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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 10 S 2048/03
Rechtsgebiete: FeV


Vorschriften:

FeV § 11 Abs. 7
FeV § 46 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 3
FeV Anlage 4 Nr. 9.2.1
FeV Anlage 4 Nr. 9.3
1. Regelmäßige Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung setzt einen täglichen oder nahezu täglichen Konsum voraus (in Ergänzung zu Senatsbeschl. v. 30.05.2003 - 10 S 1907/02 -)

2. Hat ein Fahrerlaubnisinhaber, der früher i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung regelmäßig Cannabis eingenommen hat, seinen Konsum für die Dauer mehrerer Jahre auf eine nur gelegentliche Einnahme reduziert, so kann die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV nicht auf den früheren regelmäßigen Cannabiskonsum gestützt werden


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

10 S 2048/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Rudisile und Dr. Hartung

am 26. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2003 - 1 K 1997/03 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis vom 17.06.2003 wird wiederhergestellt, soweit darin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen und ihm aufgegeben worden ist, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis oder bei der zuständigen Polizeidienststelle abzugeben. Hinsichtlich der Androhung der Wegnahme des Führerscheins wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Verwaltungsgerichts wird geändert. Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird auf 2.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Auf dieser Grundlage hat die Beschwerde Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Ziffer 1 der Verfügung des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis vom 17.06.2003, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, vor einem endgültigen Urteil über die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verfügung des Landratsamtes vom 17.06.2003 - aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen - rechtlichen Bedenken begegnet. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die mangelnde Fahreignung des Antragstellers bereits im Sinne von § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV feststeht und die Fahrerlaubnis wegen der erwiesenen Ungeeignetheit des Antragstellers nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entziehen ist.

Grund für die Entziehung der Fahrerlaubnis war die Annahme des Landratsamtes, der Antragsteller nehme im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung regelmäßig Cannabis ein und sei damit fahrungeeignet. Entsprechend dieser Einschätzung hat das Landratsamt gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV davon abgesehen, gegenüber dem Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens anzuordnen, und die Fahrerlaubnis unmittelbar entzogen. In tatsächlicher Hinsicht ist das Landratsamt von den Aussagen des Antragstellers anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung vom 29.01.2003 ausgegangen. Dort hat er angegeben, seit sechs oder sieben Jahren Haschisch und Marihuana zu konsumieren. In den ersten drei Jahren habe er relativ viel konsumiert; es sei mehrmals vorgekommen, dass er an einem Tag ein bis zwei Joints geraucht habe. Vor 3 1/2 Jahren habe er seine Freundin kennen gelernt und seinen Konsum eingeschränkt. Weil seine Freundin gegen seinen Cannabiskonsum gewesen sei, und um an seinem Arbeitsplatz eine vollwertige Kraft zu sein, habe er in der Hauptsache nur noch an den Wochenenden konsumiert. Alle 14 Tage habe er für 50,- DM oder 25,- EUR 3 bis 3,5 Gramm Haschisch und Marihuana gekauft. Aus diesen Angaben hat das Landratsamt auf eine regelmäßige Einnahme von Cannabis i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Vergangenheit geschlossen. Später hat das Landratsamt ausgeführt, regelmäßiger Konsum im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung habe auch bis zur polizeilichen Vernehmung des Antragstellers im Januar 2003 vorgelegen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit setzt voraus, dass diese aus erwiesenen Tatsachen hinreichend deutlich hervorgeht. Im vorliegenden Fall liegen solche Tatsachen aber nicht vor; insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung regelmäßig Cannabis einnimmt. Für die Auslegung des Begriffs "regelmäßige Einnahme" kann der allgemeine Sprachgebrauch nicht maßgebend sein. Denn dieser versteht unter einer regelmäßigen Einnahme eines Betäubungsmittels auch einen in gleichen Abständen erfolgenden Konsum - z.B. Konsum an jedem zweiten Sonntag -, ohne dass zugleich die Häufigkeit der Einnahme bestimmt wird, die für die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Fahreignung in erster Linie ausschlaggebend ist (vgl. Bay VGH, Beschl. v. 03.09.2002 - 11 CS 02.1082). Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs muss die Systematik der Fahrerlaubnis-Verordnung sein. Wie die Gegenüberstellung von Nr. 9.2.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zeigt, ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass der regelmäßige Cannabiskonsum - im Gegensatz zum nur gelegentlichen Konsum - auch ohne das Hinzutreten weiterer fahreignungsrelevanter Gesichtspunkte, wie z.B. ein unzureichendes Trennungsvermögen oder der Parallelkonsum von Alkohol, regelmäßig zur Fahrungeeignetheit des Betreffenden führt. Dementsprechend ist mit "regelmäßige Einnahme" i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ein Konsum gemeint, der nach wissenschaftlichem Kenntnisstand als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung des Konsumenten ausschließt. Die Auswertung der hierzu vorliegenden verkehrswissenschaftlichen Gutachten ergibt, dass der Cannabiskonsum nur dann diese Folgen hat, wenn er täglich oder nahezu täglich erfolgt (Bay VGH, Beschl. v. 03.09.2002 - 11 CS 02.1082 -; OVG NRW, Beschl. v. 07.01.2003 - 19 B 1249/02 -, DAR 2003, 187, 188; vgl. auch Senatsbeschl. v. 30.05.2003 - 10 S 1907/02 -, DAR 2003, 481 = VBlBW 2003, 397; v. 16.06.2003 - 10 S 430/03 -). Berghaus weist in seinem vom Bundesverfassungsgericht im Verfahren 1 BvR 2062/96 eingeholten Gutachten zwar darauf hin, dass weder mit experimentellen noch mit Hilfe anderer Studien ein exakter "Grenzwert", d.h. ein bestimmtes Konsummuster, definiert werden kann, ab dem die ausreichende Leistungsfähigkeit, das Erkennen der Verminderung der Leistungsfähigkeit und die Trennung von Konsum und Fahren sicher nicht mehr gewährleistet sein werden (Gutachten S. 8 f.). Je mehr aber der Cannabiskonsum über einen gelegentlichen Konsum ("mehrmaliger Konsum, aber deutlich weniger als täglich") hinausgehe, desto wahrscheinlicher würden der Konsument nicht mehr fahrsicher sein und das Erkennungs- und Trennungsvermögen nachlassen. Auch Kannheiser versteht in seinem für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erstellten Gutachten (NZV 2000, 57 ff., zu Frage 3) regelmäßigen Cannabiskonsum, den er sprachlich mit dem gewohnheitsmäßigen Konsum gleich setzt, als täglichen bis annähernd täglichen Konsum (a.a.O. S. 67 f.). Bei dieser Konsumhäufigkeit bestehe unabhängig von einem aktuellen Konsum die Möglichkeit einer ständigen Beeinträchtigung der für die Verkehrssicherheit bedeutsamen Fähigkeiten wie der Aufmerksamkeitsleistung, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses. Ebenso könne eine verkehrsrelevante Veränderung der Persönlichkeit des Betroffenen eintreten, da die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich überindividuellen Regeln und Normen anzupassen, beeinträchtigt und zudem die für das Führen eines Kraftfahrzeugs erforderliche Aktivierung, Wachheit, Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Bereitschaft, die Anforderungen und Risiken des Straßenverkehrs ernst zu nehmen, gemindert werden könnten. Ebenso wie bei Gewohnheitstrinkern sänken bei regelmäßigen Konsumenten von Cannabis wegen zunehmender Konsum- bzw. Fahranreizsituation und der Verstärkung durch nicht entdeckte Fahrten die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Fahren verkehrsgefährlich ab. Auch bei dem von der Bundesanstalt für Straßenwesen am 18.03.1998 organisierten Expertengespräch zum Thema "Fahreignung bei chronischem Cannabiskonsum" wurde von den Teilnehmern "regelmäßiger Gebrauch" von Cannabis als tägliche oder gewohnheitsmäßige Einnahme bzw. gewohnheitsmäßige Einnahme als annähernd täglicher Konsum - ohne dass Missbrauch oder Abhängigkeit vorliegen - definiert (Protokoll über das Expertengespräch, Bundesanstalt für Straßenwesen, S. 9).

Gemessen an dieser Bestimmung des Begriffs "regelmäßige Einnahme" i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung spricht viel für die Annahme des Landratsamtes, in den ersten drei Jahren des Cannabiskonsums des Antragstellers sei dieser regelmäßig gewesen. Denn der Antragsteller hat hinsichtlich dieses Zeitraums eingeräumt, viel Cannabis konsumiert und mehrfach täglich ein bis zwei Joints geraucht zu haben. Demgegenüber begründen die Angaben des Antragstellers bei seiner polizeilichen Vernehmung am 23.01.2003 zu seinem Cannabiskonsum im Zeitraum ab dem Kennenlernen seiner Freundin im Juli 2000, auf die sich das Landratsamt zur Begründung der Entziehungsverfügung allein stützt, nicht die Annahme eines regelmäßigen Konsums. Denn der vom Antragsteller eingeräumte Konsum "hauptsächlich am Wochenende" ist kein täglicher oder nahezu täglicher.

Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügung die im Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage maßgebend (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 22.01.2001 - 3 B 144.00 - juris). Da im vorliegenden Fall ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen und zugestellt worden ist, ist stattdessen auf den Zeitpunkt der Senatsentscheidung abzustellen. Die bezogen auf diesen Zeitpunkt zu prüfende Ungeeignetheit des Antragstellers kann auch nicht damit begründet werden, der Antragsteller sei ursprünglich - wegen einer regelmäßigen Einnahme von Cannabis - ungeeignet gewesen, und diese Ungeeignetheit bestehe auch über das Ende der Phase des täglichen oder nahezu täglichen Konsums hinaus fort. Zwar geht der Senat beim nachgewiesenem Konsum eines anderen Betäubungsmittels im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes als Cannabis grundsätzlich davon aus, dass der betreffende Konsument ungeeignet ist und die Wiedererlangung der Fahreignung den durchgängigen Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz voraussetzt (vgl. Senatsbeschl. v. 23.07.2003 - 10 S 1019/03 -, v. 15.09.2003 - 10 S 1376/03 -). Diese Praxis kann hier zum einen deshalb nicht herangezogen werden, weil sie nur dann gerechtfertigt ist, wenn der nachgewiesene Konsum in einem überschaubaren Zeitraum vor der Kenntniserlangung durch die Fahrerlaubnisbehörde stattfand, nicht dagegen, wenn der zur Ungeeignetheit führende Konsum, wie im vorliegenden Fall, längere Zeit zurückliegt, ohne dass der Antragsteller von der Behörde auf mögliche rechtliche Folgen seines Drogenkonsums hingewiesen worden wäre. In solchen Fällen scheidet die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis gestützt auf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV aus. Es ist dann Aufgabe der Behörde, durch die Anforderung eines Gutachtens die Frage der aktuellen Geeignetheit zu klären. Zum anderen würde eine solche Perpetuierung einer lediglich vor mehreren Jahren bestehenden Ungeeignetheit den für die Einnahme von Cannabis bestehenden besonderen Regelungen der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht gerecht. Denn dort wird bei Nr. 9.2 in Bezug auf die Einnahme von Cannabis im Gegensatz zum Konsum eines sonstigen Betäubungsmittels nach der Häufigkeit des Konsums unterschieden. Eine gelegentliche Einnahme von Cannabis - wie sie beim Antragsteller nach seinem Vortrag seit etwa Juli 2000 vorliegt - führt als solche noch nicht zur Ungeeignetheit. Es bedarf noch eines zusätzlichen Umstands - fehlendes Trennungsvermögen oder Parallelkonsum von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen -, um die Ungeeignetheit regelmäßig zu begründen. Diese auf der unterschiedlichen Gefährlichkeit der Betäubungsmittel sowie der verschiedenen Formen des Cannabiskonsums basierende Systematik der Nr. 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung bliebe unberücksichtigt, wenn die auf einem früheren regelmäßigen Cannabiskonsum beruhende ursprüngliche Ungeeignetheit auch dann noch den unmittelbaren Fahrerlaubnisentzug (§ 11 Abs. 7 FeV) rechtfertigte, wenn dem Betroffenen über einen Zeitraum von mehreren Jahren bereits eine Reduzierung seines Konsums in einem solchen Maße gelungen ist, dass unter bestimmten Voraussetzungen von seiner Eignung auszugehen ist.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eines der Zusatzelemente im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (z.B. unzureichendes Trennungsvermögen) gegeben ist, das gemeinsam mit dem beim Antragsteller - unter Umständen noch - bestehenden gelegentlichen Cannabiskonsum die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigte (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV). Auch dem verkehrsrechtlich relevanten Fehlverhalten des Antragstellers vom 06.05.2001 (Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstands) ist kein Hinweis auf ein unzureichendes Trennungsvermögen zu entnehmen.

Im Gegensatz zum Landratsamt hat das Verwaltungsgericht die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers auch damit zu begründen versucht, der Antragsteller habe bei seiner polizeilichen Vernehmung eine Betäubungsmittelabhängigkeit eingeräumt (vgl. Nr. 9.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Das "Abhängigkeitssyndrom" umfasst nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10, Kapitel V, F 10-F12; dazu z.B. www.icd.web.med.uni-muenchen.de; vgl. insoweit auch Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Nr. 3.11.2) eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. Typischerweise bestehen bei einer Abhängigkeit ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum dieser Substanz zu kontrollieren, und ein anhaltender Substanzgebrauch trotz seiner schädlichen Folgen. Zudem gibt der Betreffende dem Substanzgebrauch Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen, und es entwickelt sich ein Zwang zur Erhöhung der Dosis zur Erreichung einer Wirkung, die bisher mit niedrigeren Dosen hervorgerufen worden ist. Die Angaben des Antragstellers anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung, er hänge ein bisschen an dem Konsum, er hätte mit dem Konsum schon aufgehört, wenn ihm das Aufhören leichter gefallen wäre, am Wochenende gingen seine Gedanken in Richtung Betäubungsmittel, beim Konsum entstehe ein gewisses Glücksgefühl, und er fühle sich nach dem Konsum angenehm "down", erfüllen aber nicht die oben genannten Anforderungen an eine Abhängigkeit im Sinne von Nr. 9.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Gegen die Annahme einer Abhängigkeit spricht auch, dass der Antragsteller ein negatives Drogen-screening vom 22.04.2003 vorgelegt hat und einer negativen Urinuntersuchung eine Aussage über eine Drogenabstinenz zumindest für einige Tage zu entnehmen ist.

Begegnet die auf § 46 Abs. 1 und 3 sowie § 11 Abs. 7 Satz 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis durchgreifenden rechtlichen Bedenken, so gilt dies auch für die hierauf beruhende Anordnung in Ziffer 2 und die in der Begründung der Verfügung (Seite 4 Mitte) enthaltene Androhung der Wegnahme durch die Polizei nach § 20 und § 28 Abs. 1 LVwVG. Im Hinblick auf die Androhung der Wegnahme des Führerscheins ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 12 Satz 1 LVwVG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an den Empfehlungen in Abschnitt I.7 und II.45 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in seiner jüngsten Fassung von 1996 (NVwZ 1996, 563). Bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis Klasse 3 - alt - ist nach der Empfehlung in Abschnitt II.45.2 des Streitwertkatalogs der Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG maßgeblich (4.000,- EUR). Anhaltspunkte für eine Erhöhung des Streitwerts sind nicht ersichtlich. Die bloße Nutzung der Fahrerlaubnis zur Bewältigung des täglichen Arbeitsweges reicht nach der Praxis des Senats für die Erhöhung nach der Empfehlung in Abschnitt II.45.4 des Streitwertkatalogs nicht aus. Der Betrag von 4.000,- EUR ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren zu halbieren (vgl. Abschnitt I.7 Satz 1 des Streitwertkatalogs). Bei Anlegung dieser Bemessungsgrundsätze beträgt der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls 2.000,- EUR. Die hiervon abweichende Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts ändert der Senat in Ausübung seiner Befugnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG ab.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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