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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 11 S 1216/02
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 15
AsylVfG § 70 Abs. 1
AuslG § 8 Abs. 1
AuslG § 51 Abs. 1
1. Die Regelung der besonderen Versagungsgründe des § 8 Abs. 1 AuslG sperrt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG nicht (wie BVerwG, Urteil vom 17.12. 2002 - 1 C 3.02 -, BVerwGE 117, 276).

2. Zur Frage, ob ein Rechtsanspruch nach § 70 Abs. 1 AsylVfG auch dann besteht, wenn zwar in Bezug auf einen bestimmten Staat eine unanfechtbare positive Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG getroffen wurde, in Bezug auf einen anderen Staat aber - ebenfalls unanfechtbar - die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verneint wurden, und dem Ausländer die Abschiebung in diesen Staat unanfechtbar angedroht wurde (hier offen gelassen).

3. Die Abschiebung eines Ausländers ist im Sinne von § 70 Abs. 1 AsylVfG aus tatsächlichen Gründen nur vorübergehend unmöglich, solange er nicht seiner rechtlich bestehenden Pflicht zur Mitwirkung an der nicht von vornherein aussichtslosen Beschaffung von Reisedokumenten für eine Rückreise in einen Drittstaat nachgekommen ist, in den ihm die Abschiebung angedroht worden ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob sich die Möglichkeit einer Abschiebung bereits konkret abzeichnet.


11 S 1216/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Aufenthaltsbefugnis

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und Dr. Vondung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20. Februar 2002 - 10 K 3090/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte erstrebt mit der Berufung die Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20.2.2002, mit dem er verpflichtet wurde, dem Kläger eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.

Der Kläger ist - nach seinen Angaben - am 12.1.1973 geboren und irakischer Staatsangehöriger assyrischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 30.9.1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein und hält sich seitdem hier auf.

Am 7.10.1996 stellte der Kläger einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gab er (u.a.) an, er habe mit seinen Eltern im Jahr 1983 den Irak verlassen und sei mit ihnen nach Syrien gezogen. Er besitze keine Personalpapiere. In Syrien hätten seine Eltern ein Aufenthaltspapier erhalten, das er in Syrien zurückgelassen habe. Seine Familie lebe noch in Syrien. Das Aufenthaltspapier für Syrien, das jedes Familienmitglied erhalten habe, sei von der Geheimdienstbehörde ausgestellt worden. Auf dem Ausweis, der alle drei Monate verlängert worden sei, habe es keine Registriernummer gegeben. Er und seine Familie hätten immer der Aufsicht des Geheimdienstes unterstanden. Er habe Probleme mit dem Geheimdienst gehabt. Vor seiner Ausreise habe er in die Zentrale des Geheimdienstes gemusst, da man ihn verdächtigt habe, mit oppositionellen Parteien zusammenzuarbeiten. Er habe diesen ständigen Verhören entgehen wollen und sei deshalb ausgereist. Ohne gültige Personaldokumente könne er nicht nach Syrien zurückkehren. Der Geheimdienst wisse jetzt nicht, wo er sich aufhalte. Bei einer Rückkehr hätte er Schwierigkeiten. Im September 1996 habe er Syrien verlassen und sei mit Hilfe eines Schleppers illegal nach Deutschland gekommen.

Mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.2.1998 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass beim Kläger bereits wegen seiner Asylantragstellung die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich des Irak vorlägen. Für Syrien lägen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vor. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; im Fall einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Syrien abgeschoben. Der Kläger dürfe nicht in den Irak abgeschoben werden.

Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage blieb erfolglos. Mit dieser Klage erstrebte er die Aufhebung der Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.2.1998 sowie die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zu der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Syriens erfüllt seien und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich Syriens vorlägen. In dem - rechtskräftigen - Urteil vom 8.2.2000 (A 11 K 13374/98) hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Syriens. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger unverfolgt aus Syrien ausgereist sei. Auch unter dem Gesichtspunkt von Nachfluchtgründen drohten dem Kläger keine Verfolgungsmaßnahmen syrischer Stellen. Für Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich Syriens sei ebenfalls kein Raum. Die Abschiebungsandrohung entspreche den gesetzlichen Maßstäben.

Dem Kläger wurden in der Folgezeit Duldungen erteilt. Der Kläger ist arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Durch seine Prozessbevollmächtigte beantragte der Kläger mit Schreiben vom 21.1.2000, ihm gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 4.7.2000 mit, die Voraussetzungen des § 70 AsylVfG seien bei ihm nicht erfüllt. Er sei ausreisepflichtig und die Abschiebungsandrohung nach Syrien sei aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen möglich. Dem Kläger werde ein Ausreisefrist bis zum 24.7.2000 gesetzt, in der er das Bundesgebiet freiwillig verlassen könne. Er wurde gebeten, bis zum 13.7.2000 einen Pass bzw. Rückreisedokument, mit dem die Einreise nach Syrien möglich sei, beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis vorzulegen.

Mit Anwaltsschreiben vom 26.7.2000 teilte der Kläger der Ausländerbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis mit, dass er nach Aufforderung durch diese Behörde ein Passersatzantragsformular für die syrische Botschaft ausgefüllt habe. Er sei bereit, auch persönlich bei der syrischen Botschaft vorzusprechen. Dafür benötige er jedoch ein Schreiben der Ausländerbehörde, aus dem der Zweck seiner Vorsprache hervorgehe. Die Ausländerbehörde bestätigte daraufhin dem Kläger schriftlich (unter dem 3.8.2000), dass er bei der syrischen Botschaft vorsprechen solle, um dort Rückreisedokumente zu beantragen.

Bei einer Vorsprache des Klägers bei der Ausländerbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis am 17.8.2000 teilte er mit, er sei am 9.8.2000 bei der syrischen Botschaft gewesen und habe das Schreiben der Ausländerbehörde vorgelegt. Er habe dem Botschaftsbediensteten zu verstehen gegeben, dass er kein syrischer Staatsangehöriger sei und auch nicht nach Syrien zurückkehren wolle. Er sei Iraker "und habe zwar auch in Syrien gelebt, aber er möchte nicht zurück, er möchte kein Reisedokument". Daraufhin sei er ohne eine Bestätigung über seine Vorsprache weggeschickt worden.

Auf ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.8.2000 an das Regierungspräsidium Karlsruhe, mit dem "erneut" darauf hingewiesen wurde, der Kläger sei bereit, "persönlich bei der Syrischen Botschaft vorzusprechen", wofür er aber ein Schreiben des Regierungspräsidiums über den Zweck seiner Vorsprache benötige, stellte ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe unter dem 25.8.2000 eine Bescheinigung zur Vorlage bei der syrischen Botschaft aus. Darin wird ausgeführt, der Kläger sei ausländerrechtlich verpflichtet, sich in den Besitz eines Passes oder Reisedokuments zu bringen, der bzw. das ihn zur Einreise nach Syrien berechtige. Zu diesem Zweck sei er aufgefordert worden, bei der syrischen Botschaft ein entsprechendes Dokument zu beantragen.

Am 28.9.2000 sprach der Kläger bei der Ausländerbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vor und erklärte, "dass er gerne in den Irak zurückkehren möchte". Ihm wurde erklärt, dass eine freiwillige Ausreise möglich sei; er müsse sich ein Reisedokument bei der irakischen Botschaft/Konsulat besorgen. Der Kläger gab an, er habe nicht verstanden, warum das Verwaltungsgericht festgestellt habe, dass er nicht in den Irak abgeschoben werden könne. Er sei im Irak nicht verfolgt worden; er habe "sich in Deutschland nur ein besseres Leben" erhofft.

Am 31.10.2000 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, mit der er beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Zur Begründung machte er geltend, die Klage sei zulässig, da der Beklagte über seinen Antrag vom 21.1.2000 nicht entschieden habe. Die Voraussetzungen des § 70 AsylVfG lägen vor. Das Bundesamt habe bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 12.2.1998 für die Ausländerbehörde bindend die Flüchtlingsanerkennung festgestellt. Die Ausreisepflicht sei bereits Mitte März 1998 vollziehbar geworden. Ab diesem Zeitpunkt sei die Ausländerbehörde verpflichtet gewesen, die Abschiebung vorzunehmen oder gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Er habe bei der syrischen Botschaft vorgesprochen, die es abgelehnt habe, ein Passersatzpapier auszustellen bzw. eine Bescheinigung über die Vorsprache zu erteilen. Der Beklagte habe es unterlassen, Nachforschungen nach aufnahmebereiten Drittstaaten, hier insbesondere Syrien, anzustellen. Es stehe auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die syrische Botschaft einem irakischen Staatsangehörigen keinen Pass ausstellen werde "und ihm allein wegen eines längeren Aufenthalts in Syrien auch ein Rückreisepapier nicht ausstellen" werde.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Er machte geltend, eine Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG sei deshalb nicht möglich, weil bisher der Nachweis fehle, dass eine Rückkehr nach Syrien aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Auch eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG könne nicht erteilt werden, da der Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe, so dass der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entgegenstehe.

Eine Aufklärungsanordnung des Verwaltungsgerichts vom 24.9.2001, mit der der Beklagte um Mitteilung gebeten wurde, ob und gegebenenfalls wann er sich mit den syrischen Behörden wegen eines Einverständnisses für die Abschiebung des Klägers nach Syrien in Verbindung gesetzt habe, wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe mit Schreiben vom 16.10.2001 beantwortet. Darin wurde mitgeteilt, es könne auf Grund der Aussagen des Klägers davon ausgegangen werden, dass er in Syrien melderechtlich erfasst gewesen sei und auch im Nachhinein noch sein legaler Aufenthalt von 1983 bis 1996 festgestellt werden könne. Die Beantragung eines Rückreisedokuments durch das Regierungspräsidium habe nicht erfolgen können, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt Identitätspapiere oder sonstige Nachweise über seinen Aufenthalt in Syrien vorgelegt habe und ein Antrag daher völlig aussichtslos gewesen wäre. Der Kläger sei daher mehrfach aufgefordert worden, persönlich bei der syrischen Botschaft vorzusprechen und dort Informationen zu geben, die seine Identität ermöglichen würden. Da der Kläger bei der syrischen Botschaft erklärt habe, er sei kein syrischer Staatsangehöriger und wolle auch nicht nach Syrien zurückkehren, erscheine es einleuchtend und nachvollziehbar, dass ihm kein syrisches Dokument ausgestellt werde. Der Kläger habe jede Mitwirkung bei der Passbeschaffung abgelehnt. Sofern die syrische Botschaft die Aussagen des Klägers über seinen Aufenthalt in Syrien bestätigt, jedoch aus nachvollziehbaren Gründen keiner erneuten Einreise bzw. Dokumentenausstellung zugestimmt hätte, wäre die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis durchaus möglich gewesen. Dieser Nachweis müsse jedoch erbracht werden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt auch nur in geringster Form an der Klärung und Feststellung seiner Identität bzw. seiner Herkunft und seines bisherigen Aufenthaltsorts mitgewirkt.

Mit Urteil vom 20.2.2002 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 70 AsylVfG zu erteilen. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus: Die Verpflichtungsklage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Kläger habe gemäß § 70 AsylVfG einen Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten Aufenthaltsbefugnis, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorlägen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge habe zugunsten des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak bestandskräftig festgestellt. Die Abschiebung des Klägers sei auch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich. Die Abschiebung des Klägers in den Irak sei rechtlich auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen. Seine Abschiebung nach Syrien sei derzeit aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Davon sei auszugehen, nachdem der Beklagte bisher keinen Versuch unternommen habe, den Kläger nach Syrien abzuschieben. Es könne nicht darauf ankommen, ob der Kläger freiwillig ausreisen könnte. Die Unmöglichkeit der Abschiebung sei auch nicht nur vorübergehend. Es seien keine konkreten Anhaltspunkte für eine syrische Staatsangehörigkeit des Klägers vorgetragen worden oder ersichtlich. Nach den Angaben des Auswärtigen Amtes in den Lageberichten vom 13.1.1999 und vom 11.9.2001 sei davon auszugehen, dass eine Abschiebung des Klägers unmöglich sei, wenn er [nicht] im Besitz eines - sei es auch wegen Zeitablaufs inzwischen ungültigen - syrischen Reisedokuments sei. Hierfür gebe es keine konkreten Anhaltspunkte. Aus seinem Aufenthalt in Syrien vor der Einreise könne nicht geschlossen werden, dass der Kläger syrische Reisedokumente (noch) besitze. Für Personen, die über entsprechende Dokumente nicht verfügen, behalte sich die syrische Regierung im Einzelfall die Entscheidung vor, wozu eine Notifizierung unter Angabe aller Einzelheiten zur Person und zu ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich sei. Hierzu habe der Beklagte sinngemäß vorgetragen, ein entsprechendes Vorgehen ohne Mitwirkung des Klägers habe von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg. Die Abschiebung scheitere letztlich an der fehlenden Bereitschaft des Klägers, die entgegenstehenden Hindernisse, insbesondere das Fehlen der Reisepapiere, zu beseitigen. Es sei jedoch nicht vorgetragen, dass und in welchem Zeitraum der Beklagte das so beschriebene Hindernis z.B. durch Konkretisierung von Auskunftspflichten und ihre Durchsetzung gegebenenfalls durch Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln beseitigen könne und zu beseitigen beabsichtige. Danach fehle derzeit jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich die Situation in absehbarer Zeit ändere und eine Abschiebung des Klägers möglich sein werde. Der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis auf Grund von § 70 AsylVfG stünden auch Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 (hier: Nr. 3) AuslG nicht entgegen.

Das Verwaltungsgericht hat in diesem Urteil die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, und zwar hinsichtlich der Frage nach der Geltung der Versagungsgründe gemäß § 8 Abs. 1 AuslG für den Anspruch nach § 70 AsylVfG sowie hinsichtlich der Frage nach den Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen einer nicht nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 70 AsylVfG.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 29.4.2002 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 17.5.2002 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 12.6.2002, eingegangen am 14.6.2002, eine Begründung dazu vorgelegt.

Der Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis damit begründet, dass die Abschiebung des Klägers im Sinne von § 70 AsylVfG nicht nur vorübergehend unmöglich sei. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis scheitere an der bisher nicht geklärten Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers. Bisher fehle der Nachweis dafür, dass eine Rückkehr des Klägers nach Syrien aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich sei. Diese Unklarheiten gingen zu Lasten des Klägers, da dieser zu einer Mitwirkung bei der Klärung seiner Identität sowie zum Erhalt von Reisedokumenten nicht bereit gewesen sei, obwohl er hierzu kraft Gesetzes bisher verpflichtet gewesen sei und dies nach wie vor sei. Inzwischen sei von der Ausländerbehörde aufgrund der geänderten politischen Lage im Irak beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ein Antrag auf Rücknahme der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak beim Kläger vorliegen, gestellt worden. Eine Entscheidung darüber sei noch nicht ergangen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20.2.2002 - 10 K 3090/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, an seiner Identität sowie an seiner Staatsangehörigkeit bestünden keine Zweifel. Ihm sei es nicht zumutbar, sich bei der irakischen Botschaft oder bei anderen Botschaften um den Erhalt von Reisedokumenten zu bemühen. Auf Ausländer, denen bereits rechtskräftig ein Bleiberecht gewährt worden sei, sei § 15 AsylVfG nicht anwendbar. Er sei nicht verpflichtet, eine freiwillige Rückkehrerklärung nach Syrien abzugeben. Er wolle hier in Deutschland bleiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Ferner wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die - vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung des Beklagten ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 bis 3 VwGO sind erfüllt.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage zwar als Verpflichtungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens in der Form der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) als zulässig angesehen. Diese Klage war - und ist - jedoch nicht begründet. Denn der Beklagte hat dem Kläger zu Recht keine Aufenthaltsbefugnis erteilt, da dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hätte einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG nur dann, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorlägen. Nach dieser Vorschrift ist dem Ausländer eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) oder ein Gericht unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt hat und die Abschiebung des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.

1. Es ist bereits fraglich, ob der Kläger die erste nach § 70 Abs. 1 AsylVfG bestehende Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch - dass das Bundesamt oder ein Gericht unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt hat - erfüllt.

a) Das Bundesamt hat zwar mit Bescheid vom 12.2.1998 unanfechtbar festgestellt, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in Bezug auf den Irak vorliegen. An diese - nach wie vor wirksame, insbesondere weder nichtige noch nach § 72 AsylVfG erloschene - Statusfeststellung ist die Ausländerbehörde nach § 4 AsylVfG noch immer gebunden, auch wenn durch die Änderung der dafür maßgebenden Verhältnisse im Irak eine Gefährdung des Klägers wegen der Stellung eines Asylantrags wahrscheinlich nicht mehr besteht (vgl. dazu BayVGH, Urteil vom 13.11.2003 - 15 B 02.31751 -, AuAS 2004, 43) und die Behörde beim Bundesamt die Aufhebung dieser Feststellung beantragt hat. Die Äußerungen des Klägers gegenüber der Ausländerbehörde des Neckar-Odenwald-Kreises am 28.9.2000, "dass er gerne in den Irak zurückkehren möchte", wo er nicht verfolgt worden sei, haben nicht zu einem Erlöschen der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, geführt; denn ein solches - kraft Gesetzes eintretendes - Erlöschen dieser Rechtsstellung tritt ausschließlich bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 AsylVfG ein, die durch diese Äußerungen des Klägers aber nicht erfüllt sind.

b) Das Bundesamt hat jedoch in dem Bescheid vom 12.2.1998 zugleich festgestellt, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in Bezug auf Syrien nicht vorliegen. Diese Feststellung ist durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8.2.2000 (A 11 K 13374/98), mit dem die dagegen erhobene Klage des Klägers abgewiesen wurde, ebenfalls unanfechtbar geworden. In diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht auch die Abschiebungsandrohung in diesem Bescheid des Bundesamts - und damit das Bestehen der Ausreisepflicht des Klägers - als rechtmäßig bestätigt. Unter diesen Umständen erscheint es fraglich, ob das Abschiebungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG, das nur in Bezug auf einen bestimmten Staat besteht, nicht aber in Bezug auf einen anderen Staat, in den der Ausländer rechtmäßig abgeschoben werden kann, als Grundlage des Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG ausreicht. Wenngleich der Wortlaut dieser Bestimmung keine Einschränkung für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der unanfechtbaren Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG enthält, so bestehen unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift rechtliche Bedenken dagegen, einem nach Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG), dem eine Ausreise aus dem Bundesgebiet und eine Einreise in einen fremden Staat zumutbar ist, allein wegen des Vorliegens eines Abschiebungsverbots in Bezug auf einen anderen Staat einen Rechtsanspruch auf einen legalen Aufenthaltsstatus durch Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu gewähren. Diese Bedenken werden auch durch den systematischen Zusammenhang der Bestimmung des § 70 AsylVfG mit den Regelungen des Aufenthalts nach einem (erfolgreichen) Abschluss des Asylverfahrens (vgl. § 68 ff AsylVfG) bestätigt; denn ein Ausländer, der das Asylverfahren - wie der Kläger - nur teilweise erfolgreich abgeschlossen hat, jedoch zur Ausreise verpflichtet ist und in einen anderen als den Verfolgerstaat abgeschoben werden kann, bedarf keines aufenthaltsrechtlichen Schutzes, der über den Schutz vor einer Abschiebung in den Verfolgerstaat hinausgeht.

2. Der Senat kann diese Frage jedoch offen lassen, da im Fall des Klägers die weitere Voraussetzung für den geltend gemachten Rechtsanspruch nach § 70 Abs. 1 AsylVfG - dass seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist - jedenfalls nicht erfüllt ist

a) Zwar sperrt im Fall des Klägers die Regelung der besonderen Versagungsgründe des § 8 Abs. 1 AuslG - die hier wegen des fehlenden Passes sowie der ungeklärten Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers in Bezug auf die Nrn. 3 und 4 in Betracht kommen - nicht die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG. Denn § 8 Abs. 1 AuslG schließt die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung auf Grund von Rechtsansprüchen, die auf anderen Rechtsgrundlagen als denen des Ausländergesetzes beruhen, nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 3.6.1997 - 1 C 18.96 - und vom 9.9.1997 - 1 C 20.97 - Buchholz 402.24 § 8 AuslG 1990 Nr. 11 und Nr. 14). Diese - vom Verwaltungsgericht als rechtliche Zweifelsfrage zur Begründung der Zulassung der Berufung angeführte - Frage ist inzwischen durch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17.12. 2002 (- 1 C 3.02 -, BVerwGE 117, 276 = EZAR 015 Nr. 32 = AuAS 2003, 110 = DVBl 2003, 723 = DÖV 2003, 553 = NVwZ 2003, 992 = InfAuslR 2003, 310) geklärt. Auch der erkennende Senat ist der Ansicht, dass die Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG einem anerkannten Flüchtling grundsätzlich nicht allein deshalb versagt werden darf, weil Zweifel an seiner Identität und Staatsangehörigkeit bestehen.

b) Der Kläger kann jedoch deshalb nicht mit Erfolg einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG geltend machen, weil seine Abschiebung nach Syrien weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 17.12.2002 (a.a.O.) ausgeführt hat, begründet die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG stets zugleich die nicht nur vorübergehende Unmöglichkeit der Abschiebung in den Verfolgerstaat. Diese Voraussetzung liegt im Fall des Klägers jedenfalls so lange (noch) vor, wie ihm die unanfechtbare Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG (noch) zugute kommt, dass er nicht in den Irak abgeschoben werden darf. Die in § 70 Abs. 1 AsylVfG vorausgesetzte Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen kann sich mithin nur auf einen Drittstaat beziehen. Insoweit besteht im Fall des Klägers die Möglichkeit seiner Abschiebung nach Syrien, die weder aus Rechtsgründen noch aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist.

Eine Abschiebung des Klägers nach Syrien ist offensichtlich nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. In seinem Fall besteht die unanfechtbare - durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil bestätigte - Feststellung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Bescheid vom 12.2.1998, dass der Kläger nach Syrien abgeschoben werden kann und dass einer solchen Abschiebung keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Diese Entscheidung ist auch für das vorliegende Verfahren verbindlich (vgl. § 4 Satz 1 AsylVfG). Dementsprechend ist gegen den Kläger in diesem Bescheid des Bundesamts eine - ebenfalls unanfechtbare, gerichtlich bestätigte - Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Syrien ergangen.

Eine Abschiebung des Klägers nach Syrien ist auch nicht aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Syrien, die ihm bereits unanfechtbar angedroht wurde, nur so lange vorübergehend nicht möglich ist, wie er sich nicht durch seine Mitwirkung erfolglos um ein Rückreisepapier bemüht hat, das ihm eine Einreise nach Syrien ermöglicht. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sich die Möglichkeit einer Abschiebung bereits derzeit konkret abzeichnet. Steht - wie im Fall des Klägers - eindeutig und zweifelsfrei fest, dass einer Abschiebung in einen Drittstaat - hier: Syrien - keine rechtlichen Gründe entgegenstehen, so ist für die Beantwortung der Frage, ob eine solche Abschiebung im Sinne von § 70 Abs. 1 AsylVfG aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist, danach zu unterscheiden, ob eine solche Abschiebung aus objektiven oder aus - in den Verantwortungsbereich des Ausländers fallenden - subjektiven Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist. Die Beurteilung, dass sich eine Abschiebung in einen Drittstaat - bei objektiver Betrachtung - konkret abzeichnet und daher nur vorübergehend unmöglich ist, ist erst dann vorzunehmen, wenn der ausreisepflichtige Ausländer zuvor alles getan hat, was ihm - subjektiv - zumutbar ist, um der für ihn bestehenden Ausreisepflicht nachzukommen. Dementsprechend ist im Fall des Klägers so lange von einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Abschiebung nach Syrien auszugehen, als er nicht der für ihn rechtlich bestehenden Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Reisedokumenten für eine Rückreise nach Syrien nachgekommen ist. Auf die derzeitige tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung nach Syrien kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, da er sie durch sein eigenes rechtswidriges Verhalten herbeigeführt hat und aufrecht erhält. Dies gilt jedenfalls so lange, bis er die ihm obliegende Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Reisedokumenten zur Erfüllung der für ihn bestehenden Ausreisepflicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers besteht für ihn diese persönliche Pflicht zur Mitwirkung nach § 15 AsylVfG, soweit er ausreisepflichtig ist. Von dieser Verpflichtung ist er nicht etwa deshalb befreit, weil ihm - wie er vorträgt - "bereits rechtskräftig ein Bleiberecht gewährt wurde"; denn ein solches Bleiberecht hat er nicht, da ihm die Abschiebung nach Syrien angedroht worden ist. Allein der Umstand, dass der Kläger nicht in den Irak abgeschoben werden darf, begründet in seinem Fall kein Bleiberecht. Da der Kläger keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, ist er verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken (§ 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG).

Das Verlangen, dieser Pflicht nachzukommen, ist im Fall des Klägers auch nicht deshalb unzumutbar, weil etwa von vornherein feststünde, dass ihm ein entsprechendes Rückreisepapier von den syrischen Behörden nicht ausgestellt würde. Bei der gegebenen Sachlage ist nichts dafür ersichtlich, dass ein entsprechendes zumutbares und ordnungsgemäßes Tätigwerden des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hätte. Denn er hat sich - nach seinen Angaben, die er insbesondere bei seiner Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gemacht hat -immerhin 13 Jahre (von 1983 bis 1996) in Syrien aufgehalten, seine Familie lebt noch (unter einer ihm bekannten Anschrift) in Syrien, und er selbst hat ein Ausweispapier besessen, das er "in Syrien zurückgelassen" habe. Der Kläger hat keine hinreichenden Gründe dafür vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er sich dieses Papier nicht zusenden lassen könnte. Insbesondere kann der Kläger sich nicht schon jetzt mit Erfolg darauf berufen, ihm werde kein Identitäts- oder Rückreisepapier von der syrischen Botschaft ausgestellt. Denn er hat bisher eine ihm zumutbare Mitwirkung an der Beschaffung eines solchen Papiers ausdrücklich abgelehnt. Wie er gegenüber der Ausländerbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis am 17.8.2000 angegeben hat, habe er bei der syrischen Botschaft am 9.8.2000 dem Botschaftsbediensteten zu verstehen gegeben, dass er kein syrischer Staatsangehöriger sei und auch nicht nach Syrien zurückkehren möchte; er sei Iraker "und habe zwar auch in Syrien gelebt, aber er möchte nicht zurück, er möchte kein Reisedokument". Unter diesen Umständen ist dem Hilfs-Beweisantrag des Klägers, den er in der mündlichen Verhandlung des Senats gestellt hat, nicht zu entsprechen. Denn die unter Beweis gestellte Tatsache kann als wahr unterstellt werden. Nach dem persönlichen Verhalten des Klägers liegt es auf der Hand, dass ihm "als nicht syrischem Staatsangehörigen, der bis 1996 in Syrien als Flüchtling gelebt hat, kein Rückreisedokument seitens der syrischen Botschaft ausgestellt wird"; der beantragten Einholung einer Auskunft der syrischen Botschaft oder eines Sachverständigengutachtens bedarf es dazu nicht. Erst wenn der Kläger seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Mitwirkung bei der Beschaffung eines solchen Dokuments nachgekommen ist, indem er bei einer Vorsprache bei der syrischen Botschaft seine Rückkehrabsicht nach Syrien sowie seine persönliche Situation und die (nur) ihm bekannten Beziehungen und Umstände seines Aufenthalts bei seiner in Syrien lebenden Familie angegeben hat, ihm gleichwohl aber von der syrischen Auslandsvertretung ein Dokument, das ihm eine Einreise nach Syrien zu seiner dort lebenden Familie ermöglichen würde, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht ausgestellt würde, könnte es auf diese Fragen ankommen. Dass die Möglichkeit einer Rückkehr nach Syrien für den Kläger - auch wenn er kein syrischer Staatsangehöriger sein sollte -nicht von vornherein ausgeschlossen ist, ergibt sich im Übrigen auch aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien (vom 13.1.1999 und vom 11.9.2001). Danach genießen Angehörige anderer arabischer Staaten auch als Flüchtlinge in Syrien "unbegrenztes Aufenthaltsrecht"; der syrische Staat sei grundsätzlich "mit einem weitreichenden Aufenthaltsrecht für alle Angehörigen der 'arabischen Nation' in der Frage der Einreise und des Aufenthalts für alle Araber sehr liberal".

Entgegen der Ansicht des Klägers kann bei dieser Sachlage nicht den Behörden vorgeworfen werden, dass sie "nichts unternommen" hätten, um die Ausreisepflicht des Klägers durchzusetzen. Diese Ansicht verkennt die in erster Linie bestehende rechtliche Verpflichtung des ausreisepflichtigen Ausländers, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden und ihm zumutbaren Mitteln darum zu bemühen, die gesetzliche Pflicht zu einer unverzüglichen Ausreise zu erfüllen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger in keiner Weise nachgekommen. Indem er vielmehr dezidiert erklärt hat, nicht ausreisen zu wollen und sich auch kein syrisches Reisedokument ausstellen zu lassen, hat er sich rechtswidrig verhalten. Bereits dieses rechtswidrige Verhalten schließt es bei der gegebenen Sachlage aus, dem Kläger die erstrebte Legalisierung seines Aufenthalts durch Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu ermöglichen.

Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch der Gesichtspunkt eines treuwidrigen Verhaltens des Klägers zu berücksichtigen. Der Kläger hat im Juli 2000 gegenüber der Ausländerbehörde des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis zunächst angegeben, er wolle bei der syrischen Botschaft vorsprechen, um dort ein Rückreisedokument zu beantragen; dazu benötige er ein Schreiben der Ausländerbehörde, aus dem sich der Zweck seiner Vorsprache ergebe. Dieses Schreiben wurde dem Kläger sodann auch ausgestellt; er hat jedoch - entgegen seinem Vorbringen bei der Ausländerbehörde - bei seiner Vorsprache bei der syrischen Botschaft am 9.8.2000 angegeben, er wolle nicht, dass ihm ein solches Reisedokument ausgestellt werde. Zudem hat er danach - durch ein Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.8.2000 - gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe erneut um Ausstellung eines entsprechenden Schreibens zur Vorlage bei der syrischen Botschaft gebeten, obwohl er offensichtlich davon keinen Gebrauch machen wollte und auch keinen Gebrauch gemacht hat. Da die Behörden ohne eine Mitwirkung des Klägers ersichtlich unter keinen Umständen ein Rückreisepapier erlangen können, kommt seinem rechtswidrigen Verhalten hier insbesondere insoweit ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn er kann den rechtlichen Vorteil eines formell legalen Aufenthaltsstatus in Gestalt einer Aufenthaltsbefugnis nicht beanspruchen, solange er seinen rechtlichen Mitwirkungspflichten nicht freiwillig nachkommt.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 17.12.2002 (a.a.O.) ausgeführt, das Erfordernis der nicht nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 70 Abs. 1 AsylVfG sei dahin zu verstehen, dass die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis nur ausgeschlossen sei, wenn sich die Möglichkeit der Abschiebung in einen Drittstaat konkret abzeichne. Wenn für nach § 51 Abs. 1 AuslG anerkannte Flüchtlinge ihre Abschiebung in einen Drittstaat für einen nicht überschaubaren Zeitraum unmöglich sei, so könnten sie nicht auf eine Duldung verwiesen werden. In dem Fall, der diesem Urteil zugrunde lag, hatte der Kläger angegeben, in Kuwait geboren und irakischer Staatsangehöriger zu sein; für ihn war durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in Bezug auf den Irak festgestellt worden; für einen aufnahmebereiten Drittstaat, in den der Kläger hätte abgeschoben werden können, fehlten hinreichende Anhaltspunkte; seine Abschiebung wurde - selbst bei Unterstellung einer kuwaitischen Staatsangehörigkeit - als "aus tatsächlichen Gründen unmöglich" beurteilt, weil er keine Identitätspapiere von Kuwait hatte und nicht absehbar war, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausstellung eines kuwaitischen Passes möglich sein sollte. Der Fall des Klägers des vorliegenden Verfahrens unterscheidet sich jedoch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entscheidend von diesem Fall, da - wie im Einzelnen ausgeführt - im vorliegenden Fall unanfechtbar feststeht, dass der Kläger nach Syrien abgeschoben werden kann und dass einer solchen Abschiebung keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen; dementsprechend ist gegen ihn auch eine - ebenfalls unanfechtbare - Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Syrien ergangen. Die Möglichkeit der Abschiebung des Klägers zeichnet sich aber derzeit ebenfalls nicht konkret ab, da seine Abschiebung in den Drittstaat Syrien wegen seiner ausdrücklich erklärten, rechtswidrigen Nicht-Mitwirkung an der (zumindest versuchten) Beschaffung von Reisedokumenten für einen nicht überschaubaren Zeitraum tatsächlich unmöglich ist. Dieses Verhalten des Klägers schließt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis in seinem Fall jedoch aus. Der Senat könnte dem Bundesverwaltungsgericht nicht darin folgen, wenn - wie sich aus dem Leitsatz des angeführten Urteils vom 17.12.2002 (a.a.O.) ergeben könnte - für die Erfüllung des tatbestandlichen Erfordernisses der nicht nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen im Sinne von § 70 Abs. 1 AsylVfG in allen Fällen regelmäßig zu fordern wäre, dass sich die Möglichkeit der Abschiebung konkret abzeichnet und eine Aufenthaltsbefugnis grundsätzlich auch dann zu erteilen wäre, wenn die Abschiebung - ungeachtet der Frage, ob der Ausländer das Abschiebungshindernis zu vertreten hat - nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder wenn der erforderliche Zeitraum ungewiss ist, weil etwa Hindernisse vorliegen, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur weiteren Klärung der Frage der Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000 EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 und § 25 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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