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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: 1 S 914/04
Rechtsgebiete: GG, PolG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
PolG BW § 1 Abs. 1
PolG BW § 3
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 4
1. Ob Paintball-Spiele mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde unvereinbar sind und deshalb wegen Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel untersagt werden können, ist wegen der damit verbundenen komplexen tatsächlichen und schwierigen rechtlichen Fragen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht verlässlich zu klären.

2. Die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Veranstalters begründet das überwiegende private Interesse an der Suspendierung des Sofortvollzugs der Untersagungsverfügung. Dem öffentlichen Interesse an der Begrenzung des mit Paintball-Spielen verbundenen "Gefahrenpotentials" ist durch Auflagen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO Rechnung zu tragen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG

Beschluss

1 S 914/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen polizeirechtlicher Verfügung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Schmenger und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Roth am 17. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2004 - 5 K 597/04 - teilweise geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 9.2.2004 wird nach Maßgabe der folgenden Anordnungen wiederhergestellt bzw. angeordnet:

Der Antragstellerin wird aufgegeben,

1. Kindern und Jugendlichen (vgl. § 1 JuSchG) sowie Personen, die dem Paintball-Spielbetrieb lediglich als Zuschauer beiwohnen wollen, den Zutritt zur Halle (xxxxxxxxxxx xxxxxx x, xxxxxx xxxxxxxxx) zu versagen,

2. das Tragen von Tarnkleidung, Uniformen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken in der Halle zu unterbinden,

3. die Verwendung von Farbmarkierungskugeln (Paintballs) mit roter oder rötlicher Farbe zu unterbinden,

4. den Paintball-Spielbetrieb ausschließlich in den Formen "Central Flag" oder "Capture the Flag" (Nr. 9.1 und 9.2 des Regelwerks der Deutschen Paintball-Liga V. 1.0) zuzulassen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt 4/5, die Antragstellerin 1/5 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts - für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Dabei begegnet die Beteiligungsfähigkeit der Antragstellerin keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 61 RdNr. 9 m.w.N.). Auch enthält die Begründung der Beschwerde einen bestimmten Antrag; ferner legt sie die Gründe dar, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und setzt sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander. Der Senat prüft nur die dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 VwGO).

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist jedoch überwiegend nicht begründet.

Nach Auffassung des Senats muss es dabei bleiben, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 9.2.2004, mit der diese der Antragstellerin - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - die Veranstaltung sog. "Paintball-Spiele" im Gebäude xxxxxxxxx xxxxxxxxx x in xxxxxxxxx untersagt (Nr. 1.1) und die Verhängung eines Zwangsgeld von EUR 5.000,- angedroht hat (Nr. 1.3), wiederhergestellt bzw. angeordnet wird. In Ausübung des ihm nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO eingeräumten Ermessens hält es der Senat allerdings für geboten, die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit den aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen zu versehen.

Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügung einerseits und dem Interesse der Antragstellerin anderseits, vorläufig von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, fällt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu Lasten der Antragsgegnerin aus.

Anders als das Verwaltungsgericht trifft der Senat diese Entscheidung allerdings allein aufgrund einer Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen im Einzelfall. Denn bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht verlässlich beurteilen. Vielmehr wirft das Verfahren sowohl schwierige rechtliche als auch komplexe tatsächliche Fragen auf, die einer vertiefenden und abschließenden Prüfung im Widerspruchs- und im gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen (unten 1.). Die danach angezeigte, von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Abwägung der gegenläufigen Interessen im Einzelfall fällt überwiegend zu Lasten der Antragsgegnerin aus, wobei der Senat zur Wahrung des öffentlichen Interesses die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen für die Antragstellerin für geboten hält (unten 2.).

1. Die Antragsgegnerin stützt die Untersagung der Veranstaltung sog. Paintball-Spiele auf die Regelungen der §§ 1, 3 PolG. Zur Begründung führt sie aus, diese Spiele stellten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, weil es mit dem Menschenbild des Grundgesetzes, insbesondere mit der in Art. 1 Abs. 1 GG normierten Unantastbarkeit der Würde des Menschen unvereinbar sei, die simulierte Tötung von Menschen zum Gegenstand und Ziel eines Unterhaltungsspiels zu machen.

Zur weiteren Begründung beruft sich die Antragsgegnerin sowohl in der angefochtenen Verfügung wie in der Beschwerde in erster Linie auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2001 (BVerwGE 115, 189-205). In dieser Grundsatzentscheidung hat es das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gebilligt, dass die Vorinstanz in dem Betrieb eines sog. Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen einen Verstoß gegen die von der polizeilichen Generalermächtigung geschützte öffentliche Ordnung gesehen hat. Im Ergebnis zu Recht habe die Vorinstanz in der Veranstaltung eines sog. spielerischen Tötens im Laserdrome eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) gesehen. Unterhaltungsspiele könnten auch dadurch gegen die verfassungsrechtliche Garantie der Menschenwürde verstoßen, dass beim Spielteilnehmer eine Einstellung erzeugt oder verstärkt werde, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugne, der jedem Menschen zukomme. Ein gewerbliches Unterhaltungsspiel, das auf die Identifikation der Spielteilnehmer mit der Gewaltausübung gegen Menschen angelegt sei und ihnen die lustvolle Teilnahme an derartigen - wenn auch nur fiktiven - Handlungen ermöglichen solle, sei wegen der ihm innewohnenden Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung der Gewalt und wegen der möglichen Auswirkungen einer solchen Tendenz auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft mit der verfassungsrechtlichen Menschenwürdegarantie unvereinbar (Hinweis auf BVerfGE 87, 209, 228 ff.). Das Oberverwaltungsgericht sei ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass das verbotene Spiel im Laserdrome in der angefochtenen Verfügung zutreffend mit dem Begriff des "spielerischen Tötens" umschrieben worden sei und dass es gerade von daher seinen besonderen Reiz für die Spieler empfange. Ein solches simuliertes Töten zu Unterhaltungszwecken werde dem gebotenen Respekt vor der Individualität, Identität und Integrität der menschlichen Persönlichkeit nicht gerecht. Es banalisiere und trivialisiere gerade diejenigen Rechtsgüter, an deren Schutz dem Grundgesetz in besonderem Maße gelegen sei. Zu den Höchstwerten der Verfassung sei nämlich neben der Menschenwürde insbesondere auch das menschliche Leben zu zählen; dieses habe der Verfassungsgeber des Jahres 1949 mit Blick auf die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes als die vitale Basis der Menschenwürde und zugleich Voraussetzung für alle anderen Grundrechte in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich unter gesonderten Grundrechtsschutz gestellt (Hinweis auf BVerfGE 39, 1, 36, 42). Zu dieser Grundaussage der Verfassung setzten sich Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland in Widerspruch, wenn sie Unterhaltungsspiele der in Rede stehenden Art duldeten. Die Freiwilligkeit der Teilnahme sowie das gegenseitige Einvernehmen der Spieler sei rechtlich unerheblich, weil die aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Wertordnung der Verfassung nicht im Rahmen eines Unterhaltungsspiels zur Disposition stehe (vgl. zum Ganzen BVerwGE 115, 189-205). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem genannten Beschluss das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, dass nach nationalem Recht der Betrieb eines Laserdrome mit simulierten Tötungshandlungen untersagt werden müsse, weil er gegen Wertentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere die Menschenwürde, verstoße. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs liegt noch nicht vor. Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs hat sich in ihren Schlussanträgen vom 18.3.2004 (Rechtssache C-36/02) dafür ausgesprochen, die Vorlagefrage zu verneinen. Das deutsche Verbot des Betriebs eines Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen verstoße nicht gegen das Gemeinschaftsrecht .

Ob vor diesem Hintergrund auch die Veranstaltung sog. Paintball-Spiele eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder für die öffentliche Ordnung im Sinne der §§ 1, 3 PolG begründen und das von der Antragsgegnerin ausgesprochene ordnungsbehördliche Verbot seine Ermächtigungsgrundlage deshalb in der polizeirechtlichen Generalklausel finden kann, vermag der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit zu beantworten.

Ungeachtet der ohnehin bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des begrifflichen Gehalts der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde sind gegen die rechtliche Tragfähigkeit der vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zu Inhalt und Reichweite des Art. 1 Abs. 1 GG aufgestellten Grundsätze in der Rechtsprechung wie im Schrifttum substantiierte Einwände erhoben worden (vgl. insbesondere VG Dresden, Beschl. v. 28.1.2003 - 14 K 2777/02 -, NVwZ-RR 2003, 848 ff., 850 ff.; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 1 RdNr. 16; Fechner, JuS 2003, 734, 736; Heckmann, JuS 1999, 986, 990 ff.; Kempen, NVwZ 1997, 243, 247 f. m.N.). Bereits die hiernach zur Ermittlung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache notwendige Durchdringung der verfassungsrechtlichen Fragen würde den Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO sprengen.

Unabhängig davon vermag der Senat aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu überschauen, ob - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - zwischen dem Betrieb eines Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen, wie er der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag, und der Veranstaltung sog. Paintball-Spiele Unterschiede bestehen, die einer Übertragung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall entgegenstehen.

Dies rührt zunächst daher, dass in tatsächlicher Hinsicht bereits erhebliche Unklarheiten bestehen, welche Spielhandlung bzw. welcher Spielablauf der rechtlichen Beurteilung überhaupt zugrunde zu legen ist. Die Antragstellerin hat vorgetragen, Spielhandlung beim "Paintball" sei es, dass Einzelspieler oder Mannschaften um eine Flagge beziehungsweise zwei Flaggen kämpften, die es zu erobern und in die eigene oder gegnerische Startposition zu verbringen gelte. Ein Mittel hierfür sei das Ausschalten der gegnerischen Mitspieler durch deren Markierung, d.h. durch das Treffen des Spielers mit einem "Paintball" (VGH-Akte, S. 29). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht angenommen, im Gegensatz zu den Spielen im Laserdrom handele es sich bei Paintball "nach dem derzeitigen Erkenntnisstand wohl nicht um ein Spiel, dessen Inhalt nahezu ausschließlich in der Simulation des Tötens bestehe, das seinen Reiz daher weitestgehend aus dem 'genussvollen Ausleben der Emotion des Auslöschens eines Lebens' gewinne" (Bl. 5 des Entscheidungsabdrucks). Zur Begründung stellt das Verwaltungsgericht maßgeblich auf das von der Antragstellerin "vorgelegte Regelwerk" ("Haus- und Spielordnung" der Antragstellerin, S. 37 f. der VG-Akte) ab, wonach das Markieren von Mitspielern nur ein Aspekt einer mehrschichtigen Spielhandlung sei, es als Ziel des Spiels gelte, eine Flagge aus dem Startpunkt der Gegner in den eigenen Startpunkt zurückzubringen, und das Markieren der Gegenspieler eine spielmitgestaltende, nicht jedoch dominierende Funktion habe, was auch durch die Punktvergabe deutlich werde (Bl. 5 des Entscheidungsabdrucks). Die Tragfähigkeit dieser Begründung dürfte indes dadurch in Frage gestellt sein, dass das Paintball-Spiel nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnissen jedenfalls in der Praxis in verschiedenen - rechtlich möglicherweise unterschiedlich zu behandelnden - Varianten betrieben wird. So sieht zwar noch das "Liga Regelwerk" des Deutschen Paintball Verbands (V.1.0, Stand: 1.1.2000) als "Turnierspiele" lediglich die Formen "Central Flag" und "Capture the Flag" vor. Nach den im Internet von Paintball-Veranstaltern und Paintball-Teams verbreiteten Informationen existieren indes jedenfalls in der Spielpraxis zahlreiche Varianten. Dabei deutet vieles darauf hin, dass jedenfalls bei einzelnen Varianten dem "Markieren" des Gegenspielers - und damit der Simulation des Tötens mittels einer Schusswaffe - die zentrale bzw. ausschließliche Funktion des Spiels zukommt (vgl. etwa die auf der Internetseite von "Cologne Pumpforce" beschriebenen Varianten "Elimination" oder "Präsident"). Dies wird im Falle der Antragstellerin durch die Ermittlungen der Antragsgegnerin bestätigt. Ausweislich des Aktenvermerks des Amts für öffentliche Ordnung vom 5.4.2004 über die am 3. und 4.4.2004 in der Paintball-Halle der Antragstellerin durchgeführte Kontrolle werden dort verschiedene Spielvarianten praktiziert (S. 2 des Aktenvermerks vom 5.4.2004). Während der Beobachtungszeit (3.4.2004, ca. 14.00 - 17.30 Uhr, 4.4.2004, ca. 15.00 - 17.00 Uhr) habe sich der Spielablauf jedoch darauf beschränkt, dass Gegenspieler durch Farbmarkierung ausgeschaltet worden seien; in keinem Fall sei um eine Fahne gespielt worden. Der an beiden Tagen als Betriebsleiter fungierende Herr xxxxxx habe erklärt, dass er auf die von den Spielern bevorzugte Variante keinen Einfluss habe. Er habe eingeräumt, dass das Spiel um die gegnerischen Fahnen als weniger attraktiv empfunden und deshalb seltener gespielt werde.

Neben diesen tatsächlichen Unklarheiten werden auch in rechtlicher Hinsicht Fragen aufgeworfen, die im Eilverfahren nicht abschließend beantwortet werden können. Soweit das Verwaltungsgericht der von der Antragstellerin vorgelegten "Haus- und Spielordnung" Bedeutung für die rechtliche Beurteilung des Paintball-Spielbetriebs beimisst, stellt sich die Frage, ob die dort aufgestellten Regeln in der Praxis überhaupt geeignet sind, dem Spielbetrieb die Nähe zu realen kriegerischen oder sonst gewalttätigen Auseinandersetzungen zu nehmen. So wird unter Nr. 16 der Haus- und Spielordnung zwar das Verbot ausgesprochen, die Halle mit Tarnkleidung oder militärischer Kleidung zu betreten. Dieses Verbot dürfte indes durch das Erfordernis, am ganzen Körper Schutzkleidung, insbesondere auch die besonders martialisch anmutenden Schutzmasken zu tragen, jedenfalls in gewissem Umfang konterkariert werden. Auch erscheint zweifelhaft, ob es für die rechtliche Beurteilung maßgeblich darauf ankommen kann, dass sowohl in der Haus- und Spielordnung wie in der von den Spielern zu unterschreibenden Belehrung der Sport- und Spielcharakter "mehrfach ausdrücklich betont" wird.

Auch weitere durch das Verfahren aufgeworfene Fragen (etwa die der Vergleichbarkeit mit dem aus dem Schulsport bekannten "Völker- oder Brennball" oder mit gewaltverherrlichenden Video- oder Computerspielen sowie Filmen) sind nicht ohne eine vertiefte Auseinandersetzung in die eine oder andere Richtung zu beantworten. Schließlich kann im Rahmen des Eilverfahrens weder der Inhalt noch der rechtlichen Bedeutung einschlägiger wissenschaftlicher Untersuchungen (vgl. Linda Steinmetz, Gutachterliche Stellungnahme zur Gewaltaffinität von Mitgliedern der deutschen Paintball-/Gotcha-Szene, August 2000, veröffentlicht in Eckert/Reis/Wetzstein, "Ich will halt anders sein wie die anderen - Abgrenzung Gewalt und Kreativität bei Gruppen Jugendlicher", Opladen 2000, zitiert nach VG Dresden, Beschl. v. 28.1.2003 - 14 K 2777/02 -) nachgegangen werden.

Vor dem Hintergrund dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bestehenden Ungewissheit sieht sich der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt an einer verlässlichen Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens gehindert. 2. Die danach gebotene Abwägung der im vorliegenden Fall berührten Interessen unter Berücksichtigung der Folgen, die sich voraussichtlich an die Gewährung oder Versagung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes knüpfen würden, führt zum Überwiegen des Interesses der Antragstellerin an der Suspendierung des Sofortvollzugs der angegriffenen Verfügung.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei nach der Ansicht des Senats, dass bei Vollziehung der Verfügung die Gefahr einer erheblichen und irreparablen Grundrechtsverletzung der Antragstellerin besteht. Bereits das Verwaltungsgericht hat dem Gesichtspunkt der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin im Falle einer sofortigen Einstellung des Paintball-Betriebs im Rahmen der Interessenabwägung maßgebliche Bedeutung beigemessen. Dem ist die Antragsgegnerin mit der Beschwerde nicht entgegentreten. Vor diesem Hintergrund geht auch der Senat davon aus, dass bei einem vorläufigem Vollzug der Untersagungsverfügung die Gefahr besteht, dass die Antragstellerin in einem Umfang Einkommensverluste erleidet, dass von einer unzumutbaren, auch bei nachträglicher Aufhebung der Verfügung nicht mehr rückgängig zu machenden Beeinträchtigung ihrer grundrechtlichen Belange aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG ausgegangen werden muss.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass mit Blick auf die nicht ausgeräumten tatsächlichen und rechtlichen Unklarheiten ein öffentliches Interesse am Schutz vor möglichen Auswirkungen des Paintball-Spielbetriebs besteht. Zwar ist das Spiel mit konkreten Gefahren für Leib und Leben der Spieler nicht verbunden. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Spielhandlung bestimmte Personen in ihrer Menschenwürde verletzt werden, da sich die Spieler in dem Kampfgeschehen prinzipiell "chancengleich" gegenüberstehen und dies es nicht nahe legt, in dem einen Mitspieler ein Objekt zu sehen, welches dem anderen hilflos ausgeliefert ist (BVerwG, Beschl. v. 24.10.2001, a.a.O., S. 199). Schließlich dürfte es jedenfalls an gesicherten Erkenntnissen dafür fehlen, dass durch den Konsum von Gewaltdarstellungen oder durch die Teilnahme an entsprechenden Unterhaltungsspielen tatsächlich die Hemmschwelle für Gewalt herabgesetzt wird (BVerwG, Beschl. v. 24.10.2001, Juris; insoweit in der Amtlichen Sammlung nicht abgedruckt). Allerdings besteht insoweit jedenfalls ein "Gefahrenpotential" (BVerwG, a.a.O.), das in seinen möglichen Auswirkungen auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft zwar schwer einzuschätzen ist, an dessen Begrenzung gleichwohl ein öffentliches Interesse besteht. Diesem öffentlichen Interesse trägt der Senat gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO durch die Anordnung der aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen in einer Weise Rechnung, die den Spielbetrieb der Antragstellerin nicht grundsätzlich in Frage stellt. In der Beschränkung des Spielbetriebs auf Varianten, bei denen Ziel das Erobern einer Flagge ist, sieht der Senat eine Möglichkeit wenigstens zu verhindern, dass sich die Spielhandlung in dem "Markieren" des Gegenspielers und damit in der Simulation des Tötens mittels Schusswaffe erschöpft. Diese Einschränkung dürfte die Antragstellerin nicht unzumutbar belasten, zumal sie selbst im Beschwerdeverfahren das Spiel nur in dieser Form beschrieben hat (VGH-Akte, S. 29). Der Senat hält die Auflagen für erforderlich, obgleich sie zum Teil mit den Regeln übereinstimmen, die sich die Antragstellerin im Rahmen ihrer "Haus- und Spielordnung" selbst auferlegt hat. Denn von diesen kann sich die Antragstellerin grundsätzlich jederzeit einseitig lösen. Demgegenüber wird der Antragsgegnerin mit den Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO die Möglichkeit eingeräumt, im Falle deren Nichtbeachtung durch die Antragstellerin eine Änderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO zu erwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Auflagen mit Einschränkungen des Paintball-Spielbetriebs in seiner derzeit praktizierten Form verbunden sind, hält es der Senat für gerechtfertigt, insoweit ein Teilunterliegen der Antragstellerin anzunehmen und ihr einen - untergeordneten - Teil der Kostenlast aufzubürden. Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung des Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1 und 2, 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG. Da mit der Untersagungsverfügung die Fortführung des Gewerbebetriebs der Antragstellerin in Frage gestellt wird, orientiert sich der Senat an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 11. Aufl. Anhang 1) für den Fall der Gewerbeuntersagung. Der danach - in Ermangelung von Anhaltspunkten für einen erwarteten oder erzielten Gewinn - anzusetzende Betrag von 10.000,-- EUR (vgl. Abschnitt II., Nr. 14.2.1) ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Abschnitt I., Nr. 7).

Der Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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