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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 4 S 540/07
Rechtsgebiete: VRG


Vorschriften:

VRG Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Die Härtefallregelung des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG setzt für ein Absehen von der Zusage der Umzugskostenvergütung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal keine faktische Benachteiligung des Beamten durch dessen Versetzung im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform voraus.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 540/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zusage der Umzugskostenvergütung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 10. September 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 09. Januar 2007 - 7 K 1313/05 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 2.210,76 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von ihm genannte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, bzw. wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.1997 - 4 S 496/97 -, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392, und Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, 83), wobei alle tragenden Begründungsteile angegriffen werden müssen, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt ist (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124a RdNr. 125; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 <nF> VwGO Nr. 26, und Beschluss vom 11.09.2002 - 9 B 61.02 -, Juris). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert dabei eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass konkret auf die angegriffene Entscheidung bezogen aufgezeigt wird, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt dabei nicht (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, Juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124a RdNr. 49 m.w.N.). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, der Klägerin stehe aus Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG) vom 01.07.2004 (GBl. S. 469) ein Anspruch auf Widerruf der ihr erteilten Zusage auf Umzugskostenvergütung zu, da sie den Tatbestand von Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG erfülle. Dieser Anspruch sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb zu verneinen, weil sich der Arbeitsweg der Klägerin nach ihrer Versetzung von ca. 80 km auf 32 bzw. 44 km verkürzt habe.

Der Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG durch eine teleologische Reduktion eingeschränkt werden müsse. Die teleologische Reduktion sei in jenen Fällen geboten, in denen sich die durch den Vollzug des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes veranlasste Versetzung tatsächlich nicht nachteilig auswirke. In der Regelung von Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VRG komme der entsprechende Wille des Gesetzgebers klar zum Ausdruck, da diese Regelung für den Fall der Anstaltsunterbringung des Ehegatten oder eines beim Familienzuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz berücksichtigungsfähigen Kindes, mit dem der Beamte in häuslicher Gemeinschaft lebe, tatbestandlich nur dann eingreife, wenn die Anstalt vom neuen Dienstort mindestens doppelt so weit entfernt sei wie vom bisherigen Dienst- oder Wohnort. Das Merkmal der faktischen Benachteiligung durch die Versetzung müsse entsprechend für alle Tatbestände des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VRG gelten. Ferner liege ohne diese einschränkende Auslegung ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG vor. Ein Beamter, der einen Nachteilsausgleich verlange, obwohl er faktisch von einer Versetzung profitiert habe, verstoße gegen seine Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn. Eine Regelung, die einen derartigen Anspruch gewähre, sei nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Auch sei der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Regelung in Art. 11 VRG "zur Abmilderung von besonderen Härtefällen bei Versetzungen im Zusammenhang mit dem Vollzug dieses Gesetzes" diene. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung verstoße hiergegen. Letztlich könne die Klägerin auch deshalb keinen Anspruch aus Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG geltend machen, weil ihr Antrag wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich sei. Mit dem Antrag verstoße sie gegen ihre Treuepflicht.

Aus den von dem Beklagten vorgebrachten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion bei Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG nicht vor.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG ist bei einer durch den Vollzug des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes veranlassten Versetzung an einen anderen Dienstort auf Antrag von der Zusage der Umzugskostenvergütung abzusehen, wenn im Zeitpunkt der Versetzung der Beamte in einer eigenen Wohnung wohnt. Ist - wie hier - mit der Versetzung oder Übernahme bereits eine Erstattungszusage erteilt worden, kann nach Art. 11 Abs. 4 Satz 3 VRG bei Vorliegen der Voraussetzung von Art. 11 Abs. 1 VRG auf Antrag ein Widerruf der Zusage erfolgen.

Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass sich aus der Gesetzesbegründung (LT-Drucksache 13/3201 S. 274) der Zweck des Art. 11 VRG - die Abmilderung von besonderen Härtefällen bei Versetzungen im Zusammenhang mit dem Vollzug des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes - ergibt. Dieser Gesetzeszweck hat seinen Niederschlag auch in der amtlichen Überschrift "Absehen von der Zusage der Umzugskostenvergütung in besonderen Härtefällen" gefunden. Der Beklagte verkennt aber, dass diese Härtefälle in Art. 11 VRG abschließend durch Fallgruppen geregelt werden, die weder eine Erweiterung zulassen, noch einer teleologischen Reduktion durch ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bedürfen bzw. zugänglich sind. Fast jede Versetzung, die einen Umzug an einen anderen Wohnort notwendig macht, greift in die an dem bisherigen Wohnort gegebenen persönlichen Verhältnisse des Beamten und seiner Familie ein und erzwingt bei dem davon betroffenen Personenkreis eine Umstellung auf die durch den Orts- und Wohnungswechsel eintretenden neuen Lebensverhältnisse (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.09.1973 - II C 13.73 -, BVerwGE 44, 72). Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlangt dabei nicht den Ausgleich aller Umstellungsschwierigkeiten. Die Regelung in Art. 11 Abs. 1 VRG stellt eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht dar, die einen Ausgleichsanspruch an bestimmte Merkmale knüpft, andere Merkmale aber außen vor lässt. Es handelt sich um eine umfassende und abschließende Regelung. Die hier einschlägige Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VRG knüpft dabei an das Wohnen des Beamten in einer eigenen Wohnung an und lässt die tatsächliche Entfernung zum (alten wie neuen) Dienstort außen vor. Mit der Regelung gewährt der Gesetzgeber diesen Beamten eine längere Umstellungsfrist. Sie erhalten zeitlich befristet Trennungsgeld, ohne dass dessen Gewährung den Tatbestandsanforderungen unterliegt, die ansonsten nach Zusage einer Umzugskostenvergütung gelten, wie insbesondere die uneingeschränkte Umzugswilligkeit sowie der nachgewiesene Wohnungsmangel (LT-Drucksache 13/3201 S. 274). Dabei ist dem Gesetzgeber bewusst gewesen, dass es Fälle gibt, bei denen im Zuge der Verwaltungsreform neuer Dienstort und Wohnort zusammenfallen oder die Entfernung weniger als 30 km beträgt (Einzugsbereich). Für diese Fälle besteht nach Art. 11 Abs. 2 VRG kein Anspruch auf das Absehen von der Zusage der Umzugskostenvergütung. Zutreffend verweist der Beklagte auch darauf, dass in der Regelung des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VRG beim dortigen alternativen Anknüpfungspunkt der Anstaltsunterbringung des pflegebedürftigen Ehegatten / Kindes für die Ausgleichsgewährung auf die geänderte (größere) Entfernung der Anstalt zum neuen Dienstort abgestellt wird. Dieser Regelung lässt sich aber nicht entnehmen, dass für alle Tatbestände des Art. 11 Abs. 1 - und damit auch für Nr. 3 - eine faktische Benachteiligung (als ungeschriebene Voraussetzung) zu verlangen ist. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VRG, dass der Gesetzgeber im Übrigen bewusst von einem zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmal bezüglich der Entfernung abgesehen hat. Es greift insoweit allein die Ausschlussregelung des Art. 11 Abs. 2 VRG. Die gesetzliche Regelung führt auch nicht zu einer unangemessenen Ungleichbehandlung zwischen den Beamten mit eigener Wohnung, bei denen sich im Zuge der Verwaltungsreform der Arbeitsweg verlängert hat oder zumindest gleich geblieben ist, und jenen, bei denen sich der Arbeitsweg verkürzt hat. Die Dauer für das Absehen von der Zusage der Umzugskostenvergütung (höchstens ein Jahr) steht gemäß Art. 11 Abs. 4 Satz 1 VRG im Ermessen der Behörde. Im Rahmen dieses Ermessens kann die eingetretene Verkürzung des Arbeitswegs berücksichtigt werden. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf den "Regelfall" von einem Jahr keine bindende Entscheidung über diesen Zeitraum getroffen hat.

Die Geltendmachung des dergestalt normierten Anspruchs auf Absehen von der Zusage der Umzugskostenvergütung verstößt entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht gegen die Treuepflicht des Beamten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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