragsgemäß erteilte Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Megaphonen und Lautsprechern im öffentlichen Straßenraum nach Maßgabe der §§ 46 Abs. 1 Nr. 9, 33 Abs. 1 Nr. 1 und 1 StVO auferlegt wurde, lässt sich dies auf die Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 4 LGebG ohnehin nicht stützen.

Als Rechtsgrundlage kommt insoweit allein § 6 a Abs. 1 Nr. 1 a StVG in Betracht. Nach § 1 Abs. 1 der aufgrund der Ermächtigung des § 6 a Abs. 2 Satz 1 StVG erlassenen Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - vom 26.06.1970 (BGBl. I S. 865, berichtigt S. 1298) in der - hier maßgeblichen Fassung - vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1090) werden für Amtshandlungen u.a. im Sinne des § 6 a StVG Gebühren nach dieser Verordnung erhoben (Satz 1); die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze ergeben sich aus dem als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebTSt - (Satz 2). Nach Nr. 264 des Gebührentarifs beträgt die Gebühr für eine "Entscheidung über eine Ausnahme von einer Vorschrift der StVO je nach Ausnahmetatbestand und je Fahrzeug/Person" 20,-- DM bis 600,-- DM (nunmehr 10,20 EUR bis 767,-- EUR). Macht der Bund - wie hier - von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch, sind die Länder am Erlass eigener Gebührenregelungen gehindert (BVerwG, Urteil vom 19.01.2000 - 11 C 5.99 - NVwZ-RR 2000, 533); sie haben daher die bundesgesetzlichen Regelungen der Gebührenbemessung zugrunde zu legen.

Auf die genannten Regelungen hat sich die Beklagte indes nicht gestützt. Eine Auswechslung der Rechtsgrundlage kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte bei Ausfüllung des dort vorgesehenen Gebührenrahmens Ermessen auszuüben hat, das sie hier in Bezug auf die genannten Regelungen nicht betätigt hat.

Die angegriffene Gebührenfestsetzung ist nach alledem ermessensfehlerhaft erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 21. Januar 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 100,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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