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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.03.2001
Aktenzeichen: 10 S 2787/99
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 47 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 48 Abs. 1
Zur generalpräventiven Wirkung einer Ausweisung wegen Mordes.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 2787/99

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Hofherr und Dr. Rudisile auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.06.1999 - 7 K 1131/99 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein 1973 in Deutschland geborener Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, lebte von Oktober 1973 bis August 1979 in seiner Heimat. Seitdem hält er sich im Bundesgebiet auf, wo er nach dem Besuch der Hauptschule eine Lehre zum Industriemechaniker absolvierte. Seit 27.11.1989 besitzt er eine Aufenthaltsberechtigung.

Durch Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 09.02.1995 wurde er wegen der Ermordung seines Vaters zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichtes hatte der Kläger nach einer Reihe von Streitereien am 01.09.1994 seinen Vater durch Schläge mit einem Eisenrohr getötet. Die Steuerungs- und Schuldfähigkeit sei infolge einer schweren seelischen Abartigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Der Kläger habe infolge einer paranoiden Einengung in einer emotional hoch aufgeladenen Situation in Verbindung mit einem affektiven Ausbruch in einer Art Überreaktion mit einem Gewaltexzess reagiert.

Mit Verfügung vom 21.01.1998 wies die Ausländerbehörde der Beklagten den Kläger nach vorheriger Anhörung aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an. In der Begründung heißt es: Das begangene Kapitalverbrechen stelle einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass dar. Eine besondere Gefährlichkeit des Klägers sei auch in Zukunft zu erwarten. Der Kläger habe bei der Tötung ein hohes Maß an krimineller Überlegung und Energie aufgewandt, was auch für die Zukunft auf eine rechtsfeindliche Gesinnung schließen lasse. Die zuvorige Straffreiheit schließe eine Wiederholungsgefahr nicht aus. Es erscheine nicht entfernt, dass der Kläger bei Auftreten weiterer Schwierigkeiten erneut Straftaten begehe, um seine Ziele zu erreichen. Eine Ausnahme von der Regelrechtsfolge der Ausweisung liege nicht vor. Maßgeblich sei die besondere Gefährlichkeit des Klägers für andere Rechtsgüter. Die Ausweisung sei auch ein geeignetes und zulässiges Mittel, um ihm die Schwere seiner Tat vorzuhalten. Sie sei auch erforderlich zum Schutz der Rechtsgüter der Bundesrepublik vor den vom Kläger ausgehenden Gefahren. Der langjährige Aufenthalt im Bundesgebiet führe nicht dazu, dass von der Regelausweisung abzusehen sei.

Mit Beschluss vom 19.10.1998 - 7 K 2838/98 - gewährte das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Kläger auf seinen Antrag vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung.

Zur Begründung seines am 28.01.1998 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor: Eine Rückfallgefährdung sei allenfalls als gering einzustufen. Schon im schriftlichen Gutachten von Prof. Dr. M. werde erkennbar, dass eine Übertragung der auffälligen Psychodynamik und der damit einhergehenden herabgesetzten Wahrnehmungsbereitschaft auf andere Beziehungen und Erlebnisfelder ausgeschlossen sei. Auch das psychologische Gutachten des Psychologischen Dienstes der JVA Heilbronn unterstreiche diese Einschätzung. Insgesamt werde eine Rückfallgefährdung im Bereich jeglicher Gewaltkriminalität als vergleichsweise gering eingestuft. Damit könne ihm infolge seines Nachreifungsprozesses eine günstige Prognose gestellt werden. Im Übrigen habe er sich auch über die jahrelange Inhaftierung hinweg mit dieser Tat auseinandergesetzt; Reue und Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Tuns seien gegeben.

Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.03.1999 zurück. Der Kläger genieße zwar Ausweisungsschutz, jedoch greife die gesetzliche Regelvermutung des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG ein. Gründe für ein Abweichen hiervon seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Unabhängig von der genannten Regelvermutung erfolge die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, weil der Ausweisungsanlass schwer wiege und eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehe. Letzteres ergebe sich aus den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil vom 09.02.1995. Der Kläger habe vor Ausführung des Mordes ein hohes Maß an krimineller Überlegung und bei Tatausführung kriminelle Energie aufgebracht. Die Tatausführung sei objektiv äußerst brutal gewesen. Bereits aus dem Geschehensablauf und der rationalen Steuerung des Tatgeschehens ergebe sich die begründete Besorgnis, dass das hohe Gewaltpotential des Klägers in einer ähnlich gelagerten Konfliktsituation erneut zum Ausbruch komme. Dem stünden auch die psychologischen Stellungnahmen des Sachverständigen im Strafverfahren und des Anstaltspsychologen nicht entgegen. Der letzteren Stellungnahme lasse sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass eine Wiederholungsgefahr mit Sicherheit auszuschließen sei. Es sei zwar von einer Beziehungstat auszugehen, doch habe der Kläger den Konflikt mit seinem Vater in nicht vertretbarer Weise "gelöst". Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger in einer ähnlich gelagerten Konfliktsituation gegenüber etwa einem Arbeitgeber, einem Vorgesetzten, einem überlegenen Freund oder einer zukünftigen Lebenspartnerin erneut eine schwerste Gewalttat begehe. Für die Ausweisung sprächen auch generalpräventive Gründe. Von einer sogenannten Leidenschaftstat könne nicht ausgegangen werden. Die Ausweisung könne durchaus dazu beitragen, abschreckend auf andere Ausländer in vergleichbaren Situationen zu wirken. Da der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße, werde die Ist-Ausweisung zur Regel-Ausweisung herabgestuft. Die Lebenssituation des Klägers rechtfertige keine Ausnahme. Selbst wenn von einem Ausnahmefall auszugehen wäre, würde bei der erforderlichen Ermessensentscheidung das herausragende öffentliche Interesse an einer wirksamen Abwehr der von dem Kläger ausgehenden Gefahren sein privates Interesse an einem weiteren Verbleib überwiegen.

Am 15.03.1999 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und in seiner ergänzenden Stellungnahme im Widerspruchsverfahren bezogen. Der Kläger hat beantragt, die Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 21.01.1998 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.03.1999 aufzuheben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und zur Begründung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage mit Urteil vom 30.06.1999 - 7 K 1131/99 - stattgegeben. Der Kläger erfülle zwar den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, doch genieße er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG. Daher dürfe er nur aus einem schwerwiegenden Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Der von ihm begangene Vatermord stelle einen solchen sehr schwerwiegenden Ausweisungsanlass dar. Die Tat weise jedoch Besonderheiten auf, die die Annahme eines Ausnahmefalles im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG rechtfertigten. Es handle sich um eine Beziehungstat, bei welcher mit einer generalpräventiven Wirkung nicht in dem Sinne zu rechnen sei, dass sie gleichen oder ähnlichen Taten vorbeugen könne. Im Hinblick auf die Vorgeschichte der Tat, das Spannungsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater, die sachverständige Einschätzung des Klägers als paranoide Persönlichkeit, die infolge einer paranoiden Einengung in einer emotional hoch aufgeladenen Situation in Verbindung mit einem affektiven Ausbruch und einer Art Überreaktion in einem Gewaltexzess reagiert habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausweisung des Klägers über die strafrechtliche Sanktion hinaus dazu beitragen werde, andere Ausländer mit ähnlicher Veranlagung wie der Kläger in vergleichbaren Situationen von schwerwiegenden Straftaten gegen das Leben abzuhalten. Auch in spezialpräventiver Hinsicht sei ein Ausnahmefall gegeben. Die Einschätzung des Regierungspräsidiums, der der Tat vorausgegangene Vater-Sohn-Konflikt sei im Prinzip ein Konflikt mit der Obrigkeit, sei unhaltbar. Sie lasse sich nicht auf die Bekundungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. und des Psychologischen Dienstes der JVA stützen. Nach letzterer sei beim Kläger ein Nachreifungsprozess eingetreten, eine gleichartige Beziehungskonstellation und eine sich hieraus ergebende Rückfälligkeit seien nicht zu erwarten. Abgesehen von dem Autoritäts- und Kulturkonflikt mit dem Vater seien beim Kläger keine gestörten Beziehungen augenfällig. Das gelte auch für den Arbeitsbereich. Persönlichkeitsstörungen mit psychiatrischem Krankheitswert lägen bei ihm nicht vor. Dagegen seien bei ihm Reue und Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Tuns gegeben. Er bekenne sich zu seiner Verantwortung für die Tat, zeige Empathie für seine Mutter und seine Geschwister; sein Verantwortungsgefühl zeige der Umstand, dass er sich gegenüber der LVA zur Übernahme der Kosten der Hinterbliebenenrente bereiterklärt habe. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei dem Kläger in Zukunft schwerwiegende strafrechtliche Verfehlungen ernsthaft drohten. Somit trete die Regelrechtsfolge des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG bei ihm nicht ein. Gesichtspunkte, die trotz des Vorliegens eines Ausnahmefalles nach § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG gleichwohl zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führten, seien nicht ersichtlich.

Das Urteil ist der Beklagten am 22.07.1999 zugestellt worden. Am 11.08.1999 hat sie den Antrag gestellt, die Berufung zuzulassen. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 29.11.1999 entsprochen. Der Beschluss ist der Beklagten am 06.12.1999 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 07.12.1999, eingegangen am 09.12.1999, hat die Beklagte die Berufung wie folgt begründet: Der vom Kläger begangene Mord sei kein atypischer Ausnahmefall. Die Regelvermutung des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG knüpfe gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG an eine Freiheitsstrafe von drei Jahren an; dagegen sei der Kläger zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch seien Kinder-Eltern-Konflikte bei Zuwanderern aus dem moslemischen Bereich eher die Regel als die Ausnahme. Eine Ausnahmesituation könne allenfalls dann angenommen werden, wenn der Täter keinen Ausweg sehe, wenn er also aus seiner Sicht den Konflikt nicht auf andere Weise als mit Gewalt lösen könne. Dies sei nicht der Fall gewesen. Der Kläger sei volljährig gewesen und habe eine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung sowie Anspruch auf Leistungen des Arbeitsamtes gehabt. Er hätte von zu Hause ausziehen können, zumal auch der älteren Schwester der Auszug gelungen sei. Eine Ausnahmesituation habe sich für den Kläger auch nicht aus der Schwere der ihm vom Vater zugemuteten Nachteile ergeben. Der vom Vater angesonnenen Verheiratung mit einer von diesem ausgesuchten Frau habe sich der Kläger entziehen können. Die väterliche Forderung, die Freundschaft mit einer Mitschülerin aufzugeben, entspreche einer nicht nur in moslemischen Kreisen vorkommenden Verhaltensweise. Der Versuch, einen 21-jährigen vom Discobesuch fernzuhalten und ihm das Kraftfahrzeug wegzunehmen, stelle keine Beeinträchtigung elementarer Lebensbedürfnisse dar; dasselbe gelte für den Verzicht auf eine volle Entlohnung der Mitarbeit im Getränkehandel. Auch die Tatsache, dass der Kläger unter psychischem Druck gestanden habe, begründe keinen Ausnahmefall im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG, zumal nach dem Gutachten W. der JVA Heilbronn vom 26.01.1999 feststehe, dass beim Kläger Persönlichkeitsstörungen mit psychiatrischem Krankheitswert nicht vorlägen. Die vom Kläger geschilderte Einsicht in das Unrecht seiner Tat stelle ebenso wie das deklaratorische Anerkenntnis der Ansprüche der LVA ebenfalls keinen Ausnahmegrund dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.06.1999 - 7 K 1131/99 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen nicht vor. Konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr seien nach den Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der JVA Heilbronn vom 26.01.1999 nicht gegeben. Auch generalpräventive Gesichtspunkte rechtfertigten angesichts des langen Aufenthaltes und des verfestigten Aufenthaltsrechts ein generalpräventives Vorgehen nicht. Im Übrigen könne eine generalpräventive Ausweisung bei einer einmaligen Ausnahme- bzw. Konflikttat keine abschreckende Wirkung auf andere potentielle Täter ausüben.

Mit Schreiben vom 26.09.2000 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Kopie des Beschlusses des Landgerichts Heilbronn, Strafvollstreckungskammer, vom 01.09.2000 übersandt. Hierin wird die Vollstreckung des letzten Drittels der gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt; die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. In den Gründen wird u.a. ausgeführt: Der lange Freiheitsentzug habe den Kläger tief beeindruckt; er habe soziale Einordnungsbereitschaft und soziales Leistungsvermögen bewiesen und keinerlei Auffälligkeiten gezeigt, die auf eine Bereitschaft oder Neigung zur Gewaltdelinquenz hinweisen könnten. Er habe den offenen Vollzug und die ihm bewilligten Vollzugslockerungen zu keiner Zeit missbraucht. In seiner Familie, die zu ihm halte, sei er sozial integriert. Seine derzeitige Ausbildung zum Programmierer eröffne ihm zudem eine gute berufliche Perspektive. Auch der Sachverständige Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie und Oberarzt am Zentrum für Psychiatrie Weinsberg, gelange in seinem Gutachten vom 12.08.2000 zu einer günstigen Prognose; der Kläger habe sich in ausreichendem Umfang mit der Straftat auseinandergesetzt und diese aufgearbeitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Senat vorliegenden Akten der Ausländerbehörde, der Widerspruchsbehörde und des Verwaltungsgerichts Stuttgart einschließlich der Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist und entsprechend den sonstigen Anforderungen des § 124a Abs. 4 VwGO begründet worden.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Anfechtungsklage. Die angefochtene Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 21.1.1998 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 3.3.1999 sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Der Kläger, der als Inhaber einer Aufenthaltsberechtigung den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG genießt, hat unstreitig den Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfüllt. In einem derartigen Fall liegen in der Regel schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 1 AuslG vor. Für eine Ausnahme von dieser Regel sind Gründe nicht gegeben.

Zwar spricht einiges dafür, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch im März 1999 die Gefahr einer erneuten schweren Straftat des Klägers nicht mehr anzunehmen war. § 47 Abs. 1 AuslG zielt jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auf Fälle schwerer oder besonders schwerer Kriminalität, bei denen ein dringendes Bedürfnis besteht, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch eine konsistente Ausweisungspraxis andere im Bundesgebiet lebende Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Dass eine derartige generalpräventive Wirkung auch im vorliegenden Zusammenhang erwartet werden konnte, verneint das Verwaltungsgerichts mit Erwägungen, denen der Senat nicht folgt. Das angefochtene Urteil umschreibt die Zielrichtung einer generalpräventiven Ausweisung wie folgt: Es gehe darum, andere Ausländer mit ähnlicher Veranlagung wie der Kläger (paranoider Einengung) in vergleichbaren Situationen (schwerer Vater-Sohn-Konflikt) von schwerwiegenden Straftaten gegen das Leben anderer Menschen abzuhalten. Eine nähere Begründung für diese Eingrenzung des Personenkreises, auf dessen soziales Verhalten mit der Ausweisung Einfluss genommen werden soll, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Die Sichtweise des Verwaltungsgerichts findet auch keine Stütze in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur ausländerrechtlichen Generalprävention. Im Gegenteil heißt es schon im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.5.1973 (Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 30 S. 79, 88): Wenn auch nicht erwartet werden könne, dass durch die angefochtene Ausweisung andere Ausländer sich von "gleichartigen Leidenschaftstaten" abhalten ließen, so lasse sich doch nicht ausschließen, dass eine Ausweisung in solchen Fällen in anderer Hinsicht eine beachtliche Abschreckungswirkung haben könne. Auch in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird die Zielgruppe der mit der behördlichen Ausweisungspraxis angestrebten Abschreckungswirkung nicht derart eng gefasst, wie es das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil tut. So hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt ausgeführt, eine generalpräventive Ausweisung komme gerade da in Betracht, wo die Straftat des Ausländers besonders schwer wiege und deshalb ein dringendes Bedürfnis daran bestehe, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Die Verpflichtung, im Falle einer gravierenden Verfehlung das Bundesgebiet verlassen zu müssen, bedeute zumeist eine so erhebliche Belastung, dass sie neben der ohnehin drohenden Bestrafung eine verhaltenssteuernde Wirkung erwarten lasse (Urt. v. 6.4.1989, BVerwGE 81, 356, 359; Urt. v. 28.1.1997, NVwZ 1997, 1119; Beschl. v. 8.5.1996, Buchholz 402.240 § 48 Nr. 8). Dass die vorbeugende Bekämpfung von Gewaltdelikten wie Mord einen besonders hohen Rang besitzt und in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit ein möglichst kontinuierliches Vorgehen auch der Ordnungsbehörden erfordert, steht für den Senat außer Frage.

Soweit es für die Beurteilung der angemessenen Wirksamkeit der Generalprävention darauf ankommen sollte, ob die Tat in einem momentanen affektiven Ausbruch geschehen ist und eine Selbststeuerung durch das Bedenken auch der ausländerrechtlichen Folgen nicht mehr möglich war, ist hervorzuheben, dass der zur Tatzeit 21-jährige Kläger - dem Urteil des Landgerichts zufolge - den Mordplan bereits am Tage vor der Tat gefasst und bedacht hat. Auch mit Blick auf die Besonderheiten der Straftat des Klägers ist die Eignung der Ausweisung, im Rahmen einer kontinuierlichen ausländerbehördlichen Praxis generalpräventive Wirkungen zu entfalten, mithin zu bejahen.

Zu dem mit der Ausweisung verfolgten generalpräventiven Zweck stehen die für den Kläger eintretenden persönlichen und beruflichen Folgen nicht außer Verhältnis. Insbesondere sind durch die Ausweisung keine die Menschenwürde oder die Existenz des Klägers bedrohenden Folgen zu erwarten. Dass der 1973 geborene Kläger, auch wenn das elterliche Haus in seiner Heimat zerstört ist, keine Aussicht hat, sich etwa mit dem hier erworbenen Abschluss als Industriemechaniker eine Lebensgrundlage zu schaffen, ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Streitwertbeschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 25 Abs. 2 S. 1 und 13 Abs. 1 S. 2 GKG auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 S. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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