Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 2 S 946/06
Rechtsgebiete: VwGO, AltPflAusglVO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 1
AltPflAusglVO
Bei der Anforderung eines Ausgleichsbetrags nach der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen zur Finanzierung der Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege (Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung - AltPflAusglVO -) vom 4.10.2005 (GBl. S. 675) handelt es sich nicht um die Anforderung einer Abgabe im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

2 S 946/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausgleichsbetrag nach der AltPflAusglVO

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 31. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. April 2005 - 5 K 536/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.049,69 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist im Bereich der Altenpflege tätig. Sie wird vom Antragsgegner zu einem Ausgleichsbetrag nach der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen zur Finanzierung der Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege (Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung - AltPflAusglVO -) vom 4.10.2005 (GBl. S. 675) herangezogen. Gegen den Anforderungsbescheid des Antragsgegners für das Jahr 2006 hat die Antragstellerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt und beim zuständigen Verwaltungsgericht ferner einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung getroffen, dass dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Widerspruch der Antragstellerin vom 12.1.2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.12.2005 aufschiebende Wirkung zukommt.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Sachdienlichkeit des Feststellungsantrags im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgegangen. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung ist für den Fall anerkannt, dass die Behörde zu Unrecht vom Nichteintritt der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ausgeht (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.2.1979 - XI 4241/78 - und st.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. A., § 80 RdNr. 121).

Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den genannten Bescheid des Antragsgegners nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung nur bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Zu diesen öffentlichen Abgaben gehört der festgesetzte Ausgleichsbetrag jedoch nicht.

Unter den Begriff der öffentlichen Abgaben im Sinne dieser Vorschrift werden öffentlich-rechtliche Geldforderungen eingeordnet, die von allen erhoben werden, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, NVwZ 1993, 1112). Zwar wird als ausreichend anzusehen sein, dass die Abgabe diese Funktion neben einer anderen hat, wie etwa einer Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion. Jedoch gehören solche öffentliche Geldleistungen nicht zu den öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die nicht - zumindest in nennenswertem Umfang auch - der Deckung des Finanzierungsbedarfs eines Gemeinwesens, sondern in erster Linie anderen Zielen (z.B. der Wirtschaftslenkung) dienen (dazu Kopp/Schenke, VwGO, 14. A., § 80 RdNrn. 57 und 61, m.w.N.).

Die Frage, ob vom Abgabenbegriff lediglich die Abgabenarten "Steuern, Gebühren und Beiträge" erfasst sind (so etwa Schoch in Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 111 ff. m.w.N.) oder ob auch "Sonderabgaben" darunter fallen (s. Kopp/Schenke, a.a.O., m.N. in FN 99), kann hier offen bleiben. Auch wenn man Sonderabgaben einschließt und ferner davon ausgeht, dass der Ausgleichsbetrag eine solche Abgabe ist, fällt er nicht unter die Bestimmung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn ihm fehlt die geforderte Funktion, den Finanzierungsbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu decken.

Wie das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 17.7.2003, BVerfGE 108, 186 = NVwZ 2003, 1241, m.w.N.) zu den vergleichbaren Regelungen u.a. in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz dargelegt hat, ist die Altenpflegeumlage nach ihrem tatbestandlich bestimmten materiellen Gehalt keine Steuer; anders als Abgaben, die unter den herkömmlichen Steuerbegriff fallen, dienen die Altenpflegeumlagen nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines Gemeinwesens. Nichts anderes gilt für den hier in Rede stehenden Ausgleichsbetrag.

Er wird auf der Grundlage der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen zur Finanzierung der Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege (Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung - AltPflAusglVO -) vom 4.10.2005 (GBl. S. 675) erhoben, die ihrerseits auf § 25 des Altenpflegegesetzes (AltPflG) in der Fassung vom 25.8.2003 (BGBl. I S. 1691), zuletzt geändert durch Art. 3a des Gesetzes vom 8.6.2005 (BGBl. I S. 1530) beruht. Nach § 5 Abs. 2 der genannten Verordnung setzt der Kommunalverband für Jugend und Soziales (im Folgenden KVJS) gegenüber jeder Einrichtung den jeweils zu entrichtenden Ausgleichsbetrag bis spätestens 10. November des Vorjahres durch Bescheid fest.

Die Verordnungsregelung verdeutlicht, dass es auf den Haushalt des für die Verwaltung der Ausgleichsbeträge zuständigen Antragsgegners (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AltPflAusglVO) nicht ankommt. Jener bestimmt die erforderliche Ausgleichsmasse, erhebt entsprechende Ausgleichsbeträge und verwaltet und verteilt sie, wobei der Zahlungsverkehr über ein Treuhandkonto erfolgt (dazu § 2 Abs. 2 Satz 2 bis 4 der VO). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AltPflAusglVO wird die gesamte Summe der bis zum Ende des Erhebungsjahres ohne Vorbehalt eingegangenen Ausgleichsbeträge auf die Einrichtungen verteilt, die im Erhebungsjahr praktische Ausbildung vermittelt haben. Wie diese Bestimmung zeigt, ist zwar die Einnahmeerzielung angestrebt, dies indes nicht zum Zweck der Finanzierung eines öffentlichen Haushalts und ersichtlich auch nicht zur Sicherung der Stetigkeit des Mittelzuflusses und einer geordneten Haushaltsführung.

Auch wenn der KVJS nach § 10 AltPflAusglVO einen pauschalen Ausgleich für anfallende Verwaltungs- und Vollstreckungskosten in Höhe von 0,6 Prozent des Gesamtbetrags der Ausgleichsmasse pro Erhebungsjahr erhält, ist damit eine Zuordnung zu den öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht verbunden. Denn dieser pauschale Ausgleich ist weder als nennenswertes Finanzierungsmittel für den Haushalt des Antragsgegners anzusehen noch prägt er die geforderte Geldleistung im Übrigen, die - wie ihr Name verdeutlicht - auf Ausgleich der Ausbildungskosten (dazu § 6 Abs. 1 der Verordnung) und nicht auf Finanzierung und Sicherung eines Haushalts ausgerichtet ist.

Dieses Verständnis entspricht auch der bundesrechtlichen Vorgabe in § 25 AltPflG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass zur Aufbringung der Mittel für die Kosten der Ausbildungsvergütung (§ 17 Abs. 1 AltPflG) von den in § 4 Abs. 3 Satz 1 genannten Einrichtungen Ausgleichsbeträge erhoben werden, und zwar unabhängig davon, ob dort Abschnitte der praktischen Ausbildung durchgeführt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 AltPflG verdeutlicht den Zweck der Abgabenerhebung, die Kosten der Ausbildungsvergütung, die der Träger der praktischen Ausbildung dem Auszubildenden für die gesamte Dauer der Ausbildung zu zahlen hat, durch die Ausgleichsbeträge zu finanzieren. Ziel ist nicht die Bildung eines Haushalts, sondern ein den Einnahmen entsprechender Ausgleich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren aus § 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück