Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 8 S 215/04
Rechtsgebiete: LBO


Vorschriften:

LBO § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
Bei einer als Walmdach ausgeformten Giebelfläche kommen zur Ermittlung der einzuhaltenden Abstandsflächentiefe beide Anrechnungsregeln des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO kumulativ zur Anwendung.
8 S 215/04

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Anfechtung einer Baugenehmigung

hier: Antrag nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Stumpe sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Dr. Christ

am 20. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2003 - 13 K 4681/03 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe:

Die - zulässigen - Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Verstoß des genehmigten Vorhabens der Beigeladenen gegen die Abstandsflächenregelungen des § 5 LBO verneint. Die Auffassung der Antragsteller, auf die Höhe der nördlichen Außenwand, die für die Ermittlung des zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einzuhaltenden Abstandes maßgeblich ist, sei die Höhe des dort vorhandenen Walmdaches zu einem Viertel anzurechnen, woraus eine zu geringe Abstandsflächentiefe folge, trifft nicht zu. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:

Nach § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 LBO wird die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45° zu einem Viertel auf die Wandhöhe angerechnet. Diese Regelung findet - wie die Antragsteller zu Recht hervorheben - auch auf das vorliegend streitige Walmdach Anwendung, weil dieses eine Neigung von 63° aufweist. Die Antragsteller verkennen aber, dass dieser Walm zugleich die in § 5 Abs. 5 S. 2 LBO definierte Giebelfläche der Nordfassade des genehmigten Wohnhauses darstellt. In einem zweiten Schritt kommt deshalb zusätzlich die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 LBO zur Anwendung (Sauter, LBO, § 5 RdNr. 78 und insbesondere Abbildung 17; OVG NW, Beschluss vom 31.1.1994 - 10 B 1414/93 - BRS 56 Nr. 97, S. 272). Danach wäre die so ermittelte Höhe der als Walmdach ausgebildeten Giebelfläche nur dann auf die Wandhöhe anzurechnen, wenn eine der sie begrenzenden Dachflächen, also der Ortgänge der West- und Ostdächer des geplanten Wohnhauses, eine Neigung von mehr als 45° aufwiese. Der Neigungswinkel der Dächer beträgt aber nur 35°; eine Anrechnung der Höhe des Walmdachs findet damit nicht statt. Die geplante Abstandsflächentiefe von 2,92 m ist deshalb nicht zu beanstanden.

Daraus folgt zugleich, dass die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19.2.2004 "hilfsweise" zugelassene Abweichung nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO ins Leere geht. Im Übrigen bemerkt der Senat hierzu, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht gegeben sind. Denn nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteile des Senats vom 8.11.1999 - 8 S 1668/99 - BRS 62 Nr. 94 und vom 27.10.2000 - 8 S 445/00 - VBlBW 2001, 144; Beschluss des 3. Senats vom 13.6.2003 - 3 S 938/03 - BauR 2003, 1549; Urteil des 5. Senats vom 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201) ist bei der Prüfung der Frage, ob nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt werden, von der normativen Wertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 S. 3 LBO nachbarschützenden Teil unterschreitende Tiefe der Abstandsfläche regelmäßig zu einer erheblichen und damit nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des betreffenden Nachbarn führt, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Eine hiervon abweichende Beurteilung ist nur gerechtfertigt, wenn auf dem betroffenen Nachbargrundstück besondere Umstände vorliegen, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen. Derartige Besonderheiten sind für das Nachbargrundstück der Antragsteller - nur auf dieses und nicht (auch) auf das Baugrundstück der Beigeladenen ist abzustellen - nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 und 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 S. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück