Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 29.08.2007
Aktenzeichen: 8 S 1892/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78b
Die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO kann nur erfolgen, wenn die Partei nachweist, dass sie keinen zu ihrer Vertretung bereiten Anwalt gefunden hat. Für diesen Nachweis muss die Partei mindestens ihre Bemühungen bei einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden hinreichenden Anzahl von Anwaltskanzleien und die von dort angegebenen Ablehnungsgründe substantiiert darlegen; dies kann beispielsweise durch die Vorlage einer Mehrfertigung der an die Kanzleien gerichteten Schreiben und eventuell vorhandener Ablehnungsschreiben der Kanzleien geschehen. Allein die Angabe der Namen der angeblich kontaktierten Anwälte genügt jedenfalls nicht.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 1892/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rückabwicklung einer Enteignung

hier: Verweisung an das Landgericht Stuttgart

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 29. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2007 - 13 K 2993/07 - wird als unzulässig verworfen.

Die Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesamtschuldnerisch.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die am 27.6.2007 eingelegte Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.6.2007, zugestellt am 14.6.2007, ist unzulässig.

Die Kläger haben sich trotz zutreffender Belehrung im Beschluss des Verwaltungsgerichts bei der Beschwerdeeinlegung nicht durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule i. S. des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO; zum Vertretungszwang bereits bei der Einlegung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.1.2003 - 12 S 2562/02-, VBlBW 2003, 241 = NVwZ 2003, 885). Die von ihnen selbst eingelegte Beschwerde entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 67 Rn. 31). Zwischenzeitlich ist auch die Frist für die Einlegung der Beschwerde durch einen i. S. von § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO postulationsfähigen Bevollmächtigten abgelaufen (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Den Klägern kann auch nicht - wie von ihnen beantragt - ein Notanwalt i. S. von § 173 VwGO i. V. m. § 78b ZPO beigeordnet werden. § 78b Abs. 1 Satz 1 ZPO schreibt vor, dass soweit - wie vorliegend - eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen hat, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (vgl. § 78b Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es kann offen bleiben, ob die Rechtsverfolgung der Kläger nicht mutwillig oder aussichtslos in diesem Sinne erscheint, weil die Kläger jedenfalls nicht den ihnen obliegenden (vgl. BGH, Beschluss vom 27.4.1995 - II ZB 4/95 -, NJW-RR 1995, 1016 m.w.N.) Nachweis geführt haben, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden haben. Hierbei dürfen zwar die Anforderungen an diesen Nachweis nicht überspannt werden. So kann nicht verlangt werden, dass die Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, bei dem es keine Zulassung der Rechtsanwälte zu einem bestimmten Gericht gibt, alle an ihrem Wohnort oder am Sitz des Verwaltungsgerichtshofs tätigen Anwälte ersucht haben, sie in ihrer Angelegenheit zu vertreten. Erforderlich ist jedoch, dass sie zumindest eine gewisse Anzahl von Anwälten nachweisbar vergeblich um die Übernahme ihrer Vertretung gebeten haben (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 78b Rn. 4). Da Vertretungszwang im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht, nicht aber vor den Verwaltungsgerichten besteht, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Kläger darlegen und auch nachweisen, dass gerade für das Verfahren, für das sie die Beiordnung begehren, sich kein vertretungsbereiter Rechtsanwalt hat finden lassen (vgl. zu allem VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.1998 - 1 S 2376/98 -, NVwZ-RR 1999, 280).

Die Kläger haben weder substantiiert dargelegt, noch nachgewiesen, dass sie nach Ergehen des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts mehrere Rechtsanwälte um Vertretung in einem Beschwerdeverfahren ersucht haben. Ihren bereits beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts haben sie damit begründet, dass sie keine Kanzlei hätten finden können, die "die Vertretung der Rechtssache übernehmen würde". Als Nachweis ihrer Bemühungen haben sie lediglich die Namen von sechs Anwälten aus Stuttgart und Esslingen benannt. Bereits mit Schreiben vom 20.8.2007 wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass damit der erforderliche Nachweis i. S. des Gesetzes nicht geführt ist. Ohne dass an dieser Stelle abschließend umschrieben werden müsste, welche Anforderungen die Kläger als Naturpartei für den Nachweis der Vergeblichkeit ihrer Bemühungen vernünftigerweise erfüllen müssen, hätte jedenfalls zumindest erwartet werden können, dass sie ihre Bemühungen belegen durch beispielsweise die Vorlage der an die genannten Kanzleien gerichteten Schreiben in Mehrfertigung und dass sie auch Angaben zu den Ablehnungsgründen machen bzw. gegebenenfalls die Ablehnungsschreiben der Kanzleien beifügen (vgl. Musielak, ZPO, § 78b Rn. 4). Die Kläger leben in einem großstädtischen Ballungsraum mit einer Vielzahl von Anwaltskanzleien, sie verfügen über Telefon und Telefax und besitzen auch, wie die bisherige Verfahrensführung belegt, eine gewisse Geschäftsgewandtheit. Unter diesen Umständen stellt es keine Überforderung der Kläger dar, wenn ihnen im Interesse einer zügigen Förderung ihres Rechtsschutzbegehrens zugemutet wird, die behaupteten Kontakte zu Anwaltskanzleien substantiiert zu belegen. Die Kläger haben jedoch weder dazu, noch zu den Ablehnungsgründen vorgetragen, vielmehr haben sie sich nach dem Hinweis des Senats überhaupt nicht mehr geäußert.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch nicht im Hinblick darauf in Frage, dass die Kläger nach ihrem Vortrag einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht haben finden können. Wenngleich angesichts des gesetzlichen Vertretungszwangs im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren ein Hinderungsgrund für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist auch darin liegen kann, dass innerhalb der Frist kein Prozessbevollmächtigter ausfindig gemacht werden konnte, kann ein derartiger Hinderungsgrund nur dann als unverschuldet i. S. v. § 60 Abs. 1 VwGO gewertet werden, wenn der Rechtssuchende das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um selbst rechtzeitig einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt zu finden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23.3.1987 - 3 B 72.86 -, Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 2, und vom 28.7.1999 - 9 B 333.99 -, DVBl 1999, 1662). Auch dies darzulegen und nachzuweisen obliegt den Klägern, was sie aber - wie ausgeführt - nicht getan haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht Teil der Kosten, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG gilt im Fall der Verweisung nur für die Kosten im "Verfahren vor dem angegangenen Gericht" (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993 - 1 DB 34/92 - NVwZ 1995, 84; a. A. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. § 42 Rn. 45).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG und bemisst sich nach einem Bruchteil des Streitwerts im Hauptsacheverfahren, hier ein Fünftel (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1996 - III ZB105/96 -, NJW 1998, 909).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück