Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 13 S 728/06
Rechtsgebiete: GFK, LVwVfG


Vorschriften:

GFK Art. 28 Abs. 1
LVwVfG § 52 Satz 1
Wenn die Geltungsdauer eines Internationalen Reiseausweises (Art. 28 Abs. 1 GFK) abgelaufen ist, richtet sich die Rückforderung des Ausweisdokuments nach § 52 Satz 1 LVwVfG.

Dieser Rückforderungsbescheid erledigt sich weder mit dem Ablauf der Geltungsdauer des Reiseausweises noch mit der Abgabe des Dokuments bei der Behörde.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

13 S 728/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltsbefugnis/Aufenthaltserlaubnis

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 13. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge der Klägerin und der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2006 - 6 K 4025/04 - werden abgelehnt.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Anträge beider Prozessbeteiligter auf Zulassung der Berufung sind abzulehnen.

1. Der fristgerecht gestellte und begründete (§ 124 a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO) Antrag der Klägerin kann sachlich keinen Erfolg haben; die von der Klägerin dargelegten Zulassungsgründe sind der Sache nach nicht gegeben (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

In dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht eine Verpflichtungsklage der Klägerin - einer 1968 geborenen Staatsangehörigen von Sri Lanka, deren Asylanerkennung mittlerweile rechtskräftig widerrufen wurde - auf Verpflichtung der Beklagten, über ihren Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbefugnis/Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, abgewiesen; in den Gründen der Entscheidung wird ausgeführt, die Klage könne keinen Erfolg haben, weil die Entscheidung der Beklagten gemäß der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG gerichtlich nicht zu beanstanden sei. Bei ihrer für die Klägerin negativen Entscheidung habe die Beklagte den Gedanken der Generalprävention berücksichtigen dürfen; die Klägerin sei wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich an dem Zeitrahmen orientiert habe, der für die Befristung von Ausweisungsverfügungen gelte. Das Gericht schließe sich in diesen Punkten der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Prozesskostenhilfeverfahren ihres Ehemannes (Beschluss vom 22.6.2005 - 13 S 1023/05 -) an. Dies gelte auch für den Vortrag der Klägerin, die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis verstoße gegen § 4 AsylVfG. Inzwischen sei ein Asylwiderrufsbescheid ergangen, so dass im jetzigen Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, die Ausreise der Klägerin werde auf Dauer unmöglich sein. Damit sei eine Tatbestandsvoraussetzung des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt.

Gegen diese Entscheidung macht die Klägerin ernstliche rechtliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend und trägt vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es wie bei allen Verpflichtungsbegehren auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also nach dem Aufenthaltsgesetz, an. Anspruchsgrundlage sei § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, da sie seit mehr als 18 Monaten im Besitz einer Duldung sei und ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sichern könne. Bei § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG handle es sich um eine Soll-Vorschrift; bei nicht atypischen Sachverhalten sei daher kein Raum für Ermessenserwägungen. Nach wie vor sei sie trotz der Anhängigkeit eines Widerrufsverfahrens als politischer Flüchtling anerkannt, und eine Rückkehr in ihr Heimatland sei unzumutbar. Außerdem sei die Frage grundsätzlich bedeutsam, "ob die Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an Personen gebietet, die - etwa wegen Straffälligkeit oder ähnlichen Umständen - im Besitz einer Duldung sind, über deren Widerrufsverfahren hinsichtlich einer Asylanerkennung bzw. der Zuerkennung politischen Flüchtlingsschutzes jedoch noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist." Diese Frage sei für eine Vielzahl weiterer Verfahren bedeutsam, in denen Widerrufsverfahren durchgeführt würden.

Eine Zulassung der Berufung aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen kommt nicht in Betracht. Weder begegnet insoweit die Richtigkeit des Urteils ernstlichen Zweifeln im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, noch sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn der genannten Vorschrift sind gegeben, wenn unter Berücksichtigung der jeweils vom Antragsteller darzulegenden Gesichtspunkte die Richtigkeit des angefochtenen Urteils näherer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens daher möglich ist (siehe BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838 f.). Es kommt dabei darauf an, ob vom Antragsteller ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt worden ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Misserfolg (siehe BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, und vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Selbst bei ausreichender Infragestellung der Urteilsgrundlage hat der Zulassungsantrag aber auch dann keinen Erfolg, wenn sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen lässt, dass das Verwaltungsgericht die Rechtssache jedenfalls im Ergebnis richtig entschieden hat und der angestrebte Berufung daher keinen Erfolg haben wird (siehe BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004, a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt der Senat im vorliegenden Fall - wie bereits im Parallelverfahren des Ehemannes der Klägerin (Senatsbeschluss vom 13.6.2006 - 13 S 678/06 -) - zu dem Ergebnis, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht gegeben sind. Es ist anerkannt, dass auch bei Verpflichtungsklagen auf begünstigende Verwaltungsakte dann die Sach- und Rechtslage der Entscheidung zugrunde zu legen ist, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt; dies ist auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes entschieden worden (siehe VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.2.2005 - 13 S 2949/04 -, VBlBW 2005, 361; Beschluss vom 9.2.2005 - 11 S 1099/04 -, juris; siehe allgemein BVerwG, Urteil vom 16.6.2004 - 1 C 20.03 -, NVwZ 2005, 90; weitere Nachweise bei Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Rn 4 zu § 102). Hiervon abgesehen käme es auf diese Frage nach der weiteren Begründung des Zulassungsantrags auch nicht an, weil darin geltend gemacht wird, es handle sich gerade nicht um den Fall einer Ermessensentscheidung, sondern um eine Sollvorschrift (§ 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Damit verkennt der Zulassungsantrag jedoch, dass § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG tatbestandsmäßig nur dann eingreift, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gegeben sind; nur dann verdichtet sich das in § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vorgesehene Ermessen zu einer Sollvorschrift (siehe dazu Hailbronner, Ausländerrecht, Rn 103 zu § 25 AufenthG; Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Rn 28 zu § 25 AufenthG; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.4.2005 - 11 S 2779/04 -, juris; Marx, ZAR 2004, 406; a.A. nur Göbel-Zimmermann, ZAR 2005, 279). Zu diesem auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Verhältnis zwischen § 25 Abs. 5 Satz 1 und § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG äußert sich der Zulassungsantrag nicht; er stellt auch nicht die für die Abweisung der Klage entscheidende Auffassung des Verwaltungsgerichts in Frage, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG seien bei der Klägerin nicht gegeben. Damit hat die Klägerin aber ernstliche Zweifel am Ergebnis der Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ausreichend erfolgreich dargetan.

Was den Antrag der Klägerin angeht, die Berufung zuzulassen, weil es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob § 25 Abs. 5 AufenthG die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an solche ausländerrechtlich geduldete Personen gebiete, über deren Widerrufsverfahren hinsichtlich einer Asylanerkennung oder der Zuerkennung politischen Flüchtlingsschutzes noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei, kann dieser Antrag - unabhängig von der mangelhaften Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Rechtserheblichkeit dieser Frage für den konkreten Fall sowie der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft des Widerspruchsbescheides nach Klageabweisung - bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil sich die Antwort auf die von der Klägerin bezeichnete Grundsatzfrage bereits aus dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.2005 - 1 C 18.04 - ergibt. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Tatsache eines noch schwebenden Widerrufsverfahrens eine atypische Fallsituation darstellt, die trotz einer gesetzlichen Sollvorschrift ein behördliches Ermessen eröffnet. Diese zu § 25 Abs. 3 AufenthG bezogenen Erwägungen sind gegebenenfalls auch auf Fallgestaltungen des - hier allerdings wie dargelegt nicht einschlägigen - § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG übertragbar. Hiervon abgesehen hat der Senat bereits im genannten Beschluss vom 13.6.2006 gegenüber dem Ehemann der Klägerin und im Prozesskostenhilfeverfahren der Klägerin selbst (Beschluss vom 19.12.2005 - 13 S 1024/05 -) ausgeführt, dass aus der Tatsache des Widerrufsverfahrens im Rahmen der Ermessensausübung keinerlei nachteilige Schlüsse zu ihren Lasten gezogen worden sind; die von der Klägerin aufgeworfene Grundsatzfrage würde sich damit im Berufungsverfahren so gar nicht stellen. Hieran hält der Senat auch im vorliegenden Verfahren fest.

2. Auch der fristgerecht gestellte und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO) Zulassungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg, weil der von der Beklagten dargelegte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in der Sache ebenfalls nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil die Nummern 2 und 3 der Verfügung der Beklagten vom 7.5.2004 aufgehoben; darin hatte die Beklagte die Klägerin aufgefordert, ihren Internationalen Reiseausweis, gültig bis 2.9.2004, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser Verfügung beim Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten abzugeben (Nr. 2), und ihr gemäß §§ 18, 20 LVwVfG ein Zwangsgeld in Höhe von 256,-- EUR für den Fall angedroht, dass sie ihren Internationalen Reiseausweis bis zu dieser Frist nicht abgegeben haben sollte (Nr. 3 der Verfügung). Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Beklagte habe die Klägerin rechtswidrig aufgefordert, ihren Internationalen Reiseausweis abzugeben. Zwar fehle es bei der Klägerin am rechtmäßigen Aufenthalt des Flüchtlings im Bundesgebiet, den Art. 28 Abs. 1 Satz 1 der Genfer Konvention für die Erteilung eines Reiseausweises voraussetze. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 der Genfer Konvention könne ein Reiseausweis jedoch auch jedem anderen Flüchtling ausgestellt werden, der sich im Gebiet eines vertragsschließenden Staates befinde. Diese Bestimmung solle auch lediglich geduldeten Flüchtlingen Reisen außerhalb des Aufenthaltsstaates nach dem Ermessen der Ausländerbehörde ermöglichen, wenn keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstünden. Bei der Klägerin bestünden solche zwingenden Gründe nicht. Weil ihr Ehemann mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert habe, könne die Klägerin in der "Schleuserszene" nicht mehr Fuß fassen und bei einer Auslandsreise ihre frühere Schleusertätigkeit nicht wieder aufnehmen. Die Beklagte habe das Ermessen, das ihr somit eröffnet sei, nicht ausgeübt. Wenn sie der Klägerin den Reiseausweis erteile bzw. verlängere, hätte sie keinen Grund, die Klägerin zur Abgabe des Ausweises aufzufordern. Den Widerruf der Asylanerkennung könne die Beklagte bei der Ermessensausübung berücksichtigen.

Die Beklagte macht gegen diese Entscheidung ernstliche rechtliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend, weil das Verwaltungsgericht unzutreffend von einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ausgehe: Der Reisepass der Klägerin (richtigerweise der Internationale Reiseausweis) sei bei Klageerhebung (12.10.2004) nicht mehr gültig gewesen (Geltungsablauf 2.9.2004), so dass die Klägerin durch die Klage ihre Rechtsposition nicht habe verbessern können. Den Verlängerungsantrag, ohne den eine Verlängerung nicht möglich sei, habe die Klägerin erst nach Abschluss des Klageverfahrens am 7.3.2006 beantragt. Außerdem habe die Klägerin bei der Aushändigung des Reiseausweises die Verpflichtung unterschrieben, ihn spätestens am Tag des Ablaufs der zuständigen Ausländerbehörde zurückzugeben, wenn sie bis dahin keine Aufenthaltsgenehmigung besitze. Dieser Aufforderung sei die Klägerin auch nachgekommen, so dass sich der Rechtsstreit insoweit bereits bei Klageerhebung erledigt hätte.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne der oben genannten Grundsätze. Das Rechtsschutzinteresse ist bei Anfechtungsklagen im Regelfall zu bejahen, da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt bzw. eine prozessuale Gestaltungsklage normiert, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt. Es ist nur dann zu verneinen, wenn besondere Umstände gegeben sind, etwa ein Obsiegen der Klägerin keinen rechtlichen Vorteil bringt oder es sich als rechtsmissbräuchlich darstellt (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Rn 37 vor § 40). Solche Umstände zeigt die Beklagte nicht auf.

a) Der Ablauf der Geltungsdauer ihres Internationalen Reiseausweises führt nicht dazu, dass "die Klägerin durch die Klage ihre Rechtsposition nicht verbessern konnte". Gegenstand der Verfügung und der Klage ist nicht die (zeitlich abgelaufene) materiell-rechtliche Geltung des Reiseausweises, sondern der Besitz an der Urkunde.

Die von der Beklagten verfügte Rückforderung des Internationalen Reiseausweises findet ihre gesetzliche Grundlage - mangels einer spezielleren Vorschrift - in § 52 Satz 1 LVwVfG. Danach kann die Behörde die aufgrund eines Verwaltungsakts erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser Verwaltungsakt nicht oder nicht mehr wirksam ist. Hier hat die Beklagte von der Klägerin die von 1999 stammende Urkunde ihres Reiseausweises zurückgefordert, die ihr am 25.2.2004 von der damals zuständigen Ausländerbehörde ausgehändigt worden war. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (4.11.2004) war zwar die Geltungsdauer des Reiseausweises abgelaufen (2.9.2004). Damit ist für die Rückforderung des Ausweisdokuments die gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung eines nicht mehr wirksamen Verwaltungsakts gegeben. Hierdurch ist jedoch nicht zugleich auch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen die Rückforderung der Urkunde entfallen. Das Ausweisdokument hat zwar die Funktion, den zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Verwaltungsakt des Reiseausweises zu verkörpern und nachzuweisen. Sein Besitz kann jedoch auch unabhängig von diesem materiellen Recht fortbestehen. Im Gesetz ist die Rückgabe des Ausweispapiers an die Ausländerbehörde nach Ablauf der Geltungsdauer nicht als zwingende Rechtsfolge vorgesehen, sondern in das Ermessen der Behörde gestellt. Dies hat zur Folge, dass die Rückforderung des Ausweispapiers auch dann wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig sein kann, wenn das zugrunde liegende materielle Recht wegen Ablaufs der Geltungsdauer nicht mehr besteht. Da es der Klägerin hier nicht um die - zum maßgeblichen Zeitpunkt noch gar nicht beantragte - Verlängerung oder Neuerteilung eines Internationalen Reiseausweises, sondern um die Rückgabe des Ausweisdokuments geht, besteht ihr Rechtsschutzbedürfnis fort.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist auch nicht dadurch entfallen, dass sie sich beim Erhalt des Reiseausweises am 25.2.2004 schriftlich verpflichtet hat, diesen "spätestens am Tag des Ablaufs bei der zuständigen Ausländerbehörde zurückzugeben".

In dieser Erklärung liegt kein Klageverzicht. Zwar muss ein Klageverzicht nicht notwendig ausdrücklich erklärt werden, um wirksam zu sein. Er muss sich angesichts seiner prozessualen Tragweite aber unter Anlegung eines strengen Maßstabs als eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich darstellen (BVerwG, Urteil vom 28.8.1978, BVerwGE 55, 355, 357). Wer sich bei Erhalt eines Internationalen Reiseausweises zur Rückgabe nach Ablauf verpflichtet, bringt damit aber nicht einmal mangelndes Interesse an einer obsiegenden Entscheidung, geschweige denn einen Klageverzicht zum Ausdruck (vgl. BVerwG, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Rückforderung des Ausweisdokuments, wie dargelegt, im Ermessen der Behörde steht und sich Ermessenserwägungen der Beklagten hinsichtlich des Ausweisdokuments aus den vorgelegten Akten nicht entnehmen lassen. Damit ist die Klage auch nicht rechtsmissbräuchlich.

c) Schließlich ist auch nicht dadurch Erledigung eingetreten, dass der Ausweis bei der Beklagten abgegeben wurde und sich jetzt dort bei der Ausländerakte befindet. Dabei ist unerheblich, wann und wie das Ausweisdokument zu den Akten der Beklagten gelangt ist.

Eine behördliche Anordnung erledigt sich, wenn der mit ihr verfolgte Zweck endgültig erreicht ist. Die Erledigung setzt jedoch voraus, dass der Vollzug irreversibel ist bzw. dass sich der Verwaltungsakt aufgrund der Vollziehung in keiner Weise mehr auswirkt. Solange und soweit der Vollzug noch rückgängig gemacht werden kann, erledigt der Vollzug den angefochtenen Verwaltungsakt nicht; dies gilt auch für die Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen (Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 88; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 43 Rn 201 f.). Dementsprechend ist allgemein anerkannt, dass ein Leistungsbescheid sich nicht durch die Erbringung der Leistung erledigt, sondern den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung bildet (Sachs, a.a.O. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3.6.1983 - 8 C 43.81 -, DÖV 1983, 980). Da der Ausweis hier wieder an die Klägerin herausgegeben werden kann, hat sich durch eine Abgabe weder der Rückforderungsbescheid noch die Zwangsgeldandrohung erledigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück