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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: 5 S 973/09
Rechtsgebiete: BauNVO, VwGO


Vorschriften:

BauNVO § 9 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Zur allgemeinen Zulässigkeit eines Beherbergungsbetriebs in einem Industriegebiet.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

5 S 973/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen versagter Baugenehmigung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 30. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. März 2009 - 3 K 230/08 - wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 30.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der Rechtssache sowie Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) gestützte Antrag hat aus den von den Klägern dargelegten, nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO indes allein maßgeblichen Gründen keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392), dass ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens möglich erscheint (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 32).

Entsprechende Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, mit dem die Verpflichtungsklage der Kläger auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung ihres Gebäudes "N. U.-straße 8" in ein Hotel abgewiesen wurde, lassen sich der Antragsbegründung nicht entnehmen.

Soweit die Kläger den dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Rechtssatz in Frage zu stellen versuchen, dass ein Beherbergungsbetrieb wegen seines typischen Erscheinungsbildes, insbesondere wegen der typisierenden Standortanforderungen, der (allgemeinen) Zweckbestimmung eines Industriegebiets in der Regel nicht entspreche und anderes allenfalls dann gelten könne, wenn ein solcher Besonderheiten aufweise, die ihn von den typischen Beherbergungsbetrieben unterschieden (vgl. UA, S. 11 oben), muss dies erfolglos bleiben. Den beanstandeten Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht in konsequenter Anwendung der (neueren) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. hierzu insbes. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 64.79 -, BVerwGE 68, 207, Urt. v. 29.04.1992 - 4 C 43.89 -, BVerwGE 90, 140, Urt. v. 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155) zu dem von ihm entwickelten, auf der typisierenden Betrachtungsweise aufbauenden eingrenzenden Kriterium der Gebietsverträglichkeit aufgestellt (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO 11. A. 2008, Vorbem. 9.2; Ziegler in: Brügelmann, BauGB <April 2009>, § 1 BauNVO Rn. 44 ff.; ausführlich hierzu Stühler, BauR 2007, 1350 ff.). Das von den Klägern demgegenüber herangezogene, diesen Grundsatz noch nicht berücksichtigende Urteil des beschließenden Gerichtshofs vom 07.11.1974 - VIII 1054/745 -, ESVGH 25, 232), wonach ein Beherbergungsbetrieb in einem Industriegebiet allgemein zulässig sei, sofern dadurch nicht der Gebietscharakter verändert werde, ist insoweit überholt.

Soweit die Kläger weiter geltend machen, dass auch ausgehend von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.1992 (a.a.O.) nicht ersichtlich sei, warum ihr Bauvorhaben in dem konkreten Industriegebiet nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO nicht allgemein zulässig sein solle, nachdem es sich von dem vom Bundesverwaltungsgericht in einem Gewerbegebiet als zulässig angesehenen Beherbergungsbetrieb nicht unterscheide, führt auch dies - zumal vor dem Hintergrund der Feststellungen des Verwaltungsgerichts (vgl. UA. S. 11) - auf keine ernstlichen Zweifel. So zeigen die Kläger schon nicht auf, warum den Gästen eines "größeren Hotels mit regelmäßiger kurzer Verweildauer" bzw. einer "kerngebietstypischen Beherbergungsstätte" ggf. nicht nur die typischen Belästigungen eines Gewerbegebiets, sondern auch diejenigen eines Industriegebiets mit den dort zulässigen erheblich belästigenden Gewerbebetrieben zugemutet werden könnten. Im Hinblick auf den den Indu-striegebieten zukommenden Zweck, der Unterbringung vorwiegend solcher Gewerbebetriebe zu dienen, die in anderen Baugebieten unzulässig sind (vgl. § 9 Abs. 1 BauNVO), kann solches allenfalls beim Vorliegen noch weiterer Besonderheiten in Betracht kommen (vgl. zur Frage der Zulässigkeit eines Bordells im Industriegebiet BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213). Inwiefern solche entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts darin begründet sein könnten, dass das Gebäude, dessen Umnutzung in Rede steht, "mit Schallschutzfenstern ausgestattet ist", zeigen die Kläger nicht auf. Dass es bei der Frage der Gebietsverträglichkeit hierauf nicht entscheidend ankommen kann, folgt im Übrigen bereits daraus, dass hierfür - auch im Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung - die typische bzw. eine sich davon ggf. unterscheidende Nutzungsweise des jeweiligen Gewerbebetriebs und nicht nur dessen Immissionsverträglichkeit maßgebend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 64.79 -, a.a.O.); insbesondere kann nicht entscheidend sein, ob ein störungsempfindlicher, nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb im Einzelfall tatsächlich keinen die maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte überschreitenden Immissionen ausgesetzt ist (vgl. zum umgekehrten Fall eines störenden Betriebs BVerwG, Urt. v. 21.03.2002, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Kläger folgt auch für das hier in Rede stehende konkrete Industriegebiet nichts anderes, da dessen allgemeine Zweckbestimmung durch keine differenzierenden Festsetzungen nach § 1 Abs. 4 ff. BauNVO modifiziert ist, welche die Ansiedlung störungsempfindlicher Gewerbebetriebe erleichterten. Vielmehr können nach dem maßgeblichen Bebauungsplan Nr. 614 vom 30.11.1984 Anlagen nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch nicht einmal ausnahmsweise zugelassen werden; dass dies gleichermaßen für alle Industriegebiete der Beklagten gilt, ändert daran nichts. Dass sich aus dem konkreten Standort des Vorhabens anderes ergäbe, geht aus der Antragsbegründung ebenso wenig hervor. Inwiefern ungeachtet der im Urteil getroffenen Feststellungen von einer - etwa von der Rücksichtnahme auf ein benachbartes schutzwürdigeres Baugebiet geprägten - "Randlage" auszugehen wäre, lässt die Antragbegründung nicht erkennen. Die aufgrund der errichteten Gewerbebetriebe entstandene konkrete Eigenart des Industriegebiets ist schließlich, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat (UA, S. 12), für den Gebietscharakter eines Industriegebiets nicht bestimmend (vgl. hierzu Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, BauGB <Okt. 2008> § 1 BauNVO Rn. 10), da sie sich jederzeit ändern kann.

Dass das Verwaltungsgericht in einem weiteren Urteil vom 02.03.2009 - 3 K 484/08 - die Einrichtung eines Bordells in demselben Gebäude für allgemein zulässig angesehen haben mag (vgl. demgegenüber BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, a.a.O.), vermag an der Richtigkeit des vorliegend angefochtenen Urteils von vornherein keine ernstlichen Zweifel zu begründen.

2. Dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufwiese, geht aus der Antragsbegründung ebenso wenig hervor. Hinsichtlich welcher konkreten Rechtsfrage ein besonderer Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils vorläge, zeigt die Antragsbegründung im Übrigen nicht auf. Vielmehr stellt das Verwaltungsgericht im gebotenen Umfang zunächst die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar und wendet diese sodann konsequent auf den vorliegenden Einzelfall an. Einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der durch diese Rechtsprechung überholten abweichenden Entscheidung des beschließenden Gerichtshofs bedurfte es dabei nicht, weshalb sich auch daraus keine besonderen Schwierigkeiten herleiten lassen.

3. Der Rechtssache kommt auch nicht die geltend gemachte "grundsätzliche Bedeutung" zu (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine solche kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine fallübergreifende, bisher noch nicht grundsätzlich geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung in einem Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung geboten erscheint (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 - VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90 <91 f.>; Urt. v. 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 <26>). Soweit die Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig halten,

"ob ein Beherbergungsbetrieb/Hotel in einem Industriegebiet gemäß § 9 BauNVO in der Regel unzulässig und nur dann zulässig ist, wenn das geplante Hotel Besonderheiten aufweist, die es von typischen Beherbergungsbetrieben/Hotels unterscheidet oder aber solange (grundsätzlich) zulässig ist, als er/es zusammen mit anderen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben nicht überwiegt und dadurch den Gebietscharakter verändert",

lässt sich diese Frage bereits durch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere das Urteil vom 29.04.1992 (a.a.O.), im ersteren Sinne bejahen. Dass dieses Urteil die grundsätzliche Zulässigkeit eines Beherbergungsbetriebs in einem Gewerbebetrieb betraf, ändert an der Allgemeingültigkeit der darin enthaltenen Rechtssätze nichts.

4. Auch eine die Zulassung der Berufung rechtfertigende "Abweichung" von einer Entscheidung des beschließenden Gerichtshofs (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor, da das von den Klägern bezeichnete Urteil vom 07.11.1974 (a.a.O.) aufgrund der späteren ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum eingrenzenden Kriterium der Gebietsverträglichkeit überholt ist (vgl. BVerwG, 23.03.2009 - 8 B 2.09 -, GewArch 2009, 796, Beschl. v. 17.04.1991 - 5 B 55.91 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 300).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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