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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 13 S 2223/04
Rechtsgebiete: StAG, StGB, BZRG


Vorschriften:

StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
StGB § 61
StGB § 63
BZRG § 49
Auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 StGB ist eine Verurteilung wegen einer Straftat i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG; sie steht einem Anspruch auf Einbürgerung daher entgegen, solange sie nicht aus dem Zentralregister getilgt ist.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 2223/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einbürgerung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Jacob, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ridder und den Richter am Verwaltungsgericht Wiestler ohne mündliche Verhandlung

am 10. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 5. Dezember 2003 - 1 K 80/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung.

Er wurde am 4.4.1970 in der Türkei geboren und ist türkischer Staatsangehöriger. Im Jahr 1993 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7.7.1997 als Asylberechtigter anerkannt wurde. Seit August 1997 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis; zudem besitzt er einen am 18.8.1997 ausgestellten Reiseausweis. Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Verurteilung wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 DM durch Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 19.3.1996,

2. Verurteilung wegen Erschleichen von Leistungen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 DM durch Strafbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 18.8.1998,

3. Verurteilung wegen Erschleichen von Leistungen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 DM durch Strafbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.10.1998,

4. Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus durch Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14.12.1999; die Vollstreckung der Maßregel wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der Anordnung der Unterbringung lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger litt spätestens seit Anfang 1998 an wahnhaften Verfolgungsideen. Unter dem Einfluss dieser Krankheit griff er am Morgen des 21.3.1998 in einem Männerwohnheim in Mannheim einen Heimbetreuer mit Reizgas an, weil er sich für bedroht hielt. Anschließend schlug er den Betreuer mit der Faust zu Boden. Nach dem Eingreifen von Polizeibeamten beleidigte er eine Beamtin. In seinem Urteil ging das Landgericht Mannheim davon aus, der Kläger habe ohne Schuld gehandelt, da er wegen einer krankhaften seelischen Störung unfähig gewesen sei, das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln (§ 20 StGB). Die Vollstreckung der Maßregel wurde entsprechend der Empfehlung des Sachverständigen nach § 67 b StGB zur Bewährung ausgesetzt. Damit trat Führungsaufsicht ein (§ 67 b Abs. 2 StGB). Mit Beschluss vom 14.12.1999 setzte das Landgericht Mannheim die Bewährungszeit auf drei Jahre fest. Gleichzeitig wurde der Kläger einem Bewährungshelfer unterstellt. Zudem wurde er mit seinem Einverständnis angewiesen, in einem betreuten Wohnheim Wohnung zu nehmen, sich einer fachärztlichen Behandlung zu unterziehen, die vom Arzt angeordneten Medikamente weisungsgemäß einzunehmen und in vom behandelnden Arzt anzuordnenden Zeiträumen einen "Medikamentenspiegel" fertigen zu lassen.

Mit Antrag vom 9.1.2001, beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis eingegangen am 15.1.2001, beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Zur Begründung gab er an: Er lebe seit acht Jahren hier. Er sei politischer Flüchtling und könne deshalb nicht in seine Heimat Türkei zurück. Er wolle hier leben, Deutschland solle seine Heimat werden. Weil es für ihn als Flüchtling schwierig sei, über das türkische Konsulat die türkische Staatsangehörigkeit aufzugeben, und dies jedenfalls langwierig und kompliziert sei, wolle er gern den sogenannten Doppelpass.

Mit Bescheid vom 5.6.2002 lehnte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis den Antrag mit der Begründung ab, die Bearbeitung des Einbürgerungsantrags sei auf der Rechtsgrundlage des § 85 AuslG erfolgt. Nach § 87 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 AuslG müsse der Kläger die türkische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben, da er anerkannter Asylberechtigter sei. Der Antrag auf Einbürgerung sei jedoch nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG abzulehnen, da die Anordnung der Unterbringung einer Verurteilung wegen einer Straftat gleichstehe und § 88 Abs. 1 AuslG nicht eingreife. Eine Verurteilung wegen einer Straftat schließe eine Einbürgerung nach § 85 Abs. 1 Nr. 5 AuslG aus, sofern sie nicht gem. § 88 AuslG unbeachtlich sei. Trotz der Schuldunfähigkeit des Klägers bei Begehung der Tat liege eine Verurteilung wegen einer Straftat vor. Gehe man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, so setze eine Straftat zwar voraus, dass sie auch schuldhaft begangen worden sei; dieser Ansatzpunkt greife aber letztlich zu kurz. Denn es sei festzustellen, dass die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung wegen Schuldunfähigkeit des Täters bei der Tat einer im Urteil zu treffenden und zu begründenden Feststellung bedürfe, dass der Täter eine rechtswidrige strafbare Handlung begangen habe. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Nr. 2 BZRG sei diese Verurteilung in das Bundeszentralregister aufzunehmen. Diese im Bundeszentralregister vermerkten Einträge über Verurteilungen seien nach korrekter Auslegung des Gesetzeszwecks aber Verurteilungen wegen Straftaten. Auch der Sinn und Zweck der §§ 85 f. AuslG spreche für eine weite Auslegung des Begriffs "Straftat". Denn es solle eine umfängliche Abwägung aller möglichen entscheidungsrelevanten Tatsachen stattfinden. Ausnahmen von der Beachtlichkeit solcher strafrechtlicher Verurteilungen, die eine Maßregel der Besserung oder Sicherung zum Gegenstand hätten, enthalte § 88 AuslG nicht. Daher könne die Verurteilung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und einer sich in dessen Grenzen haltenden Auslegung nicht unbeachtlich bleiben. Der Einwand, durch diese Anwendung des Gesetzes würden schuldunfähige Täter benachteiligt, da ihre Tat bei Vorliegen der Schuldfähigkeit möglicherweise unter die Beachtlichkeitsausnahmen des § 88 AuslG gefallen wäre, sei schwerwiegend. Dennoch sei eine analoge Anwendung des § 88 AuslG im vorliegenden Fall nicht möglich. Insbesondere könne keine hypothetische Strafzumessung erfolgen. Die relevante Verurteilung könne erst unberücksichtigt bleiben, wenn die Tilgung aus dem Bundeszentralregister erfolgt sei. Laut schriftlicher Mitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof werde eine Verurteilung zu Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus jedoch nicht getilgt. Erst mit Vollendung des 90. Lebensjahres werde die Verurteilung aus dem Register entfernt. Eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG komme auf Grund der nicht nur vereinzelten bzw. geringfügigen begangenen Straftaten ebenfalls nicht in Betracht.

Zur Begründung seines am 14.6.2002 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger im wesentlichen aus: Es scheine ihm nicht richtig zu sein, dass Sinn und Zweck der §§ 85 ff. AuslG für eine weite Auslegung des Begriffs "Straftat" sprächen. Sinn und Zweck bestehe offensichtlich vielmehr darin, Ausländer, die sich nicht im Rahmen der bestehenden Gesetze bewegten, nicht einzubürgern. Dies gelte sinnvollerweise aber nur, wenn man ihnen ihr regelwidriges Verhalten auch vorwerfen könne, d. h. wenn sie schuldhaft Normen des Einbürgerungslandes verletzten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2002 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Die Behörde führte aus, die Einbürgerung scheitere an der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Mannheim. Trotz Schuldunfähigkeit bei Begehung der Tat liege eine Verurteilung wegen einer Straftat i. S. von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG vor, die nicht nach § 88 AuslG außer Betracht bleiben könne. Nach Sinn und Zweck sei die Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 5 AuslG weit auszulegen. Sie diene unter anderem der Gefahrenabwehr. Einen Einbürgerungsanspruch solle nicht erhalten, wer durch sein Verhalten seine Unfähigkeit zur Eingliederung in das hiesige Rechtssystem dokumentiere und/oder eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstelle.

Am 13.1.2003 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 5.6.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 13.12.2002 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihn einzubürgern. Er hat vorgetragen, die dreijährige Bewährung, die das Landgericht Mannheim ihm auferlegt habe, sei im April 2003 erfolgreich abgelaufen. Weitere Straftaten habe er nicht begangen, es seien auch keine weiteren Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen ihn anhängig.

Mit Urteil vom 5.12.2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Auch die Anordnung einer Maßregel der Sicherung auf Grund einer rechtswidrig begangenen gefährlichen Körperverletzung stelle eine Verurteilung dar. Dies ergebe sich aus § 4 BZRG. Danach fielen unter den Begriff "Verurteilung" rechtskräftige Entscheidungen, durch die ein deutsches Gericht im Geltungsbereich des BZRG wegen einer rechtswidrigen Tat auf Strafe erkannt, eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder nach § 27 JGG die Schuld eines Jugendlichen oder Heranwachsenden festgestellt habe. Der Einordnung der Tat als Straftat i. S. des Ausländergesetzes stehe nicht entgegen, dass der Kläger die gefährliche Körperverletzung und die Beleidigung schuldunfähig begangen habe. Das Schuldprinzip präge das Strafrecht, nicht aber das Ordnungsrecht, dem das Ausländerrecht und das Staatsangehörigkeitsrecht angehörten. Zweck des Ordnungsrechts sei die Beseitigung von Störungen und die Abwehr von Gefahren, die der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung drohten. Für die Gefahrenabwehr sei es irrelevant, ob der Störer die Gefahr schuldhaft oder schuldlos verursache. Für die Vorschriften über die Einbürgerung gelte nichts anderes. Zweck der Regelung über die Straffreiheit als Bedingung der Einbürgerung sei der Schutz der Rechtsgüter der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Normzweck lasse eine Einbürgerung von Ausländern nicht zu, die Rechtsgüter verletzt hätten, sei es durch eine rechtswidrige und schuldhafte Tat, sei es im Zustand der Schuldunfähigkeit. Für die Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal "Verurteilung wegen einer Straftat" in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG auch die Verurteilung zu einer Maßregel einschließe, spreche auch § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG. Nach dieser Bestimmung bleibe die Verhängung von Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendgerichtsgesetz bei der Anwendung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG außer Betracht. Hätte der Gesetzgeber auch Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Erwachsenenstrafrecht ausnehmen wollen, hätte eine entsprechende Regelung in § 88 AuslG nahe gelegen. Der Gesetzgeber habe eine solche Ausnahme aber nicht vorgesehen. Daran seien die Behörden und Gerichte gebunden. Die Kammer verkenne nicht, dass die von ihr vertretene Auffassung den Anschein erwecke, sie führe im Einzelfall zu einem unvertretbaren Ergebnis, weil ein Ausländer, der schuldhaft straffällig geworden sei, nach § 88 Abs. 1 und 2 AuslG besser behandelt werde als der zu einer Maßregel der Sicherung verurteilte Straftäter. Diese Ungleichbehandlung werde indessen durch den bereits erwähnten Zweck der Einbürgerungsregelung gerechtfertigt. Im übrigen komme gem. § 8 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien allerdings derzeit nicht erfüllt.

Gegen das ihm am 19.2.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.3.2004 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 16.9.2004 hat der Senat die Berufung zugelassen. Der Beschluss wurde dem Kläger am 11.10.2004 zugestellt.

Mit am 11.11.2004 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Berufung begründet und ausgeführt: § 85 Abs. 1 Nr. 5 AuslG meine nach richtiger Gesetzesinterpretation nur die Fälle der Verurteilung zu einer Strafe wegen einer rechtswidrig und schuldhaft begangenen Straftat, sei also keine taugliche Norm, seinen Einbürgerungsantrag zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 5.12.2003 -1 K 80/03 - zu ändern, den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 5.6.2002 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 13.12.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt zur Begründung ergänzend aus:

Umstritten sei im vorliegenden Fall nur die Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Ausgehend vom Wortsinn ergebe sich, dass mit der Begriffswahl "Straftat" eine Abgrenzung zu Ordnungswidrigkeiten, Verstößen gegen andere Vorschriften und zu durch Einstellung beendeten Verfahren habe erfolgen sollen. Straftat i. S. des § 85 Abs. 1 Nr. 5 AuslG meine ein mit Strafe bedrohtes Handeln oder Unterlassen, wobei auf die Strafdrohung und nicht auf die tatsächliche Strafverhängung abzustellen sei. Dies bedeute, dass eine relevante Straftat bereits dann vorliege, wenn der objektive und subjektive Tatbestand sowie die Rechtswidrigkeit erfüllt seien. Unerheblich bleibe, ob tatsächlich eine Strafe verhängt werde oder ob hierauf mangels Schuldvorwurf verzichtet werden müsse. Der Klägervertreter weise zu Recht darauf hin, dass zur Auslegung des Begriffs "Verurteilung" im Ausländergesetz nicht auf Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes zurückgegriffen werden könne. Dasselbe müsse jedoch auch hinsichtlich des Strafgesetzbuchs gelten. Dessen Terminologie könne nicht unbesehen auf das Ausländergesetz übertragen werden. Es gehe vorliegend um die Frage der Würdigkeit, eingebürgert zu werden, und um Gefahrenabwehr. Diese Ansicht lasse sich auch historisch belegen. Nach den Materialien zu einer früheren Änderung des Ausländergesetzes habe von einer "strafrechtlichen Bescholtenheit" nicht abgesehen werden sollen. Ein unbescholtener Lebenswandel im Sinne der Fassung der Vorschriften über die Einbürgerung bis zum Jahr 1990 habe jedoch auch schon bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Verstößen gegen Vorschriften ordnungsrechtlichen Charakters verneint werden können. Eine im schuldunfähigen Zustand begangene gefährliche Körperverletzung und eine Beleidigung hätten einen anderen Charakter als der Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift, sodass im vorliegenden Fall nicht mehr von einem unbescholtenen Lebenswandel gesprochen werden könne. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Vorschriften des Ausländerrechts um besonderes Polizeirecht handle, weshalb es auf die Schuldfähigkeit bzw. auf die Vorwerfbarkeit einer Handlung nicht ankommen könne. Auch der Vortrag des Klägers, er sei zum heutigen Zeitpunkt als ungefährlich einzustufen, könne ihm keinen Anspruch auf Einbürgerung vermitteln.

Die Beteiligten haben im Berufungsverfahren auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten des Beklagten, des Regierungspräsidiums Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde rechtzeitig beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (§ 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO). Nachdem der Kläger innerhalb der Frist zur Begründung der Berufung nur noch die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung beantragt hat, ist das Berufungsverfahren allerdings einzustellen, soweit er ursprünglich (weitergehend) die Verpflichtung der Beklagten zur Einbürgerung begehrt hat. Denn mit dieser Beschränkung des Klagebegehrens hat er die Berufung teilweise zurückgenommen (§ 126 Abs. 1 VwGO).

Soweit die Berufung danach noch anhängig ist, ist sie nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit der Kläger eine Einbürgerungszusicherung begehrt.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung ist § 10 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950), da er den Antrag auf Einbürgerung nach dem 16.3.1999 gestellt hat (vgl. § 40 c StAG; zur Zulässigkeit der Erteilung einer Einbürgerungszusicherung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.7.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116; BVerwG, Urteil vom 31.3.1987 - 1 C 26/86 -, NJW 1987, 2180). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG setzt die Einbürgerung eines Ausländers voraus, dass er "nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist". Zu Recht haben der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass der Kläger diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil das Landgericht Mannheim mit Urteil vom 14.12.1999 nach § 61 Nr. 1, § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Denn auch dabei handelt es sich um eine Verurteilung wegen einer Straftat i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG.

Ob die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung eine Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG darstellt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (bejahend Berlit in: GK-StAR, Stand: Oktober 2005, Rnr. 287 ff. zu § 10; Makarov/v. Mangoldt, Dt. Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: Juni 1998, Rnr. 47 zu § 85 AuslG; VG Berlin, Urteil vom 12.7.2005 - VG 2 A 26.03 -, InfAuslR 2005, 427 m.w.N.; VG Braunschweig, Urteil vom 1.9.2005 - 5 A 24/04 - juris Länderrechtsprechung; a.A. VG Würzburg, Urteil vom 21.4.2004 - W 6 K 03.1130 -, InfAuslR 2004, 311).

Eine ausdrückliche Regelung findet sich weder im Staatsangehörigkeitsgesetz noch fand sie sich in der zuvor einschlägigen Bestimmung des § 85 AuslG. Auch die Gesetzesbegründung äußert sich hierzu nicht. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG bedarf daher der Auslegung. Bei dieser Auslegung kommt es nicht allein auf den Wortlaut der Vorschrift an, sondern es ist grundsätzlich der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, der sich neben dem Wortlaut der Norm aus ihrem Zusammenhang, ihrem Zweck und aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, wobei diese Auslegungsmethoden einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.3.1974 - III C 99.71 -, BVerwGE 45, 65; Urteil vom 16.11.1981 - 6 C 72/78 -, BVerwGE 64, 209 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 17.5.1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 -, BVerfGE 11, 126).

Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG legt es angesichts des strafrechtlichen Bezugs der Begriffe "Verurteilung" und "Straftat" nahe, bei der Auslegung zunächst deren strafrechtliche Bedeutung ins Auge zu fassen. Das Strafgesetzbuch enthält weder eine Legaldefinition des Begriffs "Verurteilung" noch des Begriffs "Straftat". § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB definiert lediglich den Begriff der "rechtswidrigen Tat", nicht aber den Begriff "Straftat". Allerdings ist in der Rechtsprechung der Strafgerichte anerkannt, dass die Verurteilung eines Angeklagten grundsätzlich dessen Schuldfähigkeit voraussetzt. So führt etwa der Bundesgerichtshof hierzu aus, dass ein Angeklagter in der Urteilsformel ausdrücklich freigesprochen werden muss, wenn sich das Gericht an seiner "Verurteilung" gehindert sieht, weil er die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen hat und das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB anordnet (vgl. BGH, Beschluss vom 11.6.2002 - 3 StR 158/02 -, juris, m. w. N.; Urteil vom 9.3.1983 - 3 StR 500/82 -, NStZ 1983, 280). Dies wird durch einzelne Bestimmungen des Strafgesetzbuchs gestützt, so etwa durch § 69 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 StGB, in denen übereinstimmend davon die Rede ist, dass jemand "verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt (wird), weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist". Auch der Begriff "Straftat" wird jedenfalls im Strafrecht regelmäßig so verstanden, dass er eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung voraussetzt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., vor § 13 Rnr. 2; Stree in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., Rnr. 3a zu § 56f; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.1.1998 - 1 Ws 6/98 -, Justiz 1998, 569 m.w.N.).

Diese strafrechtliche Verwendung der Begriffe schließt es jedoch nicht von vornherein aus, die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als Verurteilung im Sinn des Staatsangehörigkeitsrechts anzusehen. Je nach dem Norm- und Sinnzusammenhang kann den verwendeten Begriffen nämlich eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die strafrechtliche Auslegung des Begriffes "Verurteilung" erkennbar daran ausgerichtet ist, ob gegen den Täter eine Strafe im Sinne der §§ 38 ff. StGB (insbesondere eine Freiheits- oder Geldstrafe) verhängt werden kann. Dies schließt es aber nicht aus, diesen Begriff im vorliegenden staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang anders - insbesondere wei-ter - zu verstehen. Hierfür spricht zunächst, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG gerade nicht von der Verurteilung zu einer Strafe, sondern von der Verurteilung wegen einer Straftat spricht, insoweit also weiter gefasst ist. Zudem wird auch eine Maßregel der Besserung und Sicherung durch Urteil angeordnet; so war es auch beim Kläger. Nach § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe nämlich auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet worden ist. Ferner ist nach § 260 Abs. 4 Satz 4 StPO in der Urteilsformel u.a. zum Ausdruck zu bringen, wenn die Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt wird. Unter Berücksichtigung dessen lässt es der allgemeine Sprachgebrauch daher zu, auch die in einem Urteil erfolgende Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als "Verurteilung" anzusehen. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Begriff "Straftat" im allgemeinen Sprachgebrauch stets nur im dargestellten engen strafrechtlichen Sinn verstanden wird. Vielmehr wird allgemein von der Begehung von Straftaten häufig auch dann gesprochen, wenn die Handlung des Täters einen Straftatbestand erfüllt und rechtswidrig gewesen ist, dieser aber - etwa aus Altersgründen (§ 19 StGB) - schuldunfähig ist und daher noch keine Straftat im strafrechtlichen Sinn begehen kann (vgl. hierzu auch VG Braunschweig, Urteil vom 1.9.2005, a.a.O.).

Ist es danach vom Wortlaut her jedenfalls nicht ausgeschlossen, als Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung anzusehen, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein weiteres Begriffsverständnis als das strafrechtsdogmatische dem objektivierten Willen des Gesetzgebers entspricht. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, des Zwecks und des Regelungszusammenhangs der Vorschrift ist diese Frage zu bejahen.

Die für eine Einbürgerung früher maßgebliche Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG verlangte bis zur Änderung durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.6.1993 (BGBl. I S. 1062) als Voraussetzung für die Einbürgerung, dass der Einbürgerungsbewerber "einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat" (vgl. hierzu Hailbronner, StAngR, 1991, § 8 RuStAG, Rnr. 16 ff.). Der Begriff der "Unbescholtenheit" erfasste nach damaliger Auffassung nicht nur strafrechtlich relevantes Fehlverhalten, sondern erstreckte sich auch auf Verstöße gegen Vorschriften ordnungsrechtlichen Charakters jedenfalls dann, wenn sie eine nachhaltige Missachtung der Rechtsordnung darstellten (vgl. hierzu Berlit, a.a.O., Rnr. 281 zu § 10 StAG m.w.N.). Der Einbürgerungsbewerber musste in seinem Lebenswandel und den daraus erkennbaren charakterlichen Eigenschaften gewissen Kriterien genügt haben und noch genügen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.2.1977 - I B 74.75 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 7). Derartige charakterliche Mängel konnten aber auch bei solchen Straftätern vorliegen, die wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig und zwangsweise untergebracht waren (vgl. hierzu VG Berlin, Urteil vom 12.7.2005, a.a.O., m.w.N.). Mit dem Ausländergesetz vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354) in der bis Ende 1999 geltenden Fassung des Gesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970) wurde erstmals eine Anspruchseinbürgerung für Ausländer vorgesehen, welche für "junge Ausländer" in § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG a.F. und für sonstige Ausländer mit langem Aufenthalt in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. die Voraussetzung enthielt, dass der Ausländer "nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist". Der ursprüngliche Regierungsentwurf hatte zunächst nur die Anspruchseinbürgerung junger Ausländer vorgesehen und hierfür vorausgesetzt, dass der Ausländer "außer solchen Straftaten, die nur mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz geahndet werden, keine Straftaten begangen hat". In der Begründung zu dem Regierungsentwurf (BT-Drs. 11/6321, S. 48 bzw. BR-Drs. 11/90, S. 48) hieß es hierzu, ein generelles Absehen von einer strafrechtlichen "Bescholtenheit" erscheine nicht gerechtfertigt, doch sollten typische Jugendverfehlungen nicht zum Ausschluss der erleichterten Einbürgerung führen. Auf Grund der Änderungen im Gesetzgebungsverfahren entstanden dann jedoch die anders lautenden Bestimmungen des § 85 Abs. 1 Nr. 4 und § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F.. Diese Regelungen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl. I S. 1618) in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG in der seit dem 1.1.2000 geltenden Fassung übernommen. Schließlich wurden die §§ 85 bis 91 AuslG durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) in §§ 10 bis 12b StAG überführt, ohne dass hinsichtlich der hier zu entscheidenden Frage Änderungen erfolgt sind.

Aus dieser Entstehungsgeschichte lässt sich nicht zwingend ableiten, dass eine "Verurteilung wegen einer Straftat" nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann vorliegen soll, wenn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Allerdings könnte der Umstand, dass im früheren Regierungsentwurf (BT-Drs. 11/6321, S. 48 bzw. BR-Drs. 11/90, S. 48) ausgeführt worden ist, ein generelles Absehen von einer strafrechtlichen "Bescholtenheit" erscheine nicht gerechtfertigt, dafür sprechen, dass der Gesetzgeber damals eine begriffliche Anbindung an den früher verwendeten Begriff der "Unbescholtenheit" angestrebt hat. Dies würde es nahe legen, dass auch ein im strafrechtlichen Sinne schuldloses Fehlverhalten weiterhin für die Einbürgerung von Bedeutung sein soll (vgl. VG Berlin, Urteil vom 12.7.2005, a.a.O.). Nach der dargestellten Entstehungsgeschichte lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass der Gesetzgeber an Fälle der hier vorliegenden Art überhaupt nicht gedacht hat.

Letztlich sprechen Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG und der Regelungszusammenhang mit dem Registerrecht entscheidend dafür, auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als Verurteilung wegen einer Straftat anzusehen. Der Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG besteht darin, die Einbürgerung von Personen auszuschließen, die sich trotz ihres längeren Aufenthaltes nicht in die (bundesdeutsche) Gesellschaft integriert haben bzw. bei denen es an einer dauerhaften Hinwendung zur deutschen Rechtsordnung fehlt oder hieran zumindest erhebliche Zweifel bestehen. Der Staat soll von einer Verpflichtung zur Einbürgerung solcher Ausländer freigestellt werden, die mit Rücksicht auf die Begehung von gewichtigen Straftaten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verdienen oder bei denen dies derzeit jedenfalls als möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.12.1993 - 2 BvR 2632/93 -, NJW 1994, 2016; Makarov/v.Mangoldt, a.a.O., Rnr. 45, 47 zu § 85 AuslG). Bestätigt wird dies durch § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wonach sich der Ausländer zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und außerdem u.a. erklären muss, dass er keine gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichteten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, liegt § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG vor diesem Hintergrund gerade auch die Vorstellung zu Grunde, eine Verpflichtung zur Einbürgerung eines Ausländers - und damit zu einer dauerhaften Aufenthaltsverfestigung - dann nicht entstehen zu lassen, wenn von diesem Gefahren für Rechtsgüter der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Dieser Gesetzeszweck spricht dafür, auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als Verurteilung wegen einer Straftat i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG anzusehen. Für die Frage, ob von einem Ausländer, der gegen eine Strafvorschrift verstoßen hat, eine Gefahr für Rechtsgüter ausgeht, kommt es nämlich nicht entscheidend darauf an, ob dieser schuldhaft gehandelt hat. Vielmehr kann eine solche Gefahr - wie auch im vorliegenden Fall - beispielsweise auch beim Vorliegen einer krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit bestehen. Dies wird gerade daran deutlich, dass eine Maßregel der Besserung und Sicherung nur angeordnet werden kann, wenn vom Täter infolge seines Zustandes eine Gefahr ausgeht (vgl. §§ 63, 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 Nr. 3, 68 Abs. 1, 69 Abs. 1 und 70 Abs. 1 StGB). Gestützt wird diese vom strafrechtlichen Begriffsverständnis abweichende, weitere Auslegung auch durch die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes, welche im Zusammenhang mit einer Einbürgerung deshalb von besonderer Bedeutung sind, weil dessen Auskunftsregelungen auch die Einbürgerungsbehörden betreffen (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 6 BZRG). So nennt § 4 BZRG unter der Überschrift "Verurteilungen" u.a. die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 4 Nr. 2 BZRG). Zudem geht § 46 Abs. 1 Nr. 1 g BZRG davon aus, dass es sich bei der dort u.a. genannten Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) um eine Verurteilung handelt; gleiches gilt z.B. für § 32 Abs. 2 Nr. 8 und § 49 Abs. 1 Satz 3 BZRG.

Der Annahme, dass nach der Intention des Staatsangehörigkeitsrechts auch die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG erfasst wird, lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, eine solche Gesetzesauslegung führe im Einzelfall zu unvertretbaren Ergebnissen. Zwar sind nach § 12a StAG die dort genannten Verurteilungen von vornherein für einen Anspruch auf Einbürgerung unbeachtlich, während die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung einem Einbürgerungsanspruch grundsätzlich immer entgegensteht. Deshalb wird etwa von Makarov/v. Mangoldt, (a.a.O., Rdnr. 47 zu § 85 AuslG) darauf hingewiesen, in einigen Fällen könne ungeachtet der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung die rechtswidrige Tat von verhältnismäßig geringem Gewicht und nicht von der Art sein, die normalerweise den Einbürgerungsanspruch als ausgeschlossen erscheinen lassen müsste; dies soll etwa bei selbständiger Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zu diesem Einwand jedoch ausgeführt, dass von einem Ausländer, der zu einer geringen Strafe verurteilt worden ist, auf die Dauer grundsätzlich keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen wird, während gleiches für denjenigen, gegen den eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, gerade nicht gilt. Mit der Regelung des § 12 a StAG, wonach u. a. Verurteilungen zu Geldstrafe und zu Freiheitsstrafe bis zu einer bestimmten Höhe im Rahmen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG außer Betracht bleiben, gibt der Gesetzgeber zwar zu erkennen, dass er in diesen Fällen nicht vom Bestehen einer Gefahr durch die Einbürgerung des betreffenden Ausländers ausgeht. Eine solche pauschale Gefahrenprognose kommt bei der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, welche gerade eine vom Täter ausgehende - individuelle - Gefahr voraussetzt, aber nicht in Betracht. Vielmehr bedarf es hier grundsätzlich einer Beurteilung im Einzelfall.

Eine solche Gesetzesauslegung führt auch nicht zu unzumutbaren Ergebnissen, da die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung einem Anspruch auf Einbürgerung nicht in jedem Fall dauerhaft entgegenstehen muss. Nach § 45 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 BZRG wird zwar die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus grundsätzlich erst nach dem 90. Lebensjahr getilgt. Im übrigen beträgt die Tilgungsfrist für die Anordnung einer (sonstigen) Maßregel der Besserung und Sicherung aber regelmäßig nur fünf Jahre (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 g BZRG). Nach § 49 Abs. 1 BZRG besteht zudem auch bei der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Möglichkeit, dass der Generalbundesanwalt auf Antrag oder von Amts wegen anordnet, dass Eintragungen entgegen den §§ 45, 46 zu tilgen sind, falls die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse der Anordnung nicht entgegensteht. Nach Satz 2 dieser Bestimmung soll der Generalbundesanwalt das erkennende Gericht und die sonst zuständige Behörde hören, wenn der Betroffene im Geltungsbereich des Gesetzes wohnt. Nach Satz 3 soll er auch einen in der Psychiatrie erfahrenen medizinischen Sachverständigen hören, wenn die Eintragung eine Verurteilung betrifft, durch welche eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Damit ist hinreichend gewährleistet, dass ein Ausländer auch bei der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach (folgenlosem) Ablauf der fünfjährigen Tilgungsfrist oder - wenn diese nicht einschlägig ist - jedenfalls im Wege der Tilgung nach § 49 BZRG einen Einbürgerungsanspruch erlangen kann, soweit von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Gleichzeitig wird hiermit dem Zweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG Rechnung getragen, im Einzelfall eine Beurteilung der von dem Ausländer möglicherweise ausgehenden Gefahren zu ermöglichen und einen Einbürgerungsanspruch dann auszuschließen, wenn diese Prognose ungünstig ausfällt. Zudem kommt jedenfalls dann, wenn der Ausländer bei geringfügigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften keinen Ausweisungsgrund erfüllt, zumindest eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in Betracht. Angesichts dessen kann nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden, dass die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG in den Fällen der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung zu einer unzulässigen Schlechterstellung der Betroffenen im Vergleich zu denjenigen Ausländern führt, deren Verurteilung nach § 12 a Abs. 1 StAG außer Betracht bleibt. Vielmehr hält sich diese differenzierte Regelung noch im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit; sie ist durch die dargestellten Unterschiede bei der Gefahrenprognose hinsichtlich einer strafrechtlichen Verurteilung einerseits und der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung andererseits hinreichend gerechtfertigt. Danach bedarf es auch der teilweise vorgeschlagenen alternativen Lösungswege - Parallelwertung, welche Strafe bei schuldhaftem Handeln voraussichtlich verhängt worden wäre (VG Braunschweig, Urteil vom 1.9.2005 - 5 A 24/04 - juris Länderrechtsprechung) bzw. erweiternde Auslegung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG (so Berlit, a.a.O., Rnr. 289 zu § 10 StAG) - nicht, um auch in Fällen geringfügigerer Verstöße sachgerechte Ergebnisse zu erreichen.

Im Ergebnis steht der Einbürgerung des Klägers somit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass aufgrund eines Antrags nach § 49 Abs. 1 BZRG die gegen ihn verhängte Maßregel inzwischen gelöscht worden ist.

Auch ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung nach § 8 StAG kommt vorliegend nicht in Betracht. Auf Grund der von ihm begangenen strafrechtlichen Verstöße erfüllt er nämlich einen Ausweisungsgrund, weil er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Dabei sind sowohl die in den Jahren 1996 und 1998 erfolgten Verurteilungen zu Geldstrafen als auch die im Jahr 1999 angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung berücksichtigungsfähig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -, EzAR 034 Nr. 18). Ob eine Ausweisung auf dieser Grundlage tatsächlich erfolgen könnte, ist im Rahmen des § 8 StAG unbeachtlich. Soweit in ausländerrechtlichen Vorschriften wie etwa § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auf das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes abgestellt wird, ist dieser Begriff nämlich mit dem Begriff "Ausweisungstatbestand" gleichzusetzen (vgl. Renner, AuslR, 7.A., Rnr. 13 zur Vorgängervorschrift des § 7 AuslG). Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Ausweisung im Einzelfall auch fehlerfrei verfügt werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.8.1996 - 1 C 8/94 -, BVerwGE 102, 12; Beschluss vom 24.7.1997 - 1 B 122/97 -, juris; Renner, AuslR, Rdnr. 15 zu § 7 AuslG m. w. N.). Diese Auslegung gilt aber auch im Rahmen des § 8 StAG. Auch hier genügt das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes für die Ablehnung der Einbürgerung, ohne dass es darauf ankommt, ob die Ausländerbehörde eine Ausweisung beabsichtigt oder ob eine solche im konkreten Fall erfolgen könnte (vgl. Hailbronner/Renner, StAR, 4. Aufl., Rdnr. 23 zu § 8 StAG m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 31.5.1994 - 1 C 5/93 -, BVerwGE 96, 86). Zudem steht die Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG im Ermessen der Einbürgerungsbehörde. Der Kläger hat aber weder vorgetragen noch ist sonst erkennbar, dass dieses Ermessen in seinem Fall - das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG unterstellt - dergestalt reduziert wäre, dass nur die Erteilung der begehrten Einbürgerungszusicherung in Betracht käme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, im übrigen aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Frage, ob die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung als Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Beschluss vom 10.11.2005

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. auf 8.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i. d. F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004, BGBl. I S. 718, sowie Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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