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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 2 S 2337/08
Rechtsgebiete: KAG, BauGB


Vorschriften:

KAG § 20 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 35
Die Voraussetzungen in einer gemeindlichen Beitragssatzung, nach der erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, der Beitragspflicht unterliegen, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Stadt zur Bebauung anstehen, werden von einem Grundstück im Außenbereich auch dann nicht erfüllt, wenn die zuständige Behörde für eine nach Maßgabe des § 35 BauGB zulässige Bebauung des Grundstücks einen Bauvorbescheid erteilt hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

2 S 2337/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anschlussbeiträge

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 18. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Juli 2008 - 2 K 6372/07 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.888,43 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag ist unbegründet. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Hiervon ausgehend ist zu fordern aber auch genügend, dass gewichtige Gründe für eine andere Beurteilung der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten materiellen Rechtslage aufgezeigt werden. Diesen Anforderungen wird mit dem Vorbringen des Klägers nicht genügt.

1. Die Beklagte hat den Kläger mit den angefochtenen Bescheiden zu einem Wasserversorgungs- sowie zu einem Abwasserbeitrag (Klärbeitrag) herangezogen. Den gegen diese Bescheide erhobenen Einwand des Klägers, die Beitragsforderung sei bereits im Laufe des Jahres 2002 entstanden, weshalb die Festsetzungsverjährungsfrist im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide (31.1.2007) bereits abgelaufen gewesen sei, hat das Verwaltungsgericht für unbegründet erklärt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass das Grundstück des Klägers frühestens im Mai 2003 tatsächlich an die öffentliche Wasserversorgung sowie die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen worden sei, und hat hieraus gefolgert, dass die Beitragspflicht erst im Laufe des Jahres 2003 entstanden sei. Dagegen wendet sich der Kläger ohne Erfolg.

a) Nach § 25 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser unterliegen der Beitragspflicht zum einen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, (Satz 1) und zum anderen erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Stadt zur Bebauung anstehen (Satz 2). Des Weiteren unterliegen nach § 25 Abs. 2 WVS Grundstücke, die an die öffentlichen Wasserversorgungsanlage tatsächlich angeschlossen werden, auch dann der Beitragspflicht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind. Die Beitragsschuld entsteht in den Fällen des § 25 Abs. 1 WVS, sobald das Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen werden kann (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 WVS), in den Fällen des § 25 Abs. 2 AbwS entsteht sie mit dem Anschluss, frühestens jedoch mit dessen Genehmigung (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 WVS).

Die Beitragspflicht für das nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten im Außenbereich gelegene Grundstück des Klägers ist danach erst mit dem Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgung entstanden, da ein Grundstück im Außenbereich selbst dann nicht zu den im Sinn des § 25 Abs. 1 WVS erschlossenen Grundstücken zählt, wenn es bebaut ist oder gewerblich genutzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.1986 - 8 C 115.84 - NVwZ 1986, 568 sowie Beschl. v. 23.11.1982 - 8 B 126.82 - NVwZ 1983, 291 zu der mit § 25 Abs. 1 WVS übereinstimmenden Regelung in § 133 Abs. 1 BauGB). Grundstücke, "für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist", sind ausschließlich Grundstücke in qualifiziert beplanten Gebieten (§ 30 BauGB), nicht aber Grundstücke im Außenbereich, für den u. a. das Fehlen eines Bebauungsplans kennzeichnend ist. Außenbereichsgrundstücke fallen auch nicht unter § 25 Abs. 1 Satz 2 WVS, da sie gemäß § 35 BauGB nur ausnahmsweise bebaut werden dürfen. Sie sind damit weder "nach der Verkehrsauffassung Bauland" noch kann in Bezug auf diese Grundstücke davon die Rede sein, dass sie "nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen" (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.1986, aaO). Eine Ausnahme hiervon ist auch nicht für diejenige Grundstücke des Außenbereichs zu machen, die bebaut sind oder gewerblich genutzt werden. § 25 Abs. 1 WVS stellt nicht auf das Vorhandensein einer Bebauung, sondern auf die grundsätzliche Bebaubarkeit des Grundstücks ab. An dieser grundsätzlichen Bebaubarkeit fehlt es einem im Außenbereich gelegenen Grundstück auch dann, wenn sich auf dem Grundstück eine nach Maßgabe des § 35 BauGB ausnahmsweise zulässige Bebauung befindet.

Das Verwaltungsgericht hat danach zu Recht angenommen, dass die schon vor dem tatsächlich erfolgten Anschluss der Grundstücke des Klägers vorhandene Möglichkeit, die Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen, nicht genügte, um die Beitragspflicht zum Entstehen zu bringen. Die am 13.9.2002 erfolgte Erteilung eines Bauvorbescheids für die Erstellung einer Kelter nebst einem Wein- und Flaschenlager auf den Grundstücken ändert daran entgegen der Ansicht des Klägers nichts. Ist die Tatsache der Bebauung als solche ungeeignet, eine Beitragspflicht auszulösen, so gilt dies erst recht für die im Vorfeld der späteren Bebauung liegende Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über die Abnahme der Bauarbeiten und die Versorgung der Grundstücke mit Bauwasser geht nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts zweifelsfrei hervor, dass die Grundstücke des Klägers frühestens im Mai 2003 tatsächlich an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen worden sind. Dem ist der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht entgegen getreten. Die - gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 S. 1 AO vier Jahre betragende - Frist für die Festsetzung des Wasserversorgungsbeitrags ist hiervon ausgehend frühestens am 1.1.2004 in Gang gesetzt worden und war somit beim Erlass des Bescheids der Beklagten vom 31.1.2007 noch nicht abgelaufen.

b) Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung enthält in ihren §§ 22 und 32 Abs. 1 mit den §§ 25 und 35 Abs. 1 WVS übereinstimmende Regelungen über den Gegenstand und das Entstehen der Beitragspflicht. Die Frist für die Festsetzung des Abwasserbeitrags hat danach ebenfalls frühestens am 1.1.2004 zu Laufen begonnen und wurde deshalb durch den Bescheid der Beklagten vom 31.1.2007 rechtzeitig unterbrochen.

2. Der Kläger ist ferner der Meinung, dass die angefochtenen Bescheide gegen das "Verbot der Doppelbelastung" verstießen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Einwand ebenfalls für nicht durchgreifend erachtet. Gegen das angefochtene Urteil bestehen auch insoweit keine Bedenken.

Nach der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Senats besagt der aus § 20 KAG bzw. § 10 KAG a. F. herzuleitende Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht für dieselbe öffentliche Einrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nach diesem Grundsatz nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schließt zum anderen das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. u. a. die Urteile des Senats vom 5.11.1998 - 2 S 1655/96 - VBlBW 1999, 224 und vom 15.7.2004 - 2 S 975/02 - NVwZ-RR 2005, 135).

Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist nicht ersichtlich. Der Kläger ist vor dem Erlass der angefochtenen Bescheide unstreitig weder zu einem Wasserversorgungs- noch zu einem Abwasserbeitrag herangezogen worden. Auch der städtebauliche Vertrag, den die Beteiligten am 5./7.11.2002 "über die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen im Unteren Wasen, Ortsteil Geradstetten" geschlossen haben, hat weder die Entrichtung noch die Ablösung dieser Beiträge zum Gegenstand. Der Vertrag steht im Zusammenhang mit der seinerzeit geplanten Erstellung der bereits erwähnten Kelter auf den dem Kläger gehörenden Grundstücken Flst.Nr. 2404 und 2405 und regelt die Herstellung der für dieses Vorhaben erforderlichen Ver- und Entsorgungsleitungen (vgl. Abs. 2 der Vorbemerkungen auf S. 1 des Vertrags). Als Anschlusspunkt für die in § 5 des Vertrags als Hausanschlussleitung bezeichnete Wasserversorgungsleitung wird im Vertrag der bestehende Hydrantenschacht auf Höhe des Flst.Nr. 2406 (in dem zugehörigen Lageplan mit dem Buchstaben A gekennzeichnet) genannt, als Anschlusspunkt für die Abwasserleitung der bestehende Abwasserschacht auf Höhe der Wendeschleife (im Lageplan mit dem Buchstaben B gekennzeichnet). Die Kosten des Wasseranschlusses ab dem genannten Anschlusspunkt hat nach § 2 des Vertrags der Kläger zu tragen. Das Gleiche gilt nach § 3 des Vertrags für die Kosten der "vom Bauamt erbrachten Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit dem Bau der Abwasserdruckleitung entsprechend der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure" abzüglich eines Abschlags von 30 %. Der Vertrag regelt damit zum einen die Kostentragung für die Herstellung des Hausanschlusses im Sinne des § 14 WVS sowie die Kostentragung für die Herstellung des Anschlusses im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 2 AbwS. Was die Abwasserbeseitigung betrifft, enthält er zum anderen eine Vereinbarung im Sinne des § 7 Abs. 2 AbwS, wonach der Grundstückseigentümer auch in Fällen, in denen die Fortleitung des Abwassers im Hinblick auf den Anfallort einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde, den Anschluss seines Grundstücks verlangen kann, sofern er sich bereit erklärt, die dafür entstehenden Mehrkosten zu übernehmen. Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Beitrags, der nach § 20 Abs. 1 KAG dazu bestimmt ist, die Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau der jeweiligen öffentlichen Einrichtung zu decken, bleibt davon unberührt. Etwas anders könnte allein für den Teilbetrag erwogen werden, der nach § 31 Nr. 1 AbwS für den öffentlichen Abwasserkanal zu entrichten ist, da § 12 Abs. 5 AbwS bestimmt, dass durch diesen Teilbetrag die Kosten der für den erstmaligen Anschluss eines Grundstücks notwendigen Anschlusskanäle abgegolten sind. Da die Beklagte sich darauf beschränkt hat, von dem Kläger einen Teilbetrag für den mechanischen und biologischen Teil des Klärwerks zu fordern, kann das jedoch auf sich beruhen.

3. Die Beitragsbescheide der Beklagten sind schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Kläger nach seiner Darstellung von der Baurechtsbehörde aufgegeben wurde, das Dach- und Oberflächenwasser in einen Retentionsteich abzuleiten und auf seinen Grundstücken versickern zu lassen. Beiträge sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die zur Deckung des Aufwands einer öffentlichen Einrichtung von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden. Was die hier in Rede stehende Erhebung eines Wasserversorgungs- und eines Abwasserbeitrags betrifft, besteht dieser Vorteil in der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen bewirkten Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört.

Ein solcher Vorteil in Form einer Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts seiner Grundstücke wird dem Kläger sowohl durch die Möglichkeit des Anschlusses an die Wasserversorgung als auch durch die Möglichkeit des Anschlusses an die Abwasserbeseitigungseinrichtungen der Beklagten vermittelt. Die Erschließung eines Grundstücks verlangt u. a. die ordnungsgemäße Beseitigung des Abwassers, d. h. sowohl des Schmutzwassers als auch des von bebauten oder befestigten Flächen abfließenden Niederschlagswassers. Darf - wie offenbar im Fall des Klägers - nur das Schmutzwasser in die Kanalisation eingeleitet werden, führt dies nur dann zu einem beitragsrechtlichen Mindervorteil, wenn sich dadurch Auswirkungen auf die Erschließung des Grundstücks und damit auf dessen Bebaubarkeit und Nutzbarkeit ergeben. An solchen Auswirkungen fehlt es im vorliegenden Fall, da auch bei einer zentralen Beseitigung nur des Schmutzwassers in Verbindung mit einer dezentralen Beseitigung des Niederschlagswasser gemäß § 45 b Abs. 3 WG eine ordnungsgemäße Entwässerung gegeben und die baurechtliche Erschließung gesichert ist. Ein Mindervorteil besteht bei einer solchen zulässigen dezentralen Abwasserbeseitigung im Verhältnis zu einer vollständigen zentralen Abwasserbeseitigung nicht (vgl. das Urteil des Senats vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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