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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 1 S 2216/06
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG


Vorschriften:

AufenthG § 60a Abs. 2
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 4
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
Die Geltungsdauer der Duldung kann bei einem Ausländer, dessen Abschiebung unmöglich ist, weil er seinen Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung von Rückreisepapieren nicht nachkommt, auf einen Monat befristet werden.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

1 S 2216/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Duldung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 27. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. September 2006 - 2 K 237/06 - und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof werden abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, denn dem Zulassungsantrag fehlt - wie im folgenden auszuführen ist - die hinreichende Erfolgsaussicht.

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag, zu dessen Begründung die Klägerin in zulässiger Weise auf das Beschwerdevorbringen im Prozesskostenhilfeverfahren Bezug nimmt, hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S. der genannten Vorschrift; denn darin wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392; nunmehr bestätigt durch Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <83>).

Dabei bedarf hier keiner näheren Klärung, wie das Klagebegehren im Einzelnen prozessual einzuordnen ist. Denn die Klägerin legt weder dar, dass ihr der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer jeweils auf mindestens drei Monate befristeten Duldung zusteht, noch dass ihr die begehrte Beschäftigungserlaubnis zu erteilen ist.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Ermessensentscheidung über die Befristung der Geltungsdauer der Duldung an deren Zweck auszurichten ist (§ 40 VwVfG). Demnach ist die Dauer der vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung zum einen danach zu bemessen, wie lange ein Abschiebungshindernis der Vollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht - voraussichtlich - entgegensteht. Neben diese materiell-rechtliche Erwägung tritt aber auch das verfahrensrechtliche Erfordernis, den Fall - gerade wegen der spezifischen Aufgabe der Duldung - "unter Kontrolle zu halten"; denn der Duldung kommt nicht die Funktion eines - im Ansatz längerfristigen - Ersatzes für einen Aufenthaltstitels zu; sie hat vielmehr nur eine rein vollstreckungsrechtliche - und demnach kurzfristige - Zweckbestimmung. Nach diesen Maßstäben ist nichts dafür ersichtlich, dass sich das Ermessen des Regierungspräsidiums im Sinne der von der Klägerin erstrebten Mindestdauer von drei Monaten verengt hat.

Der Abschiebung der Klägerin in ihr Heimatland steht das Fehlen von Rückreisepapieren entgegen. Wann dieses Abschiebungshindernis beseitigt sein wird, ist unsicher. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die Beschaffung von Identitätspapieren - auch - von der Mitwirkung der Klägerin abhängig ist und sie diese zuletzt mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.05.2006 verweigert hat. Daraus kann von Rechts wegen nicht geschlossen werden, dass eine Abschiebung auf unabsehbare Zeit nicht in Betracht kommt. Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Klägerin sich eines Besseren besinnt und den Pflichten nachzukommen bereit ist, die ihr von der deutschen Rechtsordnung - deren Schutz will sie in Anspruch nehmen - auferlegt werden (siehe § 15 Abs. 2 Nr. 4 und 6 AsylVfG). Es ist auch nicht rechtswidrig, dass das Regierungspräsidium sich über den Fortgang und die Ergebnisse dieses Entscheidungsprozesses in regelmäßigen Abständen anlässlich der Vorsprache der Klägerin bei der unteren Ausländerbehörde zum Zwecke der Verlängerung der Duldung vergewissern will. Soweit der Klägerin dabei ihre gesetzlich festgelegten Mitwirkungspflichten vor Augen geführt werden, liegt darin nicht etwa eine funktionswidrige Verknüpfung von Mitwirkungspflichten und Duldung. Nach der gesetzgeberischen Konzeption, die grundsätzlich keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt des Ausländers lässt, darf zwar die Erteilung einer Duldung von der Erfüllung der Mitwirkungspflichten nicht abhängig gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.1997 - 1 C 3.97 -, BVerwGE 105, 132 <235 f., 238>; vom 31.03.2000 - 1 C 23.99 -, BVerwGE 111, 62 <64 f.>). Ein gesetzwidriger ungeregelter Aufenthalt steht aber allein durch die Befristung nicht in Rede.

Die Ermessensentscheidung wird durch die der Duldung beigefügte auflösende Bedingung nicht maßgeblich bestimmt. Denn diese Nebenbestimmung ist nicht geeignet, die verfahrensrechtliche Funktion der Befristung überflüssig zu machen.

Ob bei einer extrem kurzen Befristung - etwa auf wenige Tage - die Grenzen des Ermessens überschritten wären und von einer reinen Schikane gesprochen werden könnte, bedarf hier keiner Erörterung; denn bei der hier verfügten Monatsfrist ist für einen im Vordergrund stehenden Sanktionscharakter nichts ersichtlich (siehe hierzu auch VG Schleswig, Urteil vom 20.06.2000 - 16 A 30/00 -, InfAuslR 2001, 19 <20>).

Schließlich legt die Klägerin auch nicht dar, welche ihrer rechtlich schutzwürdigen Belange durch die Monatsfrist berührt sein könnten; solche sind insbesondere deswegen nicht dargetan, weil die Klägerin nicht erwerbstätig sein darf und folglich durch einen prekären ausländerrechtlichen Status nicht an einer erfolgreichen Arbeitssuche gehindert wird.

Der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis steht, wie das Verwaltungsgericht ausführt, der zwingende Versagungsgrund des § 11 Satz 1 Alt. 2 BeschVerfV entgegen. Gegen diese entscheidungstragenden Ausführungen bringt die Klägerin nichts vor; im übrigen ist auch nicht erkennbar, dass sie von Rechts wegen zu beanstanden sind. Es ist auch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die genannte Vorschrift gegen höherrangiges Recht verstößt. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit zutreffend darauf, dass die Erwerbstätigkeit eines geduldeten Ausländers zu einer - ausländerrechtlich unerwünschten - faktischen Aufenthaltsverfestigung führen kann (vgl. hierzu zuletzt Zühlke, ZAR 2005, 317 <320>; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 60a Rn. 51 ff., jeweils m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung und Änderung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GKG, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 sowie § 39 Abs. 1 GKG; denn bei der Beschäftigungserlaubnis handelt es sich um einen gegenüber der Frage der Befristung der Duldung eigenständigen Streitgegenstand.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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