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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 1 S 1925/06
Rechtsgebiete: VwGO, TierSchG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
TierSchG § 16a Satz 2 Nr. 2
Ein Leistungsbescheid, mit dem die Behörde nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG Kosten für die Unterbringung von Tieren geltend macht, die sie dem Halter fortgenommen hat, ist nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar (a.A. BayVGH, Beschluss vom 09.06.2005 - 25 CS 05.295, NuR 2006, 183).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

1 S 1925/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Kostenbescheid

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 27. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. August 2006 - 2 K 1156/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 321 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO festgestellt, dass dem Widerspruch der Antragstellerin vom 17.06.2006 gegen den Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 12.06.2006 nach dem in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierten Grundsatz aufschiebende Wirkung zukommt; mit diesem Bescheid hat das Landratsamt auf der Grundlage des § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG Kosten für die Unterbringung von Hunden geltend gemacht, die der Antragstellerin mit Verfügung vom 23./30.05.2006 fortgenommen worden sind.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt; danach entfällt die aufschiebende Wirkung nur bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Unter diese Rechtsbegriffe fällt die mit dem angefochtenen Leistungsbescheid geltend gemachte Kostenerstattungsforderung aber nicht.

Eine öffentliche Abgabe im Sinne dieser Vorschrift steht ersichtlich nicht in Rede. Hierunter sind neben Steuern, Gebühren und Beiträgen auch sonstige öffentlich-rechtliche Geldforderungen zu verstehen, die von allen erhoben werden, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, NVwZ 1993, 1112). Die hier für den Wegfall des Suspensiveffekts tragende Erwägung, im Interesse der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung der öffentlichen Hand die Stetigkeit des Mittelflusses zu gewährleisten (vgl. Schoch in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, § 80 Rn. 113), erfasst den Kostenerstattungsanspruch nicht.

Die geforderte Geldleistung zählt auch nicht zu den öffentlichen, d.h. öffentlich-rechtlichen, Kosten i.S. dieser Vorschrift. Hierunter sind - nach Maßgabe der einschlägigen kostenrechtlichen Bestimmungen (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13.04.1995 - 2 S 3/95 -, NVwZ-RR, 1995, 575; OVG Hamburg, Beschluss vom 04.05.2000 - 3 Bs 422/98 -, NVwZ-Beilage 2000, 146 <147>) - die in einem Verwaltungsverfahren nach tariflichen Vorgaben oder doch leicht erkennbaren Merkmalen erhobenen (Verwaltungs-)Gebühren nebst den mit ihnen verbundenen Auslagen zu verstehen. Demgegenüber zählen hierzu nicht die durch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles geprägten Kostenerstattungsansprüche, mit denen die Behörde den Ersatz von finanziellen Aufwendungen fordert, mit denen sie der Sache nach für den Schuldner in Vorlage getreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats trifft dies insbesondere auf die Kosten zu, die der Behörde durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden sind und die sie vom Pflichtigen ersetzt verlangt (siehe zu § 8 Abs. 2 PolG Beschluss vom 09.06.1986 - 1 S 376/86 -, NVwZ 1986, 933; zu § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG Beschluss vom 09.09.1999 - 1 S 1306/99 -, NVwZ-RR 2000, 189 f.; so etwa auch Sächs. OVG, Beschluss vom 26.10.1995 - 3 S 387/95 -, SächsVBl 1996, 70; OVG Brandenburg, Beschluss vom 17.11.1999 - 4 B 99/99 -, LKV 2000, 313; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 8 Rn. 38; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl. 2002, Rn. 893; Schoch, a.a.O, § 80 Rn. 118, 120; Puttler in: Sodan/Ziekow <Hg.>, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 80 Rn. 62; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1999, Rn. 689, jeweils m.w.N., auch zur Frage der Kosten der Ersatzvornahme). Ein solcher Fall des Kostenersatzes wird von der Vorschrift des § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG mit umfasst; denn sie ermächtigt die Behörde auch zu einem Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, NuR 2006, 441 <443> m.w.N.; siehe auch Thum, NuR 2001, 555 <564 f.>). An der hier relevanten Einordnung der nach der Fortnahme der Tiere für deren pflegliche Unterbringung angefallenen Kosten ändert sich aber auch dann nichts, wenn wie im vorliegenden Fall eine Fortnahmeverfügung ergeht und im Wege des unmittelbaren Zwangs vollstreckt wird; denn den von der Behörde auf spezialgesetzlicher Grundlage geltend gemachten Aufwendungen fehlt jedenfalls die für Auslagen kennzeichnende Verknüpfung mit einem Gebührentatbestand.

Der abweichenden Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs, auf die sich der Antragsgegner beruft (Beschluss vom 09.06.2005 - 25 CS 05.295 -, NuR 2006, 183), folgt der Senat nicht. Sie beruht auf einem weitem Verständnis des Begriffs der Kosten i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, der letztlich entscheidend auf den Finanzbedarf und die Deckungsprobleme der öffentlichen Haushalte abstellt (vgl. die in Bezug genommenen Beschlüsse des BayVGH vom 15.11.1993 - 22 CS 93.1481 -, NVwZ-RR 1994, 471 <472> und vom 27.06.1994 - 20 CS 94.1270 -, NVwZ-RR 1994, 618 <619>). Dies wird indessen dem Ausnahmecharakter des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nicht gerecht (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.2002 - 11 S 2443/01 -, InfAuslR 2002, 286 <287>).

Dem Eintritt der aufschiebenden Wirkung steht schließlich auch die Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 Satz 1 LVwVG nicht entgegen. Denn selbst wenn man die Ansicht vertreten wollte, dass ungeachtet des eigenständigen Charakters der Kostenerstattungsvorschrift des § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG (siehe bereits zur Vorläufervorschrift in § 2 Abs. 3 TierSchG OVG NRW, Urteil vom 18.10.1979 - IV A 2512/78 -, OVGE 34, 240 <243 f.>) angesichts der Nähe zur Verwaltungsvollstreckung der Anwendungsbereich des § 12 Satz 1 LVwVG nicht von vornherein verschlossen sei, fehlte es jedenfalls, wie in der genannten Vorschrift vorausgesetzt, an einer Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung (vgl. zu den Kosten der Ersatzvornahme VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.01.1991 - 8 S 34/91 -, NVwZ-RR 1991, 512; Schoch, a.a.O, § 80 Rn. 136p m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 53 Abs. 3 Nr. 2 sowie § 63 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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