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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 1 S 1997/08
Rechtsgebiete: VwGO, GG, LMedienG


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2
LMedienG § 20 Abs. 4 Satz 1
LMedienG § 20 Abs. 5
LMedienG § 21 Abs. 5
Eine im Lauf der Lizenzierungsperiode freiwerdende Übertragungskapazität kann vom Vorstand der Landesanstalt für Kommunikation mit Zustimmung des Medienrats ohne Ausschreibungsverfahren vorübergehend neu zugewiesen werden.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 1997/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Nutzung einer Rundfunkfrequenz

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Januar 2008 - 1 K 3376/06 - geändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2006 in Ziff. 2, soweit er die Übertragungskapazität Karlsruhe 104,8 MHz, 1 kW, betrifft, und in Ziff. 3, sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.08.2006 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung im Urteil des Verwaltungsgerichts wird wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin trägt 2/3, die Beklagte trägt 1/3 der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, Veranstalterin eines nichtkommerziellen Hörfunkprogramms, begehrt die Feststellung, dass die Duldung der vorübergehenden Nutzung einer Übertragungskapazität durch einen Mitbewerber rechtswidrig war.

Mit Bescheiden vom 24.11.2003 wies die Beklagte die Übertragungskapazität Karlsruhe 104,8 MHz, 1 kW, die für nichtkommerzielle Hörfunkprogramme (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LMedienG) und - mit einem Sendezeitanteil von 45 Wochenstunden - für sogenannte Lernradios (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LMedienG) ausgeschrieben worden war, den drei Bewerbern wie folgt zu: Die Übertragungskapazität für ein Lernradioprogramm wurde dem IFM - Institut zur Förderung von Wissenschaft und Ausbildung im Bereich der Neuen Medien e.V. - mit einem Sendezeitanteil von 25 Stunden in den Zeiten von montags bis freitags von 7:00 bis 12:00 Uhr sowie der Beigeladenen mit einem Sendezeitanteil von 20 Stunden in den Zeiten von montags bis donnerstags von 17:00 bis 22:00 Uhr zugewiesen. Der verbleibende Sendezeitanteil von 123 Stunden wurde der Klägerin zur Verbreitung eines nichtkommerziellen Hörfunkprogramms zugewiesen. Im Übrigen wurde der auf Zuweisung der vollen Sendezeit - davon 9 Wochenstunden Lernradioprogramm - gerichtete Antrag der Klägerin abgelehnt. Gegen die sie beschwerende Zuweisungsentscheidung erhob die Klägerin nach erfolglosem Widerspruch Klage.

Nachdem das IFM im Jahr 2005 den Sendebetrieb aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten eingestellt hatte, erteilte die Beklagte zunächst am 24.11.2005 die Zustimmung zur übergangsweisen Verbreitung des Programms der Beigeladenen auf den dem IFM zugewiesenen Sendefrequenzen. Hiergegen wandte sich die Klägerin und beantragte bei der Beklagten, ihr diese Übertragungskapazitäten vorläufig zuzuweisen. Am 06.03.2006 beschloss die Beklagte, die Neuausschreibung der Frequenz für Lernradios vorzubereiten, und forderte die Klägerin und die Beklagte auf, zur Füllung der Sendelücke für eine Übergangsfrist Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 13.04.2006 verzichtete das IFM auf die Übertragungskapazität Karlsruhe 104,8 MHz, 1 kW, sowie auf die weitere ihm mit Bescheid vom 08.12.2003 zugewiesene Kapazität Bruchsal 91,2 MHz, 0,1 kW. Mit einem an die Klägerin und die Beigeladene gerichteten Bescheid vom 27.04.2006 stellte die Beklagte daraufhin diesen Sachverhalt fest (Ziff. 1) und führte aus, dass geduldet werde, dass die Beigeladene ihr Programm gemäß Zulassung vom 24.11.2003 vorübergehend in der Zeit ab dem 01.05.2006 auf den genannten Frequenzen und Sendezeiten verbreite; die Duldung ende mit der Zuweisung der genannten Kapazität nach erfolgter Neuausschreibung und Neulizenzierung (Ziff. 2). Der Antrag der Klägerin wurde abgelehnt (Ziff. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die knappen Ressourcen von Übertragungskapazitäten im Rundfunkbereich im Interesse der Meinungsvielfalt und Wirtschaftlichkeit möglichst lückenlos genutzt werden sollten. Deswegen sollten die bisher vom IFM genutzten Sendezeiten vorübergehend auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 LMedienG der Beigeladenen als bereits zugelassenem Veranstalter zur Verfügung gestellt werden. Der Vorstand habe sich an seiner ursprünglichen Auswahlentscheidung orientiert; schon damals habe man sich für die Zuweisung an ein Lernradio entschieden. Auf die Bruchsaler Frequenz habe sich die Klägerin nicht beworben. Bei der Karlsruher Frequenz sei schon damals das Lernradiokonzept der Beigeladenen als besser eingestuft worden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2006, zugestellt am 10.08.2006, zurück.

Die Klägerin hat am 11.09.2006, einem Montag, Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und die Aufhebung der Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Bescheids beantragt. Nachdem die Beklagte im Laufe des Klageverfahrens die Frequenzen in Karlsruhe und Bruchsal neu ausgeschrieben und mit Bescheid vom 13.12.2007 der Beigeladenen zugewiesenen hatte, hat die Klägerin hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids beantragt.

Mit Urteil vom 08.01.2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Hauptantrag sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Insoweit habe sich die Anfechtungsklage in der Hauptsache erledigt, da die Bescheide keine rechtlichen Wirkungen mehr hätten. Gleichfalls unzulässig sei die Fortsetzungsfeststellungsklage. Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 17.07.2008 - 1 S 552/08 - hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen, soweit die Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen worden ist, und den Zulassungsantrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer konkreten Wiederholungsgefahr, denn auch die Beigeladene sei weder willens noch in der Lage, die ihr zur Verfügung gestellten Sendezeiten zu nutzen, sodass sie die ihr zugewiesene Frequenz voraussichtlich zurückgeben werde. Es sei zu erwarten, dass wiederum keine Ausschreibung erfolge. Des Weiteren sei ein Feststellungsinteresse unter Beachtung der Grundrechtsrelevanz des angefochtenen Bescheids sowie der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auch deswegen zu bejahen, weil sich eine vorläufige Zuweisung typischerweise kurzfristig erledige und daher eine Hauptsacheentscheidung regelmäßig nicht ergehen könne. Der Bescheid sei rechtswidrig. Es gebe keine Rechtsgrundlage für eine Duldung, die ohne Ausschreibung bewilligt werde. Ein solches Vorgehen ermögliche der Beklagten in unzulässiger Weise, auf den Bewerberkreis einzuwirken. Jedenfalls bedürfe jegliche Zuweisungsentscheidung einer Zustimmung des Medienrats, da auch vorläufige Regelungen weitreichende Auswirkungen auf spätere Frequenzzuweisungen hätten. Schließlich sei die getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig. Sie sei ermessensfehlerhaft lediglich an den Erwägungen ausgerichtet, die Frequenz an einen Lernradioveranstalter zu vergeben, ohne die Qualität von dessen Angebot zu berücksichtigen. Damit seien die Zuweisungskriterien des § 21 Abs. 5 LMedienG verkannt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 7. Januar 2008 - 1 K 3376/06 - zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2006 in Ziff. 2, soweit er die Übertragungskapazität Karlsruhe 104,8 MHz, 1 kW, betrifft, und in Ziff. 3, sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.08.2006 rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein Feststellungsinteresse habe die Klägerin nicht dargelegt. Der Vortrag zur Wiederholungsgefahr sei spekulativ; es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene auf ihre Zuweisung verzichten werde. Auch unter Berücksichtigung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes sei ein Feststellungsinteresse nicht anzuerkennen. Ein Zeitraum von wie hier 19 Monaten sei für den Rechtsschutz in der ersten Instanz ausreichend. Die streitige vorläufige Zuweisung in Gestalt der Duldung sei zwar vorübergehender Natur, jedoch aufgrund der zeitlichen Erfordernisse eines neuen Ausschreibungsverfahrens so lang bemessen, dass ein Vergleich mit der Fallgruppe kurzfristiger polizeilicher Anordnungen oder Zwangsmaßnahmen ausscheide. Schließlich handele es sich um einen bislang einmaligen Fall, der sich nicht für eine typisierende Betrachtungsweise eigne.

Der angefochtene Bescheid sei im Übrigen rechtmäßig gewesen. Mit der Entscheidung über eine vorübergehende Frequenznutzung sei eine Sondersituation bewältigt worden, um Nachteile für die weiteren Nutzer der Sendefrequenzen abzuwenden. Von einer Ausschreibung habe angesichts der Dringlichkeit der Zuweisung und deren Befristung abgesehen werden können; anderenfalls wäre die beabsichtigte fortgesetzte Nutzung der Frequenz unmöglich gewesen. Bereits das Gesetz sehe in § 20 Abs. 4 LMedienG Fallgestaltungen vor, in denen auf eine Ausschreibung verzichtet werden könne. Eine Zustimmung des Medienrats sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich nicht um eine endgültige Zuweisung gehandelt habe. Darüber hinaus habe sich die Beklagte an der Auswahlentscheidung vom 27.11.2003 orientiert und damit die vom Medienrat gedeckte Priorisierung von Lernradios umgesetzt. Der Beitrag zur Meinungsvielfalt, die der Medienrat insbesondere zu gewährleisten habe, sei bereits bei dieser Entscheidung mit dem ihm zukommenden Gewicht gewürdigt worden. Schließlich habe sie davon ausgehen dürfen, dass das Programm der Beigeladenen zur Ausfüllung der zugewiesenen Sendefrequenzen geeignet gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat liegen die Verfahrensakten der Beklagten und die Gerichtsakten aus dem Klageverfahren sowie aus den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 1 S 1024/06 -, - 1 S 2171/08 - und - 1 S 2546/08 - vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den im Berufungsverfahren allein noch anhängigen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Unrecht abgewiesen.

I. Der nach Erledigung des Anfechtungsbegehrens gestellte Feststellungsantrag ist zulässig. Die Klägerin kann sich auf ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids berufen.

1. Es spricht allerdings vieles dafür, dass hier nicht schon der geltend gemachte Eingriff in die verfahrensrechtlichen Schutzwirkungen des Grundrechts der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. Urteil des erk. Senats vom 11.10.2006 - 1 S 1742/04 -, ESVGH 57, 91 <92 f.>) verbunden mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz dieses Interesse begründet. Weder dürfte davon auszugehen sein, dass bei einer Verfügung, mit der die Nutzung einer Frequenz vorübergehend geduldet wird, Rechtsschutz in der Hauptsache typischerweise nicht zu erlangen ist (vgl. zu solchen Fallkonstellationen Urteil des erk. Senats vom 14.04.2005 - 1 S 1162/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N., sowie zuletzt BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18.09.2008 - 2 BvR 683/08 -, ZIP 2008, 2027 <juris Rz. 15> und vom 20.04.2007 - 2 BvR 203/07 -, BVerfGK 11, 54 <57>), noch dürfte dem Verwaltungsgericht eine rechtsstaatswidrige überlange Verfahrensdauer vorzuhalten sein, aus der Gründe für die Abweisung des Rechtsschutzbegehrens als unzulässig nicht abgeleitet werden dürfen (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.12.2006 - 2 BvR 803/05 -, BVerfGK 10, 129 <131 f.>).

2. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6) ist ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr gegeben.

Von einer solchen Situation ist auszugehen, wenn die hinreichend bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, ist dabei allerdings nicht die Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden, wie dies vor Erledigung des Verwaltungsakts der Fall war. Für das Feststellungsinteresse ist vielmehr entscheidend, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.12.2007 - 6 C 42.06 -, NVwZ 2008, 571 f.; vom 25.09.2008 - 7 A 4.07 -, NVwZ-RR 2009, 588 <589>; siehe dazu auch Mehde, VerwArch 100 <2009>, 432 <437 f.>). Hiernach scheitert die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht daran, dass sich die Zuweisungsentscheidung in einer Konkurrenzsituation jeweils nach den Verhältnissen des konkreten Einzelfalles richtet. Denn die Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten betreffen bereits grundlegende verfahrensrechtliche Fragen der streitigen Duldungsverfügung. Auch vor diesem Hintergrund kann eine Wiederholungsgefahr zwar entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht mit der Erwartung begründet werden, dass die Beigeladene die ihr mittlerweile im Anschluss an die vorläufige Zuweisung endgültig bis zum 31.12.2011 zugewiesene Frequenz wegen finanzieller oder inhaltlicher Unzulänglichkeiten zurückgeben oder die Beklagte ein Widerrufsverfahren einleiten wird. Das Programm der Beigeladenen weist keine Defizite auf, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten (siehe Beschluss des erk. Senats vom 13.01.2009 - 1 S 2171/08 -). Die Beklagte hat jedoch mittlerweile eine weitere Duldung und wiederum zum Nachteil der Klägerin erteilt. Nachdem das Verwaltungsgericht die mit Bescheid vom 24.11.2003 an die Beigeladene verfügte Zuweisung der Übertragungskapazität Karlsruhe 104,8 MHz, 1 kW, mit einem Sendezeitanteil von 20 Stunden von montags bis donnerstags von 17:00 bis 22:00 Uhr auf die zulässige Klage der Klägerin (vgl. Beschluss des erk. Senats vom 24.11.2008 - 1 S 2546/08 -) aufgehoben hat, hat die Beklagte diese Frequenz wie auch zuvor ohne vorherige Ausschreibung und ohne Mitwirkung des Medienrats einstweilen der Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Ein fortbestehendes Interesse an der rechtlichen Überprüfung des von der Klägerin angefochtenen Bescheids kann hiernach nicht verneint werden.

II. Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide waren rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.

1. Das Vorgehen der Beklagten kann sich allerdings dem Grunde nach auf eine Rechtsgrundlage stützen, die dem Parlamentsvorbehalt für alle strukturprägenden rundfunkpolitischen Entscheidungen (vgl. dazu BVerfGE 57, 295 <320 ff.>; 114, 371 <368 ff.>) genügt. Bei der von der Beklagten mit Duldung umschriebenen Verfügung, die die Verbreitung eines Hörfunkprogramms auf einer bestimmten Frequenz ermöglicht, handelt es sich der Sache nach um die Zuweisung von Übertragungskapazitäten i.S.v. § 20 Abs. 5 Halbs. 1 LMedienG.

Eine Duldung bezeichnet im Allgemeinen eine verbindliche Regelung dahingehend, von bestehenden Eingriffs- und Untersagungsbefugnissen keinen Gebrauch zu machen (vgl. nur U. Stelkens in: Stelkens u.a. <Hg.>, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 92 m.N.). In diesem Sinn wird der Begriff von der Beklagten indessen nicht verwendet. Sie will damit nicht etwa auf ihr nach der Generalklausel des § 32 Abs. 1 LMedienG zustehende Befugnisse verzichten, die ihr zum Einschreiten gegen eine ungeregelte Frequenznutzung durch die Beigeladene zur Verfügung stehen. Vielmehr soll damit gewährleistet werden, dass die Beigeladene die Frequenz, die nicht einem freien Zugriff unterliegt, ordnungsgemäß - nämlich innerhalb des vom Landesmediengesetz errichteten Rechtsrahmens - nutzt. Das setzt bei einem privaten Veranstalter gem. § 18 Abs. 1, § 20 Abs. 5 LMedienG eine Zuweisung voraus. Als eine solche hat die Beklagte ihre Verfügung der Sache nach auch verstanden.

2. Die Verfügung der Beklagten genügt indessen nicht den im Vergleich zum Regelfall teilweise modifizierten formellen Anforderungen an eine Zuweisungsentscheidung.

Die Zuweisungsentscheidung war von besonderen Umständen geprägt, weil die zuzuweisende Kapazität im Laufe des regulären Lizenzierungszeitraums von 8 Jahren (§ 20 Abs. 6 Satz 1 LMedienG) freigeworden war. Eine neue Zuweisung an einen sendebereiten Hörfunkveranstalter war in dieser Situation dringlich. Denn die gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere der Förderung und Sicherung der Meinungsvielfalt verpflichtete Rundfunkordnung des Landesmediengesetzes gebietet, dass vorhandene ausgewiesene Übertragungskapazitäten nicht - auch nicht vorübergehend - brachliegen, sondern genutzt werden (siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 21.10.1998 - 6 A 1.97 -, BVerwGE 107, 275 <290 f.>). Die in einer solchen Situation gegebene Eilbedürftigkeit kann Abweichungen von der für den Regelfall gesetzlich vorgesehenen Verfahrensweise rechtfertigen, ohne dass es dafür einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte. Denn der Gesetzgeber kann und muss nicht jegliche denkbare Fallkonstellation vorausschauend regeln. Vielmehr sind Ausnahmesituationen unter größtmöglicher Beachtung der gesetzgeberischen Entscheidungen zu bewältigen. Dabei haben die Verfahrensregelungen je nach ihrer auch materiellen Bedeutung ein unterschiedliches Gewicht.

a) Der Verzicht auf eine ordnungsgemäße Ausschreibung nach § 20 Abs. 4 Satz 1 LMedienG war hiernach nicht zu beanstanden.

Eine Ausschreibung, die ein zeitaufwändiges Verfahren einleitet, stünde dem Anliegen entgegen, die Frequenz möglichst umgehend wieder dem Sendebetrieb zur Verfügung zu stellen. Dieses Anliegen begrenzt zugleich die zulässige Geltungsdauer der Zuweisung. Sie kann nur eine vorübergehende sein, die den Zeitraum bis zu einer endgültigen Neuzweisung auf der Grundlage eines ordentlichen Verfahrens überbrückt. Eine solche Regelung hat die Beklagte getroffen, indem sie die Geltungsdauer der Zuweisung auf den Zeitpunkt der endgültigen Zuweisung befristet hat.

Der so bemessene Übergangszeitraum darf nicht übermäßig ausgedehnt werden. Deswegen ist es in der Regel geboten, die Frequenz in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem verkürzten Verfahren einer vorläufigen Zuweisung neu auszuschreiben. Die Beklagte hat hier die Frequenz zwar erst im Mai 2007 neu ausgeschrieben. Diese zeitliche Verzögerung ist indessen angesichts der gegebenen Umstände unschädlich. Denn vor dem Hintergrund des Verfahrensstandes des auch von der Klägerin gegen die Frequenzausweisung in der Nutzungsplanverordnung angestrengten Normenkontrollverfahrens - eine erste mündliche Verhandlung hatte am 21.04.2006 stattgefunden - war in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Duldung eine Ausschreibung auf der Grundlage der angegriffenen und vom Senat mit Urteil vom 11.10.2006 (- 1 S 1742/04 -, ESVGH 57, 91) für nichtig erklärten Ausweisung der betreffenden Übertragungskapazität nicht angezeigt. Nach der Entscheidung des Senats war erst die neue Zuweisung abzuwarten.

Durch den Verzicht auf eine Ausschreibung wird zwar nicht allen potentiellen Interessenten die Chance auf eine Zuweisung eröffnet. Er ist aber dann zulässig, wenn die Beklagte die ihr bekannten Interessenten zur Bewerbung auffordert. Hier bietet sich - wie auch geschehen - die Orientierung am ursprünglichen Bewerberkreis an. Insbesondere hat die Beklagte hierbei zutreffend den von der Klägerin bereits zuvor gestellten Antrag auf Frequenzzuweisung berücksichtigt.

b) Die Zuweisungsentscheidung leidet hingegen an einem Verfahrensfehler, weil der Medienrat nicht beteiligt worden ist.

Bei der Entscheidung, wem die Frequenz - wenn auch nur übergangsweise - zugewiesen wird, muss die Beklagte im Rahmen der Ausweisung die Grundsätze eines chancengleichen Zugangs unter Wahrung der Meinungsvielfalt beachten. Eine Zuweisung an öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder gar eine eigene Programmveranstaltung durch die Beklagte, wie von der Klägerin im Interesse einer bewerberneutralen Vergabe angeregt, scheidet damit von vornherein aus. Vielmehr muss sich die Beklagte an dem vom Gesetz allgemein formulierten Kriterien für die Auswahl orientieren (§ 21 Abs. 5 LMedienG). Für diese komplexe Entscheidung, die sich auch am Ziel der Gewährleistung von Meinungsvielfalt zu orientieren hat, sieht § 20 Abs. 5, § 42 Abs. 2 Nr. 1 LMedienG die Zustimmung des Medienrats vor, der in seiner pluralistischen Zusammensetzung (§ 41 Abs. 1 LMedienG) eine gruppenvielfältige Kontrolle der Vorschläge des Vorstands der Beklagten garantiert (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.02.1992 - 10 S 278/91 -, ESVGH 42, 185 <197>). Gerade damit wird die Rundfunkfreiheit ergänzend prozedural gesichert (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31.07.2007 - 1 BvR 946/07 -, NVwZ 2007, 1304 <1305>) und zugleich die Annahme eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums gerechtfertigt (siehe Beschluss des erk. Senats vom 13.12.2002 - 1 S 2084/02 -, VBlBW 2003, 317 <318 f.>).

An diesem Zustimmungserfordernis ist auch bei einer zeitlich begrenzten vorläufigen Zuweisung festzuhalten. Eine Abweichung ist zum einen nicht in Anlehnung an die in § 20 Abs. 5 LMedienG geregelten Ausnahmen geboten. Die Vorschrift nimmt zwar bestimmte Zuweisungen - die zur Durchführung von Pilotprojekten und Betriebsversuchen (§ 16 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LMedienG) sowie zur Frequenzarrondierung zur Ermöglichung von wirtschaftlich leistungsfähigen Rundfunkveranstaltungen - von diesem Erfordernis aus aufgrund der Erwägung, dass diese Zuweisungen von geringerer Meinungsrelevanz sind und damit zugleich die notwendige Flexibilität ermöglicht wird (vgl. LT-Drs. 12/4026 S. 60). Wenn auch bei einer nur für einen Übergangszeitraum geltenden Zuweisung der Einfluss dieser Entscheidung auf die Meinungsvielfalt geringer sein mag als bei der Ausschöpfung einer vollen Lizenzierungsperiode, verbietet sich aber aufgrund der gesetzgeberischen Unterscheidung eine Relativierung des Zustimmungserfordernisses bei Zuweisungen von Übertragungskapazitäten nach § 20 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Nr. 4 LMedienG. Dies lässt sich zum anderen auch nicht damit rechtfertigen, dass bei einer neuerlichen Zuweisung die vorhergehende mit Zustimmung des Medienrats ergangene Auswahlentscheidung und die dabei angestellten Erwägungen eine Rolle spielen mögen. Auch eine unter den damaligen Bewerbern aufgestellte "Rangliste" bedarf jedoch gleichwohl einer Überprüfung anhand neuer Erkenntnisse. So wird gegebenenfalls die tatsächliche Umsetzung eines früher nur prognostisch bewerteten Sendekonzepts zu evaluieren sein, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, die frühere Entscheidung werde vom Vorstand lediglich nachvollzogen. Jedenfalls deshalb besteht kein Anlass, vom grundlegenden Erfordernis der Zustimmung des Medienrats abzuweichen.

3. Erweist sich der Bescheid der Beklagten bereits aus diesem Grund als rechtswidrig, kommt es auf die weiteren, insbesondere einzelfallbezogenen Rügen der Klägerin nicht mehr an. Diese sind allerdings nicht von vornherein unbeachtlich. Bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids sind zwar die Fall übergreifenden Fragestellungen nicht zuletzt deswegen vorrangig in den Blick zu nehmen, weil sich die Annahme einer Wiederholungsgefahr maßgeblich auf deren Bedeutung stützt. Eine förmliche Beschränkung des Prüfungsumfangs folgt daraus aber nicht. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bleibt weiterhin, soweit entscheidungserheblich, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten und somit ggf. auch in rein einzelfallbezogener Hinsicht zu prüfen.

III. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Neufassung der Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 15. Oktober 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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