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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.11.2002
Aktenzeichen: 13 S 810/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
1. Ist es dem Einbürgerungsbewerber subjektiv unzumutbar oder objektiv unmöglich, zur Vervollständigung des Entlassungsantrags erforderliche Dokumente (hier: Geburtsurkunde und Staatsangehörigkeitsausweis) beizubringen, auf deren Vorlage der Herkunftsstaat trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nicht verzichtet hat, ist die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach der 2. Alternative des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG zu prüfen.

2. Es entspricht Sinn und Zweck dieser Vorschrift, unter Bedingungen auch Entlassungsvoraussetzungen zu verstehen, deren Erfüllung dem Einbürgerungsbewerber objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar ist.

3. Objektive Unmöglichkeit der Erfüllung von Entlassungsvoraussetzungen ist auch dann anzunehmen, wenn die zuständigen Behörden des Heimatstaates aus nicht nachvollziehbaren Gründen untätig geblieben sind und mit einer Ausstellung der vom Einbürgerungsbewerber beantragten und für die Entlassung erforderlichen Urkunden zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

4. Die (noch) zumutbare Dauer der Untätigkeit kann dabei nicht schematisch bestimmt werden, sie beurteilt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls (hier: Unzumutbarkeit bejaht, nachdem seit einem Jahr und 10 Monaten über den Antrag auf Ausstellung einer Geburtsurkunde und eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht entschieden wurde und auch keine Entscheidung absehbar ist).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 810/02

Verkündet am 15.11.2002

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Einbürgerung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jaeckel-Leight und den Richter am Verwaltungsgericht Epe auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. November 2001 - 9 K 699/01 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verpflichtet wird, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 21.11.1968 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er reiste 1991 als Bürgerkriegsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt in der Folgezeit Duldungen. Nach seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen am 31.10.1994 wurde ihm auf seinen Antrag vom 4.11.1994 am 3.2.1995 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 3.11.1997 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Am 23.8.2000 beantragte der Kläger beim Landratsamt Waldshut die Einbürgerung und bat zugleich darum, diese unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit durchzuführen.

Mit Bescheid vom 29.11.2000 erteilte der Beklagte dem Kläger eine bis zum 28.11.2002 gültige Einbürgerungszusicherung. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren auf Einbürgerung so weit abgeschlossen sei, dass die Einbürgerung erfolgen könne. Der Vollzug der Einbürgerung sei jedoch erst möglich, wenn der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit nachgewiesen sei. Der Kläger werde gebeten, sich bei der zuständigen Auslandsvertretung des Heimatstaates um die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit zu bemühen und sämtliche Nachweise der Bemühungen aufzubewahren, um sie gegebenenfalls auf Anforderung vorlegen zu können.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2000 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe am 11.12.2000 beim jugoslawischen Generalkonsulat in Stuttgart versucht, seine Entlassung aus der jugoslawischen Staatsangehörigkeit zu beantragen. Dabei sei ihm erklärt worden, er benötige dafür eine Geburtsurkunde, die nicht älter als sechs Monate sein dürfe sowie eine Urkunde, die seine bestehende jugoslawische Staatsangehörigkeit belege. Diese Dokumente seien nicht an seinem Geburts- bzw. letzten Wohnort erhältlich, da alle Verwaltungsunterlagen während des Bürgerkriegs nach Krusevac (Serbien) verbracht worden seien. Auch dort würden sie nicht sofort ausgehändigt, sondern müssten zunächst vor Ort beantragt werden. Der Kläger meint, dies sei ihm als Kosovo-Albaner nicht zumutbar. Er könne auch nicht nach Serbien reisen, da er keinen gültigen Reisepass besitze. Es werde gebeten zu prüfen, ob er unter vorläufiger Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden könne.

Ausweislich einer am 25.1.2001 vorgelegten Bescheinigung des Generalkonsulats der Bundesrepublik Jugoslawien vom 19.1.2001 hat der Kläger bereits am 3.7.2000 einen Antrag auf Ausstellung eines jugoslawischen Reisepasses gestellt.

Mit Schreiben vom 23.2.2001, berichtigt mit Schreiben vom 9.3.2001, teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Jugoslawien dem Beklagten auf Anfrage mit, dass ein Antrag auf Beschaffung von Dokumenten (Geburtsurkunde, Urkunde über die Staatsangehörigkeit) gestellt worden sei. Erst nach Beschaffung dieser Dokumente könne der Kläger einen Antrag auf Entlassung aus der jugoslawischen Staatsangehörigkeit stellen. Es bestehe keine Möglichkeit für das Generalkonsulat zu intervenieren und die Bearbeitung der gestellten Anträge zu beschleunigen. Diese Auskunft wurde mit Schreiben vom 21.8.2001 nochmals bekräftigt.

Am 25.4.2001 hat der Kläger Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Bundesrepublik Jugoslawien mache die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig. Er habe letztmals am 19.1.2001 beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Jugoslawien vorgesprochen, um die Voraussetzungen für seine Entlassung aus der jugoslawischen Staatsangehörigkeit zu schaffen. Für die Bescheinigung, dass er am 3.7.2000 die Ausstellung eines jugoslawischen Reisepasses beantragt habe, habe er 75,-- DM zahlen müssen. Für den Antrag auf Ausstellung des Reisepasses sei zuvor bereits eine Gebühr von 83,-- DM erhoben worden. Er habe versucht, die Ausstellung der vom Generalkonsulat geforderten Auszüge aus dem Geburts- und dem Heiratsregister sowie Staatsangehörigkeitsnachweise in Urschrift zu beantragen. Dieser Versuch sei gescheitert, da das Generalkonsulat Anträge auf solche Urkunden wegen fehlender Zuständigkeit nicht bearbeite. Er sei darauf hingewiesen worden, dass die erforderlichen Urkunden in Krusevac (Serbien) seien und er dort persönlich vorsprechen müsse. Das könne er jedoch nicht, da er keinen gültigen Reisepass besitze, obwohl er einen solchen bereits vor Ablauf des ihm zuletzt ausgestellten Reisepasses am 3.7.2000 beantragt habe. Damit sei ihm die Beschaffung der Unterlagen unmöglich. Im Übrigen sei sie ihm unzumutbar, da für ihn als Kosovo-Albaner die Reise nach Serbien einem Himmelfahrtskommando gleichkomme. Eine unzumutbare Entlassungsbedingung sei auch in der nach Informationen des Generalkonsulats für den Antrag auf Entlassung aus der Staatsangehörigkeit anfallenden Gebühr in Höhe von ca. 2.700,-- DM zu erblicken. Er sei seit einiger Zeit nicht mehr abhängig beschäftigt, sondern habe ein Restaurant eröffnet. Angesichts der bereits getätigten und noch zu leistenden Investitionen sei ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von weniger als 2.500,-- DM zu erwarten.

Mit Urteil vom 15.11.2001 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten antragsgemäß verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch seien die Vorschriften der §§ 8, 9 StAG i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 3 AuslG. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 85 AuslG seien noch nicht gegeben, da der Kläger sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG i.V.m. § 8 StAG sollten Ehegatten Deutscher eingebürgert werden, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlören oder aufgäben oder ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 87 AuslG vorliege. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 3 AuslG sei ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit unter anderem gegeben, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt habe, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden habe. Eine schriftliche ablehnende Entscheidung der jugoslawischen Behörden über einen Entlassungsantrag des Klägers liege bisher nicht vor. Vielmehr habe dieser einen formgerechten schriftlichen Entlassungsantrag noch nicht gestellt. Nach Nr. 87.1.2.3.1 VwV-StAR liege eine Versagung der Entlassung auch dann vor, wenn eine Antragstellung auf eine Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar sei, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht ermöglicht werde. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Kläger habe ernsthafte und nachhaltige Bemühungen im Sinn der genannten Verwaltungsvorschrift unternommen, indem er zweimal beim jugoslawischen Generalkonsulat vorstellig geworden sei und die erforderlichen Anträge auf Beschaffung von Dokumenten gestellt habe. Weitere Vorsprachen seien nicht erforderlich gewesen, nachdem das Generalkonsulat mit Schreiben vom 23.2.2001 bestätigt habe, dass keine Möglichkeit bestehe, die Bearbeitung der gestellten Anträge zu beschleunigen. Eine amtliche Begleitung durch den Beklagten sei mit der Anfrage vom 13.2.2001 erfolgt. Schließlich sei seit dem Versuch des Klägers, die für die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit erforderlichen Dokumente zu erhalten, ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten vergangen. Der Beklagte könne sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragstellung auf Entlassung sei dem Kläger nicht unmöglich gemacht worden, da das Konsulat sie an die zumutbare Bedingung der Vorlage der geforderten personenstandsrechtlichen Unterlagen habe knüpfen dürfen. Diese Annahme sei auch unter Berücksichtigung von Nr. 87.1.2.3.2.3 VwV-StAR nicht gerechtfertigt, wonach eine unzumutbare Bedingung grundsätzlich nicht darin liege, dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber aufgefordert hätten, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen. Denn diese grundsätzlich zulässige Anforderung führe hier dazu, dass dem Kläger faktisch die Antragstellung auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft unmöglich gemacht werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass über den Antrag auf Verlängerung des Reisepasses seit Juli 2000 nicht entschieden worden sei, ebenso wenig wie seit Januar 2001 die beantragten personenstandsrechtlichen Unterlagen ausgestellt worden seien. Dieses Verhalten der Behörden entspreche der Verweigerung der Antragstellung. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, die geforderten personenstandsrechtlichen Unterlagen persönlich zu beschaffen, da er hierfür über den ihm bisher nicht ausgestellten Reisepass verfügen müsste.

Mit Beschluss vom 21.3.2002 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Dieser Beschluss wurde am 11.4.2002 zugestellt.

Mit am 7.5.2002 eingegangenem Schriftsatz beantragt der Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15.11.2001 - 9 K 699/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf den Antrag auf Zulassung der Berufung Bezug genommen. Dort wurde ausgeführt: Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene entsprechende Anwendung von § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AuslG auf den der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt halte einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach dieser Vorschrift könne von der durch § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG statuierten Voraussetzung, dass der Ausländer im Zusammenhang mit der Einbürgerung seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgebe oder verliere, eine Ausnahme gemacht werden, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt habe, die der Ausländer nicht zu vertreten habe. Diese Vorschrift regele einen Unterfall der willkürlichen Verhinderung des Ausscheidens aus der bisherigen Staatsangehörigkeit. Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit sei, dass die für die Erledigung zuständige Stelle des Heimatstaats auf einen Entlassungsantrag hin ohne nachvollziehbaren objektiven Grund untätig geblieben sei. Vorliegend fehle es unstreitig an der Versagung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrags. Das Verwaltungsgericht habe jedoch rechtsirrig Nr. 87.1.2.3.1 VwV-StAR angewandt, wonach eine Versagung der Entlassung auch dann vorliegt, wenn eine Antragstellung auf eine Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht ermöglicht wird. Diese Voraussetzungen lägen indessen nicht vor. Nr. 87.1.2.3.1 VwV-StAR erweitere den eigentlichen Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AuslG in konsequenter Fortentwicklung des von dieser Bestimmung intendierten Willkürverbots auf eine Fallgestaltung, in welcher dem Einbürgerungsbewerber bereits eine Antragstellung auf Entlassung unter nicht nachvollziehbaren Umständen verwehrt worden sei, obwohl dieser alle ihn treffenden Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Damit seien etwa diejenigen Fallkonstellationen angesprochen, in denen einem Einbürgerungsbewerber trotz mehrfacher Vorsprache die vom Entlassungsstaat vorgeschriebenen Entlassungsformulare nicht ausgehändigt würden oder sich die Auslandsvertretung bei mehrfachen Vorsprachen gegenüber dem Einbürgerungsbewerber weigere, dessen vollständige und formgerechte Entlassungsunterlagen entgegenzunehmen, etwa weil er einer bestimmten Volksgruppe angehöre. Darüber hinaus habe die Rechtsprechung § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AuslG dann für gegeben erachtet, wenn die Auslandsvertretung bei einem mehrstufigen Entlassungsverfahren trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Ausländers die Übersendung der für einen formgerechten Antrag erforderlichen Entlassungsformulare verweigere. Die Annahme einer willkürlichen Versagung der Entlassung schon nach einer relativ kurzen Frist von sechs Monaten sei in diesen Fällen deshalb gerechtfertigt, weil das Verfahren keinen Fortgang nehme, obwohl der Entlassungsstaat lediglich eine ihm obliegende, relativ einfache mitwirkende Verfahrenshandlung vorzunehmen gehabt hätte, die ihm an sich ohne weitere Prüfung oder sonstige Verfahrensschritte möglich sein müsste. Die vorliegende Fallkonstellation unterscheide sich hiervon grundlegend. Die Beschaffung der vom Kläger benötigten Geburtsurkunde und des Staatsangehörigkeitsnachweises sei nicht ohne erheblichen Verwaltungsaufwand möglich. Dabei sei im jetzigen Verfahrensstadium noch nicht einmal geklärt, ob der Kläger im Zeitpunkt seiner Geburt überhaupt in der jetzigen Bundesrepublik Jugoslawien registriert worden sei und deshalb die Ausstellung einer Geburtsurkunde und eines Staatsangehörigkeitsnachweises ohne weiteres, d.h. ohne zusätzliche Ermittlungen, die gegebenenfalls einen erheblichen Zeitaufwand erforderlich machen könnten, möglich sei. Nicht zuletzt im Hinblick auf die noch wenig gefestigten Verwaltungsstrukturen im serbischen Teil der jetzigen Bundesrepublik Jugoslawien sei es deshalb unrealistisch, davon auszugehen, dass die entsprechenden Unterlagen innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten bereits bei dem jugoslawischen Generalkonsulat vorliegen müssten. Unter diesen Umständen könne von einer willkürlichen Vorgehensweise des Herkunftsstaates nicht ausgegangen werden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die zuständigen Behörden dem Kläger faktisch die Antragstellung auf Entlassung der Staatsbürgerschaft unmöglich gemacht hätten, indem sie über seinen Antrag auf Verlängerung des Reisepasses nicht entschieden und ihm auch nicht die von ihm beantragten personenstandsrechtlichen Unterlagen ausgestellt hätten. Die Behauptung des Klägers, die jugoslawischen Stellen würden sich nicht in der Lage sehen, seinen Antrag zu bearbeiten, werde bestritten. Sie werde widerlegt durch Einzelfälle aus jüngster Vergangenheit, in denen es Kosovo-Albanern sehr wohl gelungen sei, entsprechende Dokumente über die jugoslawische Auslandsvertretung zu beschaffen. Deshalb könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Entlassung vorliegend von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht worden sei. Vielmehr weise die vorliegende Fallkonstellation eher eine Vergleichbarkeit mit der durch Nr. 87.1.2.3.3 VwV-StAR geregelten Fallgruppe auf, wonach Mehrstaatigkeit regelmäßig dann hinzunehmen ist, wenn zwei Jahre nach Einreichen eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages eine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nicht erfolgt und mit einer Entscheidung innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu rechnen ist. Auch in diesem Fall sei der weitere Fortgang des Entlassungsverfahrens erst dann möglich, wenn zuvor die verfahrensmäßigen und rechtlichen Voraussetzungen durch den Entlassungsstaat geschaffen worden seien.

Der Kläger ist der Berufung des Beklagten entgegengetreten und beantragt,

die Berufung zu verwerfen,

hilfsweise, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagte verpflichtet wird, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Er macht geltend: Der Beklagte führe entgegen den Vorgaben des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO keine Berufungsgründe, sondern lediglich Zulassungsgründe an, so dass die Berufung gemäß § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO unzulässig sei. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet, da die Voraussetzungen für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit gegeben seien. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AuslG i.V.m. Nr. 87.1.2.3.1 VwV-StAR bejaht. Der vorliegend zu bewertende Sachverhalt reihe sich nahtlos in die vom Beklagten angeführten Konstellationen ein. Zwischenzeitlich warte er nicht lediglich sechs Monate, sondern bereits weit über ein Jahr auf eine Reaktion der zuständigen Heimatbehörden. Auch die Höhe der Entlassungsgebühr von 2.700,-- DM (1.380,49 €) überschreite die von § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG i.V.m. Nr. 87.1.2.3.2.1 VwV-StAR bestimmte Grenze der Zumutbarkeit. Danach seien Entlassungsgebühren überhöht und damit unzumutbar, wenn sie einschließlich Nebenkosten, z.B. für Beglaubigungen, ein durchschnittliches Bruttoeinkommen des Einbürgerungsbewerbers überstiegen und mindestens 2.500,-- DM (1.278,23 €) betrügen. Er arbeite derzeit als Kellner für ein monatliches Bruttogehalt von 1.400,-- €.

Mit Schriftsatz vom 14.08.2002 hat der Kläger eine Bestätigung der United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) aus seiner Heimatgemeinde Suhareka vorgelegt, wonach diese nicht berechtigt ist, Bescheinigungen über die Staatsangehörigkeit auszustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg - 9 K 699/01 - sowie die Einbürgerungsakten des Beklagten, die dem Senat vorliegen, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beklagte hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (§ 124a Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Unschädlich ist, dass der Beklagte zur Berufungsbegründung auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.1988 - 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321 und Beschluss vom 23.9.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67). Entscheidend ist, dass die Berufungsgründe erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und weshalb er die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts in den angegebenen Punkten für fehlerhaft hält. Die danach gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung leistet der in Bezug genommene Zulassungsantrag.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht der in erster Instanz lediglich auf Bescheidung gerichteten Klage stattgegeben. Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren erstmals gestellten Verpflichtungsantrag begründet. Dabei kann offen bleiben, ob insoweit eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung oder eine Klageänderung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO) vorliegt, denn der Beklagte hat in die Erweiterung des Klagebegehrens, die der Senat auch für sachdienlich hält, eingewilligt. Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verhandlung des Senats einen Anspruch gegen den Beklagten auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist die Vorschrift des § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG. Der Kläger erfüllt mit Ausnahme der Voraussetzung einer Aufgabe oder eines Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG) alle Voraussetzungen des gesetzlichen Einbürgerungsanspruchs des § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG. Er hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verhandlung des Senats seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Rechtmäßig in diesem Sinn ist sein Aufenthalt seit der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis am 4.11.1994. Dieser Antrag hat die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG ausgelöst. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AuslG ist eine Aufenthaltsgenehmigung, die nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AuslG nach der Einreise eingeholt werden kann, unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 2 AuslG gilt in den Fällen des Absatzes 1 der Aufenthalt des Ausländers bis zum Ablauf der Antragsfrist und nach Stellung des Antrages bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG in der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Fassung der vierten Änderungsverordnung vom 23.2.1993 (BGBl. I S. 266) kann ein Ausländer die Aufenthaltserlaubnis zu dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Zweck nach der Einreise einholen, wenn er sich rechtmäßig oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und nach seiner Einreise durch Eheschließung im Bundesgebiet einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3.6.1997 (- 1 C 18.96 -, NVwZ 1998, 189) offengelassen, ob das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 DVAuslG nach der Sach- und Rechtslage bei der Einreise oder in dem für die Entscheidung über die beantragte Aufenthaltsgenehmigung maßgeblichen Zeitpunkt zu beurteilen ist. Jedenfalls für die hier entscheidende Voraussetzung kann sinnvollerweise nicht auf den Zeitpunkt der Einreise abgestellt werden, da mit der Eheschließung an einen nach der Einreise eintretenden Umstand angeknüpft wird und die vierte Änderungsverordnung auch keine Übergangsregelung enthält, aus der sich ergibt, dass sie in noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht zur Anwendung käme. Da es vorliegend um die Beurteilung der Frage geht, ob der am 4.11.1994 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung ausgelöst hat, erscheint es sachgerecht, auch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 DVAuslG nach der Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen. Danach sind diese Voraussetzungen hier erfüllt. Der zum Zeitpunkt der Antragstellung geduldete Kläger hat nach seiner Einreise durch Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für die Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erworben. Der nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellte Antrag, für den keine Antragsfrist bestimmt ist (Umkehrschluss aus § 9 Abs. 6 DVAuslG), hat die Erlaubnisfiktion gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 AuslG ausgelöst. Der Zeitraum ab Antragstellung bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 3.2.1995 ist somit als Zeit rechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen (so auch Nr. 85.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - vom 13.12.2000 <BAnz. 2001, 1418>). Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 3, 5 AuslG erfüllt der Kläger unstreitig, wie auch die ihm erteilte Einbürgerungszusicherung vom 29.11.2000 erweist.

Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG (Aufgabe oder Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit) ist hier gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG abzusehen, da der jugoslawische Staat die Entlassung des Klägers aus der bisherigen Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht.

Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AuslG wird von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG anzunehmen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat. Mit dieser durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl. I S. 1618) neu gefassten Vorschrift sind die bisherigen Gründe für die Hinnahme mehrfacher Staatsangehörigkeit (vgl. § 87 Abs. 1 AuslG i.d.F. des Gesetzes vom 9.7.1990 <BGBl. I S. 1354> - im Folgenden: AuslG a.F. -) in Fällen, in denen die bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgegeben werden kann, erweitert worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Hinnahme mehrfacher Staatsangehörigkeit nach § 87 Abs. 1 AuslG sind durch unbestimmte Rechtsbegriffe geregelt. Sie unterliegen in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle; eine Einschätzungsprärogative, ein Beurteilungsspielraum oder ein Normkonkretisierungsermessen steht der Einbürgerungsbehörde nicht zu (so bereits zu § 87 AuslG a.F.: Senatsurteil vom 20.3.1997 - 13 S 2996/94 -, InfAuslR 1997, 317 <318>). Auch an die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vorgenommene Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 AuslG sind die Gerichte nicht gebunden.

§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG regelt drei selbstständig nebeneinander stehende Fallgruppen der vom Einbürgerungsbewerber nicht zu vertretenden Nichtentlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit: Die Versagung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat (1. Alternative), die Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen (2. Alternative) und die Nichtbescheidung eines Entlassungsantrages in angemessener Zeit (Untätigkeit, 3. Alternative). Während nach § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG a.F. die Versagung der Entlassung durch den Heimatstaat des Einbürgerungsbewerbers willkürlich sein musste, reicht es nunmehr aus, dass der ausländische Staat die Entlassung aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat. Damit sind über die Fälle der willkürlichen Versagung der Entlassung aus der Staatsangehörigkeit hinaus alle Fälle erfasst, in denen es einem Ausländer nicht gelingt, trotz Erfüllung zumutbarer und sachlich gerechtfertigter Anforderungen aus seiner bisherigen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden (Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., § 87 RdNr. 13). Die Versagung der Entlassung setzt grundsätzlich eine einen Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus (vgl. Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV; zu § 87 AuslG a.F. vgl. auch Senatsurteil vom 20.3.1997, a.a.O. S. 319). Darüber hinaus liegt eine Versagung der Entlassung auch dann vor, wenn eine Antragstellung auf eine Entlassung trotz mehrerer ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen des Einbürgerungsbewerbers und trotz amtlicher Begleitung, soweit sie sinnvoll und durchführbar ist, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten hinweg nicht ermöglicht wird; dies gilt bei mehrstufigen Entlassungsverfahren auch für die Einleitung der nächsten Stufen (vgl. Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV). Zu vertreten hat der Einbürgerungsbewerber die Versagung der Entlassung, wenn er die Hindernisse für die Entlassung aus seiner bisherigen Staatsangehörigkeit durch Nichterfüllung zumutbarer Pflichten gegenüber seinem Heimatstaat selbst verursacht hat und die Entlassungsverweigerung darauf beruht, wie etwa im Fall der Nichtrückzahlung von zu Ausbildungszwecken gewährten Stipendien, der Verletzung von Unterhaltspflichten, bei Steuerrückständen oder bei der Einreichung eines nicht vollständigen oder formgerechten Entlassungsantrags (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19; siehe auch Nr. 87.1.2.3.1 StAR-VwV).

Ob Bedingungen für die Entlassung unzumutbar sind (2. Alternative), ist objektiv, aber anhand der persönlichen Verhältnisse des Ausländers festzustellen. Anders als nach § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AuslG a.F. geht es nicht mehr um eine unzumutbare Härte für einige privilegierte Personengruppen, sondern um eine allgemeine Unzumutbarkeit (vgl. Renner, Nachtrag Staatsangehörigkeitsrecht zur 7. Auflage des Kommentars Ausländerrecht, § 87 AuslG RdNr. 23). Unzumutbare Bedingungen können sich unmittelbar aus dem Entlassungsverfahren oder mittelbar als dessen Folge ergeben. Dabei sind immer die für den Ausländer aus seiner Staatsangehörigkeit folgenden Pflichten zugrunde zu legen. Unzumutbar ist daher grundsätzlich nicht die Verpflichtung, den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag zu stellen, die hierzu sonst erforderlichen Angaben zu machen und zu belegen, die pass- und personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, Steuerschulden und andere öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten zu tilgen, mit Behörden und Auslandsvertretungen des Heimatstaats zu korrespondieren und erforderlichenfalls persönlich bei der Auslandsvertretung zu erscheinen. Unzumutbar können demgegenüber nach der Intention des Gesetzgebers die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Entlassung sein (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 19). Überhöhte Entlassungsgebühren sollen nach Nr. 87.1.2.3.2.1 StAR-VwV dann eine unzumutbare Bedingung im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG sein, wenn sie (einschließlich Nebenkosten wie z.B. Beglaubigungskosten) ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen des Einbürgerungsbewerbers übersteigen und mindestens 2.500,-- DM betragen.

Die Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrags innerhalb einer angemessenen Frist führte schon nach bisheriger Rechtslage zu einer wesentlichen Auflockerung des Erfordernisses der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 3 AuslG entspricht wörtlich der früheren 2. Alternative. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/533, S. 19) ist es als nicht mehr angemessen im Sinne der 3. Fallgruppe regelmäßig anzusehen, wenn die Dauer des Entlassungsverfahrens zwei Jahre übersteigt, obwohl ein vollständiger und formgerechter Entlassungsantrag vorliegt (in diesem Sinne bereits OVG NRW, Beschluss vom 23.6.1995 - 25 E 501/95 -, InfAuslR 1996, 25 zu § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG a.F.). Dies ist in Nr. 87.1.2.3.3 StAR-VwV aufgegriffen worden, wonach Mehrstaatigkeit regelmäßig hinzunehmen ist, wenn zwei Jahre nach Einreichen eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages eine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nicht erfolgt und mit einer Entscheidung innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu rechnen ist. Diese Fristen stellen indessen absolute zeitliche Obergrenzen dar und dürfen nicht starr gehandhabt werden. Vielmehr ist mit der bisherigen Rechtsprechung daran festzuhalten, dass konkret unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen ist, ob eine seit Antragstellung verstrichene Zeit angemessen ist (vgl. Senatsurteil vom 20.3.1997, a.a.O. S. 317). Welche Anforderungen an den Entlassungsantrag zu stellen sind, richtet sich nach dem Recht des Herkunftsstaates. Sieht dieses für die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit ein mehrstufiges Verfahren vor, so stellt ein die Voraussetzungen der ersten Verfahrensstufe erfüllender Antrag grundsätzlich einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag in diesem Sinne dar (so bereits zu § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG a.F. BVerwG, Beschluss vom 1.10.1996 - 1 B 178.95 -, InfAuslR 1997, 79). Weitere Anstrengungen des Einbürgerungsbewerbers, die über das Stellen eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages hinausgehen, sind nicht erforderlich.

Danach kommt die Anwendung von § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AuslG vorliegend in Ermangelung einer ablehnenden Entscheidung über einen Entlassungsantrag nicht in Betracht. Das Entlassungsverfahren ist auch nicht daran gescheitert, dass die Entgegennahme des Entlassungsantrags verweigert und dadurch eine Antragstellung bereits nicht ermöglicht wurde. Denn auch dies würde eine gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gebrachte - wenn auch nicht förmliche - Entscheidung der Behörden des Herkunftsstaates voraussetzen, an der es fehlt. Die 3. Fallgruppe (Nichtentscheidung innerhalb angemessener Frist) setzt einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag voraus. Einen solchen hat der Kläger nicht gestellt. Das Verfahren ist nach jugoslawischem Recht auch nicht mehrstufig etwa in dem Sinn ausgestaltet, dass auf der ersten Stufe ein formloser Antrag genügen würde. Der vorliegende Fall ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger nicht in der Lage ist, die für die Bearbeitung des Entlassungsantrags erforderlichen Unterlagen beizubringen, er also keinen vollständigen Antrag stellen kann. Dies unterfällt nach deren Wortlaut weder der 1. noch der 3. Alternative des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG. Einer über den Wortlaut hinausgehenden erweiternden Auslegung einer dieser Fallgruppen bedarf es nicht, da der Fall sich unmittelbar der 2. Alternative der genannten Vorschrift zuordnen lässt. Der Wortlaut der 2. Alternative stellt auf die Unzumutbarkeit der Bedingungen, von denen der ausländische Staat die Entlassung abhängig macht, und nicht auf die Zumutbarkeit von Entlassungsbemühungen ab. Es entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift, unter Bedingungen auch Entlassungsvoraussetzungen zu verstehen, da bei Nichterfüllbarkeit von Entlassungsvoraussetzungen die geforderte Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit ebenso wenig zu erlangen ist. Ist es somit dem Entlassungsbewerber objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar, zur Vervollständigung des Antrags erforderliche Dokumente beizubringen, auf deren Vorlage der Heimatstaat trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nicht verzichtet hat, ist die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach der 2. Alternative zu prüfen (vgl. Berlit, in GK-StAR, § 87 RdNr. 183). Der allgemeine Gedanke, dass dem Einbürgerungsbewerber die Nichterfüllung unzumutbarer Entlassungsvoraussetzungen nicht anzulasten ist, ist in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG ausdrücklich ausgeformt worden (vgl. Berlit, a.a.O., RdNr. 186).

Nach diesem Maßstab wird die Entlassung des Klägers aus der jugoslawischen Staatsangehörigkeit jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht. Festzuhalten ist allerdings, dass die Entlassungsvoraussetzungen der Bundesrepublik Jugoslawien - Vorlage einer Geburtsurkunde und eines Staatsangehörigkeitsnachweises - als solche nicht unzumutbar sind. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 87 AuslG RdNr. 20). Die Unzumutbarkeit ergibt sich vielmehr daraus, dass dem Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit objektiv unmöglich ist. Objektive Unmöglichkeit in diesem Sinn ist in Anlehnung an die zu § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 3 AuslG entwickelten Grundsätze auch dann anzunehmen, wenn die zuständigen Behörden des Heimatstaates aus nicht nachvollziehbaren Gründen untätig geblieben sind und mit einer Ausstellung der beantragten und für die Entlassung erforderlichen Urkunden zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die (noch) zumutbare Dauer der Untätigkeit kann dabei nicht schematisch bestimmt werden, sie beurteilt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Danach sind hier, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, die infolge des Kosovo-Kriegs erfolgte Verlagerung der dortigen Personenstandsregister nach Serbien und die daraus resultierenden Schwierigkeiten ebenso in Rechnung zu stellen wie die möglicherweise generell unzulänglichen Verwaltungsstrukturen in Serbien. Nicht übersehen werden darf aber, dass der Kläger im Einbürgerungsverfahren einen am 16.6.1994 ausgestellten Auszug aus dem Geburtsregister vorgelegt hat, womit belegt ist, dass seine Geburt ordnungsgemäß registriert wurde. Die erneute Ausstellung eines derartigen Registerauszugs dürfte daher trotz der Verbringung der Register nach Serbien keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten. Des weiteren fällt ins Gewicht, dass sich die jugoslawische Auslandsvertretung, obwohl dies in ihre eigene Zuständigkeit fällt, trotz rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeitsdauer gestellten Antrags seit nunmehr weit über zwei Jahren nicht in der Lage gesehen hat, den Nationalpass des Klägers zu verlängern oder ihm einen neuen auszustellen. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass es anderen Kosovo-Albanern möglich gewesen sei, die erforderlichen Urkunden zu beschaffen, belegt dies nicht, dass der Kläger die Untätigkeit der serbischen Behörden in seinem Fall zu vertreten hätte. Zum einen ist denkbar, dass die Behörden in anderen Städten - im Gegensatz zu denen in Krusevac - derartige Anträge in angemessener Zeit bearbeiten, zum anderen kann eine uneinheitliche Verwaltungspraxis auch gerade ein Indiz für eine willkürliche Handhabung sein.

Weitere dem Kläger offenstehende und zumutbare Handlungsmöglichkeiten zur Erlangung der für die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit erforderlichen Unterlagen sind nicht ersichtlich, nachdem er sich vergeblich an die UNMIK-Verwaltung seiner Heimatstadt gewandt und diese sich für unzuständig erklärt hat. Eine persönliche Antragstellung bei der zuständigen Registerbehörde ist dem Kläger nicht möglich, da er nicht im Besitz eines gültigen Nationalpasses ist. Damit hat er keine Möglichkeit, legal nach Serbien einzureisen.

Ob auch die Höhe der Entlassungsgebühren, die zwar mehr als 2.500,-- DM betragen, aber ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen des Klägers - wenn auch nur geringfügig - unterschreiten, eine Unzumutbarkeit im Sinn von § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AuslG begründet, kann nach alledem offenbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

vom 13. November 2002

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG. Sie bemisst sich für Einbürgerungsverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nach dem Auffangstreitwert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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