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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 9 S 2407/06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 167
ZPO § 767
ZPO § 769
Der Vollstreckungsschutzantrag einer Universität gegen die von einem Habilitanden betriebene Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils auf Neubescheidung des Habilitationsantrages ist erfolgreich, wenn zwischenzeitlich wegen strafrechtlicher Verurteilung des Habilitanden nach den habilitationsrechtlichen Vorschriften eine Habilitation nicht erfolgen kann.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 2407/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Vollstreckungsabwehrklage

hier: Antrag gemäß §§ 167, 173 VwGO, 769 ZPO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 24. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. September 2006 - 8 K 1321/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners, des Habilitanden, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht dem auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 769 ZPO gestützten Antrag der Antragstellerin, der Universität, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.12.1986 - 3 K 1180/86 - bis zur Rechtskraft über die von der Antragstellerin anhängig gemachte Vollstreckungsabwehrklage (AZ: - 8 K 1132/06 -) eingestellt. Die dem Beschwerdegericht obliegende Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses als unbegründet zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auszuführen:

Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Vollstreckungsabwehrklage der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben wird, weil der mit Urteil vom 17.12.1986 festgestellte Anspruch entweder bereits erfüllt ist oder sich jedenfalls die Vollstreckung des Urteils vom 17.12.1986 als unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.05.1976 - III ZR 120/74 -, Rpfleger 1976, 354) darstellen dürfte. Gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit § 767 ZPO sind Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, vom Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. Eine solche Einwendung macht die Antragstellerin, die durch das Urteil vom 17.12.1986 wegen Nichteinschaltung des zuständigen Universitätsgremiums unter Aufhebung ihrer ablehnenden Entscheidung vom 10.05.1982 zur Neubescheidung des ursprünglichen Antrages des Antragsgegners auf Erteilung der Habilitation im Fach Innere Medizin vom 28.10.1981 verpflichtet worden war, voraussichtlich mit Erfolg geltend.

Nachdem der Antragsgegner, der nach dem rechtskräftigen Urteil vom 17.12.1986 verschiedene neue Unterlagen zu der angestrebten Habilitation einreichte, wiederholten Aufforderungen der Antragsstellerin, den Habilitationsgegenstand abschließend festzulegen, nicht nachgekommen war, lehnte die Antragstellerin eine Fortsetzung des Habilitationsverfahrens wegen einer damaligen strafrechtlichen Verfolgung des Antragsgegners mit Schreiben vom 08.02.2001 ab. Die daraufhin vom Antragsgegner am 08.04.2003 erneut erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung der Habilitation im Fach Innere Medizin, hilfsweise auf Neubescheidung, hat das Verwaltungsgericht mit dem nach Zurückweisung des Antrages auf Zulassung der Berufung (vgl. Beschluss des Senats vom 27.09.2005 - 9 S 1501/05 -) rechtskräftigen Urteil vom 09.06.2005 - 8 K 610/03 - als unbegründet abgewiesen und zwischen den Beteiligten ungeachtet der Zulässigkeit der (erneut) erhobenen Klage verbindlich entschieden (§ 121 VwGO), dass der Antragsgegner wegen seiner inzwischen erfolgten strafrechtlichen Verurteilungen nach den einschlägigen habilitationsrechtlichen Vorschriften von der Antragstellerin nicht habilitiert werden könne und ihm deshalb gegenüber der Antragstellerin ein entsprechender Anspruch derzeit von vorneherein nicht zustehe (vgl. zum sachlichen Umfang der materiellen Rechtskraft bei klageabweisenden Urteilen: BVerwG, Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88/82 -, NJW 1984, 2904; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.1992 - A 12 S 1416/92 -, NVwZ 1993, 805; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 121 Rn. 18, m.w.N.). Von der hierauf gestützten Einwendung der Antragstellerin ist, selbst wenn in dem Schreiben vom 08.02.2001 keine Neubescheidung entsprechend dem Urteil vom 17.12.1986 und damit keine Erfüllung des darin festgestellten Anspruchs zu sehen wäre, bei der gebotenen entsprechenden Anwendung des § 767 ZPO der mit dem Urteil vom 17.12.1986 zugesprochene Anspruch auch insofern betroffen, als durch einen zwingenden Versagungsgrund ein Anspruch auf Fortführung des Habilitationsverfahrens mit dem Ziel der Neubescheidung, der ebenfalls das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Habilitation erfordert, gegenüber der Antragstellerin jedenfalls solange ausgeschlossen ist, als der zwingende Versagungsgrund besteht (vgl. zum Anwendungsbereich des § 767 ZPO: BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 - 4 C 10/01 -, BVerwGE 117, 44). Der Habilitationsantrag des Klägers wäre danach bei einer erneuten Entscheidung, auch wenn diese in Folge des Urteils vom 17.12.1986 erginge, aus diesem Grunde von der Antragstellerin von vorneherein zwingend abzulehnen, mithin eine Vollstreckung des Urteils vom 17.12.1986 für den Antragsgegner völlig nutzlos.

Dies gilt ungeachtet dessen, mit welchem Gegenstand der Antragsgegner von der Antragstellerin habilitiert werden will, zumal der Antragsgegner seit dem Urteil vom 17.12.1986 zwar nach seinem eigenen Vortrag wesentlich neue Unterlagen zum Zwecke der Habilitierung eingereicht hat, seinen ursprünglichen Habilitationsantrag in diese Richtung aber auch durch Vorlage einer überarbeiteten Fassung seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1981 im Januar 2001 lediglich modifiziert haben dürfte (vgl. dazu auch den Beschluss des Senats vom 05.01.1996 - 9 S 3003/95 -). Mithin dürfte der Gegenstand des Habilitationsverfahrens nach wie vor der gleiche gewesen sein, über den nach der erneuten Entscheidung der Antragstellerin vom 08.02.2001 durch das Urteil vom 09.06.2005 nunmehr abschließend entschieden sein dürfte. Im Übrigen räumt der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren selbst ein, dass er mit der angestrebten Vollstreckung des Urteils vom 17.12.1986 nicht mehr eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Habilitation aufgrund seines ursprünglichen Antrages mit den damaligen Unterlagen anstrebt, sondern es ihm nur darum geht, dass sich das zuständige Gremium mit seinem Antrag "mit dem Stand von damals" überhaupt befasst, ohne dass insoweit eine Entscheidung über die nach wie vor im Fach Innere Medizin angestrebte Habilitation getroffen werden soll. Hierauf besteht aber auch im Wege der mit der Vollstreckung angestrebten Neubescheidung offensichtlich kein isoliert verfolgbarer Verfahrensanspruch (§ 44a Satz 1 VwGO).

Bei dieser Sach- und Rechtslage, nach der die Wahrscheinlichkeit, dass die Vollstreckungsabwehrklage der Antragstellerin erfolgreich sein wird, weitaus größer ist als die umgekehrte Möglichkeit, überwiegt aber das Interesse der Antragstellerin daran, die Vollstreckbarkeit des Urteils vom 17.12.1986 vorläufig nicht aufrecht zu erhalten und die Vollstreckung hieraus vorläufig einzustellen (vgl. zur vorzunehmenden Interessenabwägung: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.04.1984 - 3 S 725/84 -, VBlBW 1985, 185).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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