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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 5 S 2781/02
Rechtsgebiete: LVwVG


Vorschriften:

LVwVG § 19 Abs. 2
LVwVG § 19 Abs. 3
1. Nach dem baden-württembergischen Landesvollstreckungsgesetz besteht kein Vorrang des Zwangsmittels der Ersatzvornahme vor dem des Zwangsgeldes.

2. Es gibt keinen vollstreckungsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass die Höhe des Zwangsgeldes nicht die bei einer Ersatzvornahme zu erwartenden Kosten übersteigen darf.

3. Die fortgesetzte Zwangsgeldandrohung und -festsetzung kann mit Rücksicht auf die Überschreitung der Kosten der Ersatzvornahme, die Höhe der bisher festgesetzten Zwangsgelder und die finanzielle Situation des Betroffenen unverhältnismäßig sein (hier bejaht).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 2781/02

Verkündet am 04.12.2003

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zwangsgeldes

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Albers und die Richterin am Verwaltungsgericht Schiller auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Januar 2002 - 7 K 683/01 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2000 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19. Februar 2001 werden aufgehoben, soweit dem Kläger ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM angedroht wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Kläger trägt drei Fünftel, die Beklagte zwei Fünftel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Androhung eines (dritten) Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,-- DM.

Mit Bescheid vom 10.05.1993 wurde er verpflichtet, den auf seinem Grundstück Flst.Nr. 2307 der Gemarkung Nagold-Emmingen im Jahr 1992 errichteten zweigeschossigen Geräteschuppen (Grundfläche ca. 4,25 m x 4,25 m) abzubrechen und das Abbruchmaterial vom Grundstück zu entfernen sowie ordnungsgemäß zu entsorgen. Der Bescheid wurde - nach Abweisung der vom Kläger erhobenen Klage mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11.05.1994 - 5 K 4/94 - und Rücknahme der dagegen eingelegten Berufung am 11.11.1994 - 5 S 1999/94 - bestandskräftig.

Nachdem eine erste Zwangsgeldandrohung vom 12.06.1996 wieder aufgehoben worden war, drohte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30.06.1998 für den Fall, dass er die Abbruchverfügung vom 10.05.1993 nicht bis zum 30.09.1998 erfüllt habe, erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM an. Die Klage gegen diesen Bescheid wurde abgewiesen (Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28.10.1999 - 5 K 1252/99 -).

Ein am 26.01.2000 gestellter Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens, zu dessen Begründung er darauf verwies, dass er den Beschluss gefasst habe, nebenberuflich eine Imkerei zu betreiben und dafür den Schuppen auf seinem Grundstück zu verwenden, war ebenso erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 15.03.2000, Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 04.07.2000, Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.01.2002 - 7 K 2176/00 -, Beschluss des Senats vom 16.12.2002 - 5 S 1850/02 -) wie sein am 30.03.2000 gestellter Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein "unterkellertes Bienenhaus" (Bescheid der Beklagten vom 20.06.2000, Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 13.12.2000). Nachdem er den Schuppen auch innerhalb einer ihm gesetzten Frist bis zum 31.03.2000 nicht abgebrochen hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2000 ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM fest und drohte dem Kläger ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 7.500,-- DM an. Das festgesetzte Zwangsgeld wurde beigetrieben.

Da der Kläger auch in der Folgezeit das Gebäude nicht beseitigte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.09.2000 ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,-- DM fest (Ziff. 1) und drohte ihm für den Fall, dass er der Abbruchverfügung bis zum 01.12.2000 nicht nachkomme, ein weiteres (drittes) Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM an (Ziff. 2). Ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.12.2000 - 7 K 2709/00 - , sein Antrag auf Zulassung der Beschwerde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 11.01.2001 - 5 S 58/01 - abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19.02.2001 zurückgewiesen.

Am 20.03.2001 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19.02.2001 erhoben und beantragt, diese aufzuheben. Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Zwischenzeitlich - mit Bescheid vom 04.04.2001 -sei auch das Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM gegen ihn festgesetzt worden. Die Gesamtsumme der Zwangsgelder, die er danach zu zahlen hätte, betrage 22.500,-- DM und stehe damit in keinem Verhältnis zu den Kosten des Abbruchs des einfachen Gebäudes. Es sei außerdem untunlich, weitere Zwangsgelder festzusetzen, wenn deutlich geworden sei, dass deren Zweck offenbar nicht erreicht werden könne. Zu dieser Annahme habe die Beklagte auf Grund seines - des Klägers - Vorverhaltens konkreten Anlass gehabt. Sie sei in einem solchen Fall gehalten, sogleich die Ersatzvornahme anzudrohen und diese auch durchzuführen. Insoweit habe die Beklagte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und § 19 Abs. 2 und 3 LVwVG nicht Rechnung getragen. Die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 7.500,-- DM bedeute für ihn außerdem in Anbetracht seiner Einkommensverhältnisse eine außergewöhnliche Härte.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen: Zwangs-mittel dürften wiederholt und so lange angewendet werden, bis der Verwaltungsakt vollzogen oder auf andere Weise erledigt sei. Die Auswahl der einzelnen Zwangsmittel stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Baurechtsbehörde. Nur wenn von Anfang an zu erkennen sei, dass mit Zwangsgeld die Zweckerreichung nicht möglich sei, weil etwa der Vollzug des Verwaltungsakts keinerlei Aufschub dulde oder die Beitreibung nicht möglich sei, scheide Zwangsgeld aus. Dies sei hier aber nicht der Fall. Das günstigste Angebot eines Unternehmers für den Abbruch des Schuppens liege zwar bei 5.382,40 DM, ein anderer Bieter habe aber ein Angebot über 13.920,-- DM vorgelegt.

Mit Urteil vom 30.01.2002 - 7 K 683/01 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die Anfechtungsklage sei zulässig, obwohl der Bescheid vom 15.09.2000 zwischenzeitlich vollzogen worden sei. Dass das festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben und das weiter angedrohte Zwangsgeld zwischenzeitlich ebenfalls festgesetzt und beigetrieben worden sei, führe insbesondere nicht dazu, dass sich der Bescheid nunmehr erledigt habe. Die Klage sei aber nicht begründet. Die Festsetzung des zweiten Zwangsgeldes in Höhe von 7.500,-- DM im Bescheid vom 15.09.2000 sei insbesondere nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte die in § 19 Abs. 2 und Abs. 3 LVwVG festgelegten Grundsätze und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hätte. Die Androhung der Ersatzvornahme, die in Fällen der vorliegenden Art als letzte Möglichkeit der Durchsetzung der zu vollstreckenden Verpflichtung in Betracht zu ziehen sei, habe sich auch nicht etwa schon damals aufgedrängt. Dass durch die Festsetzung des Zwangsgeldes von 7.500,-- DM ein Nachteil herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zum Zweck der Vollstreckung stünde (§ 19 Abs. 3 LVwVG), lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Insoweit genüge insbesondere nicht, dass dieses Zwangsgeld die Kosten der Ersatzvornahme in etwa erreiche, nachdem die Durchführung der Ersatzvornahme ungleich aufwändiger sei als der Abbruch des Gebäudes durch den Kläger selbst. Auch die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,-- DM sei nicht zu beanstanden. Dass der Kläger zwischenzeitlich Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 22.500,-- DM bezahlt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Im Hinblick darauf, dass er sich hartnäckig weigere, seiner seit 1994 feststehenden Verpflichtung zum Abbruch des Gebäudes nachzukommen, sei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Außerdem habe die Beklagte im für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids davon ausgehen können, dass der Kläger sich durch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes beeindrucken lassen und seiner Verpflichtung zum Abbruch des Gebäudes nachkommen würde.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 16.12.2002 - 5 S 1851/02 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung im Bescheid der Beklagten vom 15.09.2000 und im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19.02.2001 abgewiesen worden ist, und den Antrag auf Zulassung der Berufung im Übrigen abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Januar 2002 - 7 K 683/01 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. September 2000 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19. Februar 2001 aufzuheben, soweit dem Kläger ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM angedroht wird.

Er trägt ergänzend vor: Die Ersatzvornahme sei jedenfalls dann das geeignetere Zwangsmittel, wenn die Beseitigung des Bauwerks im Verhältnis zu vergleichbaren Bauwerken keinen ungewöhnlichen Aufwand und keine besonderen Fähigkeiten voraussetzte. So liege der Fall hier. Bei dem abzureißenden Gebäude handle es sich um eine einfache Konstruktion mit Betondecken und Wänden aus Hohlblocksteinen. Ihm liege das verbindliche Angebot eines Bauunternehmens für den Abriss des Gebäudes vor, ausweislich dessen sich die Kosten für den Abriss auf nur 1.160,-- EUR belaufen würden. Insgesamt habe er bislang Zwangsgelder in Höhe von 22.500,-- DM und somit einen Betrag in Höhe des zehnfachen der zu erwartenden Abrisskosten geleistet. Er beziehe lediglich eine Altersrente von 573,86 EUR monatlich sowie eine Unfallrente in Höhe von 495,95 EUR.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Soweit der Kläger behaupte, die tatsächlichen Abbruchkosten beliefen sich nur auf 1.160,-- EUR, sei dies nicht plausibel belegt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass für die Vollstreckungsbehörde die Vornahme einer Ersatzvornahme mit einem höheren Aufwand verbunden wäre, als wenn der Kläger den Abbruch selbst vornehmen würde. Der Kläger habe sich seit 1994 beharrlich geweigert, seiner Verpflichtung nachzukommen. Die Beklagte habe ermessensfehlerfrei entschieden. Sie habe sich insbesondere eingehend mit den in Betracht kommenden Zwangsmitteln und deren Angemessenheit im Hinblick auf die Zwangsgeldhöhe auseinandergesetzt.

Mit Bescheid vom 04.04.2001 hat die Beklagte das Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM festgesetzt und die Ersatzvornahme angedroht. Ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 05.06.2001 - 7 K 916/01 - , der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluss mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13.07.2001 - 5 S 1298/01 - abgelehnt worden. Der Kläger hat das Zwangsgeld bezahlt. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage ist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe - 7 K 935/02 - anhängig.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten und die Akten des Verwaltungsgerichts sowie des Verwaltungsgerichtshofs über die vorangegangenen gerichtlichen Verfahren vor. Auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die Gerichtsakten des erstinstanzlichen Verfahrens - 7 K 683/01 - und des Berufungsverfahrens - 5 S 2781/02 - wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Berufung des Klägers zugelassen worden ist, ist sie auch zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, soweit diese sich gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes unter Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 15.09.2000 und die diesbezügliche Zurückweisung seines Widerspruchs mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 19.02.2001 richtet. Denn die Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich an der Zulässigkeit der Klage nichts geändert hat, obwohl das angedrohte Zwangsgeld zwischenzeitlich - mit noch nicht bestandskräftigem Bescheid vom 04.04.2001 -festgesetzt und beigetrieben wurde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.05.1980 - 8 S 102/80 - <juris>). Die Klage ist aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Zwangsgeldandrohung begründet. Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Abbruchverfügung vom 10.05.1993 (vgl. §§ 2, 18 LVwVG) auch nach Stellung eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens weiter vor (vgl. dazu den Senatsbeschluss im Zulassungsverfahren - 5 S 1851/02 - vom 16.12.2002 sowie den Beschluss vom 11.01.2001 - 5 S 58/01 - ). Die Androhung eines dritten Zwangsgeldes (vgl. §§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1, 23 LVwVG) in Höhe von 10.000,-- DM (5.112,92 EUR) ist jedoch wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als ermessenfehlerhaft anzusehen.

Ebenso wie die Entscheidung, ob ein Verwaltungsakt mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, erfolgt auch die Auswahl der Zwangsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen der Vollstreckungsbehörde, das gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. So hat die Behörde nach dem baden-württembergischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz bei der Vollstreckung eines Verwaltungsakts, der zu einer Handlung (ausgenommen einer Geldleistung), einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichtet, nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen den Zwangsmitteln Zwangsgeld und Zwangshaft, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang (vgl. §§ 19 Abs. 1, 23 bis 26 LVwVG) zu wählen. Geht es um vertretbare Handlungen wie zum Beispiel bei einer Abbruchverfügung, kommen in erster Linie Zwangsgeld und Ersatzvornahme in Betracht. Dabei besteht in Baden-Württemberg kein gesetzlicher Vorrang des Zwangsmittels der Ersatzvornahme vor dem des Zwangsgeldes (anders nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VwVG, wonach Zwangsgeld nur dann verhängt werden darf, wenn die Ersatzvornahme "untunlich" ist; nach § 32 Abs. 2 BayVwVG ist hingegen eine Ersatzvornahme nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt; vgl. zum Ganzen Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1. Aufl. 1997, § 11 III. 2., S. 281 ff.). Die von der Behörde getroffene Ermessensentscheidung ist gerichtlich daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO). Ein beachtlicher Ermessensfehler liegt zum Beispiel vor, wenn gesetzliche Vorgaben, die Grundrechte oder allgemeine Verwaltungsgrundsätze, wie insbesondere das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet wurden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 27.01.1983, BVerfGE 17, 306 [313]; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 1996, § 59 Rdnrn. 25 ff.; Grabitz, AöR 98 (1973), 568; jew. m.w.N.) bedeutet in Bezug auf die Auswahl des Zwangsmittels zunächst, dass das gewählte Zwangsmittel geeignet sein muss, den Pflichtigen dazu anzuhalten, die ihm obliegende Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erfüllen. Weiter muss es erforderlich sein, das heißt es ist zu prüfen, ob von mehreren geeigneten Zwangsmitteln nicht ein milderes, gleich geeignetes Mittel gewählt werden kann. Schließlich muss der eingesetzte Zwang in einem angemessenen Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Das Verhältnismäßigkeitsgebot ist in § 19 Abs. 2 und 3 LVwVG aufgenommen und konkretisiert. Danach hat die Vollstreckungsbehörde in Fällen, in denen mehrere Zwangsmittel in Betracht kommen, dasjenige Zwangsmittel anzuwenden, das den Pflichtigen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt, und es darf durch die Anwendung des Zwangsmittels kein Nachteil entstehen, der erkennbar außer Verhältnis zum Zweck der Vollstreckung steht.

Nach diesen Grundsätzen erweist sich hier die Entscheidung der Beklagten, ein drittes Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM (5.112,92 EUR) anzudrohen, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 als ermessensfehlerhaft.

Allerdings kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Anbetracht seines bisherigen, wenig einsichtigen Verhaltens von Vornherein als ungeeignet anzusehen gewesen wäre, und dass die Beklagte schon deshalb zum Zwangsmittel der Ersatzvornahme hätte übergehen müssen. Vielmehr war zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beklagte bzw. die Widerspruchsbehörde nicht erkennbar, dass er sich auch durch eine weitere Zwangsgeldandrohung auf jeden Fall unbeeindruckt zeigen würde. Dass er bislang seiner Verpflichtung zum Abbruch des Schuppens trotz Festsetzung und Beitreibung der ersten beiden Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 12.500,-- DM (6.391,15 EUR) nicht nachgekommen war, konnte ebenso daran liegen, dass der Kläger noch Hoffnung hatte, auf seine Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Erteilung einer Baugenehmigung hin doch noch eine Aufhebung der Abbruchverfügung zu erreichen.

Die Beklagte hat auch zu Recht darauf verwiesen, dass eine Abbruchverfügung in der Regel mit Zwangsgeldern und im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden kann und dass aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kein genereller Vorrang des einen oder des anderen Zwangsmittels folgt (vgl. dazu Lemke, a.a.O., § 11 III. 2c, S. 283 ff., m.w.N.). Einerseits hat die Ersatzvornahme häufig den Nachteil, dass sie einen höheren Verwaltungsaufwand verursacht und den Pflichtigen wegen höherer Kosten in der Regel mehr belastet, als wenn er der zugrundeliegenden Verpflichtung selbst nachkommt. Auch wird sie teilweise als schwererer Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen angesehen. Andererseits hat die Ersatzvornahme auch für den Verpflichteten den Vorteil, dass mit ihrer Durchführung der gewünschte Erfolg tatsächlich bewirkt wird und nicht weitere Vollstreckungsmaßnahmen drohen.

Im konkreten Fall und zum hier maßgeblichen Zeitpunkt wäre aber die Androhung einer Ersatzvornahme im Vergleich zur Androhung eines dritten Zwangsgeldes i.H.v. 10.000,-- DM (5.112,92 EUR) ein "deutlich milderes", den Kläger letztlich weniger beeinträchtigendes und trotzdem gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des gewünschten Zwecks - den Abbruch des Schuppens - gewesen, so dass die Zwangsgeldandrohung gegen § 19 Abs. 2 LVwVG bzw. den Erforderlichkeitsgrundsatz verstößt.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das angedrohte dritte Zwangsgeld höher ist als die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme. Der Kläger hat ein Angebot eines Straßen- und Tiefbauunternehmens vom 21.06.2002 und die Stellungnahme eines Architekten zu diesem Angebot vom 17.11.2003 vorgelegt, wonach der Abbruch und die Beseitigung des Gebäudes 1.160,-- € (2.268,76 DM) kosten soll. Die Beklagte ging hingegen zunächst aufgrund der Schätzung eines Bausachverständigen (ohne Datum, wahrscheinlich von Anfang 2001, vgl. AS. 34 der Akten der Bekl. bezügl. der Zwangsgeldfestsetzung i.H.v. 10.000,-- DM) von voraussichtlichen Kosten in Höhe von 9.000,-- DM (4.601,63 EUR) aus. Das günstigste von drei von der Beklagten Ende 2001 eingeholten Angeboten für die Beseitigung des Schuppens sowie die Entsorgung des angefallenen Materials belief sich dann - inklusive Umsatzsteuer - auf 5.382,40 DM (2.751,98 EUR). Der betreffende Unternehmer hat auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 25.11.2003 mitgeteilt, aktuell liege sein Angebot bei 3.101,98 EUR bzw. 6.066,95 DM. Welcher Betrag genau realistisch ist, kann hier letztlich offen bleiben. Jedenfalls wäre aller Voraussicht nach mit Gesamtkosten der Ersatzvornahme einschließlich Verwaltungsgebühren von unter 10.000,-- DM (5.112,92 EUR) zu rechnen.

Allerdings gibt es keinen vollstreckungsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass die Höhe des Zwangsgeldes nicht die bei einer Ersatzvornahme zu erwartenden und vom Pflichtigen zu tragenden Kosten übersteigen darf (vgl. zur Unverhältnismäßigkeit der Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 4.000,-- DM bei zu erwartenden Kosten der angeordneten Beseitigung einer Werbetafel i.H.v. 500,-- DM: Sächs. OVG, Beschl. v. 17.03.1997 - 1 S 769/96 - BRS 59 Nr. 138). Erst recht ist es nicht von Vornherein zu beanstanden, wenn bei der Festsetzung mehrerer Zwangsgelder deren Summe die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme überschreitet. Vielmehr kommt es neben diesen Kosten unter anderem auf die Bedeutung des mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakts verfolgten öffentlichen Zwecks, die "Intensität der Weigerung" des Pflichtigen und im Einzelfall auch auf seine finanzielle Situation an. Der höhere Verwaltungsaufwand und zu erwartende Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ersatzvornahme können ebenfalls zunächst für ein Absehen von der Ersatzvornahme sprechen. Andererseits dürfen bei der Vollstreckung wegen vertretbarer Handlungen Zwangsgeld nicht immer neu und mit immer höheren Beträgen angedroht und festgesetzt werden. So war auch hier zwar die Festsetzung des zweiten Zwangsgeldes in Höhe von 7.500,-- DM (3.834,69 EUR) noch als verhältnismäßig anzusehen (vgl. dazu Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30.01.2002 - 7 K 683/01 - und Zulassungsbeschluss des Senats vom 16.12.2002 - 5 S 1851/02 -). Bei der Androhung des dritten Zwangsgeldes hätte die Beklagte aber neben der Tatsache, dass die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme bereits überstieg, vor allem bedenken müssen, dass gegen den Kläger zu diesem Zeitpunkt schon Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 12.500,-- (5.000,-- + 7.500,--) DM (6.391,15 EUR) festgesetzt - und noch vor Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2001 auch beigetrieben - worden waren. Schließlich wäre noch zu berücksichtigen gewesen, dass gegebenenfalls - wenn sich der Kläger auch durch dieses Zwangsgeld nicht beeindrucken ließe - danach erst noch die Ersatzvornahme anzudrohen und durchzuführen wäre. Abgesehen davon, dass damit die Gefahr einer weiteren zeitlichen Verzögerung des gewünschten Erfolgs, des Abbruchs des Schuppens, bestanden hätte bzw. besteht, hätte der Kläger, der als Rentner nicht über hohe Einkünfte verfügt, dann Zwangsgelder in Höhe von 22.500,-- DM (11.504,07 EUR) sowie die Kosten der Ersatzvornahme (mindestens etwa 2.500,-- bis 10.000,-- DM), also insgesamt etwa zwischen 25.000,-- DM (12.782,30 EUR) und 32.500,-- DM (16.616,99 EUR) zu tragen. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte statt des erneuten Zwangsgeldes ermessensfehlerfrei nur die Ersatzvornahme androhen dürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz GKG auf 2.556,46 EUR festgesetzt (vgl. Ziff. I. 8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 1996, 536).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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