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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: 13 S 1683/07
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 4 Abs. 3 (F. 1999)
Bei der Bestimmung der Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts iSd § 4 Abs. 3 StAG 1999 ist § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 analog anzuwenden (Fortentwicklung von BVerwG, Urteil vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938).

Für die Prüfung der in § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 vorausgesetzten Kausalität kommt es darauf an, wie sich die aufenthaltsrechtliche Situation des Ausländers bei einer rechtzeitigen Antragstellung unter im Übrigen gleichen Umständen - insbesondere hinsichtlich des Verfahrensablaufs - dargestellt hätte. Ohne Bedeutung für die Kausalität ist dabei die Dauer des durch eine Fiktionswirkung "abgedeckten" Verwaltungsverfahrens.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 1683/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Staatsangehörigkeitsausweises

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 25. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21. Juni 2007 - 4 K 423/06 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises.

Der Kläger, dessen Eltern libanesische Staatsangehörige sind, wurde am 23.4.2003 in Freiburg i.Br. geboren. Seine Mutter war vom 10.9.1991 bis zum 23.3.1996 ununterbrochen im Besitz einer befristeten, mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis. Am 26.3.1996 und damit drei Tage nach Ablauf der letztmaligen Befristung zum 23.3.1996 (dem Ende der Gültigkeitsdauer ihres Reisepasses) stellte sie erneut einen Verlängerungsantrag. Da die Gültigkeit ihres Reisepasses zu diesem Zeitpunkt noch nicht verlängert worden war, erhielt sie zunächst nur eine Duldung. Am 10.7.1996, nach Verlängerung des Reisepasses, erhielt sie dann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Dem Vater des Klägers wurden bislang nur befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt.

Am 5.8.2003 beantragte der Kläger die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.9.2005 ab und stützte dies im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Tatbestands für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in der Fassung vom 16.2.2001 lägen nicht vor. Die Mutter des Klägers habe bei seiner Geburt nicht seit acht Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt. Denn die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts sei vom 24.3.1996 bis zum 9.7.1996 unterbrochen gewesen. Die verspätete Stellung des Verlängerungsantrags habe keine Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 ausgelöst. Zwar sei nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2004 - 1 C 31.03 - im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG eine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts unschädlich, wenn der Elternteil lediglich die nicht zweifelhafte Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung einige Tage verspätet beantragt und erwirkt habe. Hier hätten jedoch bei Stellung des verspäteten Verlängerungsantrags durch die Mutter noch nicht die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vorgelegen, weil die Mutter nicht im Besitz eines gültigen Passes gewesen sei. Die darauf beruhende Rechtmäßigkeitslücke von mehr als drei Monaten könne im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG nicht als unschädlich angesehen werden.

Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 21.6.2007 - 4 K 423/06 - stattgegeben (zugestellt am 28.6.2007). Zur Begründung hat es insbesondere folgendes ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, weil er die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 2 Satz 1 StAG in der zum Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Fassung erworben habe. Das Erfordernis eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts der Mutter werde erfüllt, weil die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts um 3 1/2 Monate unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Bezugnahme auf Urteil vom 18.11.2004, a.a.O.) unschädlich sei. Durch die Unterbrechung werde die gelungene Integration der Mutter, für die ihr sehr langer rechtmäßiger Aufenthalt stehe, nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat am 18.7.2007 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Auch unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2004 (a.a.O.) könne eine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts von 3 1/2 Monaten nicht als kurzfristig angesehen werden. Zudem sei hier die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht nur wegen des verspäteten Antrags, sondern auch wegen der Ungültigkeit des Passes der Mutter unterbrochen gewesen; selbst bei rechtzeitigem Verlängerungsantrag hätte der beantragte Aufenthaltstitel nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG versagt werden müssen. Daher seien auch bei einer analogen Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG nicht die Voraussetzungen des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG gegeben. § 89 Abs. 3 Alt. 3 AuslG sei nur in Fällen anwendbar, in denen ein Aufenthaltstitel nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. kraft Gesetzes wegen Nichtbesitzes eines gültigen Passes erloschen sei.

Der Beklage beantragt sinngemäß,

das Urteil des VG Freiburg vom 21.6.2007 - 4 K 423/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt insbesondere vor, dass bei der Auslegung des zum Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Rechts die Neuregelung in § 12b Abs. 3 StAG berücksichtigt werden müsse. Nach dem darin zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen müsse sich auch die Behandlung der Altfälle richten.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg und des Berufungsverfahrens wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, da beide Beteiligte auf die mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigenausweises, da er deutscher Staatsangehöriger aufgrund Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt ist (zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Ausstellung eines Staatsangehörigenausweises siehe Renner, in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 39 StAG Rn. 7f).

Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers am 23.4.2003 hat nach § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 15.7.1999 (BGBl I S. 1618) - im Folgenden: StAG 1999 - ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besaß.

Diese Voraussetzungen liegen zwar nicht hinsichtlich des Vaters des in Deutschland geborenen Klägers vor (der bei Geburt des Klägers nur im Besitz einer befristeten Aufenthaltsbefugnis war), jedoch hinsichtlich seiner Mutter.

Zu dem Zeitpunkt der Geburt des Klägers hatte seine Mutter seit acht Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland, da sie - mit Ausnahme einer Unterbrechung vom 24.3.1996 bis zum 9.7.1996 - in den acht Jahren vor der Geburt des Klägers im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis oder -erlaubnis war und auf Grund einer analogen Anwendung des § 89 Abs. 3 Alt. 2 des Ausländergesetzes vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354, 1356) - im Folgenden: AuslG 1990 - diese Unterbrechung bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts außer Betracht bleibt.

1. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach § 4 Abs. 3 StAG 1999 wird durch den Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung bzw. eines Aufenthaltstitels vermittelt. Darüber hinaus ist auch der nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 fiktiv erlaubte Aufenthalt rechtmäßig (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 31/03 -, BVerwGE 122, 199). Die Mutter des Klägers war aber vom 24.3.1996 bis zum 9.7.1996 weder im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung noch griff zu ihren Gunsten die allein in Betracht kommende Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG 1990 ein. Denn diese setzt voraus, dass der Verlängerungsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem sich der Ausländer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 7.96 -, NVwZ 1998, 185). Daran fehlt es hier.

2. Jedoch ist § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 hier analog anwendbar, da § 4 StAG 1999 eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch die entsprechende Anwendung des für eine vergleichbare Interessenlage konzipierten § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 geschlossen werden muss (zu den Voraussetzungen einer Analogie siehe BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 1905/02 -, BVerfGE 115, 51; BVerwG, Urteil vom 14.3.1974 - II C 93,72 -, BVerwGE 45, 85).

a) Das StAG in der zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers geltenden Fassung enthielt keine Regelung darüber, wie bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts kurzfristige Zeiten eines unrechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen sind. Dem lag aber keine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu Grunde. Denn bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum StAG 1999 ordnete § 89 Abs. 3 AuslG 1990 für die Fälle der erleichterten Einbürgerung nach §§ 85ff AuslG 1990 an, dass bestimmte Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht bleiben. Daher wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung der konzeptionell vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs. 3 StAG 1999, die ebenfalls an eine bestimmte Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts anknüpft, mit dieser Problematik auseinander gesetzt und eine Abweichung näher begründet hätte. Da aber diese Problematik kurzfristiger und inhaltlich unbedeutender Rechtmäßigkeitsunterbrechungen bei der Formulierung des § 4 Abs. 3 StAG noch nicht einmal erörtert worden war (vgl. etwa die Begründung in BT-Drs 14/533, S. 14, die hierzu keine Ausführungen enthält; ebenso die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 14/867, S. 20), ist davon auszugehen, dass hier ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt. Zudem kommt der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts sowohl in § 4 Abs. 3 StAG 1999 als auch in §§ 85ff AuslG 1990 eine vergleichbare Bedeutung zu, da nach beiden Gesetzen hieran eine Integrationsvermutung anknüpft (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938). Auch deshalb ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber von der für ihn vorbildhaften Regelung der §§ 85ff AuslG 1990 in einem wesentlichen Punkt stillschweigend abweichen wollte (ebenso BVerwG, a.a.O., hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsunterbrechung wegen Passlosigkeit; a.A. noch Urteil des Senats vom 5.11.2003 - 13 S 2709/02 -, VBlBW 2004, 112 m.w.N.). Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht auch, dass der Gesetzgeber bereits kurz nach Inkrafttreten des StAG 1999 zum 1.1.2000 versucht hat, diese Lücke zu korrigieren. Denn durch Artikel 5 Nr. 7 des für nichtig erklärten Zuwanderungsgesetzes vom 20.6.2002 (BGBl I S. 1946) sollte eine § 89 Abs. 3 Alt. 1 und 2 AuslG 1990 entsprechende Regelung in das StAG aufgenommen werden (inzwischen ist dieses Vorhaben durch § 12b StAG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) - im Folgenden: StAG 2004 - verwirklicht worden).

b) Eine analoge Anwendung des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 führt im Rahmen des StAG 1999 zu einer interessengerechten Regelung. In § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 kommt die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass bei der Bestimmung der Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts als Voraussetzung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit solche Rechtmäßigkeitsunterbrechungen unbeachtlich sind, die auf einem verspäteten Antrag für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels beruhen. Diese Wertung kann auf eine andere staatsangehörigkeitsrechtliche Norm wie § 4 Abs. 3 StAG 1999 übertragen werden, die ebenfalls an die Tatbestandsvoraussetzung einer bestimmten Dauer rechtmäßigen Aufenthalts anknüpft. Denn in beiden Fällen wird aus der Aufenthaltsdauer abgeleitet, dass die erforderliche Integration gelungen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, a.a.O.; Urteil vom 29.3.2006, a.a.O.). Diese Integrationsvermutung wird aber nicht dadurch entkräftet, dass der betroffene Ausländer es in der Vergangenheit versäumt hat, rechtzeitig die Verlängerung seines Aufenthaltstitels zu beantragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, a.a.O..; Bay. VGH, Urteil vom 25.7.2007 - 5 BV 07.276 -, juris; Berlit, in: GK-StAR, Stand November 2005, § 12b StAG Rn. 3).

Der analogen Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 steht auch nicht entgegen, dass er auf Einbürgerungstatbestände bezogen ist, während § 4 Abs. 3 StAG 1999 einen Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt betrifft und damit besondere Anforderungen an die klare Erkennbarkeit der Erwerbsvoraussetzungen stellt. Denn diesen Einwand, der auch gegen die Geltung des § 12b Abs. 3 StAG 2004 für den Erwerb nach § 4 Abs. 3 StAG erhoben worden ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 15/955, S. 39), hat der Gesetzgeber selbst nicht als stichhaltig angesehen (vgl. Bay. VGH, a.a.O.; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Ausländerrecht, 4. Auflage 2005, § 12b StAG Rn. 1, 8). Unerheblich ist auch, dass § 89 Abs. 3 AuslG 1990 formell eine ausländerrechtliche Norm darstellt. Denn materiell handelt es sich um eine staatsangehörigkeitsrechtliche Bestimmung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.2006, a.a.O.).

Keiner Entscheidung bedarf daher, ob hier für die Bestimmung der rechtmäßigen Dauer des Aufenthalts der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers auch § 12b Abs. 3 StAG 2004 Anwendung findet, obwohl diese Vorschrift erst nach der Geburt des Klägers in Kraft getreten ist (ebenso Bay. VGH, a.a.O.).

3. Die analoge Anwendung des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 führt hier dazu, dass die Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Mutter des Klägers zwischen dem 24.3.1996 und dem 9.7.1996 außer Betracht bleibt. Die Unterbrechung beruht darauf, dass die Mutter nicht rechtzeitig die erforderliche Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnis beantragt hat. Denn durch einen rechtzeitigen Verlängerungsantrag wäre die Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG 1990 ausgelöst worden. Diese Fiktionswirkung wäre mit der Entscheidung über die Verlängerung ab dem 10.7.1996 beendet, aber nicht rückwirkend aufgehoben worden (vgl. allgemein zum Ende der Erlaubnisfiktion: Jakober, AktAR, Erg-Lfg. 5/2001, § 69 AuslG Rn. 72 f).

Der Einwand der Beklagten, die Unterbrechung habe nicht auf der verspäteten Antragstellung beruht, weil die Mutter des Klägers zunächst noch nicht im Besitz eines gültigen Passes gewesen sei und daher auch bei einer rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrags dieser mangels Erfüllung der Verlängerungsvoraussetzungen abgelehnt worden wäre, greift nicht durch. Für die Prüfung der Kausalität der verspäteten Antragstellung kommt es darauf an, wie sich die aufenthaltsrechtliche Situation des Ausländers bei einer rechtzeitigen Antragstellung unter im Übrigen gleichen Umständen dargestellt hätte. Daher muss bei der Vergleichsbetrachtung davon ausgegangen werden, dass die Behörde das Verfahren bei rechtzeitiger Antragstellung in derselben Weise durchgeführt hätte, wie sie es tatsächlich - bei verspätetem Antrag - durchgeführt hat. Da die Behörde hier den verspäteten Antrag der Mutter des Klägers nicht sofort abgelehnt, sondern mit dessen Bescheidung so lange zugewartet hat, bis die Mutter wieder im Besitz eines gültigen Passes war, ist diese Vorgehensweise auch der Kausalitätsprüfung im Rahmen des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 zugrunde zulegen. Bei einer rechtzeitigen Antragstellung hätte diese Vorgehensweise der Behörde dazu geführt, dass zugunsten der Mutter während der gesamten Dauer des Verwaltungsverfahrens die Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG 1990 bestanden hätte. Denn die Fiktionswirkung entsteht bereits durch die Stellung des Verlängerungsantrags, ohne dass es darüber hinaus auch darauf ankommt, ob die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen; die Fiktionswirkung soll gerade die Dauer des Verwaltungsverfahrens überbrücken, in dem die Erteilungsvoraussetzungen geprüft werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Anwendung des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 auch nicht entgegen, dass sich das Verlängerungsverfahren wegen des zunächst ungültigen Passes verzögert hat. Die Kausalität iSd § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990 liegt vor, wenn die verspätete Antragstellung zu einer Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts geführt hat, bei einer rechtzeitigen Antragstellung dagegen die Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG 1990 eingegriffen hätte. Die Dauer des von der Fiktionswirkung erfassten Verwaltungsverfahrens ist dagegen ohne Bedeutung. Dies folgt auch aus dem oben dargelegten Sinn des § 89 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990, wonach dem Ausländer nicht wegen einer verspäteten Antragstellung die Integrationsvermutung verloren gehen soll, die auch Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts aufgrund einer Fiktionswirkung zukommt.

Auf die Frage, ob auch § 89 Abs. 3 Alt. 3 AuslG 1990 (wonach ein rechtswidriger Aufenthalt wegen fehlenden Besitzes eines gültigen Passes unerheblich ist) auf die Bestimmung des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 4 Abs. 3 StAG 1999 analog anwendbar ist, kommt es hier daher nicht an (zur Beschränkung der Anwendbarkeit des § 89 Abs. 3 Alt. 3 AuslG 1990 auf Fälle vor dem 1.1.1991, die einer Analogie entgegenstehen dürfte, siehe Renner, Ausländergesetz, 7. Auflage 1999, § 89 AuslG Rn. 6).

4. Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers hatte seine Mutter auch seit acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Insoweit wird auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils, die von der Beklagten nicht angegriffenen werden, Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 24. Juli 2008

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.2 des Streitwertkatalogs 2004 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, Anh § 164) auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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