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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 17.12.2007
Aktenzeichen: 10 S 690/07 (1)
Rechtsgebiete: VwGO, AtG


Vorschriften:

VwGO § 75
VwGO § 87a
AtG § 7 Abs. 1b
Im Rahmen der Prüfung eines zureichenden Grundes i. S. v. § 75 S. 3 VwGO ist es nicht Aufgabe des Gerichts im vorbereitenden Verfahren, Teilfragen hinsichtlich der Normstruktur und des Entscheidungsprogramms einer rechtlich komplexen und normativ nicht im Einzelnen determinierten Vorschrift wie § 7 Abs. 1 b AtG noch vor dem Vorliegen einer Verwaltungsentscheidung hierzu vorab zu entscheiden, sofern nicht die Verwaltung von einer offenkundig falschen Rechtsauffassung ausgeht.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

10 S 690/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Übertragung von Elektrizitätsmengen nach § 7 Abs. 1 b AtG

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 17. Dezember 2007

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird bis zum Ablauf des 09. Mai 2008 ausgesetzt.

Gründe:

Die im vorbereitenden Verfahren ergehende Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ergeht durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 87a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO).

Das Verfahren ist nach § 75 Satz 3 VwGO bis zum im Tenor genannten Zeitpunkt auszusetzen, weil ein - mit der Rechtsordnung zu vereinbarender (vgl. BVerwG NVwZ 1991, 1180) - zureichender Grund dafür vorliegt, dass die von der Klägerin am 21.12.2006 beantragte Zustimmung zur Übertragung eines Elektrizitätsmengenkontingents noch nicht erteilt ist.

Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die zu treffende behördliche Entscheidung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie besondere Schwierigkeiten, insbesondere im Bereich der Sachverhaltsermittlung, aufwirft (1), die Einholung von Stellungnahmen anderer Behörden und Sachverständigen verlangt sowie insbesondere einem Einvernehmungserfordernis mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundeskanzleramt unterliegt (2) und schließlich in engem Zusammenhang mit weiteren, zum Teil prioritär abzuarbeitenden Parallelanträgen steht (3).

1. Das durchzuführende Antragsverfahren wirft besondere Schwierigkeiten (vgl. zu diesem Kriterium z. B. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 75 Rn. 51), insbesondere im Bereich der Sachverhaltsermittlung, auf. Das gilt jedenfalls für den von der Beklagten für erforderlich gehaltenen Sicherheitsvergleich. Dass die in dem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen komplex sind, hat die Beklagte durch ihren Vortrag hinreichend dargetan. Das wird von der Klägerin wohl auch nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Sie geht allerdings im Gegensatz zur Beklagten davon aus, dass ein Sicherheitsvergleich aus rechtlichen Gründen nicht zu erfolgen habe und dass es sich vorliegend um eine gebundene Entscheidung handle. Zu beiden rechtlich schwierigen Fragen haben die Beteiligten umfangreich - jeweils unter Vorlage gegensätzlicher Rechtsgutachten - im Gerichtsverfahren vorgetragen. Soweit die Klägerin einer Aussetzung des Verfahrens mit dem Begehren einer baldigen Klärung dieser Fragen durch das Gericht in einer mündlichen Verhandlung entgegentritt und einen zureichenden Grund für die Aussetzung verneint, ist dem nicht zu folgen. Denn es ist nicht Aufgabe des vorbereitenden Verfahrens, Teilfragen hinsichtlich der Normstruktur und des Entscheidungsprogramms einer rechtlich komplexen und normativ nicht im Einzelnen determinierten Vorschrift wie § 7 Abs. 1 b AtG noch vor dem Vorliegen einer Verwaltungsentscheidung hierzu vorab zu entscheiden, sofern die Beklagte nicht von einer offenkundig falschen Rechtsauffassung ausgeht. Anderes käme im Hinblick auf die effektive Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG allenfalls dann in Betracht, wenn die konkrete Gefahr einer Verschleppung der Verwaltungsentscheidung bestünde. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht in ausreichendem Umfang vorhanden, auch wenn die Klägerin Gegenteiliges behauptet. Denn die Beklagte hat einen strukturierten Zeitplan über ihr weiteres Vorgehen vorgelegt und diesen auch im Einzelnen näher erläutert.

Auch das Begehren der Klägerin, das Gericht möge nach § 87 b Maßnahmen gegen die Beklagte ergreifen, kann keinen Erfolg zeitigen, da es derzeit lediglich an einem umfassenden Klageerwiderungsvortrag durch die Beklagte fehlt; es bleibt unklar, inwieweit die Voraussetzungen für eine Fristsetzung nach § 87 b Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 gegenüber der Beklagten vorliegen sollten. Mit gesonderter Verfügung ist die Beklagte im Übrigen zur abschließenden Stellungnahme zu den aufgeworfenen Fragen gebeten worden, soweit sie vor Ergehen der Verwaltungsentscheidung beantwortbar sind.

2. Hinzu kommt, dass eine Entscheidung nach § 7 Abs. 1 b AtG das Einvernehmen mit Bundeswirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt verlangt und in diesem Zusammenhang umfangreiche Abstimmungen und Stellungnahmen erforderlich sind, die einen gewissen Zeitaufwand benötigen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt z. B.. Kopp, VwGO, 15. Aufl., § 75 RdNr. 13). Ob und in welchem Umfang hier i. S. einer verfahrenstechnischen Optimierung schon alle sinnvollen Schritte eingeleitet worden sind - was die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz vom 11.12.2007 bezweifelt -, kann im vorliegenden Zusammenhang offen bleiben, da insoweit maßgeblich lediglich die Tatsache der entsprechenden verfahrenstechnischen Komplexität ist.

3. Schließlich bedarf es - wie ebenfalls aus dem von der Beklagten vorgelegten Zeitplan und dem entsprechenden Vortrag im nachgereichten Schriftsatz zu entnehmen ist - einer umfangreichen Koordinierung mit zum Teil prioritären Antragsstellungen auf Elektrizitätsmengenübertragung. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass es hier nicht um das bloße Abwarten von vorherigen Entscheidungen, sondern um ein gestaffeltes, rational begründetes Vorgehen in Teilschritten geht.

Die genannten drei Aspekte stellen - auch unter Abwägung mit dem von ihr ausgeführten und nachvollziehbaren Beschleunigungsinteresse der Klägerin - jedenfalls in ihrer Zusammenschau einen zureichenden Grund dafür dar, dass bislang noch keine verwaltungsbehördliche Entscheidung ergangen ist. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin - unabhängig von ihrem Rechtsstandpunkt - durch die von der Beklagten verlangte Mitwirkung eine gewisse Beschleunigung herbeiführen könnte. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die rechtliche schwierige Frage, in welchem Umfang die Klägerin zur Mitwirkung verpflichtet ist, aus deren Fehlen kein selbständiger zureichender Grund für eine fehlende Sachentscheidung entnommen werden könnte.

Ob auch die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Argumente (insbesondere zusätzliche Belastungen des Bundesumweltministeriums mit prioritären aufsichtlichen Aufgaben im Hinblick auf die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel) für einen zureichenden Grund sprechen könnten, bedarf auf dem Hintergrund der obigen Ausführungen keiner Entscheidung.

Nur am Rande sei bemerkt, dass im Hinblick auf die komplexen zu klärenden Sach- und Rechtsfragen auch der Senat kaum zu einer Sachentscheidung über die Untätigkeitsklage vor einer ins Auge gefassten behördlichen Entscheidung im Mai 2008 in der Lage sein dürfte (zu diesem Aspekt: Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, § 75 RdNr. 9).

Die Befristung der Aussetzung berücksichtigt den von der Beklagten vorgelegten detaillierten Zeitplan. Bis zu diesem Zeitpunkt ist danach davon auszugehen, dass eine behördliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren getroffen werden kann. Soweit die Beklagte hilfsweise für den Fall einer Aussetzung eine deutlich kürzere als die vorgesehene Frist für angemessen hält, hat sie dies ausdrücklich für den - hier nicht gegebenen - Fall getan, dass die Aussetzung (nur) aus anderen Gründen als wegen der Frage eines Sicherheitsvergleichs erfolgen sollte.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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