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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 1 S 179/06
Rechtsgebiete: GG, BestattG


Vorschriften:

GG Art 12 Abs. 1
BestattG § 15 Abs. 1
Es verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Gemeinde in ihrer Friedhofssatzung den auf ihren Friedhöfen tätigen gewerblichen Bestattern die Vornahme von Dekorationen in den Aufbahrungsräumen und Trauerhallen sowie am offenen Grab trotz insoweit nachgewiesener Fachkunde nicht gestattet und diese Tätigkeit den zugelassenen Friedhofsgärtnern vorbehält.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 179/06

In der Normenkontrollsache

wegen Friedhofssatzung

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

§ 7 Abs. 3 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin vom 18. Januar 2007 wird für unwirksam erklärt, soweit sonstigen Gewerbetreibenden Dekorationstätigkeiten aller Art, insbesondere die Dekoration von Särgen, Aufbahrungsräumen, Feierhallen und Gräbern, auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin von vornherein nicht gestattet werden.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin betreibt ein Bestattungsunternehmen. Sie wendet sich gegen Bestimmungen der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin, durch die sie sich in ihrer Geschäftstätigkeit behindert sieht.

Die Friedhofssatzung (FS) vom 18.01.2007 regelt - insoweit wortgleich mit der vorher geltenden Satzung vom 08.12.2005 - in § 7 die gewerbliche Tätigkeit auf den städtischen Friedhöfen.

Die Bestimmung hat, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, folgenden Wortlaut:

§ 7 Gewerbliche Arbeiten

(1) Gewerbetreibende bedürfen für die Tätigkeit auf dem Friedhof der Zulassung durch das Garten- und Friedhofsamt. Es kann Art, Umfang und Dauer der zu verrichtenden Arbeiten festlegen. Gewerblichen Grabmalaufstellern, die nicht allgemein zugelassen sind, kann das Garten- und Friedhofsamt in Einzelfällen die Aufstellung und Unterhaltung von Grabmalen gestatten. Gärtner erhalten die Zulassung mit der Verpflichtung, Dekoration von Aufbahrungsräumen, Feierhallen und geöffneten Grabstätten einschließlich der Herrichtung oder Anlage von Grabstätten und deren Pflege zu übernehmen.

(2) Zugelassen werden Gewerbetreibende, die in fachlicher und persönlicher Hinsicht die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllen. Sie werden durch den Abschluss der Meisterprüfung, oder Eintrag in die Handwerksrolle nachgewiesen. Darüber hinaus können Gewerbetreibende zugelassen werden, die in ihrem Betrieb einen Mitarbeiter beschäftigen, der diese Voraussetzungen erfüllt. Weitere Ausnahmen kann das Garten- und Friedhofsamt zulassen.

(3) Sonstigen Gewerbetreibenden kann die Ausübung anderer als in Abs. 1 genannten Tätigkeiten gestattet werden, wenn dies mit dem Friedhofszweck vereinbar ist. Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) - (7)

Mit Schreiben vom 19.10.2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, auf deren Friedhöfen für die gewerblichen Tätigkeiten der Dekoration von Särgen, Aufbahrungsräumen, Feierhallen und Gräbern zugelassen zu werden. Das Garten- und Friedhofsamt der Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.12.2005 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Antragstellerin u.a. damit, dass der im Betrieb tätige Sohn des Inhabers die für die Ausführung von Dekorationstätigkeiten erforderliche Sachkunde besitze. Er habe im Jahr 1995 erfolgreich an einem vom Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes e.V. veranstalteten berufsbezogenen Seminar "Trauerfloristik für Bestatter" teilgenommen und im Jahr 1996 die Fortbildungsprüfung zum geprüften Bestatter vor der Handwerkskammer für München und Oberbayern erfolgreich abgelegt. Mit Bescheid vom 11.04.2006 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte aus, dass nach § 7 Abs. 1 Satz 4 FS für Dekorationsarbeiten ausschließlich Gärtner vorgesehen seien. Als Friedhofsgärtner könne die Antragstellerin nicht zugelassen werden, da sie nicht nachgewiesen habe, dass einer ihrer Mitarbeiter eine erfolgreich abgeschlossene Gärtnerausbildung besitze. Eine auf die Ausführung von Dekorationstätigkeiten beschränkte Zulassung könne nicht erfolgen, da für Teilbereiche eines Berufsbildes eine Zulassung nicht ausgesprochen werde. Die Antragstellerin hat inzwischen Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der sie ihr Ziel, zu den o.g. Dekorationstätigkeiten zugelassen zu werden, weiter verfolgt. Über diese Klage ist bislang nicht entschieden.

Am 23.01.2006 hat die Antragsstellerin das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: § 7 FS widerspreche in der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Auslegung dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip. Die Vorschrift verstoße gegen das Übermaßverbot, da sie zur Wahrung des Friedhofszwecks weder angemessen noch erforderlich sei. Die Gemeinden könnten zwar in ihre Friedhofssatzung Zulassungsbestimmungen aufnehmen und die Zulassung Gewerbetreibender von der Erfüllung bestimmter fachlicher und persönlicher Anforderungen abhängig machen; dabei müssten sich die der fachlichen Zuverlässigkeit zugrunde zu legenden Anforderungen an den jeweiligen Berufsausbildungen und Berufsbildern orientieren. Die Ausführung von Dekorationsarbeiten in Aufbahrungsräumen, Feierhallen und an Grabstätten erfordere jedoch keine Fachausbildung als Gärtner. Die entsprechenden Fertigkeiten würden nämlich in gleicher Weise im Rahmen der Ausbildung zum Bestatter gelehrt. Zum Berufsprofil des geprüften Bestatters, des Bestattermeisters (Funeralmaster) und der Bestattungsfachkraft gehörten nach den einschlägigen Vorschriften seit jeher die Durchführung der Dekorationen, die Grabgestaltung und die Erbringung jeglicher Form der Trauerfloristik. Da es sich hierbei jeweils um staatlich anerkannte Prüfungen handele, gehe es nicht an, die Zulassung grundsätzlich auch für solche Tätigkeiten nur einem Gärtnereibetrieb zu erteilen. Denn der Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung zum Gärtner sei nur für die gärtnerische Anlage von Gräbern erforderlich, worum es ihr aber nicht gehe. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit es einem geordneten und reibungslosen Ablauf der Bestattungen entgegenstehen könnte, wenn das beanspruchte Tätigkeitsfeld auch Bestattern eröffnet werde.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 7 Abs. 3 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin vom 18.01.2007 für unwirksam zu erklären, soweit sonstigen Gewerbetreibenden Dekorationstätigkeiten aller Art, insbesondere die Dekoration von Särgen, Aufbahrungsräumen, Feierhallen und Gräbern, auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin von vornherein nicht gestattet werden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor: Die angegriffenen Vorschriften verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. § 7 Abs. 1 Satz 4 FS diene dem Interesse der Friedhofsbenutzer, für die es in Fällen, in denen sie am Friedhof nur einen Friedhofsgärtner vorfänden, unzumutbar sei, an einen Friedhofsgärtner verwiesen zu werden, der seinen Betrieb in weiter Entfernung führe. § 7 FS sehe aus Gründen der Zweckmäßigkeit dem jeweiligen Berufsbild entsprechend nur die Erteilung einer Zulassung für die Tätigkeiten eines Friedhofsgärtners vor. Eine Zulassung für einen Teilbereich der Tätigkeiten, die von Friedhofsgärtnern erbracht werde, sei nach der Systematik der Vorschrift ausgeschlossen. Die Berufsfreiheit der Antragstellerin werde jedenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt, da sie durch die Berufsausübungsregelung nicht gehindert werde, in ihrer eigenen Trauerhalle nach ihren Vorstellungen zu dekorieren. Die Regelung für den Friedhofsbereich sei aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls zweckmäßig. Es werde sichergestellt, dass die Tätigkeitsbereiche von Friedhofsgärtnern und Bestattern klar abgegrenzt seien, da nur so ein geordneter und reibungsloser Ablauf der Bestattungen möglich sei und die Kunden nicht verunsichert würden. Nur eine entsprechend qualifizierte und zielgerichtete Ausbildung stelle die Qualität der einer Trauerfeier angemessenen Blumendekoration und die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften der Gartenbauberufsgenossenschaft bei Dekorationen am offenen Grab sicher. Die Dekoration von Aufbahrungsräumen und Feierhallen, die Grabdekoration und Grababdeckungen seien typische Tätigkeiten des Friedhofsgärtners; diese Tätigkeiten entsprächen weder dem Berufsbild des Bestatters, noch würden sie Bestattern in der Praxis typischerweise übertragen. Von der Ausbildung eines Bestatters her handele es sich um Randgebiete, die lediglich eine sinnvolle Ergänzung darstellten; im Wesentlichen sei die Tätigkeit des Bestatters aber am Friedhofstor bereits abgeschlossen. Der in § 7 Abs. 2 FS geforderte Sachkundenachweis diene dem Friedhofszweck, eine würdige Bestattung zu gewährleisten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag ist gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Änderung des Streitgegenstands durch Einbeziehung der in der einschlägigen Bestimmung unveränderten Neufassung der Satzung ist sachdienlich und daher entsprechend § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig, da der Streitstoff in der Sache derselbe bleibt und die Entscheidung über den neuen Antrag die endgültige Beilegung des Streits fördert.

1. Die Antragstellerin ist gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Denn sie kann geltend machen, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

Die von der Antragstellerin zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Vorschrift des § 7 Abs. 3 FS regelt deren gewerbliche Betätigung auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin, da sie zu den sonstigen Gewerbetreibenden i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 FS gehört; gemeinsam mit § 7 Abs. 1 Satz 4 FS steht § 7 Abs. 3 FS der von der Antragstellerin erstrebten Erweiterung ihres Tätigkeitsfeldes entgegen.

Im Unterschied dazu ist der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1 und Abs. 2 FS auf die Zulassung von Gewerbetreibenden als Friedhofsgärtner und als Grabmalaufsteller beschränkt; eine derartige Zulassung wird von der Antragstellerin jedoch nicht erstrebt, so dass sie durch diese Vorschriften nicht betroffen ist. Zwar spricht § 7 Abs. 1 umfassend von Gewerbetreibenden. Als zulassungsfähige Gewerbetreibende werden in Satz 3 und 4 indessen ausdrücklich nur Grabmalaufsteller und Gärtner erwähnt. Dies knüpft an die historisch gewachsene Situation an und ist Ausdruck eines Verständnisses, wonach auf Friedhöfen gewerbliche Tätigkeiten nur von Grabmalaufstellern und Friedhofsgärtnern verrichtet werden. § 7 Abs. 2 Satz 2 FS spricht ebenfalls dafür, den Begriff "Gewerbetreibende" i.S.v. Abs. 1 auf Grabmalhersteller und Friedhofsgärtner zu beschränken. Bei den dort genannten beruflichen Qualifizierungen (Eintragung in die Handwerksrolle, Ablegung der Meisterprüfung) handelt es sich nämlich - jedenfalls herkömmlich - gerade um die typischen beruflichen Qualifikationen dieser Berufsgruppen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 01.12.1986 - 1 S 667/86 -, NVwZ 1987, 723 <724>). Die Trennung in zwei Gruppen von Gewerbetreibenden - einen beschränkten Kreis, der nach Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 zugelassen wird, und sonstige Gewerbetreibende, deren Tätigkeit nach Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 1 gestattet wird - findet sich in Mustersatzungen, an die sich die streitige Bestimmung des § 7 Abs. 3 FS offenbar anlehnt. § 4 Abs. 1 der Mustersatzung des Gemeindetags Baden-Württemberg (abgedruckt in BWGZ 1983, 558) sieht vor, dass Bildhauer, Steinmetze, Gärtner und sonstige Gewerbetreibende für ihre Tätigkeit auf dem Friedhof der vorherigen Zulassung bedürfen. Hier findet sich die in § 7 Abs. 1 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin angelegte Unterscheidung zwischen Bildhauern, Steinmetzen - sie lassen sich unter dem Begriff Grabmalhersteller zusammenfassen - und Gärtnern einerseits, und den sonstigen Gewerbetreibenden andererseits. Eine ähnliche Differenzierung findet sich in § 7 der Musterfriedhofssatzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (abgedruckt bei Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl. 2004, S. 674). Dort heißt es in Absatz 1: "Steinmetze, Bildhauer, Gärtner und Bestatter bedürfen für die dem jeweiligen Berufsbild entsprechende gewerbliche Tätigkeit auf den Friedhöfen der vorherigen Zulassung durch die Friedhofsverwaltung." Absatz 3 stimmt sodann wörtlich mit § 7 Abs. 3 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin überein. Auch hier wird also unterschieden zwischen Grabmalaufstellern und Gärtnern (ergänzt durch Bestatter) einerseits und sonstigen Gewerbetreibenden andererseits.

2. Die Normenkontrolle wahrt die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO; danach kann der Normenkontrollantrag nur innerhalb von zwei Jahren, nach der Neufassung durch das Gesetz vom 21.12.2006 (BGBl. I S, 3316) innerhalb eines Jahres, nach Bekanntmachung der angegriffenen Rechtsvorschrift gestellt werden.

Dem steht nicht entgegen, dass § 7 Abs. 3 Satz 1 der Friedhofssatzung vom 18.01.2007 ebenso wie die Vorschrift in der Satzung vom 08.12.2005 wörtlich mit § 7 Abs. 3 Satz 1 der bis zum 15.12.2005 gültigen Friedhofssatzung vom 02.07.1998 übereinstimmt. Zwar ist anerkannt, dass grundsätzlich weder die Änderung einzelner Bestimmungen noch die durch die Änderung einzelner Bestimmungen veranlasste Bekanntmachung der Neufassung einer Satzung die Antragsfrist hinsichtlich einer inhaltlich unverändert gebliebenen Vorschrift erneut in Gang setzt (vgl. Urteil des Senats vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, DVBl. 2002, 416). Etwas anderes gilt jedoch, wenn in der Neuregelung bestimmt ist, dass die Gesamtregelung anstelle der alten Regelung in Kraft tritt. In einem solchen Fall läuft die Antragsfrist insgesamt von neuem, und zwar auch hinsichtlich solcher in der Neuregelung enthaltener Vorschriften, die wortgleich in der außer Kraft getretenen Regelung enthalten waren. Ein solcher Fall liegt - ungeachtet der den Satzungen jeweils vorangestellten Präambeln, in denen auf die vom Gemeinderat am 02.07.1998 beschlossene Satzung Bezug genommen wird - hier vor. Denn nach § 37 Abs. 2 der Friedhofssatzungen vom 18.01.2007 und 08.12.2005 sollten die bisher gültigen Satzungen jeweils zugleich außer Kraft treten. § 37 der Friedhofssatzungen bringt somit zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die gesamte Friedhofssatzung durch den Gemeinderat neu in Geltung gesetzt und an die Stelle der alten Friedhofssatzung treten sollte.

II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. § 7 Abs. 3 Satz 1 der Friedhofssatzung der Antragsgegnerin vom 18.01.2007 überschreitet die Grenzen der der Antragsgegnerin durch die Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 BestattG i.Vm. § 4 GemO eingeräumten Rechtssetzungsbefugnis. Sie ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und daher für unwirksam zu erklären, soweit sonstigen Gewerbetreibenden Dekorationstätigkeiten auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin von vornherein nicht gestattet werden.

1. § 7 Abs. 3 Satz 1 FS verbietet sonstigen Gewerbetreibenden die gewerbliche Betätigung jedweder Art auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin, solange ihre Tätigkeit nicht durch das Garten- und Friedhofsamt gestattet worden ist. Die Gestattung ist von vornherein ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit mit dem Friedhofszweck unvereinbar ist. Im Übrigen hängt sie gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FS davon ab, ob der Gewerbetreibende die in fachlicher und persönlicher Hinsicht an ihn zu stellenden Anforderungen erfüllt. Darüber hinaus können nach § 7 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 FS sonstigen Gewerbetreibenden bestimmte Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Grabmalaufstellers sowie des Gärtners gehören, überhaupt nicht gestattet werden. Dazu zählen im Fall des Gärtners insbesondere auch Dekorationstätigkeiten jeder Art, wobei neben der ausdrücklich erwähnten Dekoration von Aufbahrungsräumen, Feierhallen und geöffneten Grabstätten etwa auch die Dekoration von Särgen in Betracht kommt.

2. Diese Beschränkung der Tätigkeit auch der Antragstellerin ist am Grundrecht der Berufsfreiheit zu messen.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.06.2002 (- 1 S 2725/00 -, NVwZ-RR 2003, 142 <144>) ausgeführt hat, erfasst der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Schutz der Berufsfreiheit auch die gewerbliche Betätigung innerhalb einer öffentlichen Einrichtung, die mit Anstaltscharakter betrieben wird. Die in früheren Urteilen (s. z.B. Urteil des Senats vom 01.12.1986 - 1 S 667/86 -, NVwZ 1987, 723) im Anschluss an die damalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 31.01.1979 - 7 B 8.79 -, Buchholz 408.2 Friedhofsbenutzung Nr. 7) vertretene gegenteilige Auffassung, auf die sich die Antragsgegnerin anfänglich berufen hat, hat der Senat in der genannten Entscheidung ausdrücklich aufgegeben. Denn mit Blick auf die Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) kann auch die von einer Gemeinde als Friedhofsträger für sich in Anspruch genommene Anstaltsgewalt keinen "grundrechtsfreien Raum" begründen. Da Art. 12 Abs. 1 GG auf möglichst unreglementierte berufliche Betätigung abzielt, stellt jede Regelung, die bewirkt, dass eine beruflichen Tätigkeit nicht in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann, einen Eingriff in dieses Grundrecht dar.

3. Dieser Eingriff durch § 7 Abs. 3 FS ist durch den Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach die Berufsausübung durch oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann, nur teilweise gedeckt.

a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG regelt § 7 Abs. 3 Satz 1 FS die Berufsausübung. Die Vornahme bestimmter Tätigkeiten ausschließlich auf dem Friedhof stellt - bei Orientierung an den typischen Berufsbildern - keinen eigenständigen Beruf dar, sondern ist Teil der von dem jeweiligen Gewerbetreibenden ausgeübten Tätigkeit, so dass § 7 Abs. 3 FS nur die Bedingungen und Modalitäten bestimmt, unter denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht. Eine Berufsausübungsregelung ist zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt ist (siehe hierzu nur Wieland in: Dreier <Hg.>, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 117 ff. m.N.).

b) Soweit § 7 Abs. 3 FS eine Gestattung nur für den Fall vorsieht, dass die erstrebten Tätigkeiten mit dem Friedhofszweck vereinbar sind, und sie davon abhängig macht, dass der Gewerbetreibende die an ihn in fachlicher und persönlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen erfüllt, ist der hierin liegende Eingriff in die Berufsfreiheit zur Sicherung des Friedhofszwecks (vgl. 15 Abs. 1 BestattG) geeignet, erforderlich und angemessen. Er beruht daher auf vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls. Dies bedarf keiner näheren Darlegung, zumal die Rechtmäßigkeit von § 7 Abs. 3 FS von der Antragstellerin insoweit auch nicht in Zweifel gezogen wird.

c) Demgegenüber vermag der Senat einen vernünftigen Grund für die Regelung nicht zu erkennen, einen Gewerbetreibenden, der zwar mangels abgeschlossener Gärtnerausbildung nicht nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 FS als Friedhofsgärtner zugelassen werden, seine Fachkunde im Hinblick auf die Vornahme von Dekorationsarbeiten jedoch auf andere Weise nachweisen kann, von vornherein von Dekorationstätigkeiten auszuschließen und diese Gärtnern vorzubehalten. Eine derartige Beschränkung ist nicht notwendig, um Tote geordnet und würdig zu bestatten, beizusetzen und zu ehren oder die Ordnung auf dem Friedhof aufrecht zu erhalten. Die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe überzeugen nicht. Es leuchtet nicht ein, dass nur durch eine klare Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche von Friedhofsgärtnern und Bestattern ein geordneter und reibungsloser Ablauf der Bestattungen möglich sein soll. Soweit bei der jeweiligen Bestattung der Auftrag - wie zu erwarten - in eindeutiger Weise an in der Regel nur einen Unternehmer erteilt wird, sind Unzuträglichkeiten nicht zu besorgen. Für solche Störungen ist insbesondere dann auch nichts ersichtlich, wenn der Bestatter seine Leistungen für den Auftraggeber durch Dekorationstätigkeiten auf dem Friedhof abrundet.

Um zu gewährleisten, dass für Bestattungen nur dem Anlass angemessene Blumendekorationen verwendet werden, ist die Beschränkung von Dekorationstätigkeiten auf Gärtner ebenfalls nicht notwendig. Dieses Ziel kann vielmehr bereits dann erreicht werden, wenn eine Person tätig wird, bei der von einer entsprechenden Sachkunde auszugehen ist. Der hierfür erforderliche Nachweis kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht nur durch eine abgeschlossene Gärtnerausbildung oder die Ablegung der Meisterprüfung als Gärtner erbracht werden. So liegt auf der Hand, dass etwa ein Floristmeister, der nach dem Urteil des Senats vom 19.10.1987 - 1 S 3274/86 - zwar nicht als Friedhofsgärtner zuzulassen ist, gleichwohl die für die Dekorationstätigkeiten erforderliche Sachkunde - jedenfalls bezogen auf Aufbahrungsräume und Feierhallen - besitzt; denn das Schwergewicht seiner Tätigkeit liegt gerade in der Gestaltung des Blumenschmucks. Bei gewerblichen Bestattern spricht ausweislich der einschlägigen Bestimmungen in den Aus- und Fortbildungsvorschriften alles dafür, dass durch die erfolgreiche Abschlussprüfung auch insoweit die erforderlichen Kenntnisse nachgewiesen sind. So umfasst nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 der besonderen Rechtsvorschriften für die Fortbildungsprüfung "Geprüfter Bestatter/Geprüfte Bestatterin" bzw. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 der besonderen Rechtsvorschriften für die Fortbildungsprüfung zum Funeralmaster (Bestattermeister/Bestattermeisterin) der fachpraktische Teil der Prüfung jeweils eine Dekoration in der Trauerhalle oder am Grab, und der fachtheoretische Teil erstreckt sich auch auf die Trauerfloristik. Im Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zur Bestattungsfachkraft (Verordnung über die Entwicklung und Erprobung des Ausbildungsberufs Bestattungsfachkraft vom 03.07.2003, BGBl. I S. 1264, 1269) wird unter Nr. 12 "Durchführung von Trauerfeiern und Bestattungen" bei den grabtechnischen Arbeiten ausdrücklich folgendes angeführt: "Grabstellen für die Bestattung anlegen und dekorieren". Unter der Rubrik "Vorbereiten, Organisieren und Durchführen von Bestattungen" wird die Trauerfloristik und die Dekoration zwar nicht ausdrücklich benannt; ausweislich des von der Antragstellerin auszugsweise vorgelegten Berichts des Bundesinstituts für Berufbildung - BIBB - über die Evaluation "Ausbildungsberuf Bestattungsfachkraft" stellen indessen sowohl die Dekoration der Trauerhalle als auch die Trauerfloristik wichtige Ausbildungsinhalte dar. Zusätzliche Hinweise auf ihre Fachkunde können gegebenenfalls Personen aufweisen, die - wie der Sohn des Inhabers der Antragstellerin - an einem anerkannten Seminar für Trauerfloristik teilgenommen haben.

Auch der Hinweis der Antragsgegnerin, dass für Dekorationen am offenen Grab die Unfallverhütungsvorschriften der Gartenbauberufsgenossenschaft einzuhalten seien, was eine entsprechend qualifizierte und zielgerichtete Ausbildung voraussetze, rechtfertigt es nicht, andere Personen als Gärtner von vornherein auszuschließen. Wird für Dekorationen am offenen Grab - sofern für derartige Dekorationen in der Praxis überhaupt ein Bedarf besteht - eine Gestattung begehrt, gehört zur fachlichen Eignung auch die entsprechende Sachkenntnis. Diese kann wiederum ausweislich der einschlägigen Bestimmungen in den Aus- und Fortbildungsvorschriften für gewerbliche Bestatter vorausgesetzt werden. So umfasst nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 sowohl der besonderen Rechtsvorschriften für die Fortbildungsprüfung "Geprüfter Bestatter/Geprüfte Bestatterin" wie auch zum Funeralmaster (Bestattermeister/Bestattermeisterin) das "Einbringen einer Schalung im Grab, Herrichten des Grabes zur Beerdigung, Überbauung eines Nachbargrabes". Im Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zur Bestattungsfachkraft wird unter Nr. 12 bei den grabtechnischen Arbeiten folgendes angeführt: "Grabstellen einrichten, öffnen und schließen; Grabstellen für die Bestattung anlegen und dekorieren".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 29.03.2007

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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