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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.03.2001
Aktenzeichen: 10 S 490/00
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVZO a.F. § 15b Abs. 2
Zur Frage, ob die Verkehrsbehörde aus einer verweigerten Mitwirkung an der Aufklärung, ob gegebenenfalls und unter welchen Voraussetzungen trotz einer Körperbehinderung eine bedingte Kraftfahreignung bejaht werden kann, auf die fehlende Kraftfahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers schließen darf.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 490/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Hofherr und Dr. Rudisile auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. März 1999 - 4 K 1147/97 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse 1.

Am 02.10.1968 war ihm von der zuständigen Verkehrsbehörde der ehemaligen DDR eine Fahrerlaubnis für die damaligen DDR-Fahrerlaubnisklassen 1 und 4 erteilt worden. Die Klasse 4 berechtigte zum Führen von Motorrollern und Motorrädern.

Nach Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland erteilte die Verkehrsbehörde der Stadt N. dem Kläger im Wege der Umschreibung am 05.07.1984 die bundesdeutsche Fahrerlaubnis der Klasse 3, allerdings mit folgenden Beschränkungen: 1. Nur Kraftwagen. 2. Servolenkung bei Kraftwagen über 2.800 kg zulässigem Gesamtgewicht. 3. Feststellbremse mit rechter Hand oder linkem Fuß bedienbar. Diese Beschränkungen beruhen darauf, dass beim Kläger eine Behinderung des linken Arms vorliegt. Am 16.08.1996 beantragte der Kläger unter Vorlage seines DDR-Führerscheins bei der Beklagten die Erteilung der Fahrerlaubnisklasse 1 unter Umschreibung der DDR-Fahrerlaubnis. Die Beklagte ging davon aus, dass der Kläger als Folge der Wiedervereinigung im Jahre 1990 Rechte aus seiner früheren, bereits erloschenen DDR-Fahrerlaubnis prinzipiell wieder herleiten konnte. Wegen der Behinderung, die bereits dazu geführt hatte, dass die Fahrerlaubnisklasse 3 nur mit Einschränkungen erteilt worden war, verlangte sie allerdings vom Kläger vor einer Umschreibung die Vorlage eines fachorthopädischen Gutachtens. Dieses wurde von Dr. L. am 26.11.1996 erstellt. Der Gutachter kam zu folgender zusammenfassender Beurteilung:

"Bei dem Patienten liegt eine hochgradige Behinderung im Bereich der linken Hand und des linken Unterarmes vor. Aktive Greiffunktion und Festhaltefunktion der linken Hand sind nicht möglich. Es gelingt zwar ein passives Einhaken der Hand auf einer runden Stange zum Führen dieser Stange. Für alltägliche Situationen beim Motorradfahren oder Rollerfahren erscheint dies ausreichend, allerdings können weitere Funktionen, welche normalerweise an einer Lenkstange mitbedient werden müssen, durch die linke Hand nicht ausgeführt werden. Die Einsetzbarkeit der linken Hand bei Gefahrensituationen ist deutlich reduziert. Aus fachorthopädischer Sicht erscheint der Patient nur bedingt zur Führung eines Motorrollers geeignet."

Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, zur Abklärung der Einsetzbarkeit seiner linken Hand ergänzend ein kraftfahrtechnisches Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr beizubringen. Dies lehnte der Kläger ab.

Mit Bescheid vom 28.02.1997 entzog daraufhin die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klasse 1 und untersagte ihm das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge dieser Klasse im öffentlichen Straßenverkehr innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe seine Mitwirkungspflicht zur Ausräumung berechtigter Zweifel an seiner Kraftfahreignung verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung sei deshalb davon auszugehen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen der betreffenden Klasse nicht geeignet sei.

Den Widerspruch des Klägers vom 13.03.1997 wies das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1997, zugestellt am 14.05.1997, zurück.

Am 11.06.1997 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe verkannt, dass er keineswegs ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 sei. Aus dem fachorthopädischen Gutachten gehe eindeutig hervor, dass er zum Führen eines Motorrollers bedingt geeignet und damit nicht ungeeignet sei. Nach § 15 Abs. 2 StVZO a.F. sei somit eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz habe Rechnung tragen müssen. Hierbei hätte berücksichtigt werden müssen, dass ihm im Jahre 1968 die Fahrerlaubnis in der DDR ohne Einschränkung erteilt worden sei und er dort 16 Jahre lang unfallfrei mit Rollern und Leichtkrafträdern gefahren sei. Er habe auch seiner Mitwirkungspflicht durch Vorlage des fachorthopädischen Gutachtens genügt, das zu einem ausreichenden Ergebnis gekommen sei. Ein weiteres Gutachten sei im Hinblick auf seine lange unfallfreie Praxis nicht mehr erforderlich gewesen. Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 28.02.1997 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 06.05.1997 aufzuheben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.

Mit Urteil vom 16.03.1999 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide antragsgemäß aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei nach dem hier noch anwendbaren § 15b Abs. 2 Satz 1 StVZO a. F. zwar berechtigt gewesen, den Kläger zur Vorlage eines kraftfahrtechnischen Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr aufzufordern; sie habe aus der Weigerung des Klägers, dieses Gutachten anfertigen zu lassen, jedoch zu Unrecht die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 abgeleitet. Dass für die Anordnung des kraftfahrtechnischen Gutachtens ein hinreichender Anlass im Sinne von § 15b Abs. 2 Satz 1 StVZO bestanden habe, ergebe sich schon deutlich aus dem fachorthopädischen Gutachten des Dr. L. Nach § 15b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StVZO a. F. sei die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Gutachtensanordnung nicht darauf beschränkt, nur ein einziges Gutachten zu verlangen. Sie sei vielmehr danach auch zu einer "gestaffelten" Vorgehensweise berechtigt, indem sie zunächst ein fachärztliches Gutachten zur Klärung medizinischer Fragen und im Anschluss daran ein kraftfahrtechnisches Gutachten einholen lasse. Auch nach dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" des "Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin" (Schriftenreihe des Bundes-ministeriums für Verkehr, Heft 73, 1996) sei im Anhang B unter Ziff. 2.4 (Ausfall der linken Hand) in Unterpunkt 2.4.1 (Krafträder) vorgesehen, dass in der Regel ein fachärztliches-orthopädisches oder chirurgisches Gutachten zu erstellen sei. Außerdem sei eine Fahrprobe durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer erforderlich. Der Kläger könne der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung auch nicht entgegenhalten, er brauche ein solches Gutachten nicht zu erbringen, da er sowieso im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sei. Zwar sei der Kläger zu dem Zeitpunkt, als er bei der Beklagten die Ausstellung eines Führerscheins der Klasse 1 beantragt habe (16.08.1996) bereits im Besitz der Fahrerlaubnisklasse 1 gewesen, da seine in der DDR ausgestellte Fahrerlaubnis nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland als bundesdeutsche Fahrerlaubnis fortgegolten habe, auch wenn er sie nicht bereits zum Zeitpunkt seiner Übersiedelung ins Bundesgebiet zusammen mit der Fahrerlaubnisklasse 3 im Jahre 1984 habe umschreiben lassen. Dies habe die Beklagte jedoch ebenso wenig wie eine bereits erteilte bundesdeutsche Fahrerlaubnis daran gehindert, Eignungsmängeln oder Eignungszweifeln, die ihr bekannt geworden seien, nachzugehen und die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Beklagte habe jedoch aus der Weigerung des Klägers, ein weiteres Gutachten anfertigen zu lassen, nicht auf seine Nichteignung schließen dürfen. Welche Schlussfolgerung aus der Verweigerung einer Aufklärungsmaßnahme gezogen werden dürfe, hänge nämlich vom Ziel der Aufklärungsmaßnahme ab. Hier sei zu unterscheiden: Bestünden Zweifel, ob der Betreffende überhaupt zum Führen von Kraftfahrzeugen (hier: einer bestimmten Klasse) geeignet sei, so diene die Aufklärungsmaßnahme der Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis. Bestehe hingegen nur berechtigter Anlass zu der Annahme, dass der Betreffende nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, so könne die Aufklärungsmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur der Vorbereitung einer Entscheidung über die Einschränkung der Fahrerlaubnis oder der Erteilung von Auflagen dienen. Nur wenn es bei der Aufklärungsmaßnahme um die Überprüfung der Kraftfahreignung als solche gehe, dürfe die Verkehrsbehörde aufgrund der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, davon ausgehen, dass der betreffende Kraftfahrer ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Hier sei Ziel des vom Kläger verweigerten Gutachtens jedoch nur gewesen, das Ausmaß seiner bedingten Eignung aufzuklären und die erforderlichen Auflagen und Beschränkungen zu empfehlen. Die Beklagte habe deshalb aufgrund der Weigerung des Klägers, das Gutachten vorzulegen, allein die Schlussfolgerung ziehen dürfen, dass dieser tatsächlich nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, so dass der Tatbestand des § 15b Abs. 1a StVZO a. F. als erfüllt anzusehen sei. Die Beklagte hätte demnach die Fahrerlaubnis der Klasse 1 - soweit notwendig - einschränken oder die erforderlichen Auflagen anordnen können. Da der Kläger als Betroffener durch die Verweigerung des kraftfahrtechnischen Gutachtens eine weitere Sachaufklärung verhindert habe, hätte die Beklagte bei ihrer Ermessensbetätigung nach Aktenlage unter Heranziehung des Gutachtens "Krankheit und Kraftverkehr" entscheiden dürfen. Sie wäre dabei berechtigt gewesen, alle ihr erforderlich erscheinenden Beschränkungen oder Auflagen, wie sie in Ziff. 2.4.1 der Anlage B des Gutachtens "Krankheit und Kraftverkehr" genannt seien, anzuordnen, ohne dass der Kläger diesbezüglich hätte einwenden können, die Anordnung einer gegebenenfalls hohen Zahl von Beschränkungen oder Auflagen sei unverhältnismäßig. Mit diesem Einwand hätte der Kläger schon deshalb kein Gehör finden können, weil er selbst die weitere Sachaufklärung und damit die nähere Präzisierung und Reduzierung der Beschränkungen und Auflagen mittels des kraftfahrtechnischen Gutachtens hätte herbeiführen können.

Das Urteil ist der Beklagten vom 01.07.1999 zugestellt worden. Am 15.07.1999 hat sie beantragt, die Berufung zuzulassen. Mit Beschluss vom 25.02.2000 hat der Senat die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Der Beschluss ist der Beklagten am 07.03.2000 zugestellt worden. Sie hat die Berufung mit am 04.04.2000 eingegangenem Schreiben im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die fachorthopädische Einschätzung, der Kläger erscheine "nur bedingt zur Führung eines Motorrollers" geeignet, erlaube nur die Schlussfolgerung einer bedingten Fahreignung und nicht der Nichteignung, sei unzutreffend. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die zusätzlich geforderte kraftfahrzeugtechnische Begutachtung der Sachverhaltsklärung und damit der Vorbereitung einer von ihr erst noch zu treffenden Entscheidung über die vollständige oder teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis gedient habe. In dieser Vorbereitungsphase sei es jedoch weder möglich noch zulässig, die der Behörde zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten dergestalt einzuschränken, dass auf der Grundlage einer fachärztlichen Einschätzung der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers lediglich noch die Einschränkung der Fahrerlaubnis bzw. eine Fahrerlaubnis mit Auflagen in Frage kommen solle. Dieser Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe schon entgegen, dass die Frage der Eignung rechtlich und nicht fachärztlich zu beurteilen sei; das ärztliche Gutachten diene allein der Klärung von Tatsachenfragen. Aber selbst wenn man dies mit dem Verwaltungsgericht anders sehen wollte, könne die fachärztliche Einschätzung einer bedingten Eignung nicht das Ergebnis der kraftfahrtechnischen Begutachtung vorwegnehmen; es lasse sich nämlich nicht ausschließen, dass ein aus ärztlicher Sicht nur bedingt geeigneter Inhaber einer Fahrerlaubnis aus kraftfahrtechnischer Sicht ungeeignet sei. Die rechtliche Beurteilung der Eignung des Klägers sei ihr bislang nicht möglich gewesen, da der Kläger sich geweigert habe, das kraftfahrtechnische Gutachten beizubringen. Auf der Grundlage der tatsächlich zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel könne sie deshalb auch nicht sagen, ob der Kläger zum Führen von Krafträdern ungeeignet oder nur bedingt geeignet sei. Wenn aber nicht auszuschließen sei, dass der Kläger wegen der Besonderheiten des Einzelfalls ungeeignet zum Führen von Krafträdern sei, scheide auch die vom Verwaltungsgericht unter Bemühung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes diskutierte Möglichkeit aus, gegenüber dem Kläger alle sich aus dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" ergebenden und erforderlich erscheinenden Beschränkungen oder Auflagen anzuordnen. Bei einer derartigen Vorgehensweise wäre nicht ausgeschlossen, dass sie in Unkenntnis des wahren Sachverhalts und der konkreten Umstände des Einzelfalls ungeeignete Maßnahmen ergreife, die sich unter Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit sogar als nachteilig erweisen könnten. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts würden solche Maßnahmen wegen ihrer fehlenden Geeignetheit auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.03.1999 - 4 K 1147/97 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die Beklagte habe aufgrund des fachorthopädischen Gutachtens Anlass zu der Annahme gehabt, er könne möglicherweise lediglich bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Aufgrund der Tatsache, dass er kein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten beigebracht habe, habe die Behörde diese Annahme als bestätigt ansehen können. Der von der Behörde gezogene Rückschluss, er sei überhaupt nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, verbiete sich jedoch. Keine Berücksichtigung bei der Behördenentscheidung habe die Tatsache gefunden, dass er durch das langjährige unfallfreie Führen von Krafträdern seine körperliche Eignung längst nachgewiesen habe. Von Bedeutung sei dabei, dass zum damaligen Zeitpunkt die Behinderung sowohl hinsichtlich Ausmaß als auch Intensität mit dem heutigen Gesundheitszustand identisch sei. Die Anforderung eines kraftfahrzeugtechnischen Gutachtens sei insofern zum Zwecke der Feststellung der körperlichen Eignung nicht erforderlich gewesen. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass aus der Nichtvorlage des Gutachtens kein "negativerer" Schluss als die "bedingte Fahreignung" habe gezogen werden dürfen. Die Nichtvorlage eines Gutachtens könne stets nur den Verdacht bestätigen, der zur Beibringungsanordnung ermächtigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Freiburg und des Verwaltungsgerichts Freiburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 28.02.1997 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 06.05.1997 aufgehoben. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht allerdings angenommen, dass die Aufforderung an den Kläger, ein kraftfahrtechnisches Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr nach § 15b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVZO a.F. vorzulegen, rechtmäßig ist. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durfte die Beklagte aus der Weigerung des Klägers, ein solches Gutachten beizubringen, aber nicht lediglich den Schluss ziehen, dass dieser zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 nur bedingt geeignet ist; vielmehr war auch der weitergehende Schluss berechtigt, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen dieser Fahrerlaubnisklasse ungeeignet ist.

Der Senat kann dem Verwaltungsgericht schon nicht darin folgen, dass das Aufklärungsziel, das die Beklagte mit der Anordnung eines das fachorthopädische Gutachten ergänzenden kraftfahrtechnischen Gutachtens verfolgt hat, darauf beschränkt gewesen sei festzustellen, unter welchen Einschränkungen und Auflagen die Fahrerlaubnis Klasse 1 bei feststehender nur bedingter Kraftfahreignung erteilt werden kann. Denn aufgrund des Befundes des fachorthopädischen Gutachtens des Dr. L. stand - unbeschadet der fachorthopädischen Beurteilung einer nur bedingten Eignung - in rechtlicher Hinsicht noch nicht fest, dass der Kläger immerhin bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklasse 1 geeignet ist. Die Funktionseinbußen, die im Gutachten aus fachorthopädischer Sicht als Folge der Behinderung des Klägers an der linken Hand und am linken Unterarm dargestellt sind, insbesondere die deutlich reduzierte Einsetzbarkeit der linken Hand bei Gefahrensituationen, sind nämlich so gravierend, dass die Entscheidung, ob rechtlich noch von einer bedingten Kraftfahreignung ausgegangen werden kann oder schon eine fehlende Eignung angenommen werden muss, nicht ohne ergänzende tatsächliche Feststellungen darüber getroffen werden konnte, ob der Kläger konkret in der Lage ist, ein Kraftrad der betreffenden Fahrerlaubnisklasse sicher zu führen. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass ihm die betreffende Fahrerlaubnis in der ehemaligen DDR im Jahre 1968 ohne Einschränkungen erteilt worden war und dass er dort - wie er geltend macht - auch jahrelang beanstandungsfrei mit einem Motorroller am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Denn maßgeblich für die Kraftfahreignung sind die heutigen Anforderungen an die Verkehrssicherheit. Ziel der kraftfahrtechnischen Begutachtung war deshalb vorrangig die Erhebung weiterer Tatsachen, die es der Beklagten ermöglichen sollten, in rechtlicher Hinsicht zu entscheiden, ob der Kläger trotz seiner Behinderung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 geeignet ist. Die Erhebung solch weiterer Tatsachen hat der Kläger durch seine Weigerung, das Gutachten beizubringen, ohne triftigen Grund vereitelt, so dass er allein wegen dieser Weigerung nach der von der Rechtsprechung zum früheren, hier noch maßgeblichen Fahrerlaubnisrecht entwickelten Grundsätze als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 anzusehen ist.

Aber auch dann, wenn sich die Beklagte die fachorthopädische Beurteilung einer jedenfalls bedingten Eignung bereits rechtlich zu eigen gemacht hätte und die kraftfahrtechnische Begutachtung lediglich dazu gedient hätte, die Tatsachen für notwendige Einschränkungen und Auflagen zu der betreffenden Fahrerlaubnisklasse zu erheben, würde die Weigerung, ein solches Gutachten beizubringen, ebenfalls dazu führen, dass der Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 anzusehen ist. Denn wenn Defizite vorhanden sind, die nur unter bestimmten Voraussetzungen eine (bedingte) Kraftfahreignung bejahen lassen, ist derjenige, der diese Defizite besitzt, verpflichtet, durch eigene Mitwirkung an Aufklärungsmaßnahmen dazu beizutragen, diese Voraussetzungen zu schaffen. Nimmt er diese Chance nicht wahr, dann wirken sich auch prinzipiell kompensierbare Defizite letztlich nicht anders aus als Defizite, die zwingend einer Eignung entgegenstehen. Sie führen zur Nichteignung. Die gegenteilige einer durchgängig strengen dogmatischen Trennung von Nichteignung und bedingter Eignung verhaftete Auffassung des Verwaltungsgerichts verkennt dies.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 13. März 2001

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 25 Abs. 2, 13 Abs. 1 GKG auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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