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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 16.12.2002
Aktenzeichen: 4 S 979/00
Rechtsgebiete: GG, BeamtVG F. 1994, Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 5
BeamtVG F. 1994 § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
BeamtVG F. 1994 § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz Art. 2 § 1
Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung sind nur dann Renten im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG F. 1994, wenn der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe zu der betreffenden Lebensversicherung geleistet hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 979/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Festsetzung der Versorgungsbezüge

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand

am 16. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 1999 - 17 K 5617/98 - geändert, soweit damit die Klage abgewiesen wurde. Der Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg über die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers vom 19. Dezember 1997 und dessen Widerspruchsbescheid vom 07.Oktober 1998 werden insoweit aufgehoben, als damit gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG Leistungen aus der Lebensversicherung des Klägers in Höhe von nunmehr noch 1.116,57 DM monatlich mindernd angerechnet wurden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 32.540,91 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, der vom 01.01.1965 bis zum 08.08.1976 Angestellter im öffentlichen Dienst des Landes Hessen war, wendet sich gegen die Anrechnung von Leistungen aus einer von ihm abgeschlossenen privaten Kapitallebensversicherung auf seine Versorgungsbezüge. Er erhielt vom Land Hessen zu dieser Lebensversicherung in der Zeit seiner Tätigkeit als Angestellter ab 01.07.1965 die tarifvertraglich vorgesehenen Zuschüsse in Höhe der Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung, da er mit Wirkung vom 01.07.1965 von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit war. Am 23.02.1979 trat der Kläger als Professor an der Universität U. in ein Beamtenverhältnis zum beklagten Land. Am 01.04.1997 trat er in den Ruhestand. Zum 01.05.1997 endete die Lebensversicherung infolge Zeitablaufs. Mit Bescheid vom 19.12.1997 setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV) die Versorgungsbezüge des Klägers fest; dabei wurde wegen der Leistungen aus der Lebensversicherung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 BeamtVG ein Betrag von 1.141,94 DM angerechnet, was zu einer entsprechenden Kürzung der Versorgungsbezüge führte. Auf die gegen den Festsetzungsbescheid und den zurückweisenden Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 18.11.1999 diese Bescheide insoweit aufgehoben, soweit damit ein Anrechnungsbetrag nach § 55 BeamtVG in Höhe von mehr als 1.116,57 DM festgestellt wurde; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf den Tatbestand des Urteils wird Bezug genommen.

Mit seiner durch am 08.05.2000 zugestellten Beschluss des Senats vom 28.04.2000 zugelassenen und am 15.05.2000 begründeten Berufung beantragt der Kläger sinngemäß, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 1999 - 17 K 5617/98 - zu ändern und den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg über die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers vom 19.12.1997 und dessen Widerspruchsbescheid vom 07.10.1998 insoweit aufzuheben, als damit gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 BeamtVG Leistungen aus der Lebensversicherung des Klägers in Höhe von nunmehr noch 1.116,57 DM monatlich mindernd angerechnet wurden; hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Er macht geltend, der Wortlaut des maßgeblichen § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Halbs. BeamtVG stehe der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung entgegen. Danach müsse vielmehr der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe zu einer befreienden Lebensversicherung bezahlt haben, damit diese als anrechenbare, die Versorgungsbezüge mindernde Rente gelten könne. Hingegen genüge es nicht, wenn der Arbeitgeber lediglich Leistungen zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung erbracht habe, die weniger als die Hälfte der Beiträge zu der betreffenden Lebensversicherung ausgemacht hätten. Der Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG bestätige diese bereits durch den Wortlaut gebotene Auslegung. Im Übrigen dürften entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Gewinnanteile aus der Lebensversicherung nicht in die Berechnung der Verrentung einbezogen werden, weil es sich dabei nicht um eine "Rente" im Sinne des Gesetzes handele. In der vom Verwaltungsgericht gewählten Auslegung verstoße § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Halbs. BeamtVG gegen das Eigentumsgrundrecht des Klägers.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und trägt vor, die am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung, wonach Arbeitgeberleistungen in der gesetzlichen oder tarifvertraglich geschuldeten Höhe, nämlich der Hälfte der Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung, für die Anwendung des § 55 BeamtVG ausreichten, sei auch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zutreffend. Eine freiwillige Höherversicherung, die der Entscheidung des Arbeitnehmers unterliege, könne hierauf keinen Einfluss haben, auch wenn der Arbeitnehmer seine Beiträge so gestalte, dass der Zuschuss des öffentlichen Arbeitgebers überschritten werde. Für die Behandlung der auf einer freiwilligen Weiterversicherung beruhenden Gewinnbeiträge gelte die Regelung in § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss nach § 130a VwGO. Der Senat hält die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage, sofern es ihr nicht stattgegeben hat, zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide des Beklagten sind, soweit sie angefochten und noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) nach Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens (§§ 126 Abs. 3 BRRG, 68 VwGO) ausgegangen. Die Klage ist aber darüber hinaus entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch in vollem Umfang begründet, da der Beklagte zu Unrecht die dem Kläger zustehenden Versorgungsbezüge um zuletzt 1.116,57 DM mit der Folge einer entsprechenden Kürzung hat ruhen lassen. Denn der Beklagte ist nicht berechtigt, die Leistungen aus der streitigen Lebensversicherung des Klägers auf die Versorgungsbezüge mindernd anzurechnen.

Maßstab für das vom Beklagten angeordnete, zwischen den Beteiligten umstrittene, Ruhen der Versorgungsbezüge des Klägers ist § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der seit 01.10.1994 geltenden und im Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand bereits anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20.09.1994 (BGBl. I S. 2442 - BeamtVGÄndG 1993 -). Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in dieser für den vorliegenden Fall zugrunde zu legenden Fassung werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Als Renten gelten u.a. Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung, zu denen der Arbeitgeber aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe geleistet hat (§ 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG; nunmehr § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG). Entgegen der Ansicht des Beklagten und des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei den Leistungen, die der Kläger aus der von ihm abgeschlossenen, ihn von der Versicherungspflicht für Angestellte befreienden (vgl. Art. 2 § 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten - Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz - AnVNG - vom 23.02.1957, BGBl. I S. 88, m. sp. Ä.) Lebensversicherung erhält, nicht um eine "Rente" im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG, so dass diese Leistungen nicht zu einem entsprechenden teilweisen Ruhen der Versorgungsbezüge führen können. Denn das Land Hessen als früherer öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber des Klägers hat zu dessen Lebensversicherung nicht, wie das für eine "Rente" nach dieser Vorschrift erforderlich gewesen wäre, Zuschüsse in Höhe von mindestens der Hälfte der Beiträge geleistet. Zwar hat das Land Hessen zu dieser Lebensversicherung die tarifvertraglich vorgesehenen Zuschüsse geleistet. Die Zuschüsse erreichten aber unstreitig nicht die Höhe der Hälfte der Beiträge zu dieser Lebensversicherung. Vielmehr erhielt der Kläger lediglich entsprechend den tarifvertraglichen Vereinbarungen (vgl. insbesondere §§ 14 und 15 des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe - Versorgungs-TV - vom 04.11.1966 - GMBl. 1966, 627 - mit den späteren Änderungen) jährlich angepasste Zuschüsse in Höhe der Hälfte der jeweiligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG muss der Arbeitgeber jedoch "mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe" zu der betreffenden Lebensversicherung geleistet haben. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts sind die für die Annahme einer Rente erforderlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht bereits dann erfüllt, wenn der öffentlich-rechtliche Dienstherr Zuschüsse in mindestens der Höhe der Hälfte der Beiträge, die bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder einer gesetzlichen Rentenversicherung angefallen wären (vgl. § 14 Abs. 1 und 2 des Versorgungs-TV), geleistet hat, sofern diese Beiträge niedriger als die Hälfte der Beiträge zu der Lebensversicherung gewesen wären. Hierzu hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den "grammatikalischen Aufbau" des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG und den "Regelungsgehalt" des § 55 BeamtVG ausgeführt, dass sich das Tatbestandsmerkmal "Zuschüsse in dieser Höhe" allein auf die Hälfte der Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung beziehe und nicht den Fall der befreienden Lebensversicherung betreffe. Diese Auslegung hält der beschließende Senat bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht für möglich, denn die darin als erforderlich genannte "Hälfte der Beiträge" und die erwähnten "Zuschüsse in dieser Höhe" beziehen sich nach dem grammatikalischen Zusammenhang offensichtlich sowohl auf die berufsständische Versorgungseinrichtung als auch auf die befreiende Lebensversicherung. Für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers ist nichts ersichtlich. Daraus folgt eindeutig, dass die Höhe der vom Arbeitgeber erbrachten Zuschüsse i.S. des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG zu einer befreienden Lebensversicherung nicht von der Höhe der Beiträge abhängig gemacht werden kann, die zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu erbringen wären. Dies würde im Übrigen entgegen dem Wortlaut der Vorschrift bedeuten, dass für Arbeitnehmer, die gar nicht die Möglichkeit haben, sich einer berufsständischen Versorgungseinrichtung anzuschließen, der Anwendungsbereich des §§ 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG nicht eröffnet wäre.

Abgesehen von dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift wäre auch nach dem systematischen Zusammenhang, in den § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG gestellt ist, und nach dem Sinn und Zweck der Norm entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und des Beklagten eine entgegenstehende Auslegung nicht möglich. Diesem Ergebnis steht auch nicht § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG entgegen. Danach bleibt bei Anwendung der Absätze 1 und 2 außer Ansatz der Teil der Rente (Abs. 1), der auf einer Höherversicherung beruht. Art. 2 § 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes setzt zwar, wie sich aus der Formulierung "mindestens" ergibt, bei Abschluss einer befreienden Lebensversicherung die Möglichkeit voraus, dass für eine solche Versicherung mehr an Beiträgen aufgewendet wird, wie sie für Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären, erlaubt also in diesem Sinne eine "Höherversicherung". Dies kann aber nach Auffassung des Senats keine Bedeutung für die der Berücksichtigung des § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG vorrangige Auslegung der Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung haben, die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG als "Renten" gelten. Denn § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG setzt, wenn er bei Anwendung der Absätze 1 und 2 den auf einer Höherversicherung beruhenden Teil der "Rente" (Abs. 1) außer Ansatz bringt, bereits voraus, dass es sich bei der betreffenden Leistung um eine allein nach § 55 Abs. 1 und damit auch nach § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG zu bestimmende Leistung handelt, d.h. dass der Begriff der Rente allein anhand einer Auslegung des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG ohne Rückgriff auf den nachfolgenden Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 des § 55 BeamtVG zu bestimmen ist. § 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG bezieht sich daher, wie der Wortlaut und der systematische Zusammenhang besagen, nur auf die "Anwendung", nicht aber auf die zuvor notwendige Auslegung des Begriffs der Rente in § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG.

Zwar soll, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, § 55 BeamtVG verhindern, dass ein Beamter, der vor dem Eintritt in das Beamtenverhältnis als Angestellter oder Arbeiter bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber beschäftigt war, eine mehrfache Versorgung und damit eine Überversorgung aus öffentlichen Kassen erhält. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es dem Gesetzgeber durch hergebrachte Grundsätze im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG nicht von vornherein verwehrt ist, eine Regelung zu schaffen, die im Wege einer Anrechnung der Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung und damit aus einer öffentlichen Kasse eine Überversorgung rentenbeziehender Ruhestandsbeamter beseitigen und deren Versorgung an diejenige eines "Nur-Beamten" angleichen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.09.1987, BVerfGE 76, 256, 297 ff. = NVwZ 1988, 329 = DÖV 1988, 217). Bei der hier streitigen Lebensversicherung des Klägers handelt es sich aber nicht um eine öffentliche Kasse im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, denn ihre Rechtsnatur ist privatrechtlich und die aus ihr dem Kläger zufließenden Leistungen beruhen auf diesem privatrechtlichen Versicherungsvertrag und sind überwiegend durch dessen private Beiträge finanziert (vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 159 bis 178 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag - VVG -). Eine Lebensversicherung wird ihrer privatrechtlichen Rechtsnatur entsprechend nicht aus öffentlichen Kassen gezahlt; sie unterscheidet sich dadurch von Rentenversicherungen, dass sie vom reinen Versicherungsprinzip beherrscht wird, wonach mittels der Versicherung ein Risikoausgleich durch Zusammenfassung einer genügenden großen Anzahl von Personen herbeigeführt wird, die alle von einem oder mehreren gleichartigen Risiken bedroht sind, ohne dass sich diese Risiken gleichzeitig realisieren. Grundgedanke der Versicherung ist die Selbsthilfe von gleichartig Gefährdeten durch ihren Zusammenschluss. Die Solidarität der Mitglieder, der soziale Ausgleich sowie die soziale Fürsorge, die das reine Versicherungsprinzip bei der Rentenversicherung ergänzen, prägen die Lebensversicherung nicht. Sie beruht vielmehr auf Individualvorsorge und auf eigener Leistung während der Beitragszeit. Nicht die Leistungsfähigkeit des Versicherten, sondern sein Bedarf, soweit er kalkulierbar ist, bestimmen die Beiträge der Lebensversicherung. Die privaten Lebensversicherungen unterliegen zudem nicht der umfassenden staatlichen Aufsicht, wie dies bei den Rentenversicherungen der Fall ist (vgl. zu den Unterschieden zwischen Rentenversicherung und privater Lebensversicherung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, Beschluss vom 30.09.1987, a.a.O., BVerfGE 76, 300-308).

Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass Leistungen aus einer privaten Lebensversicherung bei verfassungskonformer Auslegung nur dann als einer Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar der Ruhensregelung des § 55 BeamtVG unterworfen werden können, wenn der frühere öffentliche Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge zu der Lebensversicherung oder Zuschüsse in dieser Höhe geleistet hat, wie § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG dies ausdrücklich vorsieht. Denn anderenfalls würde der Anteil der privat vom Beamten geleisteten Beiträge mehr als die Hälfte der Gesamtfinanzierung betragen, so dass die Versicherungsleistungen nicht mehr mit solchen aus einer öffentlichen Kasse vergleichbar wären. Dies wäre mit Art. 33 Abs. 5 GG, der im vorliegenden Zusammenhang wegen der durch § 55 BeamtVG bewirkten Kürzung der Versorgungsbezüge und nicht der Versicherungsleistungen der wesentliche Prüfungsmaßstab ist, nicht vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die angemessene Alimentation, die einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums darstellt, nämlich unabhängig davon zu leisten, ob und inwieweit der Versorgungsempfänger in der Lage ist, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln, wie insbesondere aufgrund privatrechtlicher Ansprüche oder aus privatem Vermögen, zu bestreiten. Der Dienstherr kann sich von seiner Alimentationspflicht nur dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.09.1987, a.a.O., BVerfGE 76, 298). Danach darf die angemessene Alimentation des Versorgungsberechtigten nicht um die Leistungen aus einer überwiegend privat finanzierten privatrechtlichen Lebensversicherung gekürzt werden.

Die Entstehungsgeschichte des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG schließlich gibt keine Hinweise auf die vom Gesetzgeber gewollte Reichweite dieser Vorschrift. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21.10.1993, in dem die Regelung erstmals enthalten war, und die nachfolgende Beschlussempfehlung mit dem Bericht des Innenausschusses des Bundestages verhalten sich dazu nicht (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften - BeamtVGÄndG 1993 -, BT-Drucks. 12/5919, S. 4, 5, 17 und 18; und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Drucksache 12/5919, BT-Drucks. 12/7547, S. 8, 9, 35 und 36).

Soweit der Beklagte auf die tarifvertraglich begrenzte Höhe der Zuschüsse zu Lebensversicherungsbeiträgen hinweist, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die tarifvertraglichen Regelungen sind insoweit nicht geeignet, die eindeutige und spezielle gesetzliche Bestimmung des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG zu verdrängen.

Der Klage ist daher unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf den Hauptantrag hin stattzugeben, ohne dass es auf die Frage der Berücksichtigung der Gewinnanteile nach § 55 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ankommt. Ebenso bedarf es nicht eines Eingehens auf den Hilfsantrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 17 Abs. 3 und 4 GKG i.V.m. § 5 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klage zum Teil bereits durch das Verwaltungsgericht stattgegeben worden ist.

Ende der Entscheidung

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