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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 1 S 2860/06
Rechtsgebiete: StiftG, VwGO, GG, WRV


Vorschriften:

StiftG § 6 Satz 1
VwGO § 42 Abs. 2
GG Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 3 Satz 1
Die Kirche, die eine Stiftung als kirchliche in Anspruch nimmt, kann gegen die Genehmigung einer Satzungsänderung klagen, mit der die Stiftung der kirchlichen Aufsicht entzogen werden soll.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 2860/06

Verkündet am 08.05.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Genehmigung der Satzungsänderung

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Schmenger und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandt auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. September 2006 - 9 K 483/06 - werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Genehmigung der Änderung der Satzung der beigeladenen Stiftung.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei der Beigeladenen, der von den württembergischen Behörden am 10.09.1873 das Recht der juristischen Person verliehen worden ist, um eine bürgerliche oder eine kirchliche Stiftung im Sinne des Stiftungsgesetzes für Baden-Württemberg handelt. Mit Bescheid vom 17.10.2005 stellte das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg nach § 29 Abs. 2 StiftG fest, dass die Beigeladene eine bürgerliche Stiftung staatlichen Rechts sei. Diese Feststellung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens - 1 S 2859/06 -.

Bereits vor Erlass dieses Bescheids hatte der Aufsichtsrat der Beigeladenen am 01.07.2005 die Änderung der Stiftungssatzung beschlossen. Während die zuvor geltende Satzung aus dem Jahre 1998 die Stiftung als "kirchliche Stiftung des privaten Rechts auf katholisch-kirchlicher Grundlage" definierte, lautet § 1 Abs. 1 Satz 1 der geänderten Satzung nunmehr: "Die Stiftung ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts". Nach § 14 Abs. 1 der Satzung untersteht die Stiftung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen der Aufsicht des Landes Baden-Württemberg.

Mit Bescheid vom 22.12.2005 genehmigte das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg die am 01.07.2005 beschlossenen Satzung der Beigeladenen. Diese Genehmigung wurde der Klägerin am 29.03.2006 bekannt gegeben.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 26.09.2006 den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage zulässig sei. Die Klägerin sei insbesondere klagebefugt. Sie könne geltend machen, durch die angefochtene Genehmigung in ihrem durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrecht verletzt zu sein. Sie könne sich auch auf den geltend gemachten Stifterwillen berufen, wonach es sich bei der Beigeladenen um eine kirchliche Stiftung handele. Die Klage sei auch begründet. Denn mit der angefochtenen Genehmigung, durch welche die Beigeladene sich im Rechtsverkehr die Struktur einer bürgerlichen Stiftung geben wolle, verletze die Behörde den Stifterwillen und den Stiftungszweck.

Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und, nachdem die Begründungsfrist vor dem Hintergrund der außergerichtlichen Bemühungen um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits mehrfach verlängert worden war, fristgerecht jeweils unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Verfahren - 1 S 2859/06 - begründet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. September 2006 - 9 K 483/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. September 2006 - 9 K 483/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf ihr Vorbringen im Verfahren - 1 S 2859/06 -.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die einschlägigen Akten des Beklagten vor. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufungen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Genehmigungsbescheid auf die Klage der Klägerin zu Recht aufgehoben.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage als zulässig erachtet. Die Klägerin ist klagebefugt. Denn die Klägerin kann geltend machen, durch die angefochtene Genehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Die Genehmigung der Satzungsänderung nach §§ 6, 8 StiftG ergeht gegenüber der Stiftung als eigenständiger juristischer Person. Die Klägerin ist nicht Adressat dieses Verwaltungsakts. Als ein Dritter, der von einem Bescheid betroffen ist, ohne dessen Adressat zu sein, hat sie nur dann ein Recht zur Anfechtung, wenn sie sich auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die ihr eine eigene schutzwürdige Rechtsposition einräumt. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften, die auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierten, d. h. sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen. Hiernach steht der Klägerin verwaltungsgerichtlicher Drittschutz zur Seite.

Die Stiftungsaufsicht dient - neben der Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit, die vom Handeln der Stiftung ausgehen können - der Verwirklichung des Stiftungszwecks, der gerade wegen der mitglieder- und eignerlosen Organisationsstruktur der Stiftung besonderen Schutzes bedarf; sie soll dem in Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen nicht zuletzt gegen abweichendes Verhalten der Organe zur Durchsetzung verhelfen. Sie wurzelt demnach im öffentlichen Interesse daran, dass die Stiftung nach den im Genehmigungs- bzw. Anerkennungsverfahren überprüften Bedingungen lebt, und entfaltet damit zugleich rechtliche Schutzwirkungen grundsätzlich nur gegenüber der Stiftung selbst (vgl. Urteil des erk. Senats vom 31.03.2006 - 1 S 2115/05 -, VBlBW 2006, 386 <387>, m.w.N.). Diese Schutzrichtung der Stiftungsaufsicht wird bei kirchlichen Stiftungen indessen zugunsten der Kirche erweitert, der die Stiftung zugeordnet ist. Denn die Kirche kann geltend machen, dass die Verkennung des die Kirchlichkeit der Stiftung begründenden Stifterwillens das ihr durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Selbstbestimmungsrecht verletzt (vgl. auch Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 238 f.; sowie v. Campenhausen in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 28 Rn. 8); dessen Schutz erstreckt sich nämlich über die organisierte Kirche und deren rechtlich selbstständigen Teile hinaus auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform, die nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in der Welt wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 46, 73 <85>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <167>).

Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid vom 22.12.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beigeladene ist nach § 29 Abs. 2 StiftG eine kirchliche Stiftung, so dass die genehmigte Satzungsänderung mit dem Stifterwillen nicht vereinbar ist. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführung im Urteil vom heutigen Tag im Verfahren über den Statusfeststellungsbescheid - 1 S 2859/06 -.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO sowie § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 8. Mai 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 2 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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