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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 7 S 2426/05
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG


Vorschriften:

VwGO § 188 Satz 2
BSHG § 91a
Betreibt ein Träger der Sozialhilfe nach § 91a BSHG die Feststellung einer Sozialleistung, stellt dies keine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern dar, so dass im gerichtlichen Verfahren die in § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO geregelte Ausnahme von der Gerichtskostenfreiheit nicht eingreift.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

7 S 2426/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausbildungsförderung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 07. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2005 - 10 K 3966/04 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu unten 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; dazu unten 2.) gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Solche ernstlichen Zweifel sind nach der Rechtsprechung des Senats nur dann gegeben, wenn erhebliche Gründe vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts voraussichtlich im Ergebnis fehlerhaft ist. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes müssen die tragenden Rechtssätze oder für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellungen schlüssig in Frage gestellt werden. Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner der Klage stattgebenden Entscheidung ausführlich dargelegt, weshalb die Internatsunterbringung des Beigeladenen in der Pxxxxxxxpflege nicht behinderungsbedingt, sondern rein ausbildungsbedingt war, und auf dieser Grundlage die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 HärteV als erfüllt angesehen. Die Beklagte beschränkt sich darauf, die dargestellte Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Hinblick auf die Ausbildungsbedingtheit der Unterbringung als nicht zutreffend zu bezeichnen. Sie vermag diese Tatsachenfeststellung jedoch nicht schlüssig in Zweifel zu ziehen, weil sie lediglich ein ihr günstiges Ergebnis der Sachverhaltswürdigung an die Stelle des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses setzt. Den von ihr erwähnten Umstand, dass der Beigeladene bereits ein Jahr vor Beginn seiner förderfähigen Ausbildung in der Pxxxxxxxpflege untergebracht war, hat das Verwaltungsgericht gerade als Indiz dafür herangezogen, dass die Unterbringung ausbildungsbezogen ist. Hierauf geht die Beklagte in der Antragsbegründung indessen nicht ein. Ebenso legt die Beklagte nicht schlüssig dar, weshalb die Höhe der monatlichen Kosten der Unterbringung ihrer Ausbildungsbezogenheit entgegenstehe. Der von der Beklagten allein ins Feld geführte Umstand, dass eine Aufschlüsselung der Kosten in behinderungsbedingten und nicht behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht möglich sei, schließt es nicht aus, die Kosten insgesamt als nicht behinderungsbedingt anzusehen. Schließlich vermag das Fehlen einer zwar in der Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz, nicht aber in den hier maßgeblichen Vorschriften des § 14a BAföG und des § 6 HärteV vorausgesetzten Vereinbarung zwischen dem Auszubildenden und dem Vermieter für sich genommen das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis nicht in Zweifel zu ziehen, zumal sich die erwähnte Regelung in der Verwaltungsvorschrift auf die Gewährung von Unterkunftskosten nach § 12 Abs. 3 BAföG bezieht, das Verwaltungsgericht jedoch seine Entscheidung auf die zuletzt genannte Norm nicht gestützt hat.

2. Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht. Die Rechtssache hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Frage des materiellen oder formellen Rechts oder eine Tatsachenfrage aufwirft, die über die Bedeutung für den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist die Tatsachen- oder Rechtsfrage auszuformulieren und substantiiert darzulegen, warum sie klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist und warum sie der Antragsteller für grundsätzlich hält. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten nicht. Die Beklagte weist lediglich auf eine Vielzahl von Verfahren hin, in denen die Abgrenzung von behinderungs- und ausbildungsbedingten Kosten eine Rolle spiele, ohne in diesem Zusammenhang die von ihr für grundsätzlich gehaltene Tatsachen- oder Rechtsfrage auch nur auszuformulieren. Zu Recht hat der Kläger im Übrigen insoweit ausgeführt, dass diese Abgrenzung eine Frage des Einzelfalls und gerade keine grundsätzlich bedeutsame Frage ist. Ebenso hat die Beklagte mit dem Verweis auf unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt, da es an einer Ausformulierung der von den Obergerichten unterschiedlich beurteilten Rechtsfrage sowie an Ausführungen dazu fehlt, warum es auf diese Frage im vorliegenden Verfahren ankommt. Der Umstand, dass auch der Kläger den Rechtsstreit - allerdings aus anderen Gründen als die Beklagte - für grundsätzlich bedeutsam hält, führt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Das Zulassungsverfahren, das eine Angelegenheit der Ausbildungsförderung im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO zum Gegenstand hat, ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei, da es sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern handelt, so dass nicht die Ausnahme des § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO, sondern die Regel des § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO Anwendung findet. Erstattungsstreitigkeiten im Sinne des § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO betreffen Leistungsansprüche, die ein Sozialleistungsträger gegen einen anderen Sozialleistungsträger geltend macht. Sie liegen vor allem in den Fällen der §§ 102 ff. SGB X vor, die sich in dem mit "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander" überschriebenen Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch finden und originäre, nicht aus den Rechtspositionen der Leistungsberechtigten abgeleitete Ansprüche der Sozialleistungsträger darstellen (Böttiger, in; LPK-SGB X, 2004, vor §§ 102-114 Rn. 7). Für die Qualifizierung eines Rechtsstreits als Erstattungsstreitigkeit ist es demgegenüber nicht von entscheidender Bedeutung, ob Kläger und Beklagter eines Rechtsstreits - wie im vorliegenden Fall - Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, denn im Rahmen des § 188 Satz 2 VwGO kommt es allein auf die objektive Zugehörigkeit des Klagebegehrens zu einem der in § 188 Satz 1 VwGO genannten Rechtsgebiete (BVerwG, Urteil vom 28.11.1974 - V C 18.74 -, BVerwGE 47, 233 <238>) an. Ein anderes Verständnis des Begriffs der Erstattungsstreitigkeit folgt auch nicht aus den Gesetzesmaterialien zu § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO. Dort (Bundestagsdrucksache 14/7744, S. 4) heißt es zwar, dass die Vorschrift den Regelungen des § 184 SGG in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 entspreche und dem Umstand Rechnung trage, dass für Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern kein sachlicher Grund für die Freistellung von den Gerichtskosten bestehe. Diese Motive des Gesetzgebers sind jedoch in dem für die Auslegung maßgeblichen Wortlaut des § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO nicht in vollem Umfang umgesetzt worden. Die dort Gesetz gewordene Ausnahme von der Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich gerade nicht auf sämtliche Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern, sondern nur auf einen bestimmten, sachlich abgegrenzten Teil dieser Streitigkeiten. Anders als die in den Gesetzesmaterialien in Bezug genommene Ausnahmeregelung des § 184 SGG knüpft § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO auch nicht an bestimmte Gruppen von Prozessbeteiligten, sondern nur an die Rechtsnatur der Streitsache an.

Ein auf die Feststellung einer Sozialleistung gerichteter Anspruch, wie ihn § 91a BSHG vorsieht, stellt damit keinen Erstattungsanspruch dar, weil der nach dieser Vorschrift die Feststellung betreibende Sozialleistungsträger keinen eigenen Leistungsanspruch, sondern ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht. Er handelt in gesetzlicher Prozessstandschaft für den Leistungsberechtigten, der Inhaber des geltend gemachten Rechts bleibt. § 91a BSHG gibt einem Sozialleistungsträger damit keinen über die §§ 102 bis 105 SGB X hinausgehenden, zusätzlichen Erstattungsanspruch (vgl. zu alledem Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, § 91a Rn. 22; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., 2002, § 91a Rn. 16); vielmehr begehrt der Sozialleistungsträger im Verfahren nach § 91a BSHG die Feststellung eines Sozialleistungsanspruchs als Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs (BVerwG, Urteil vom 07.07.2005 - 5 C 13.03 -, NDV-RD 2005, 112 <113>).

Damit stellt das vorliegende, ausschließlich eine Streitigkeit auf der Grundlage des § 91a BSHG betreffende Zulassungsverfahren keine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 188 Abs. 2 Halbsatz 2 VwGO dar. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Erstattungsstreitigkeit vorliegt, kommt es hier allein auf den Gegenstand des Zulassungsverfahrens an, weil sich die vom Senat zu treffende Kostenentscheidung nur auf dieses Verfahren bezieht. Gegen- stand des Zulassungsverfahrens ist jedoch allein der auf die Bewilligung weiterer Ausbildungsförderung gerichtete und vom Kläger nach § 91a BSHG betriebene Sozialleistungsanspruch, mit dessen Voraussetzungen sich der von der Beklagten gestellte Antrag ausschließlich befasst.

Es besteht kein Anlass, der Beklagten aus Gründen der Billigkeit auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser weder einen Antrag gestellt noch das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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