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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: 8 S 2273/04
Rechtsgebiete: LBO


Vorschriften:

LBO § 55 Abs. 2 Satz 1
LBO § 55 Abs. 2 Satz 2
Mit Ablauf der Einwendungsfrist verliert der Angrenzer seine Abwehrrechte gegen das konkret beantragte Bauvorhaben endgültig; er kann daher auch im Falle einer wiederholten Angrenzerbenachrichtigung innerhalb der neu eröffneten Einwendungsfrist nur noch insoweit Einwendungen erheben, als die Änderung des Bauantrags zusätzliche oder andersartige Beeinträchtigungen zur Folge hat (Fortführung der Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 1.4.1998 - 8 S 722/98 -, VBlBW 1998, 464).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 2273/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Stumpe sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Dr. Christ

am 20. Oktober 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. September 2004 - 11 K 3331/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO) ergibt, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10.5.2004 zu Recht abgelehnt hat.

Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats angenommen, dass die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen das Vorhaben des Beigeladenen innerhalb der Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO nicht hinreichend substantiiert habe, weil sie im Schreiben vom 27.2.2004 nur "Widerspruch gegen das Baugesuch" erhoben habe, ohne die von ihr befürchteten Beeinträchtigungen in irgendeiner Weise zu "thematisieren" (vgl. Beschl. d. Senats vom 1.4.1998 - 8 S 772/98 -, NVwZ 1998, 986; vgl. auch Sauter, LBO, § 55 Rn. 27 b). Die Antragstellerin meint nun, sie habe ihre Einwendungen nicht weiter konkretisieren müssen, weil sie bereits in ihrer Antragsbegründung im anhängigen Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan "Reute" (Verfahren 8 S 2799/03) enthalten seien. Dem vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, weil im Schreiben vom 27.2.2004 noch nicht einmal pauschal Bezug auf das Vorbringen im Normenkontrollverfahren genommen wird. Davon abgesehen ist die zuständige Baurechtsbehörde - das Landratsamt Rems-Murr-Kreis - hier nicht Beteiligte im Normenkontrollverfahren; es kann daher nicht unterstellt werden, dass sie die Antragsbegründung kennt. Noch weniger kann dies für den beigeladenen Vorhabenträger angenommen werden. Die Obliegenheit, zur Vermeidung eines Einwendungsausschlusses die befürchteten Beeinträchtigungen wenigstens grob darzulegen, soll jedoch auch gewährleisten, dass dem Vorhabenträger eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über das weitere Vorgehen zur Verfügung steht. Im Übrigen lassen sich die Einwendungen gegen das konkrete Bauvorhaben hier auch nicht ohne Weiteres der Antragsbegründung im Normenkontrollverfahren entnehmen. In diesem Verfahren geht es nicht nur um den im Baugenehmigungsverfahren geltend gemachten Konflikt zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und geplanter Wohnbebauung; außerdem setzt der Bebauungsplan "Reute" eine Vielzahl von Baufenstern fest und das gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans gerichtete Vorbringen der Antragstellerin betrifft mehrere ihr gehörende, innerhalb und außerhalb des Plangebiets verstreut liegende landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Es ist danach nicht so, dass das Vorbringen zur Unverträglichkeit der Nutzungen gerade auch auf das hier in Rede stehende Baufenster zugespitzt ist. Im Gegenteil rügt die Antragstellerin im Normenkontrollverfahren in Bezug auf ihr unmittelbar neben dem Baugrundstück liegendes Grundstück Flst.Nr. 239 eine fehlerhafte Abgrenzung des Plangebiets. Die Hofstelle und die für den Obstbau genutzten Grundstücke Flst.Nrn. 3719/1 und 3718, von denen nach Auffassung der Antragstellerin erhebliche landwirtschaftliche Immissionen ausgehen sollen, befinden sich hingegen in einiger Entfernung zum Grundstück des Beigeladenen. Im Einwendungsschreiben hätte daher konkret dargelegt werden müssen, welche Teile der Antragsbegründung im Normenkontrollverfahren auf das konkrete Bauvorhaben bezogen werden. Eine unzumutbare, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbare Überdehnung der Anforderungen des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO kann darin nicht gesehen werden.

Das Verwaltungsgericht hat ferner angenommen, der Einwendungsausschluss, der mit Ablauf der durch die erste Angrenzeranhörung vom 19.2.2004 in Gang gesetzten Zwei-Wochen-Frist eingetreten sei, bestehe auch nach der Änderung des Baugesuchs vom 28.2.2004 und der erneuten Angrenzeranhörung vom 2.3.2004 fort; die Änderung löse keine zusätzlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin aus, gegen welche diese sich noch hätte wenden können. Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Auffassung, das Gesetz enthalte keine Regelung, dass im Falle einer wiederholten Angrenzeranhörung Einwendungen nur noch im Hinblick auf zusätzliche Beeinträchtigungen infolge der Änderung des Baugesuchs geltend gemacht werden könnten; daher könnten innerhalb der erneut in Gang gesetzten Zwei-Wochen-Frist wiederum sämtliche Einwendungen erhoben werden. Diese Rüge dringt nicht durch. Der Senat hat im Beschluss vom 1.4.1998 (a.a.O.) bereits entschieden, dass der mit dem Verstreichen der Einwendungsfrist verbundene Verlust der Abwehrrechte gegen das Vorhaben nur insoweit nicht greift, als die Änderung des Bauantrags zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belange des Angrenzers führt. Der auf das konkret beantragte Vorhaben bezogene endgültige Verlust der Abwehrrechte tritt also mit anderen Worten mit Ablauf der Einwendungsfrist kraft Gesetzes ein, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend verwiesen hat. Die Erteilung einer erneuten Angrenzerbenachrichtigung vermag an dieser kraft Gesetzes eingetretenen Wirkung nichts zu ändern. Diese Auslegung steht in Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes; denn gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO tritt die materielle Präklusion zwingend mit Fristablauf ein und bestimmt sich in ihrer Reichweite nach dem konkreten Bauantrag, der dem Angrenzer zugestellt wurde. Dies entspricht auch dem Zweck der materiellen Präklusion, dem Vorhabenträger Planungssicherheit zu gewähren. Auch hierauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. Vom betroffenen Nachbarn wird insoweit nichts Unzumutbares verlangt, weil sich der Einwendungsausschluss nicht auf den Angrenzer zusätzlich beeinträchtigende Änderungen des Bauantrags erstreckt. Vorliegend ist ausgeschlossen, dass die mit Schreiben vom 15.3.2004 erstmals erhobenen Einwendungen - Nutzungskonflikte infolge landwirtschaftliche Immissionen - in irgendeinem Zusammenhang mit der Änderung des Baugesuchs - Absenkung des Firsts von 8,90 m auf 8,50 m - stehen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 4, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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