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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: 11 S 2492/07
Rechtsgebiete: RVG, AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

RVG § 33
RVG § 30
AsylVfG § 80
AsylVfG § 56
AufenthG § 61 Abs. 1 Satz 2
Die Klage eines abgelehnten Asylbewerbers, der im Besitz einer mit Wohnsitzauflage verfügten Duldung ist, auf "landkreisinterne Umverteilung", ist sachdienlich als Klage auf Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage auszulegen und daher keine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

11 S 2492/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Wohsitzauflage;

hier: Gegenstandswert

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 26. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Gegenstandswertbeschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 18. Oktober 2007 - A 1 K 120/07 - geändert.

Der Gegenstandswert des Verfahrens im ersten Rechtszug wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Über die Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes für den ersten Rechtszug durch einen Einzelrichter des Verwaltungsgerichts entscheidet auch im zweiten Rechtszug der Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 Satz 1 Hs. 2 RVG).

Die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO fristgerecht erhobene Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig. Der angegriffene Beschluss ist nicht gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Gegenstandswert mit 1.500,--EUR zu niedrig festgesetzt, denn eine Streitigkeit ("sonstiges Klageverfahren") nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne des § 30 Satz 1 Hs. 2 RVG lag nicht vor. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung eines anderen Gegenstandswertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist für die hier gegebene ausländerrechtliche Streitigkeit der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR festzusetzen (vgl. zum Streitwert bei Verfahren betreffend Nebenbestimmungen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.08.2007 - 13 S 1445/07 - InfAuslR 2007, 387).

I. Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger, ein abgelehnter Asylbewerber, mit seiner Klage vom 09.03.2007 die Aufhebung der Verfügung der Beklagten vom 05.03.2007, mit dem sein Antrag "auf Umverteilung aus der Staatlichen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Rheinfelden nach Zell im Wiesental" abgelehnt wurde, sowie die Verpflichtung der Beklagten, seiner "Umverteilung" nach Zell im Wiesental zuzustimmen. Er war seit 31.07.2006 im Besitz einer Duldung, die mit der Auflage "Pflicht zur Wohnsitznahme: Staatl. Gemeinschaftsunterkunft Schildgasse 22, 79618 Rheinfelden (Baden)" verbunden war. Zur Begründung seiner Klage berief sich der Kläger auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, weil seine Verlobte mit der gemeinsamen Tochter, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in Zell leben. Das Klageverfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das Landratsamt Lörrach den Kläger im Wege der Anschlussunterbringung gemäß §§ 12 Satz 2, 11 Abs. 1 Nr. 3 FlüAG mit Zuteilungsentscheidung vom 17.07.2007 der Gemeinde Zell zugeteilt hatte und der Kläger dorthin umgezogen war. Mit Beschluss vom 28.08.2007 stellte das Verwaltungsgericht das Klageverfahren ein und entschied, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens tragen muss. Unter Hinweis auf die gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG fort geltende räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung setzte das Verwaltungsgericht mit dem von dem Kläger im Beschwerdewege angegriffenen Beschluss vom 18.10.2007 den Gegenstandswert gemäß § 30 Satz 1 Hs. 2 RVG, § 80 AsylVfG auf 1.500,-- EUR fest.

II. Das Klageverfahren betraf eine ausländerrechtliche Streitigkeit und keine solche nach dem Asylverfahrensgesetz. Denn der Kläger begehrte bei sachdienlicher Auslegung seines Klageantrags auf "Umverteilung nach Zell" (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) der Sache nach allein die Aufhebung oder Änderung der seiner Duldung beigefügten Wohnsitzauflage, wonach er in der Gemeinschaftsunterkunft Rheinfelden wohnen musste. Wäre diese Wohnsitzauflage, für die die Beklagte gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 AAZuVO zuständig war, aufgehoben worden, hätte er zu seiner Familie nach Zell umziehen können. Dem Kläger war aufgrund seines Asylantrags vom 17.08.2004 zunächst eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden. Diese war kraft Gesetzes räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt, hier (Aufnahmeeinrichtung Rheinfelden) mithin auf den Landkreis Lörrach, der sowohl Rheinfelden als auch Zell umfasst (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, § 2 Nr. 3 AAZuVO, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 LVG). Der Umstand, dass diese räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Landkreis Lörrach nach dem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG) aufgrund der Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG in Kraft blieb, spielte hinsichtlich des Wohnortwechsels innerhalb des Landkreises keine Rolle. Für die begehrte "Umverteilung" von Rheinfelden nach Zell war es auch ohne Relevanz, dass die dem Kläger nach Eintritt der Bestandskraft des ablehnenden Bundesamtsbescheids vom 01.03.2005 erstmals am 31.07.2006 erteilte Duldung nicht zum Erlöschen der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Landkreis Lörrach führte, weil eine Duldung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 56 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2006 - 8 TG 1617/06.A - AuAS 2006, 257).

Zur "landkreisinternen Umverteilung" des Klägers zu seiner Familie bedurfte es mithin auch nicht etwa des Erlasses einer Aufhebungsverfügung der räumlichen Beschränkung des geduldeten Aufenthalts (vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 19.10.2005 - 4 Bs 215/05 - juris), die die gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgesehene räumliche Beschränkung auf das Gebiet des Landes Baden-Württemberg nach sich gezogen hätte, oder jedenfalls der Anordnung einer räumlichen Beschränkung der Duldung auf den Bezirk einer anderen Ausländerbehörde. Insoweit kann auch dahinstehen, ob die mit Wirkung vom 01.01.2005 eingefügte Norm des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG nur die zeitliche Fortdauer der räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung regelt ("bis sie aufgehoben werden"), und also nach ihrem Wortlaut keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für eine Änderung der kraft Gesetzes vorgesehenen räumlichen Beschränkungen darstellt, bzw. ob aus diesem Grund auch insoweit auf die ausländerrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zurückgegriffen werden müsste. Denn die Frage der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts betrifft eine inhaltlich andere Regelung als die einer Wohnsitzauflage; beides ist voneinander zu unterscheiden.

Hinsichtlich der von dem Kläger bei sachdienlicher Auslegung seines Begehrens der Sache nach allein angefochtenen Wohnsitzauflage war eine ausländerrechtliche Streitigkeit gegeben, weil diese Wohnsitzauflage von der Beklagten gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG verfügt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 16.04.1996 - 11 S 676/96 - VBlBW 1996, 310) und, nach Abschluss des Asylverfahrens und dem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), auch nur auf dieser - ausländerrechtlichen - Grundlage verfügt werden konnte.

III. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 33 Abs. 9 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 6 RVG).

Ende der Entscheidung

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