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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 5 S 2599/05
Rechtsgebiete: StrG


Vorschriften:

StrG § 16 Abs. 2 Satz 1
StrG § 16 Abs. 8 Satz 1
1. Die Straßenbaubehörde darf die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Aufstellen von Werbetafeln/ Werbeträgern in einer (stark frequentierten) Fußgängerzone zur Vermeidung einer den Gemeingebrauch behindernden Anhäufung auf den unmittelbaren Bereich des beworbenen (Gewerbe-)Betriebs beschränken.

2. In diesem Fall, in dem es um originär wegerechtliche Erwägungen geht, bedarf es keiner Beschlussfassung des Gemeinderats über entsprechende Richtlinien, auch wenn darin eine Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis (einer faktischen Duldung der aufgestellten Werbetafeln/Werbeträger) liegt.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

5 S 2599/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufstellens von Werbeträgern

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers

am 26. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Dezember 2005 - 4 K 1913/05 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässigen, insbesondere fristgerecht begründeten (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), Beschwerden haben keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt - dies ist allein noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens -, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 16.09.2005 wieder herzustellen, soweit darin unter II die Aufstellung eines mobilen Werbeträgers (Hinweis auf die Gaststätte der Antragsteller) vor dem Anwesen Kaiser-Joseph-Straße 251 im Bereich des dort aufgestellten Kunstwerks ohne - zuvor unter I. abgelehnte - Sondernutzungserlaubnis untersagt und die Entfernung des bereits aufgestellten Werbeträgers innerhalb einer Frist von zwei Wochen angeordnet worden ist. Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller - nur dieses prüft der Senat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Antragsgegnerin dem Begründungsgebot des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO für das besondere Vollzugsinteresse Genüge getan hat. Sie hat den Sofortvollzug angeordnet, weil bei einem vorläufigen Belassen des umstrittenen Werbeträgers ohne die - unstreitig - erforderliche Sondernutzungserlaubnis auf Grund der Signalwirkung eines derartigen Zustands andere Gewerbetreibende motiviert würden, ein eigenes insoweit ebenfalls rechtswidriges (Werbe-)Verhalten beizubehalten, wobei die sofortige Entfernung der Werbetafel den Antragstellern auch zumutbar sei. Fehl geht insoweit deren Einwand, dass sich dies schon mit der eigentlichen Begründung für den Bescheid decke, in der ausgeführt werde, dass die Sondernutzungserlaubnis aus verkehrlichen Gründen sowie zur Vermeidung von Berufungsfällen nicht erteilt werden könne. Denn das betrifft die Ablehnung der für den Werbeträger beantragten Sondernutzungserlaubnis unter I. des Bescheids vom 16.09.2005 und nicht die darin unter II. erlassene und unter III. für sofort vollziehbar erklärte Untersagungs- und Entfernungsverfügung. Soweit die Antragsgegnerin hier im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung darauf verweist, dass der öffentliche Verkehrsraum im Innenstadtbereich vor allem den Fußgängern weitgehend ungehindert zur Verfügung zu stellen sei, was eine "Überrepräsentation" von Werbeträgern abseits des eigentlichen Gewerbebetriebs verbiete, mag dies mit der Begründung des Sofortvollzugs "deckungsgleich" sein. Wird aber die Untersagung bzw. die Beseitigung einer unerlaubten Sondernutzung verfügt, um die damit verbundene Behinderung/Gefährdung des Gemeingebrauchs zu vermeiden, so kann das Erlassinteresse zugleich das (besondere) Vollzugsinteresse begründen (vgl. zu dieser Möglichkeit J. Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl., RdNr. 36 zu § 80 m.w.N.).

Auch in der Sache erscheint es nicht gerechtfertigt, das öffentliche Vollzugsinteresse hinter das private Interesse der Antragsteller an einer vorläufig weiteren Aufstellung ihres Werbeträgers in der Kaiser-Joseph-Straße zurücktreten zu lassen. Im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Untersagungs- und Beseitigungsverfügung als "sehr wahrscheinlich rechtmäßig" erachtet: Das ergebe sich daraus, dass der umstrittene Werbeträger von keiner Erlaubnis gedeckt und deshalb (formell) illegal sei; in diesem Fall stelle § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG die erforderliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der getroffenen Maßnahmen dar; Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt insoweit keine andere Einschätzung.

Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung kommt § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG in Betracht. Danach kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Verpflichtungen anordnen. Diese Vorschrift ermächtigt die Straßenbaubehörde auch zur Untersagung einer unerlaubten Sondernutzung, wenn diese bereits stattgefunden hat und eine Wiederholung zu besorgen ist (vgl. Senats-urt. v. 31.01.2002 - 5 S 3057/99 - NVwZ-RR 2003, 238 = VBlBW 2002, 297). Voraussetzung für ein Einschreiten der Straßenbaubehörde nach § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG ist also allein (schon) die formelle Illegalität der Sondernutzung. Eine solche liegt hier vor. Die für das Aufstellen des umstrittenen Werbeträgers in der Fußgängerzone - unstreitig - erforderliche Sondernutzungserlaubnis hat die Antragsgegnerin unter I. des Bescheids vom 16.09.2005 gerade abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller geht im Kern allein dahin, dass die Antragsgegnerin das ihr dabei nach § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG eingeräumte Ermessen schon deshalb fehlerhaft ausgeübt habe, weil sie nach "amtsintern festgelegter Verwaltungspraxis" Werbeträger der vorliegenden Art nur noch "am Ort der Leistung" und nicht mehr in einer relativ weiteren Entfernung von den jeweiligen Geschäfts- oder Gewerberäumen gestatte, diese neue Praxis bei Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen jedoch einer entsprechenden Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Antragsgegnerin bedurft hätte. Damit zeigen die Antragsteller aber nicht auf, inwiefern eine insoweit anzunehmende (Ermessens-)Fehlerhaftigkeit der Ablehnungsentscheidung für die Frage der Rechtmäßigkeit der auf § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG gestützten Untersagungs- und Entfernungsverfügung von Relevanz wäre.

Allerdings dürfte eine solche Verfügung ermessensfehlerhaft sein, wenn derjenige, der die - infolge Ablehnung - unerlaubte und damit formell illegale Sondernutzung ausübt, offensichtlich einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis hat (vgl. Schnebelt/Sigel, Straßenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl., RdNr. 276 und Sauthoff in NVwZ 1998, 239, 251). Aber auch dies haben die Antragsteller mit ihrer Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Zur Fehlerhaftigkeit der Versagung der von ihnen beantragten Sondernutzungserlaubnis machen die Antragsteller - wie bereits erwähnt - geltend, dass die neue "amtsintern festgelegte Verwaltungspraxis" insoweit keine ausreichende Grundlage darstelle, vielmehr eine entsprechende Beschlussfassung des Gemeinderats erforderlich gewesen wäre. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 - NVwZ-RR 1997, 677 u. Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/88 - NVwZ-RR 2000, 837 = VBlBW 2000, 281) bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG für eine (gewerbliche) Sondernutzung in einer Fußgängerzone auch städtebauliche und baugestalterische Belange berücksichtigt werden dürfen, wenn sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, das - in Form verwaltungsinterner Richtlinien - vom Gemeinderat beschlossen worden ist. Eine solche gemeinderätliche Beschlussfassung ist hier jedoch entbehrlich gewesen, weil die Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnis nicht auf städtebauliche oder baugestalterische Erwägungen gestützt, sondern mit der Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs in der Fußgängerzone begründet worden ist, wie sie mit einer unbegrenzten Zulassung von Werbetafeln auch für nicht unmittelbar an der Kaiser-Joseph-Straße gelegene Gewerbebetriebe (Gaststätten) verbunden wäre. Auf die Sicherheit und Leichtigkeit des widmungsgemäßen (Fußgänger-)Verkehrs bezogene Erwägungen bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sind jedoch originär wegerechtlicher Natur.

Selbst wenn man wegen Fehlens - unterstellt erforderlicher - gemeinderätlicher Richtlinien von einer mangelhaften Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin ausginge, haben die Antragsteller nicht aufgezeigt, weshalb sie wegen Ermessensreduzierung auf Null offensichtlich einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis hätten. Die bisherige Duldung des aufgestellten Werbeträgers durch die Antragsgegnerin ist rein faktisch und außerhalb des rechtlichen Rahmens einer - unstreitig - erforderlichen Sondernutzungserlaubnis erfolgt. Auch das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller an einer Werbung für ihre in einer Nebenstraße gelegene Gaststätte (auch) in der Kaiser-Joseph-Straße als der Hauptgeschäftsstraße der Fußgängerzone führt nicht dazu, dass sich das behördliche Erteilungsermessen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG zu einem Anspruch der Antragsteller verdichtet hätte. Gleiches gilt mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht willkürlich, wenn die Antragsgegnerin künftig zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in der Fußgängerzone durch eine Anhäufung von Werbeträgern deren Aufstellen nur noch durch die unmittelbar dort gelegenen Gewerbebetriebe "an der Stätte der Leistung" zulassen will und nicht auch durch Gewerbetreibende aus Nebenstraßen (wie die Antragsteller), diese vielmehr ebenfalls auf eine Werbemöglichkeit (nur) "vor Ort" beschränkt.

Die behördliche Ermessensbetätigung bei Erlass der angefochtenen Unterlassungs- und Beseitigungsverfügung dürfte auch nicht deshalb fehlerhaft sein, weil die Werbetafel der Antragsteller in der Vergangenheit unbeanstandet geblieben war. Diese "faktische Duldung" erfolgte - wie bereits erwähnt - außerhalb des rechtlichen Rahmens einer (unstreitig) erforderlichen Sondernutzungserlaubnis. Die Antragsteller haben kein schützenswertes Interesse daran, trotz voraussichtlich rechtmäßiger Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis die Werbetafel nur deshalb (vorerst) weiterhin im Bereich der Kaiser-Joseph-Straße aufstellen zu können, weil dies bis zur Änderung der Verwaltungspraxis unbeanstandet möglich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG n. F.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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