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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.05.2003
Aktenzeichen: 8 S 783/03
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 12
BauGB § 30 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1
§ 15 Abs. 1 BauNVO findet auf vorhabenbezogene Bebauungspläne zumindest entsprechende Anwendung. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Vorschrift eine Nach- oder Feinsteuerung im Baugenehmigungsverfahren nur insoweit ermöglicht, als der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält. Der Anwendung des § 15 BauNVO auf vorhabenbezogene Bebauungspläne werden naturgemäß enge Grenzen gesetzt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 783/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Baugenehmigung

hier: Antrag nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger

am 5. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. März 2003 - 16 K 5060/02 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerden sind begründet. Anders als das Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass der Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich nicht zur Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung führen wird. Zwar bestehen auch nach Ansicht des Senats Zweifel an der Vereinbarkeit der Baugenehmigung mit den Rechten des Antragstellers, soweit die Genehmigung die Nutzung der Tiefgarage in der Zeit ab 22.00 Uhr betrifft. Eine mögliche Verletzung der Rechte des Antragstellers in dieser Hinsicht kann jedoch durch die Aufnahme zusätzlicher Auflagen in die Baugenehmigung behoben werden, die die Nutzung der Tiefgarage in dieser Zeit zusätzlich beschränken. Der Senat sieht deshalb darin keinen Grund, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen und die Beigeladene so an einer sofortigen Aufnahme der Bauarbeiten zu hindern. 1. Das Verwaltungsgericht hält die auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 BauGB erteilte Baugenehmigung für rechtswidrig, da der begrenzte zeitliche Rahmen, innerhalb dessen diese Vorschrift angewendet werden dürfe, im vorliegenden Fall überschritten worden sei. Es bezieht sich dafür auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.8.2002 - 4 C 5.01 - NVwZ 2003, 86, das jedoch einen in wesentlicher Hinsicht anderen Sachverhalt zum Gegenstand hat. In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte der planende Zweckverband den künftigen Bebauungsplan bereits als Satzung beschlossen, gleichwohl aber davon abgesehen, das Verfahren durch öffentliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses zum Abschluss zu bringen, da er den Ausgang des bereits anhängigen Revisionsverfahrens abwarten wollte. In diesem Verhalten hat das Bundesverwaltungsgericht einen Missbrauch des § 33 BauGB gesehen, da das Interesse des Planungsträgers, Klarheit über die Rechtslage zu erlangen, es nicht rechtfertige, ein abschlussreifes Bebauungsplanverfahren offen zu halten. Der vorliegende Fall ist anders gelagert, da die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts den Bebauungsplan noch nicht als Satzung beschlossen, sondern erst das Verfahren zur Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange durchgeführt hatte. Ob der Umstand, dass nach der Auslegung des Planentwurfs ein mehrmonatiger Stillstand im Verfahren eingetreten ist, es rechtfertigt, von einer Überschreitung des nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Anwendung des § 33 BauGB zu beachtenden zeitlichen Rahmens zu sprechen, erscheint in Anbetracht der sonstigen Dauer von Bebauungsplanverfahren sowie der Belastung des Gemeinderats der Antragsgegnerin mit einer Vielzahl anderer Verfahren und sonstiger Angelegenheiten fraglich. Da das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin keine Gelegenheit gegeben hat, zu dem Vorwurf des Antragstellers, das Bebauungsplanverfahren werde nicht weiter betrieben, Stellung zu nehmen, ist ihm im Übrigen verborgen geblieben, dass das Städtebaureferat der Antragsgegnerin bereits vor seiner Entscheidung, nämlich am 11.3.2003, eine Beschlussvorlage in dem in Rede stehenden Bebauungsplanverfahren angefertigt hat, die ebenfalls noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in den Ausschuss für Umwelt und Technik eingebracht wurde.

2. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht auf Grund der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Umstände von der Nichtanwendbarkeit des § 33 BauGB ausgehen durfte, bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, da die Antragsgegnerin den umstrittenen Bebauungsplan "Heidehofstraße/Straußweg" inzwischen als Satzung beschlossen und durch öffentliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses in Kraft gesetzt hat. Für eine Nichtigkeit des Bebauungsplans vermag der Senat anders als der Antragsteller nichts zu erkennen. Die genannte Frage hat sich damit erledigt.

a) Nach Ansicht des Antragstellers verstößt der Bebauungsplan gegen den Grundsatz der Trennung unverträglicher Nutzungen, da er aus dem vorhandenen, ausschließlich mit villenartigen Einfamilienhäusern bebauten Baugebiet ein Grundstück herausschneide und dort eine Nutzung zulasse, die weder in einem reinen noch in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei. Dieser Vorwurf besteht zu Unrecht. Der umstrittene Bebauungsplan erfasst ein großes, mit Ausnahme einer denkmalgeschützten Villa unbebautes Grundstück, das auf Grund seiner Ausdehnung und seines parkartigen Charakters schon bisher eine Sonderstellung innerhalb seiner Umgebung eingenommen hat. Von einem, wie der Antragsteller meint, willkürlichen Herausschneiden eines einzelnen Grundstücks kann deshalb keine Rede sein. Zwischen der das Grundstück umgebenden reinen Wohnbebauung und der von dem Bebauungsplan zugelassenen Errichtung eines "Gebäudes für Weiterbildung" besteht auch kein so großer Gegensatz, dass von miteinander unverträglichen Nutzungen gesprochen werden könnte. Durch die Nutzung des Gebäudes selbst werden die umliegenden Wohnhäuser vielmehr allenfalls geringfügig gestört. Etwas anderes wird auch vom Antragsteller nicht behauptet. Problematisch kann allein die Bewältigung des von dem Vorhaben ausgelösten Zu- und Abfahrtsverkehrs sein. Auch insoweit sind jedoch keine Störungen zu erwarten, die nicht durch eine entsprechende Ausgestaltung der Tiefgaragenzufahrt, organisatorische Vorkehrungen bei der Abwicklung der Ein- und Ausfahrt sowie nächtliche Nutzungsbeschränkungen auf ein der Nachbarschaft zumutbares Maß herabgesetzt werden können. Durch den Bebauungsplan werden daher keine städtebaulichen Konflikte geschaffen, die nicht im Baugenehmigungsverfahren gelöst werden können.

Zur Beantwortung der Frage, welche Lärmimmissionen von dem geplanten Vorhaben auf die benachbarte Wohnbebauung ausgehen, hat die Beigeladene das Ingenieurbüro xxxxxx und Partner mit einer schalltechnischen Untersuchung beauftragt. Nach dem Ergebnis der vom 29.4.2002 stammenden Gutachten sind an den insgesamt acht untersuchten Immissionspunkten, mit denen die dem geplanten Gebäude und der Tiefgaragenzufahrt nächst gelegenen Wohnhäuser erfasst werden, in der Zeit von 07.00 Uhr bis 23.00 Uhr Beurteilungspegel zwischen 36 und 48 dB(A) zu erwarten, die somit sämtlich unter dem in der TA Lärm für ein reines Wohngebiet genannten Immissionsrichtwert von 50 dB(A) liegen. Das das gesamte Verfahren aufmerksam verfolgende Gewerbeaufsichtsamt Stuttgart bezeichnet das Gutachten in seiner Stellungnahme vom 5.6.2002 als plausibel. Der Senat sieht daher auch mit Rücksicht auf das von dem Antragsteller eingeholte Gegengutachten des Ingenieurbüros Genest und Partner keinen Anlass, die Ergebnisse dieser Untersuchung in Zweifel zu ziehen.

Das genannte Gegengutachten untersucht die - im Gutachten xxxxxx und Partner mit IO 2 und IO 4 bezeichneten - Wohnhäuser Heidehofstr. xx und xx, für die es während der Tageszeit Beurteilungspegel von 49 bzw. 53 dB(A) errechnet. Bezogen auf das zuletzt genannte Gebäude kommt es somit zu einer Überschreitung des nach der TA Lärm für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerts. Das Gutachten xxxxxx und Partner ist jedoch erheblichen methodischen Bedenken ausgesetzt. Von dem Gutachter der Beigeladenen wird in seiner Stellungnahme vom 13.1.2003 in erster Linie beanstandet, dass in dem Gutachten ein zu hoher Schallleistungspegel bei der Ein- und Ausfahrt zugrunde gelegt wird. Was die Einfahrt betrifft, wird dies damit begründet, dass die Autos unmittelbar von der Heidehofstraße in den Tunnel einfahren und unter Ausnutzung des Gefälles in die Tiefgarage gelangen könnten, so dass die hierfür angesetzten Schallleistungspegel von 94 bzw. 99 dB(A) völlig überzogen seien, da hierbei allenfalls Leerlauf- und Rollgeräusche entstünden. In Bezug auf die Ausfahrt wird ausgeführt, dass Fahrzeuge, die die Tiefgarage verließen, unmittelbar auf die Heidehofstraße weiterfahren könnten, sofern dort in diesem Moment kein Verkehr stattfinde. Im anderen Fall werde durch das die Heidehofstraße befahrende Fahrzeug eine Vorbelastung verursacht, so dass das ausfahrende Fahrzeug nicht auffalle und nicht beurteilt werden könne. In der Stellungnahme des Gutachters der Beigeladenen wird ferner darauf hingewiesen, dass sich die als Eingangskontrolle dienende Schranke erst am Ende der Rampe in der Tiefgarage selbst befinde, so dass die im Gegengutachten angesetzte Wartezeit von 20 Sekunden bei der Ein- und Ausfahrt oben an der Heidehofstraße nicht entstehe.

Der Senat hält diese Kritik an dem Gutachten des Antragstellers für schlüssig. Die Gegenäußerung des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 12.3.2003 ist nicht geeignet, die einzelnen Beanstandungen zu widerlegen. Die vom Antragsteller genannte Möglichkeit, dass Fahrzeuge bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage am Ende der Rampe wegen des Verkehrs auf der Heidehofstraße zunächst anhalten müssen, wird in der Stellungnahme des Gutachters des Beigeladenen ausdrücklich zugestanden, jedoch als nicht bedeutsam angesehen, da das Geräusch des im Leerlauf wartenden Fahrzeugs von dem des die Heidehofstraße befahrenden Fahrzeugs überlagert werde. Auf dieses Argument geht der Antragsteller in seiner Äußerung nicht ein. Soweit er ferner meint, dass die Beigeladene am Anfang der Rampe ein Tor anbringen werde, das auch dann ab und zu geschlossen sein werde, wenn die Tiefgarage in Betrieb sei, handelt es sich um bloße Spekulationen. Selbst wenn die Beigeladene tatsächlich die Absicht haben sollte, am Beginn der Tiefgaragezufahrt ein Tor anzubringen, spricht jedenfalls nichts für die Vermutung, dass dieses Tor auch zu üblichen Betriebszeiten der Tiefgarage geschlossen sein könnte.

b) Der Bebauungsplan dürfte auch nicht gegen § 8 Abs. 2 BauGB verstoßen, wonach Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden müssen. Der geltende Flächennutzungsplan stellt den maßgebenden Bereich als Wohnbaufläche und "sonstige Grünfläche" dar. Durch die Zulassung eines Gebäudes für die firmeninterne Weiterbildung dürfte diese Grundkonzeption nicht verlassen werden. Dafür spricht insbesondere, dass nach § 4 Abs. 3 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet auch nicht störende Gewerbebetriebe sowie Anlagen für Verwaltung zugelassen werden können. Die Frage kann jedoch letztlich offen bleiben, da nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB Verstöße gegen § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB nur dann zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen, wenn dadurch die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt dies davon ab, ob der Flächennutzungsplan seine Bedeutung als kommunales Steuerungsinstrument der städtebaulichen Entwicklung "im großen und ganzen" behalten oder verloren hat (BVerwG, Urt. v. 26.2.1999 - 4 CN 6.98 - NVwZ 2000, 197 = PBauE § 8 BauGB Nr. 9a). Eine Beeinträchtigung der sich aus dem Flächennutzungsplan ergebenden geordneten städtebauliche Entwicklung durch den in Rede stehenden Bebauungsplan scheidet danach offensichtlich aus. c) Der weitere Einwand, mit dem der Antragsteller geltend macht, dass der Bebauungsplan wegen der Bindung der Antragsgegnerin an den mit der Beigeladenen geschlossenen Durchführungsvertrag gegen das Abwägungsgebot verstoße, ist unverständlich. Denn nach § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB ist gerade Voraussetzung für den Beschluss eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans, dass die Gemeinde mit dem Vorhabenträger zuvor einen Vertrag abgeschlossen hat, in dem sich dieser auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung des Vorhabens innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten verpflichtet hat. Durch den mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag wird im Übrigen keine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründet, einen Bebauungsplan mit dem in Aussicht genommenen Inhalt zu beschließen. Mit dem Abschluss des Vertrags geht daher keine unzulässige Vorabbindung in Bezug auf die von ihr vorzunehmende Abwägung einher.

3. Nach § 30 Abs. 2 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Dass das Vorhaben der Beigeladenen diese Bedingungen erfüllt, steht außer Streit.

Ob die angefochtene Baugenehmigung auch mit § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO uneingeschränkt vereinbar ist, hält der Senat dagegen für fraglich. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt sind. Die Regelung dient der Ergänzung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen und führt insoweit zu einer Verengung, als sie die Zulässigkeit von Vorhaben gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans im Einzelfall einschränken kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343 = PBauE § 31 BauGB Nr. 5). Sie bewirkt zugleich, dass ein Bebauungsplan nicht schon deshalb als unwirksam angesehen werden muss, weil er selbst noch keine Lösung für bestimmte Konfliktsituationen enthält (BVerwG, Beschl. v. 6.3.1989 - 4 NB 8.89 - NVwZ 1989, 960 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 10). In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Ansicht, dass diese Vorschrift auf vorhabenbezogene Bebauungspläne zumindest entsprechende Anwendung findet, auch wenn diese - jedenfalls typischerweise - kein Baugebiet im Sinn des §§ 2 bis 11 BauNVO festsetzen, sondern nur die Zulässigkeit eines bestimmten Einzelvorhabens bestimmen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass § 15 BauNVO eine "Nachsteuerung" im Baugenehmigungsverfahren nur insoweit ermöglicht, als der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält. Eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren setzt mithin voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist (BVerwG, Beschl. v. 6.3.1989, a.a.O.). Das lässt der Anwendung des § 15 BauNVO auf vorhabenbezogene Bebauungspläne naturgemäß nur wenig Spielraum. Gleichwohl sind aber auch derartige Bebauungspläne einer Nach- oder Feinsteuerung im Baugenehmigungsverfahren nicht gänzlich entzogen. Dies wird gerade durch den vorliegenden Fall verdeutlicht, in dem es um die von einer Tiefgarage verursachten Lärmimmissionen geht, deren Ausmaß u. a. davon abhängt, zu welchen Zeiten die Tiefgarage benutzt wird und wie sich die Ein- und Ausfahrt organisatorisch vollzieht. Regelungen darüber können auch in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht getroffen werden und müssen daher dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten werden.

Nach dem bereits erwähnten Gutachten xxxxxx und Partner vom 29.4.2002 ist davon auszugehen, dass der von einer Benutzung der Tiefgarage in der Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr verursachte Lärm den in der TA Lärm für ein reines Wohngebiet festgesetzten (Tages-) Immissionsgrenzwert von 50 dB(A) nicht überschreitet, was bedeutet, dass von der Tiefgarage in dieser Zeit keine Belästigungen oder Störungen verursacht werden, die in der - nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten einem solchen Wohngebiet entsprechenden - Umgebung unzumutbar sind. Ob das Gleiche auch für die Zeit nach 22.00 Uhr gilt, erscheint dagegen fraglich. Nach der dem Bauantrag der Beigeladene beiliegenden Nutzungsbeschreibung sollen in dem geplanten Gebäude für die Weiterbildung über die sich an den Büroarbeitszeiten orientierenden Seminarveranstaltungen auch Veranstaltungen mit mehr als 40 Teilnehmern stattfinden, die bis 22.30 Uhr dauern könnten. In die Betrachtung ist dementsprechend einzubeziehen, dass in der Zeit von 22.00 bis 23.00 Uhr aus der Tiefgarage bis zu 82 Fahrzeuge ausfahren, wie dies auch im Gutachten xxxxxx und Partner vom 29.4.2002 geschieht. Da nach dem Gutachten in der Nachtzeit nicht mehr als 15 Fahrzeugbewegungen stattfinden dürfen, um die Bedingungen der TA Lärm einzuhalten, ist davon auszugehen, dass sich bei einer bis 22.30 Uhr stattfindenden Veranstaltung für die Zeit von 22.00 bis 23.00 Uhr eine deutliche Überschreitung des in der TA Lärm für ein reines Wohngebiet festgesetzten Immissionsgrenzwert von nachts 35 dB(A) errechnet. Der Gutachter hält das Vorhaben gleichwohl auch insoweit für mit der TA Lärm konform, da diese es zulässt, die - an sich auf die Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr festgelegte - Nachtzeit um bis zu einer Stunde hinauszuschieben oder vorzuverlegen, soweit dies wegen der besonderen örtlichen oder wegen zwingender betrieblicher Verhältnisse unter Berücksichtigung des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen erforderlich ist. Die Antragsgegnerin hat dies gebilligt, ohne allerdings in der Begründung der Baugenehmigung darzulegen, welche besonderen örtlichen oder betrieblichen Verhältnisse diese Entscheidung aus ihrer Sicht erforderlich machen. Dafür, dass es wegen der besonderen örtlichen oder wegen zwingender betrieblicher Verhältnisse erforderlich ist, die Nachtzeit um eine Stunde hinauszuschieben, ist für den Senat auch sonst bisher nichts zu erkennen. Die Beigeladene mag ein Interesse haben, die abendlichen Veranstaltungen bis 22.30 Uhr ausdehnen zu können. Dass es dafür zwingende betriebliche Erfordernisse gibt, wird jedoch selbst von ihr nicht behauptet. Nach ihrer Ansicht ist die Anwendung der entsprechenden Bestimmung in Ziff. 6.4 Abs. 2 TA Lärm vielmehr durch das Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse gerechtfertigt, die sie darin sieht, dass sich ihr Grundstück im innerstädtischen Bereich befinde, der auf Grund des allgemeinen Straßenverkehrs regelmäßig bis nach 23.00 Uhr belastet sei. Die Richtigkeit dieser Darstellung dürfte vom Antragsteller zu Recht bestritten werden. Da es sich bei der Heidehofstraße in dem betreffenden Abschnitt um eine reine Anliegerstraße handelt, von der ausschließlich Wohngrundstücke erschlossen werden, dürfte jedenfalls in der Zeit nach 22.00 Uhr kaum noch ein erheblicher Kraftfahrzeugverkehr stattfinden. Unabhängig davon lässt sich bezweifeln, ob allein der Umstand, dass eine Straße auch noch nach 22.00 Uhr in stärkerem Maße befahren wird, es rechtfertigt, von besonderen örtlichen Verhältnissen zu sprechen, die ein Hinausschieben der Nachtzeit erfordern. Soweit die Beigeladene ferner darauf hinweist, dass eine achtstündige Nachtruhe für die Nachbarschaft garantiert werden könne, ist ihr entgegen zu halten, dass es sich hierbei um eine zusätzliche Forderung in Ziff. 6.4 Abs. 2 TA Lärm handelt, deren Beachtung zur Begründung besonderer örtlicher Verhältnisse ebenfalls ungeeignet sein dürfte.

Gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung bestehen demnach insoweit Bedenken, als sie die Nutzung der Tiefgarage auch in der Zeit von 22.00 bis 23.00 Uhr betrifft. Die Widerspruchsbehörde wird daher zu prüfen haben, ob die von der Antragsgegnerin in die Baugenehmigung aufgenommenen Auflagen genügen, um dem Antragsteller unzumutbare Lärmimmissionen durch die Tiefgarage ausschließen zu können, oder ob es dazu der Anordnung einer zusätzlichen Nutzungsbeschränkung in der Zeit nach 22.00 Uhr bedarf. Die nach den gemachten Ausführungen ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit, dass der Widerspruch des Antragstellers zu einer Ergänzung der Baugenehmigung durch eine derartige Anordnung führen wird, macht es jedoch nicht erforderlich, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die im Übrigen voraussichtlich nicht zu beanstandende Baugenehmigung anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 S. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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