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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 12 S 844/04
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 76 Abs. 1
BSHG § 88 Abs. 1
Wird die von einem Sozialhilfeempfänger für ein Jahr im Voraus entrichtete Kraftfahrzeugsteuer infolge einer Ab- oder Ummeldung des Kraftfahrzeugs teilweise rückerstattet, handelt es sich hierbei um einen Rückfluss und damit um Vermögen (Abgrenzung zur Lohnsteuererstattung, vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 -, BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

12 S 844/04

Verkündet am 01.09.2004

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sozialhilfe

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kuntze, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und den Richter am Verwaltungsgericht Frank auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01. September 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2003 - 2 K 4636/02 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung eines Sozialhilfe gewährenden Bescheides sowie gegen die Rückforderung erbrachter Leistungen in Höhe von 97,71 EUR.

Der Beklagte gewährte seit längerem der Klägerin sowie deren - am 11.12.2002 verstorbenen - Ehemann ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 13.11.2001 wurden laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt ab dem 01.11.2001 für die Monate 11/01 bis 01/02 in Höhe von jeweils 521,19 DM gewährt.

Ein dem Beklagten im Januar 2001 vorgelegter Fahrzeugbrief wies die Klägerin als Halterin eines 1986 zum Verkehr zugelassenen PKW der Marke Daihatsu mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxxxxx aus. Aus einem Aktenvermerk vom 12.01.2001 geht hervor, dass von der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten entschieden wurde, diesen PKW der Klägerin und ihrem Ehemann zu belassen, da deren gemeinsame Vermögensfreigrenze aufgrund der Pauschalierung der Sozialhilfe 10.260,-- DM betrage und der Verkehrswert des Fahrzeuges altersbedingt sehr gering sei.

Im Mai 2001 wurden für die Zeit vom 30.05.2001 bis 29.05.2002 366,-- DM an Kraftfahrzeugsteuer entrichtet.

Anfang Oktober 2001 wurde durch das Versorgungsamt Heidelberg die Schwerbehinderteneigenschaft (Grad der Behinderung 90, Merkzeichen G) des Ehemanns der Klägerin festgestellt. Der PKW wurde daraufhin, um in den Genuss einer Steuerermäßigung zu kommen, mit Wirkung vom 17.10.2001 von der Klägerin auf deren Ehemann umgemeldet. Mit Bescheid vom 25.10.2001 setzte das Finanzamt Weinheim die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 30.05. bis 16.10.2001 auf 142,-- DM fest und ermittelte ein Guthaben in Höhe von 224,-- DM. Zugleich wurde die Klägerin gebeten, ihre Bankverbindung mitzuteilen, damit ihr das Guthaben überwiesen werden könne. Ausweislich eines Kontoauszugs vom 22.11.2001 wurde der Betrag in Höhe von 224,-- DM am 20.11.2001 auf dem - gemeinsam genutzten - Girokontos ihres Ehemannes gutgeschrieben. Mit Bescheid vom 25.10.2001 zog das Finanzamt Weinheim ihren Ehemann für die Zeit vom 17.10.2001 bis 16.10.2002 zur Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 370,-- DM heran; mit Änderungsbescheid vom 08.11.2001 wurde die Steuer wegen der Schwerbehinderteneigenschaft für den gleichen Zeitraum auf 185,-- DM ermäßigt. Dieser Betrag wurde am 11.12.2001 vom Girokonto abgebucht.

Nach Angaben des Beklagten wurden diesem die Ummeldung sowie die Steuererstattung erst im Zuge der Vorlage von Unterlagen (Kontoauszüge) für einen Weiterbewilligungsantrag im Januar 2002 bekannt. Mit Schreiben vom 25.01.2002 wies der Beklagte (u.a.) darauf hin, dass die am 20.11.2001 eingegangene Steuererstattung als Einkommen in diesem Monat anzusehen und deshalb zuviel Sozialhilfe gezahlt worden sei.

Mit Bescheid vom 08.07.2002 hob der Beklagte gestützt auf § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X den Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 auf und setzte den zu erstattenden Betrag auf 114,53 EUR (224,-- DM) fest.

Den hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch ließ die Klägerin damit begründen, dass es sich bei der Steuererstattung nicht um Einkommen handle. Die beiden Kraftfahrzeugsteuerbescheide vom 25.10.2001 seien als Einheit zu betrachten, die Beträge miteinander zu verrechnen.

Mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14.11.2002 wurde der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 08.07.2002 neu gefasst. Der Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 wurde nun auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X mit Wirkung vom 20.11.2001 aufgehoben und der zu erstattende Betrag auf 97,71 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass es sich bei der am 20.11.2001 erfolgten Gutschrift um Einkommen handle, weshalb vom 20.11. bis zum 30.11.2001 ein Sozialhilfeanspruch nicht (mehr) bestanden hätte. Für die Zeit vom 01.11. bis zum 19.11.2001 sei der Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 rechtmäßig, da die Klägerin erst ab dem 20.11.2001 zu Unrecht Sozialhilfeleistungen erhalten habe. Der Bewilligungsbescheid sei daher nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 und 3 SGB X mit Wirkung vom 20.11.2001 aufzuheben und der zu erstattende Betrag entsprechend 11/30 von 521,19 DM auf 191,-- DM (97,71 EUR) festzusetzen. Der nicht verbrauchte Teil der durch die Steuererstattung erzielten Einkünfte sei ab dem 01.12.2001 dem nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG geschützten Vermögen zugewachsen.

Den Rückforderungsbetrag in Höhe von 97,71 EUR behielt der Beklagte von der für die Monate September bis Dezember 2002 bewilligten Sozialhilfe ein.

Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag, die ergangenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr 97,71 EUR zu erstatten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat auf den angegriffenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 10.03.2003 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass der Beklagte zu Unrecht den Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 aufgehoben und 97,71 EUR zurückgefordert habe. Aufgrund der gegenüber der Klägerin erfolgten Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer mit Bescheid vom 25.10.2001 sei diese bereits im Oktober 2001 Inhaberin eines leicht zu realisierenden Zahlungsanspruchs in Höhe von 224,-- DM gewesen. Deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Selbsthilfe der Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 von Anfang an in dieser Höhe rechtswidrig gewesen. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit könne hier allenfalls auf § 45 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 3 Nrn. 2 oder 3 SGB X gestützt werden. Dies setze jedoch voraus, dass auf Seiten der Klägerin oder ihres Ehemannes, der den Weiterbewilligungsantrag gestellt habe, von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden könne. Dies sei zu verneinen. Der Klägerin bzw. ihrem Ehemann habe es sich nicht aufdrängen müssen, den bestehenden Steuerrückzahlungsanspruch bei ihrem Antrag auf Weiterbewilligung von Sozialhilfe anzugeben. Da es sich nicht isoliert um eine Abmeldung, sondern um eine Ummeldung des Fahrzeugs von ihr auf ihren Ehemann gehandelt habe, läge es für juristische Laien nahe, die Steuererstattung und die neue Steuerschuld als Einheit zu betrachten. Es sei nachvollziehbar, dass sie die Rückerstattung der früher zulässigerweise und hilfeunschädlich bezahlten Kraftfahrzeugsteuer nicht als "neues" Einkommen angesehen hätten.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 24.03.2003 zugestellt.

Auf den Antrag des Beklagten vom 23.04.2003 hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 26.03.2004 zugelassen. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 06.04.2004 zugestellt. Er hat die Berufung mit Schriftsatz vom 05.05.2004, der am gleichen beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, begründet.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 für die Zeit vom 20.11. bis 30.11.2001 zu Recht aufgehoben worden sei. Der Bewilligungsbescheid sei infolge der am 20.11.2001 gutgeschriebenen Überweisung rechtswidrig geworden. Mit Zugang der Steuererstattung in Höhe von 224,-- DM sei im Bedarfszeitraum Geld und damit Einkommen nach § 76 BSHG zugeflossen. Aus welchen Mitteln die Steuerschuld ursprünglich beglichen worden sei, sei unerheblich. Entscheidend sei allein, dass der Lebensunterhalt der Klägerin in der Zeit vom 20.11. bis 30.11.2001 durch das zur Verfügung stehende, anrechenbare Einkommen der beiden Ehegatten zuverlässig abgedeckt gewesen sei. Die im Anschluss an den Halterwechsel entstandene Kraftfahrzeugsteuerpflicht des Ehemannes könne nicht berücksichtigt werden. Bei der Kraftfahrzeugsteuer handle es sich weder um einen Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes noch um einen vom Einkommen absetzbaren Betrag. Im vorliegenden Fall kämen die Nrn. 2 und 3 des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X zum Tragen. Eine die Regelfolge der Aufhebung des Bewilligungsbescheids ausschließende Atypik sei nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2004 hat der Beklagte auf den rechtlichen Hinweis des Senats mit Ladung vom 28.07.2004 die Begründung seiner Berufung ergänzt bzw. vertieft. Dem Beklagten sei die Herkunft der Mittel unbekannt, aus welchen der ursprüngliche Jahressteuerbeitrag in Höhe von 366,-- DM im Mai 2001 bestritten worden sei. Der Ehemann der Klägerin habe am 12.01.2001 ausweislich eines am selben Tag angefertigten Vermerks erklärt, dass er selbst die Bezinkosten und die Kraftfahrzeugsteuer trage. Außer dessen Erwerbsunfähigkeitsrente, die stets auf den sozialhilferechtlichen Bedarf der Einstandsgemeinschaft i.S.d. § 11 Abs. 1 BSHG angerechnet worden sei, sei im fraglichen Zeitpunkt sonstiges Einkommen oder Vermögen nicht ersichtlich gewesen. Deshalb sei die Kraftfahrzeugjahressteuer im Mai 2001 nicht aus anrechnungsfreien Einkommen und auch nicht aus bestehendem Barvermögen aufgebracht worden. Ein Einkommens- oder Vermögensschutz aus der Zeit der Tilgung der Steuerschuld könne damit nicht auf den hier relevanten Zeitraum vom 20.11. bis 30.11.2001 "übergeleitet" werden. Die Steuererstattung sei vielmehr wie ein vom Vermieter ausbezahltes Heizkostenguthaben zu behandeln, welches - selbst wenn die Heizkosten zuvor vom Sozialhilfeträger geleistet worden seien - im Zuflussmonat als Einkommen anzusehen sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. März 2003 - 2 K 4636/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und nimmt hierauf sowie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.

Dem Senat liegen die einschlägigen Sozialhilfeakten des Beklagten und die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist statthaft, fristgerecht begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten im Ergebnis zu Recht aufgehoben und ihn dazu verpflichtet, der Klägerin 97,71 EUR zu erstatten. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 08.07.2002, der in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 14.11.2002 gefunden hat, der gerichtlichen Prüfung unterliegt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; s.a. § 125 Abs. 1 VwGO), ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der infolge der Aufhebung der angefochtenen Bescheide rechtsgrundlos einbehaltene Betrag in Höhe von 97,71 EUR ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung vom Beklagten an die Klägerin zu erstatten (§ 113 Abs. 1 S. 2 VwGO).

Der am 20.11.2001 gutgeschriebene Betrag in Höhe von 224,-- DM war bei der Bedarfs- und Einkommensberechnung für November 2001, den hier in Rede stehenden Bedarfszeitraum, nicht als Einkommen i.S.d. §§ 11 Abs. 1, 76 Abs. 1 BSHG zu berücksichtigen; das infolge der Ab- bzw. Ummeldung des auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeugs Geleistete war dem nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG geschützten Vermögen zuzurechnen. Zumindest mittelbar war deshalb bereits der sich aus dem Bescheid des Finanzamts Weinheim vom 25.10.2001 ergebende Steuererstattungsanspruch geschützt (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl., § 88 RdNr. 57 m.w.N.).

Als Einkommen werden in § 76 Abs. 1 BSHG alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert bezeichnet mit Ausnahme u.a. der nach diesem Gesetz erbrachten Sozialhilfeleistungen. Im Gegensatz zum Vermögen (§ 88 BSHG), dem Inbegriff all dessen, was einem Rechtsträger schon zusteht, was er (bereits) hat, ist Einkommen demnach dasjenige, was er (erst/gerade) erhält, was sein Geld oder seine geldwerten Mittel vermehrt. Einkommen ist alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazuerhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende (erst) in der Bedarfszeit erhält, sind als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in der vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der nun aktuellen Bedarfszeit (noch, ggf. auch wieder) vorhanden sind, Vermögen. Dabei ist Bedarfszeit die Zeit, in der der Bedarf besteht und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken ist. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ist in der Regel auf den jeweiligen Kalendermonat als der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen (zur "Zuflusstheorie" vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35.97 -, BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649; Urteil vom 22.04.2004 - 5 C 68.03 -, juris).

Zur Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen. Damit wird einer aktuellen Notlage ein aktuelles Einkommen gegenübergestellt. Unerheblich sind der Grund der Zahlung und eine etwaige Zweckbestimmung; sozialhilferechtlich entscheidend für den Einsatz von Einkommen ist dessen bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - 5 C 4.00 -, Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 32 = FEVS 52, 439).

Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem, was zufließt, und dem, was bereits vorhanden ist, ist weiter zu berücksichtigen, dass Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (z.B. Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der Gehaltsforderung; Steuererstattung als Erfüllung des Steuererstattungsanspruchs). Da eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört sie, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht, zu seinem Vermögen. Das führt jedoch nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung auf die Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist der Regelung in § 76 BSHG zu entnehmen, dass im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung sosozialhilferechtlich grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung interessiert, sondern das Gesetz insofern allein auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert als Einkommen abstellt. Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, z.B. bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn anderenfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend gilt § 76 BSHG auch nicht für die Auszahlung solcher Forderungen, die als fällige und liquide Forderungen bewusst nicht geltend gemacht, sondern angespart wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35.97 -, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall wurde die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 30.05.2001 bis 29.05.2002 in Höhe von 366,-- DM im Mai 2001 an das Finanzamt Weinheim aus bereits vorhandenen Mitteln der Klägerin bzw. ihres Ehemannes überwiesen. Entscheidend ist hierbei allein, dass es sich um bereits zugeflossene Mittel gehandelt hat, unerheblich ist hingegen, ob die ursprüngliche Jahressteuerschuld aus Mitteln der Sozialhilfe, aus der vom Ehemann der Klägerin bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente oder aus damals nicht angegebenem (Schon-)Vermögen bestritten worden ist (vgl. LPK-BSHG, a.a.O. § 88 RN 58). § 11 Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz in der hier maßgeblichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 06.08.1998 (BGBl. I S. 1998) - KraftStG - bestimmt, dass die Steuer jeweils für die Dauer eines Jahres im Voraus zu entrichten ist. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG ist die Steuer neu festzusetzen, wenn die Steuerpflicht endet, was bei einer Abmeldung oder Ummeldung der Fall ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 KraftStG). Mit der Überweisung des Jahressteuerbetrages im Mai 2001 wuchs im Folgemonat dem Vermögen der Klägerin ein durch Ab- oder Ummeldung jederzeit ohne weiteres zu realisierender Anspruch auf Rückzahlung zu viel entrichteter Steuer zu. Wird ein solcher Steuererstattungsanspruch erfüllt, so handelt es sich um einen schlichten Rückfluss bereits vorhandener und deshalb zum Vermögen gehörender Mittel. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob diese Mittel als "angespart" angesehen werden können, entscheidend ist allein, ob diese noch vorhanden bzw. abrufbar sind (vgl. nur die in § 88 Abs. 2 BSHG genannten Vermögensgegenstände; s.a. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 5 C 84.02 -, juris).

Wie ausgeführt, ist alles, was jemand in der Bedarfszeit (erstmals) wertmäßig dazuerhält, Einkommen im Sinne von § 76 BSHG, ohne dass es auf den Grund der Zahlung ankommt (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - 5 C 4.00 -, a.a.O.). Danach ist zwar unerheblich, weshalb etwas (erstmals) zufließt, nicht aber, ob es sich um den bloßen Abruf solcher Mittel handelt, die schon zugeflossen waren.

Zuflüsse an Geld, die im Austausch an die Stelle eines Vermögens oder Vermögensteils treten, sind kein Einkommen. Sie gelten ebenso als Vermögen wie dasjenige, dessen Gegenwert sie darstellen (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, § 76 RdNr. 9). Zum Vermögen im Sinne des § 88 BSHG gehören etwa der Rückkaufswert einer Lebensversicherung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105), Leistungen auf Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche, sofern hierdurch lediglich die frühere Vermögenslage wieder hergestellt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 14.98 -, NJW 1999, 3137; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.1990 - 6 S 3410/88 -, FEVS 41, 275), die Rückerstattung eines einem Dritten zur Verfügung gestellten Darlehens (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, a.a.O. § 76 RdNr. 4; LPK-BSHG, a.a.O. § 76 RdNr. 21), Ratenzahlungen, die der geschiedene Ehemann aufgrund gerichtlichen Vergleichs zur Abfindung der Ansprüche auf Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB vornimmt (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 88 RdNr. 19). Nichts anderes kann auch im Falle einer schlichten (versehentlichen) Überzahlung gelten, die im folgenden Monat zurückgeführt wird. Hat jemand das aufgrund eines Grabpflegevertrages zu leistende Entgelt überwiesen, so wächst dessen Vermögen der Anspruch auf die vereinbarten Grabpflegeleistungen zu. Bereite Mittel in Form der bei einer Kündigung des Vertrages zu erlangenden Rückvergütung stellen Vermögen dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 5 C 84.02 -, a.a.O.).

Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen nicht Vermögen mit bereits erlangten Einkünften gebildet worden ist, sondern erstmals - wenn auch auf Grundlage bereits bestehender Zahlungsansprüche - etwas zufließt. Die Nachzahlung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber ist danach unproblematisch als Einkommen zu bewerten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - 5 C 4.00 -, a.a.O.). Gleiches gilt für die in einem Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuererstattung. Insbesondere wird bei einem Arbeitnehmer die aus dem Arbeitseinkommen zu zahlende Lohnsteuer bereits vom Arbeitgeber monatlich (pauschal) an das Finanzamt abgeführt, so dass die entsprechenden Beträge dem Arbeitnehmer nicht zufließen bzw. zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht zur Verfügung stehen (vgl. §§ 38 ff. EStG). Bei der Ermittlung des sozialhilferechtlich einzusetzenden Einkommens sind die auf das Einkommen entrichteten Steuern abzusetzen (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 BSHG). Die vom Arbeitgeber monatlich abgeführten Lohnsteuerzahlungen fließen somit dem Arbeitnehmer nicht zu, werden von diesem nicht erlangt und sind sozialhilferechtlich nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 BSHG einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die zu hoch entrichtete Steuer erhält der Erstattungsgläubiger erstmals mit Auszahlung der im Einkommensteuerbescheid festgesetzten Steuererstattung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35.97 -, a.a.O.). Der Sache nach handelt es sich bei einer solchen Einkommensteuererstattung um ein "nachentrichtetes Arbeitseinkommen", welches dann erstmals zufließt.

Auch der vom Beklagten angeführten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 05.02.2003 - 12 A 3734/00 -, FEVS 55, 52) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Werden die vom Hilfeempfänger mietvertraglich geschuldeten monatlichen Heizkostenvorauszahlungen vom Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt übernommen, so ist ein vom Vermieter aufgrund der Schlussrechnung an den Hilfeempfänger ausgezahltes Guthaben als dessen Einkommen im Zuflussmonat zu behandeln. Die Mittel, die der Sozialhilfeträger im Hinblick auf die mietvertraglich geschuldeten monatlichen Heizkostenvorauszahlungen zur Verfügung stellt, sind zweckgebunden; werden diese nicht zweckentsprechend verwendet, sind diese im Regelfall unmittelbar an den Vermieter zu leisten (vgl. § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 RegelsatzVO i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 3 BSHG). Diese - zweckgebundenen - Mittel dienen der Tilgung mietvertraglicher Schulden. Sie sind weder als vom Hilfeempfänger "angespart" anzusehen, noch sind sie von diesem jederzeit bzw. ohne weiteres abrufbar. Mittel, die Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG darstellen, fließen dem Hilfeempfänger erstmals zu, wenn das aufgrund der Schlussabrechnung festgestellte Guthaben ihm - zur freien Verwendung - ausgezahlt wird.

Ist nach allem die am 20.11.2001 gutgeschriebene Kraftfahrzeugsteuererstattung dem Vermögen zuzuordnen, ergibt sich aus der Aktenlage, dass der Erstattungsbetrag in Höhe von 224,-- DM nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung dieser Vorschrift als Schonvermögen geschützt ist. Zu berücksichtigen ist, dass die nach diesen Vorschriften maßgeblichen Freibeträge aufgrund der vom Beklagten gewährten monatlichen Pauschalbeträge für die Kosten der Unterkunft und für die regelmäßig wiederkehrenden einmaligen Bedarfe von diesem um 80% erhöht worden sind (vgl. § 101a Satz 6 Halbsatz 2 BSHG; § 7 der Verordnung der Landesregierung zur Durchführung von Modellvorhaben zur Pauschalierung der Sozialhilfe vom 02.05.2000, GBl. S. 433; Pauschalierungsbeschluss des Beklagten vom 04.07.2000; siehe auch den streitbetroffenen Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 sowie den von der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten am 12.01.2001 angefertigten Aktenvermerk).

Der Klägerin wurde somit zu Recht für November 2001 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 521,19 DM gewährt. Der Bewilligungsbescheid vom 13.11.2001 ist auch für die Zeit vom 20. bis 30.11.2001 rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Rechtsgrundlage, die dessen teilweise Aufhebung und - damit verbunden - die Festsetzung des streitigen Erstattungsbetrages in Höhe von 97,71 EUR rechtfertigen könnte, scheidet nach dem Gesagten aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO nicht erhoben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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