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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.02.2004
Aktenzeichen: 9 S 2075/02
Rechtsgebiete: GG, ÄAPPO


Vorschriften:

GG Art. 12
ÄAPPO § 14
1. Eine im Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple-Choice-Verfahren) im zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung gestellte Frage ist nicht deshalb unlösbar und als fehlerhaft bei der Ermittlung der Prüfungsnote zu eliminieren, weil es außer der als richtig festgesetzten Antwort außerhalb der vorgegebenen Antwortalternativen eine weitere richtige Lösung gibt.

2. Die vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen unter fünf Antwortmöglichkeiten als richtig festgesetzte Lösung ist nicht zu beanstanden, wenn sie im Zeitpunkt der Prüfung gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum veröffentlicht und den Kandidaten des entsprechenden Prüfungsabschnitts im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren, und die vier anderen Antwortmöglichkeiten die Frage falsch beantworten.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 2075/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen ärztlicher Prüfung

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und Gaber auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2002 - 10 K 2536/01 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Notenverbesserung im Zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung, die im Antwort-Wahl-Verfahren durchgeführt wird.

Der 1973 geborene Kläger unterzog sich vom 21.08. bis 25.08.2000 in Tübingen dem schriftlichen Teil des Zweiten Abschnittes der ärztlichen Prüfung, den er mit der Note "ausreichend" bestand.

Am 13.09.2000 erteilte ihm das Regierungspräsidium Stuttgart ein Zeugnis über diese ärztliche Prüfung des Inhalts, dass er den schriftlichen Teil mit ausreichend, den mündlichen Teil mit befriedigend abgelegt hat und setzte als Gesamtnote "ausreichend (3.66)" fest. Die dem Zeugnis beigegebene Ergebnismitteilung weist als Anzahl der gewerteten Fragen 573, als vom Kläger richtig beantwortete 400 und als Bestehensgrenze 344 zutreffend beantwortete Fragen aus. Tatsächlich gestellt worden waren insgesamt 580 Fragen, wovon das beigeladene Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) sieben als fehlerhaft nicht in die Anzahl der gewerteten Fragen eingerechnet hat.

Mit seinem am 04.04.2001 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend die Frage B 180 vom dritten Prüfungstag (im folgenden B 180/3) sei fehlerhaft gestellt worden und dürfe nicht gewertet werden. Da er andererseits von den sieben nicht gewerteten Fragen vier richtig beantwortet habe, habe er die Notengrenze zur Notenstufe "befriedigend" erreicht.

Frage B 180/3 lautet wie folgt:

Ein 14-jähriger Schüler klagt über belastungsabhängige Knieschmerzen; Sie finden eine freie Gelenkbeweglichkeit, keinen Erguss, stabile Bandverhältnisse und keine positiven Meniskuszeichen. Im Stehen zeigt sich ein Genu valgum von ca. 7°.

Aufgrund des Röntgenbildes (siehe Abbildung Nr. 19 der Bildbeilage) empfehlen Sie:

(A) Szintigraphie zum Ausschluss von Metastasen

(B) arthroskopische Biopsie zur histologischen Untersuchung

(C) Arthroskopie, eventuell retrograde Anbohrung

(D) varisierende hohe Tibiaosteotomie

(E) Ruhigstellung im Oberschenkelliegegips für 12 Wochen

Der Kläger hatte diese Frage mit (B) beantwortet; richtig ist nach Ansicht des beigeladenen IMPP die Antwort (C).

Mit Bescheid vom 28.05.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück mit der Begründung, dem Kläger fehle zur Erreichung der Note "befriedigend" eine richtige Antwort. Die Frage B 180/3 sei von ihm falsch beantwortet worden. Die vom Beigeladenen für richtig erachtete Lösung sei zutreffend. Ob, wie vom Kläger nunmehr vorgetragen, auch eine Untersuchung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) vertretbar sei, könne dahinstehen, da eine entsprechende Antwortalternative nicht vorhanden gewesen sei.

Am 27.06.2001 hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens Klage erhoben mit den Antrag, den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 13.09.2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28.05.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm ein Zeugnis über das Bestehen des Zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im August 2000 mit der Note "befriedigend" auszuhändigen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid bzw. die im Verwaltungsverfahren abgegebene Stellungnahme Klageabweisung beantragt.

Mit Urteil vom 26.07.2002 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 13.09.2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28.05.2001 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger ein Zeugnis über das Bestehen der ärztlichen Prüfung im August 2000 mit der Note "befriedigend" auszuhändigen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die vom Kläger erbrachten Prüfungsleistungen müssten mit der Note "befriedigend (3,0)" bewertet werden. Die Prüfungsfrage B 180/3 sei unlösbar und leide an einem zu ihrer Eliminierung führenden Fehler. Die Frage erfülle deshalb die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen nicht, weil es neben den vorgegebenen Antwortalternativen eine weitere Antwortmöglichkeit gebe, die im Verhältnis zu der amtlich für richtig angesehenen Antwortvariante (C) mindestens ebenso gut vertretbar sei. Die Auswertung der von den Beteiligten vorgelegten Literaturfundstellen ergebe, dass die gestellte Frage mit der Antwort "Magnetresonanztomographie" zumindest in gleicher Weise vertretbar beantwortet wäre, wie mit dem Vorschlag einer Arthroskopie mit eventueller retrograder Anbohrung (Antwortalternative C). Bestehe außerhalb des vorgegebenen Antwortrahmens eine weitere, wohl sogar besser vertretbare Antwortmöglichkeit, so führe dies zur Unbeantwortbarkeit der Prüfungsfrage und damit zu ihrer Eliminierung. Existiere neben der von dem Beigeladenen für richtig erachteten Antwort eine weitere Lösung, die der Kandidat nicht wählen könne, da sie im Antwortangebot nicht enthalten sei, entstehe bei ihm eine Irritation, die derjenigen entspreche, die bei Vorhandensein von zwei vertretbaren Antwortmöglichkeiten innerhalb des Antwortangebots auftrete. Für letztere Konstellation sei in der Rechtsprechung entschieden, dass ein Abwägungsprozess zwischen mehreren als vertretbar erkannten Antwortmöglichkeiten mit dem Ziel, die eher zutreffende Antwortalternative herauszufinden, unter den zeitlichen Bedingungen der ärztlichen Vorprüfung, in der ca. 90 Sekunden zur Beantwortung einer Aufgabe zur Verfügung stehe, nicht zu leisten sei. Ebenso wenig könne dem Kandidaten zugemutet werden, eine ihm bekannte, aber nicht genannte Lösung gleichsam auszublenden und lediglich unter den angegebenen Antwortalternativen die am ehesten zutreffende Möglichkeit auszuwählen. Mit dem Erkennen der nicht genannten Antwortmöglichkeit sei es bereits zu der Irritation des Kandidaten gekommen, die nach den Vorgaben für die Aufgabenstellung im Antwort-Wahl-Verfahren gerade zu vermeiden sei.

Das Verwaltungsgericht hat in dem den Beteiligten am 09.08.2002 zugestellten Urteil zugleich die Berufung zugelassen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben am 03.09.2002 die Berufung eingelegt; der Beigeladene hat sie am 16.09.2002 und der Beklagte am 07.10.2002 schriftsätzlich begründet. Sie tragen vor, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts verstoße gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 der Approbationsordnung für Ärzte und das dort vorgeschriebene Antwort-Wahl-Verfahren, denn der Prüfling habe anzugeben, welche der mit den Fragen vorgelegten Antworten er für zutreffend halte. Damit werde der eröffnete Antwortraum durch die der Fragestellung beigegebenen fünf Antwortmöglichkeiten abschließend definiert und andere bei abstrakter Betrachtungsweise denkbare Antwortalternativen dem Prüfling nicht als Option zur Verfügung gestellt. Es seien nur die vorgelegten Antwortmöglichkeiten als Antworten wählbar. Hierauf würden die Prüfungsteilnehmer durch die "Praktischen Hinweise zur Durchführung der schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte" hingewiesen. Dort heiße es: "Auch wenn sie meinen, dass eine dort nicht angegebene Antwort die Aufgabe besser oder umfassender beantworten würde, ist nur unter den vorgegebenen Möglichkeiten zu wählen". Es werde nicht bestritten, dass die Magnetresonanztomographie die Frage B 180/3 richtig beantworten würde. Sie sei aber nicht als Antwort vorgegeben und die benannte Antwort "Arthroskopie, eventuell retrograde Anbohrung" sei (ebenfalls) richtig. Hätte der Prüfling im Rahmen seines Antwortspielraums Zugriff auf nicht zur Beurteilung gestellte Antworten, würde sich praktisch jede Aufgabe als rechtsfehlerhaft erweisen, denn jede denkbare Antwortmöglichkeit könne stets noch durch eine Ergänzung oder Erweiterung präziser oder problemnäher verbessert werden. Das Prüfungsverfahren wäre dann nicht mehr handhabbar und wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtswidrig.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2002 - 10 K 2536/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt noch aus: Er vertrete keine "sechste" Lösung der Prüfungsfrage sondern halte die vom IMPP genannten Antwortalternativen nicht für empfehlenswert, da er sich in der Situation des Arztes zugunsten des Patienten für eine bestimmte Therapie entscheiden müsse. Er verlasse damit nicht einen in § 14 Abs. 1 ÄAppO normierten Antwortspielraum, sondern mache von der Möglichkeit der Fragenbeantwortung Gebrauch und gelange zu dem Ergebnis, dass die angegebenen Antwortalternativen sämtlich nicht zuträfen. Die Approbationsordnung begrenze nicht den eröffneten Antwortraum. Das IMPP sei verpflichtet, alle denkbaren Antwortalternativen bei der Erstellung der Prüfungsfrage zu berücksichtigen. Gelinge ihm dies nicht, so gingen Verständnisschwierigkeiten zu Lasten der Prüfungsbehörde. Sei bei der Fragestellung eine aktuelle, wirksame und insbesondere in Literatur und Wissenschaft weitverbreitete Diagnostik als Beantwortung der Fragestellung nicht beachtet worden, so könne sich der Beklagte und der Beigeladene nicht darauf berufen, diese Antwortalternative sei nicht vorgegeben und damit Auffassungen aus Wissenschaft und Lehre einfach "ausblenden". Die den Prüflingen zur Kenntnis gebrachten praktischen Hinweise zur Durchführung der schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte änderten hieran nichts. Die dort vertretene Auffassung, die Kandidaten hätten bei mehreren richtigen Lösungen die zutreffendste oder bei Fragen nach einer Falschaussage die am wenigsten zutreffende Aussage zu wählen, also die sogenannte Bestantwort zu markieren, widerspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es dürfe vom Prüfling kein Abwägungsprozess zwischen mehreren als vertretbar anerkannten Antwortmöglichkeiten verlangt werden. Zulässig sei allein die Vorgabe von vier falschen und einer richtigen Antwort.

Mit Schriftsatz vom 13.02.2004 hat der Beklagte die Tatsache ins Verfahren eingeführt, dass der Kläger im November 2001 den Dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung erfolgreich mit befriedigend abgelegt und im Abschlusszeugnis für die ärztliche Prüfung vom 21.11.2001 die Gesamtnote "befriedigend (3,33)" erhalten habe und ihm am 01. Juli 2003 die Approbation erteilt worden sei. Selbst im Falle des Obsiegens im vorliegenden Verfahren würde sich an der Gesamtnote "befriedigend" nichts ändern, allerdings erhielte er den günstigeren Dezimalwert "3,0". Der Kläger sei durch die hier angegriffene Prüfung nicht mehr beschwert. Sein Rechtsschutzinteresse sei entfallen, da er das Abschlusszeugnis nicht angegriffen habe.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums, ein Heft Akten des Beigeladenen sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaften Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen sind auch sonst zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Klage (1.) abweisen müssen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, ein Zeugnis über das Bestehen der ärztlichen Prüfung im August 2000 mit der Note "befriedigend" zu erhalten. Er hat die dafür bei der schriftlichen Prüfung erforderliche Anzahl der richtig beantworteten Prüfungsfragen nicht erreicht (2.).

1. Die innerhalb der Klagefrist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 27.06.2001 erhobene Klage mit dem Ziel der Notenverbesserung ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Fortführung des Klageverfahrens nicht entfallen. Nach der Approbationsordnung für Ärzte - ÄAppO - in der hier anzuwendenden Fassung vom 14.07.1987 (BGBl. I S. 1594) ist die ärztliche Prüfung - nach Bestehen der ärztlichen Vorprüfung (vgl. §1 Abs.1 Nr. 6a, Abs. 2 Nr. 2 ÄAppO) - in drei Abschnitten abzulegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 6b ÄAppO). Über jeden Abschnitt wird ein Zeugnis erteilt (§§ 27, 30 ÄAppO). Das Zeugnis über den Dritten Abschnitt beinhaltet zugleich die aus allen drei Abschnitten gebildete Gesamtnote (§ 34 ÄAppO und Anlage 20 zu § 34 Abs. 2). Das für die Klage auf Notenverbesserung in einem Abschnitt erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen, wenn die Besserbewertung der Prüfung für das berufliche Fortkommen von Bedeutung ist, sie mithin eine reale positive Folge für den Kläger haben kann (vgl. hierzu schon Beschluss des Senats vom 14.12.1981 - 9 S 1092/80 - DÖV 1982, 164). Dies ist hier - für den Zeitpunkt der Klageerhebung - schon deshalb zu bejahen, weil die Note des Zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung in die Gesamtnote einfließt (§ 34 Abs. 1 ÄAppO). Dass dieses Gesamtzeugnis für das berufliche Fortkommen des Klägers von maßgeblicher Bedeutung sein kann, steht außer Frage. Das Rechtsschutzbedürfnis ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht deshalb entfallen, weil der Kläger inzwischen auch den Dritten Abschnitt der Prüfung bestanden und ein Gesamtzeugnis erhalten hat, das von ihm nicht angegriffen wurde. Von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der hier zulässigerweise eingelegten Notenverbesserungsklage könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Änderung des Ergebnisses des Zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung keinen Einfluss auf das Gesamtzeugnis hätte und das Zeugnis über die Prüfung im Zweiten Abschnitt keine Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Klägers hätte. Beides ist hier zu verneinen.

Erhielte der Kläger hier die Note "befriedigend" für den Zweiten Abschnitt der Prüfung, so wäre ihm im Gesamtzeugnis zwar ebenfalls nur die gleiche Note, nicht aber die gleiche Punktzahl zu attestieren, nämlich an Stelle der ausgeworfenen 3,33 eine solche von 3,0. Dass das Gesamtzeugnis nicht mehr mit Rechtsbehelfen angreifbar ist, ändert hieran nichts. Es ist nicht auszuschließen, dass im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens das Gesamtzeugnis bei Obsiegen des Klägers geändert würde. Hiervon unabhängig hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass bei Bewerbungen auch die Zeugnisse der einzelnen Prüfungsabschnitte vorgelegt werden und bei Einstellungen berücksichtigt würden. Zumindest dies reicht aus, um ein Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses an der Weiterverfolgung der Notenverbesserungsklage zu begründen.

2. Nach der Approbationsordnung für Ärzte (BGBl. 1987 I S. 1594 [1598 Fußnote zu § 14 Abs. 6]) ist die schriftliche Prüfung bestanden, wenn der Prüfling mindestens 60 vom Hundert der gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat oder wenn die Zahl der vom Prüfling zutreffend beantworteten Fragen um nicht mehr als 22 vom Hundert die durchschnittlichen Prüfungsleistungen der Prüflinge unterschreitet, die nach der Mindeststudienzeit von fünf Jahren bei dem Zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung erstmals an der Prüfung teilgenommen haben (§ 14 Abs. 6 ÄAppO). Hat der Prüfling die danach erforderliche Mindestzahl zutreffend beantworteter Prüfungsfragen erreicht, so lautet die Note "befriedigend", wenn er mindestens 25, aber weniger als 50 vom Hundert der darüber hinaus gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat (§ 14 Abs. 7 ÄAppO). Ergibt die durch die Landesprüfungsämter vor der Feststellung des Prüfungsergebnisses durchzuführende Überprüfung, dass einzelne Prüfungsaufgaben offensichtlich fehlerhaft sind, gelten sie als nicht gestellt (§ 14 Abs. 4 Satz 1 und 3 ÄAppO). Um diese Fragen vermindert sich die Fragenzahl der einzelnen Prüfungen (§ 14 Abs. 4 Satz 4 ÄAppO). Bei der Bewertung und der Leistungsbenotung ist dabei von der verminderten Zahl der Prüfungsfragen auszugehen (§ 14 Abs. 4 Satz 5 ÄAppO), wobei die Verminderung sich nicht zum Nachteil des Prüflings auswirken darf (vgl. § 14 Abs. 4 Satz 6 ÄAppO). Dieser Berechnungsmethode wurde hier entsprochen. Von den tatsächlich am dritten Prüfungstag gestellten 580 Fragen wurden sieben als offensichtlich fehlerhaft eliminiert, hieraus die Bestehensgrenze von 60 % ermittelt und hierauf festgelegt, da die Referenzgruppe mehr als 60 % der Fragen zutreffend beantwortet hat. Dem Kläger wurde im Wege des Nachteilausgleichs bezüglich der sieben eliminierten Fragen vier Antworten gutgeschrieben. Gleichwohl erreicht er die Notengrenze zum befriedigend nicht, wenn die Frage B 180/3 gewertet wird. Bei Nichtbewertung dieser Frage müsste ihm dagegen die begehrte Note erteilt werden. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Verwaltungsgerichts ist die Frage B 180/3 nicht fehlerhaft; die vom Kläger markierte Antwort dagegen unrichtig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 1529/84 - und - 1 BvR 138/87 - BVerfGE 84, 59) erfordern die am Gesetzeszweck ausgerichteten Maßstäbe, zuverlässige Prüfungsergebnisse zu ermöglichen (§ 14 Abs. 2 ÄAppO), dass die Aufgaben verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sein müssen. Außerdem müssen sie dem vorgegebenen Prüfungsschema entsprechen, wonach der Prüfling in jeder Aufgabe eine richtige und vier falsche Antwortalternativen erwarten kann. Eine Aufgabe, die diese Merkmale nicht erfüllt, verletzt maßgebende Verfahrensvorschriften und ist deshalb rechtsfehlerhaft. Da bei diesem Antwort-Wahl-Verfahren dem Prüfling nur die Möglichkeit verbleibt, eine von fünf Antworten anzukreuzen und also jeder weitergehende Antwortspielraum entfällt (so ausdrücklich BVerfG, a.a.O. S. 73), müssen alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten vorausgesehen und durch Formulierungsvarianten erfasst werden. Nur wenn das gelingt, ermöglicht die Aufgabe zuverlässige Prüfungsergebnisse, wie dies von § 14 Abs. 3 ÄAppO gefordert wird. Hieraus folgt, dass unlösbare Aufgaben ebenso wie unverständliche, missverständliche oder mehrdeutige Fragen nicht gestellt werden dürfen. Die Frage B 180/3 ist nicht unlösbar, sie ist auch nicht unverständlich oder missverständlich, nicht mehrdeutig und zwingt den Prüfling nicht, zwischen mehreren richtigen Ergebnissen wählen zu müssen, was in der Tat ein Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze im Antwort-Wahl-Verfahren bedeuten würde.

Die vom beigeladenen IMPP als zutreffend festgelegte Antwort (§ 14 Abs. 3 Satz 4 ÄAppO) "(C) Arthroskopie, eventuell retrograde Anbohrung" ist richtig. Für die Richtigkeit der von IMPP festgelegten Antwort spricht bereits das verfahrensmäßige Zustandekommen von Prüfungsaufgaben und Prüfungsantworten (zum Verfahrensablauf insoweit vgl. schon, BVerfG a.a.O. sowie die Fehleranalyse ). So hat auch hier das IMPP aufgrund der ihm obliegenden Überprüfungspflicht nachträglich 7 von 180 gestellten Fragen aus der Prüfungsberechnung eliminiert. Doch kommt es hierauf nicht an, denn die Anforderungen die bei der gerichtlichen Überprüfung der "Richtigkeit" der vom IMPP als zutreffend festgelegten Antwort zu stellen sind, können kaum höher angesetzt werden, als diejenigen, die an die Beurteilung einer vom Prüfling angegeben Lösung als " richtig" gestellt werden. Dessen Antwort darf schon dann nicht als falsch gewertet werden, wenn sie gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits veröffentlicht und Kandidaten des entsprechenden Prüfungsabschnitts im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren (BVerfG a.a.O.). Dass die als richtig festgelegte Antwort zutreffend die gestellte Frage beantwortet, ergibt sich aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen, wobei hervorzuheben ist, dass es auf denjenigen gesicherten medizinischen Erkenntnisstand ankommt, der im Zeitpunkt der Prüfung des Kandidaten bestand.

Rössler/Rüther, Orthopädie, 18. Aufl. 2000, S. 100 geben nach der Diagnostik durch Röntgenbild zum sicheren Aufschluss über die lokalen Verhältnisse der Gelenkfläche und des Grades der Demarkation Kernspintomogramm und arthroskopische Inspektion an, die oft vor detaillierter Therapieplanung notwendig sei; bei geschlossener Decke (arthroskopische Kontrolle) Versuch der retrograden Anfrischung des Mausbettes durch Bohrung oder Spongiosatransplantat. Im Leitfaden Orthopädie, 3. Auflage 1997 S. 597 von Krämer u.a. wird als Diagnose die Athroskopie angegeben. Sie dient der Beurteilung der Gelenkoberfläche (Tasthaken!) und liefert ein Beitrag zur Klärung einer eventuellen operativen Indikation und auch operativer Verfahrenswahl. Gesenhues/Zieche: Praxisleitfaden Allgemeinmedizin, 3. Auflage 2001, S. 300, verweisen bei fortschreitender Demarkierung auf athroskopische Anbohrung und Dissecatrefixierung. J. Bruns weist in der Fachzeitschrift "Der Orthopäde" (1997 S. 573 [576]) als Diagnostikmethoden für die Osteochondrosis dissecans - neben der MRT - auch die athroskopische Diagnostik aus, deren Nachteil zwar darin gesehen wird, dass eine Athroskopie eine invasive Maßnahme ist, sie jedoch den Vorteil hat, dass Behandlungsmaßnahmen unmittelbar angeschlossen werden können. Die von Wirth herausgegebenen "Praxis der Orthopädie, 3. Auflage 2001 S. 201/202" gibt wider, dass bei dem vorliegenden Krankheitsbild durch die zunehmende Erfahrung mit der MRT sich ein entscheidender Fortschritt in der Diagnostik entwickelt und sich das Verfahren für die Indikation sowie Wahl und Kontrolle von konservativen und operativen Maßnahmen eignet. Die Athroskopie beim hier vorliegenden Stadium 3 lässt dagegen durch direkte Inspektion eine Beurteilung des Belags und der Ausdehnung des osteochondrotischen Herdes zu. Auch können unter athroskopischer Kontrolle weitere therapeutische Eingriffe vorgenommen werden. Die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. xxxx vom 30.04.2001 bezeichnet die Antwort (C) als eindeutig richtig und führt an, dass "die heute immer mehr durchgeführte MRT-Diagnostik in Bezug auf die daraus abzuleitende Therapie noch nicht entsprechend evaluiert ist", sich das aber künftig ändern könne. Aus alldem folgt nach Ansicht des Senats, dass die vom IMPP für richtig erachtete Lösung (C) die gestellte Frage unter Berücksichtigung der anderen gegebenen Antwortalternativen die vom Prüfling zu wählende war. Hieran ändert die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. xxxxxx vom 24.09.2001 nichts. Dort heißt es zwar, dass keine der vorgegebenen Antwortalternativen die Frage B 180/3 richtig beantworte, sondern die Kernspinntomographie (MRT) aus heutiger Sicht zur weiteren Abklärung über das Ausmaß der Dissecationsgefahr unbestritten sei und nur bei Nachweis einer hohen Dissecationsgefahr eventuell eine Athroskopie in Frage komme. Damit wird jedoch entsprechend dem oben Ausgeführten die Vertretbarkeit der Athroskopie als richtige Lösung nicht in Frage gestellt.

Die Richtigkeit einer Antwort ist auch im Wechselspiel mit den zur Auswahl gestellten "Falschantworten" zu sehen. Wie bereits ausgeführt, ist eine Frage im Antwort-Wahl-Verfahren nur dann zulässig, wenn eine richtige und vier falsche Antworten als Lösungsmöglichkeiten vorgegeben werden. Enthalten die fünf vorgegebenen Antwortmöglichkeiten neben vier falschen Antworten eine medizinwissenschaftlich anerkannte vertretbare Lösung, so ist deren Festsetzung als richtig durch die Prüfungsbehörde nicht fehlerhaft.

Dass neben der Antwort (C) alle übrigen Antwortalternativen - auch die vom Kläger gewählte Antwort (B) - falsch sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Frage B 180/3 ist auch nicht deshalb unlösbar und daher als fehlerhaft zu eliminieren, weil außer der als richtig festgesetzten Antwort auch eine weitere "richtige Lösung", nämlich die Magnetresonanztomographie in Betracht kommt.

Allerdings ergibt sich aus den von den Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen und Auszügen aus der Fachliteratur, dass zur weiteren Abklärung der in der Frage B 180/3 zu erkennenden Osteochondrosis dissecans auch die Magnetresonanztomographie (MRT) geeignet ist. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Vorhandensein einer weiteren in den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten nicht enthaltenen richtigen Lösung, führt nicht zur Unzulässigkeit und damit Fehlerhaftigkeit der gestellten Frage. Richtig ist, dass der Prüfling bei der Lösung der gestellten Aufgabe keine Entscheidungsalternative haben darf zwischen mehreren zutreffenden Antwortmöglichkeiten. Es darf bei dem hier vorgegebenen Fragentyp nur eine zutreffende und vier falsche Lösungen unter den zur Auswahl gestellten Antworten geben. Nur dies entspricht - wie oben aufgezeigt - den verbindlichen Vorgaben des Prüfungsverfahrens. Hierauf wird der Prüfling auch durch die ihm bekannten "Praktische Hinweise zur Durchführung der schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte" hingewiesen. Dort heißt es: "Eine Aufgabe kann nur dann sinnvoll bearbeitet werden, wenn die Aufgabe als Ganzes - in der Aufgabenstellung und in den Antwortalternativen - zur Kenntnis genommen und im Kontext bewertet wird. Das bedeutet für Sie: Auch wenn Sie meinen, dass eine dort nicht angegebene Antwort die Aufgabe besser oder umfassender beantworten würde, ist nur unter den vorgegebenen Möglichkeiten zu wählen". Dies charakterisiert zutreffend die vom Prüfling geforderte Leistung, nämlich die Auswahl einer von fünf vorgegebenen Antworten. Sein Antwortspielraum ist damit in der Tat begrenzt, da ihm nicht die Befugnis eingeräumt ist, eine nicht vorgegebene Antwort zu geben. Der hier vorliegende Fall der Existenz einer weiteren zutreffenden Antwort außerhalb des vorgegebenen Beantwortungsrahmens ist deshalb nicht mit der Fallkonstellation vergleichbar, in der mehr als eine richtige Antwort dem Prüfling bei der Beantwortung zur Auswahl steht. Nur dort kann die vom Verwaltungsgericht angenommene "Irritation" bei der Auswahl der zutreffenden Antwort auftreten.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das IMPP bei der Vorgabe der einzelnen Antwortmöglichkeiten willkürlich zutreffende Antworten ausblenden darf, in dem sie neben vier falschen Möglichkeiten eine von mehreren richtigen Antwortalternativen vorgibt. Denn wäre dies so, so läge ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 ÄAppO vor, weil nicht mehr auf die für den Arzt allgemein erforderlichen Kenntnisse abgestellt würde. Ein Ausblenden einer richtigen Antwort bei der Formulierung der Antwortalternativen liegt jedoch nicht vor, wenn die als richtig festgesetzte Antwort dem allgemein anerkannten medizinischen Standart und dem Wissensstand des Prüflings entspricht, neuere oder im Vordringen befindliche Erkenntnisse und Methoden aber nicht als Antwortmöglichkeit vorgeben werden und gerade auch wegen des Zwanges, nur eine einzig richtige Antwort vorgeben zu dürfen, gar nicht zur Auswahl gestellt werden dürfen. Wollte man anders entscheiden hieße dies, all die Fragen zu eliminieren, zu deren Beantwortung im medizinischen Schrifttum Unterschiedliches angeboten wird. Dies überspannte die Anforderungen an die konkrete Formulierung der Prüfungsaufgaben. Zwar beurteilt der Prüfer bei der Formulierung der Prüfungsaufgaben mit der Festlegung der Musterantwort und der Distraktoren (Falschantworten) unter Umständen komplizierte fachwissenschaftliche Fragen, was ihn dazu zwingt, alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten vorauszusehen und durch Formulierungsvarianten zu erfassen (so BVerfG a.a.O.). Gleichwohl verbleibt ihm ein Spielraum zur Beurteilung der fachwissenschaftlichen Richtigkeit einer Entscheidung, die jedenfalls dann nicht in Zweifel gezogen werden kann, wenn sie dem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand (noch) entspricht. Ist dies, wie oben ausgeführt, der Fall, so ist dem Prüfling der Einwand verwehrt, außerhalb des vorgegebenen Antwortrahmens bestehe eine weitere zutreffende Antwortmöglichkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) besteht nicht.

Beschluss vom 17. Februar 2004

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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