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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.12.2009
Aktenzeichen: 9 S 2480/09
Rechtsgebiete: SchG, RealSchulVersV, NVO


Vorschriften:

SchG § 89 Abs. 2 Nr. 4
RealSchulVersV § 1 Abs. 6
NVO § 8 Abs. 1
1. Ein Anordnungsgrund für das Begehren, vorläufig am Unterricht der nächsthöheren Klasse teilnehmen zu dürfen, besteht nach Ablauf der in der Versetzungsordnung vorgesehenen Probezeit für eine Aufnahme auf Probe regelmäßig nicht mehr.

2. Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Nichtversetzungsentscheidung reichen zur Geltendmachung eines Anordnungsanspruchs grundsätzlich nicht aus, vielmehr muss jedenfalls die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht sein, dass die Klassenkonferenz bei einer erneuten Entscheidung die begehrte Versetzung aussprechen würde.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 2480/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Versetzung

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 14. Dezember 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2009 - 7 K 2699/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem das Begehren, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig die Teilnahme am Unterricht der 7. Klasse der xxxxxxxxxxxx-Realschule in xxxxxxxxxx zu gestatten, abgelehnt wurde, hat keinen Erfolg.

1. Die Versagung des begehrten Eilrechtsschutzes erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil es an dem gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund fehlt. Die in der Hauptsache begehrte Versetzung kann der Antragsteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr erreichen, so dass für eine diesen Anspruch sichernde Eilmaßnahme des Gerichts kein Raum mehr besteht. Denn ein "Aufsteigen in der Schule" (vgl. § 89 Abs. 2 Nr. 4 SchG) setzt grundsätzlich die Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Klasse voraus, die nach dem hier vorliegenden Ablauf von mehr als 12 Unterrichtswochen schon in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 11.12.2007 - 9 S 2312/07 -). Dies gilt auch für die vom Antragsteller hilfsweise begehrte probeweise Aufnahme in die nächsthöhere Klasse nach § 1 Abs. 6 der Verordnung des Kultusministeriums über die Versetzung an Realschulen vom 30.01.1984 (GBl. S. 147, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.02.2004, GBl. S. 397 - Realschulversetzungsordnung -). Denn auch in diesem Falle ist nach Ablauf der vierwöchigen Probezeit eine abschließende Entscheidung herbeizuführen. Selbst im Zeitpunkt der Antragstellung beim Verwaltungsgericht war der einer einstweiligen Anordnung zugängliche Zeitraum daher bereits verstrichen. Ein Fall des zeugnislosen vorläufigen Vorrückens nach § 3 Realschulversetzungsordnung, für den ein anderer zeitlicher Horizont gelten könnte, liegt offenkundig nicht vor.

2. Im Übrigen rechtfertigen die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, auch keine von der Auffassung des Verwaltungsgerichts abweichende Einschätzung zum Fehlen des Anordnungsanspruchs.

a) Hinsichtlich der vorgetragenen Verfahrensfehler folgt dies bereits daraus, dass diese - ihr Vorliegen unterstellt - für sich genommen einen Anordnungsanspruch nicht begründen könnten (vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 11.09.2009 - 7 CE 09.2169 - sowie OVG SH, Beschluss vom 15.10.2009 - 2 ME 07/09 - m.w.N.). Hierzu reichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Nichtversetzungsentscheidung nicht aus, vielmehr muss jedenfalls die hinreichende Möglichkeit glaubhaft gemacht sein, dass die Klassenkonferenz bei einer erneuten Entscheidung die vom Antragsteller begehrte Versetzung aussprechen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 21.10.1998 - 9 S 2494/98 -). Verfahrensfehler, die die Sachentscheidung offensichtlich nicht beeinflusst haben, tragen daher den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht (vgl. auch § 46 LVwVfG). Angesichts der Tatsache, dass die Klassenkonferenz ihre Entscheidung explizit auf die zu großen Defizite des Antragstellers gestützt und darauf verwiesen hatte, dass schwache Leistungen in nahezu allen Fächern (außer Sport) und dies nun im dritten Jahr in Folge zu verzeichnen seien, erscheint eine positive Prognoseentscheidung darüber, dass der Antragsteller mit Erfolg am Unterricht der nächsten Klassenstufe teilnehmen können wird, jedoch auch bei einer etwaigen Wiederholung der Klassenkonferenz praktisch ausgeschlossen (vgl. dazu auch Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, 4. Aufl. 2006, Rn. 415).

Die Frage, ob die Eltern des Antragstellers rechtzeitig über die drohende Nichtversetzung des Antragstellers unterrichtet worden sind, ist für den Ausgang des Rechtsstreits daher nicht entscheidend. Unabhängig hiervon bestehen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung indes auch keine Zweifel an einer hinreichenden Informierung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch die Beschwerde einräumt, dass der Vater bereits im Dezember 2008 vom Rektor auf die mit den derzeitigen Leistungen drohende Versetzungsgefährdung hingewiesen wurde. Warum hierin kein "ordnungsgemäßer Hinweis" auf die drohende Nichtversetzung liegen sollte, erschließt sich dem erkennenden Senat nicht. Offenbar hatte auch der Vater selbst die Information ernst genommen, denn andernfalls wäre der von ihm abgegebene Verweis auf die besondere familiäre Situation (drohende Insolvenz des von der Familie geführten Hotels) nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen ergab sich aus dem Notenbild des Halbjahreszeugnisses unmittelbar, dass die Versetzung des Antragstellers gefährdet war. Eines zusätzlichen Hinweises bedurfte es insoweit nicht, zumal das Leistungsbild angesichts der Vorzeugnisse auch nicht "wesentlich verändert" erschien (vgl. 4 Abs. 2 der Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung vom 05.05.1983, GBl. S. 324, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.05.2009, GBl. S. 238 - Notenbildungsverordnung -). Schließlich sind die Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 18.05.2009 ausdrücklich auf die gefährdete Versetzung hingewiesen worden, so dass nach Aktenlage eine Verletzung der Unterrichtungspflichten nicht ersichtlich ist.

Allerdings ist - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - die Schule verpflichtet, den sorgeberechtigten Eltern auf Verlangen Einsicht in die angefertigten Klassenarbeiten zu gewähren. Denn ohne Kenntnis vom Stand des Unterrichtserfolgs und der Leistungsbewertungen sind diese nicht in der Lage, notwendige Fördermaßnahmen einzuleiten (vgl. § 8 Abs. 1 Notenbildungsverordnung) und ihre rechtlichen Interessen geltend zu machen (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG; dazu auch Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, 4. Aufl. 2006, Rn. 497). Im Übrigen ist die Schule gemäß § 55 Abs. 1 SchG ohnehin gehalten, das Elternhaus bei der Erziehung und Bildung der Kinder zu unterstützen und die Kriterien der Leistungsbewertung offen- und darzulegen (§ 7 Notenbildungsverordnung). Auch ein etwaiger Verstoß hiergegen begründete aber keinen Anspruch auf vorläufiges Vorrücken, weil ein entsprechender Fehler den erforderlichen Leistungsnachweis bzw. die Leistungsprognose nicht ersetzen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.01.1992 - 6 B 20/91 -, BayVBl 1992, 442).

Soweit schließlich vorgetragen wurde, die Beschlüsse der Klassenkonferenz seien wegen Fehlens der Musiklehrerin und des TA-Lehrer nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, trifft zu, dass die in der Klasse unterrichtenden Lehrer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 der Konferenzordnung des Kultusministeriums vom 05.06.1984 (GBl. S. 423, zuletzt geändert durch Verordnung vom 05.02.2004, GBl. S. 82 - Konferenzordnung -) zur Teilnahme verpflichtet und nach § 13 Abs. 1 Konferenzordnung auch stimmberechtigt gewesen wären. Die Tatsache, dass einzelne Lehrer verhindert sind, steht einer Beschlussfassung indes nicht entgegen; vielmehr ist hierfür gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 Konferenzordnung nur erforderlich, dass mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten anwesend ist. Im Übrigen ist nach gegenwärtigem Stand auch nicht davon auszugehen, dass einer der teilnahmeberechtigten Lehrer nicht an den Klassenkonferenzen teilgenommen hatte. Soweit in der Beschwerde auf den TA-Lehrer N. verwiesen wurde, hat dieser in der 6. Klasse keinen Unterricht erteilt. Die Musiklehrerin W. dagegen ist nach den Bekundungen des Schulleiters nicht nur an der regulären Klassenkonferenz vom 13.07.2009, in deren Protokoll auch eine Teilnahme von allen in der Klasse unterrichtenden Lehrern vermerkt ist, sondern auch an der Sonderkonferenz vom 29.07.2009 anwesend gewesen, für die ihre Teilnahme im Protokoll nicht ausgewiesen ist.

b) Schließlich vermögen auch die Einwände gegen die Notenfestsetzung in den Fächern Deutsch und Englisch nicht zu überzeugen.

Hinsichtlich der im Fach Englisch vergebenen Note rügt die Beschwerde allein, dass eine ursprünglich angekündigte weitere Klassenarbeit nicht geschrieben worden sei. Damit ist ein fehlerhaftes Zustandekommen der Note bereits nicht schlüssig dargelegt. Denn dass die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Notenbildungsverordnung vorgeschriebene Mindestzahl der Klassenarbeiten unterschritten wäre, ist damit weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Im Übrigen ist von der Fachlehrerin auch bestritten worden, dass eine weitere Klassenarbeit in Aussicht gestellt worden sei. Substanziierte Belege für seine gegenteilige Behauptung enthält das Vorbringen des Antragstellers nicht.

Soweit in Bezug auf die Deutschnote ausgeführt wurde, dem Antragsteller sei keine Gelegenheit zur Leistungserbringung gegeben worden, ist bereits unklar, worauf sich dieser Vortrag bezieht. Hinsichtlich der Buchvorstellung geht der Angriff schon in tatsächlicher Hinsicht ins Leere, weil diese auf den Vorlesewettbewerb gerichtet war. Eine nachträgliche Präsentation - wie in der Beschwerde offenbar anvisiert - scheidet daher aus. Das weiterhin in Bezug genommene "Lesetagebuch" dagegen war dazu bestimmt, die Heimlektüre des behandelten Buches zu dokumentieren. Inwieweit hierzu keine Möglichkeit gegeben worden sein sollte, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen und auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

Den im gerichtlichen Verfahren aufgestellten Behauptungen über Äußerungen der Deutsch- und Englischlehrer zur Notenvergabe schließlich sind ausreichende Hinweise auf eine fehlerhafte Benotung nicht zu entnehmen. Die zitierte Äußerung der Englischlehrerin, die Nichtversetzung liege nicht an ihr, bezog sich nach ihren Klarstellungen und den Bezeugungen des beim Telefongespräch anwesenden Schulleiters lediglich auf den Umstand, dass der Antragsteller auch in anderen Fächern entsprechend schlechte Noten erhalten hatte. Die dem Deutschlehrer zugeschriebene Aussage, dass "der Chef die Noten mache", wird von diesem bestritten und traf ausweislich der Konferenzprotokolle auch nicht zu.

c) Damit sind, soweit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes feststellbar, die Voraussetzungen für eine reguläre Versetzung nach § 1 Abs. 1 Realschulversetzungsordnung nicht gegeben. Da die Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch beanstandungsfrei mit der Note "mangelhaft" bewertet wurden, erfüllt der Antragsteller die Anforderungen aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 4 Realschulversetzungsordnung nicht. Dass und warum der Antragsteller auch nicht ausnahmsweise (§ 1 Abs. 3 Realschulversetzungsordnung) oder auf Probe (§ 1 Abs. 6 Realschulversetzungsordnung) in die nächste Klasse versetzt werden kann, hat das Verwaltungsgericht ausführlich und zutreffend dargelegt. Substantiierte Angriffe hiergegen enthält auch die Beschwerde nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 38.5 des Streitwertkatalogs (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).



Ende der Entscheidung

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