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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.08.2005
Aktenzeichen: 9 S 331/05
Rechtsgebiete: EuRAG, EWGRL 89/48


Vorschriften:

EuRAG § 16 Abs. 1
EuRAG § 16 Abs. 2
EuRAG § 19 Abs. 2
EWGRL 89/48 Art. 1
Allein der Abschluss einer Berufsausbildung eines Angehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (hier: Österreich), die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts (hier: Zulassung als solicitor in Großbritannien) berechtigt, begründet keinen Anspruch auf Teilnahme an der Eignungsprüfung zur Zulassung zur deutschen Rechtsanwaltschaft, wenn die Berufsausbildung nicht überwiegend in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz (hier: USA) stattgefunden hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 331/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zur Eignungsprüfung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gaber am 22. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2005 - 4 K 3419/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von ihm allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken und mithin der Erfolg des angestrebten Rechtsmittels zumindest offen ist. Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392; Beschlüsse des Senats vom 27.01.2004 - 9 S 1343/03 -, NVwZ-RR 2004, 416 und vom 17.03.2004 - 9 S 2492/03 -). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen. Der Senat teilt vielmehr die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger die Zulassung zur Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 19 Abs. 2 des als Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte vom 09.03.2000 (BGBl I S. 2000, 182) beschlossenen Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26.10.2003, BGBl I S. 2074) - EuRAG - mit Recht versagt wurde, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt.

Nach § 16 Abs. 1 EuRAG kann ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts (§ 1) berechtigt, eine Eignungsprüfung ablegen, um zur Rechtsanwaltschaft zugelassen zu werden. Allerdings berechtigt nach § 16 Abs. 2 EuRAG eine Berufsausbildung, die nicht überwiegend in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz stattgefunden hat, zur Ablegung der Eignungsprüfung nur, wenn der Bewerber den Beruf eines europäischen Rechtsanwalts tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt hat und dies von demjenigen der genannten Staaten bescheinigt wird, der die Ausbildung anerkannt hat. Teil 4 des Gesetzes vom 09.03.2000, also die §§ 16 bis 24 EuRAG, enthält im Wesentlichen die Vorschriften des zuvor geltenden Gesetzes über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 06.07.1990 (BGBl. I S. 1374) für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne vorherige Berufstätigkeit in Deutschland und dient der Umsetzung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG L 19 S. 16;) - RL 89/48/EWG -. Diese sog. Diplomanerkennungsrichtlinie dient ihrerseits dem Ziel, zur Beseitigung von Hindernissen für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr den Angehörigen von Mitgliedstaaten zu ermöglichen, als Zuwanderer ihren (reglementierten) Beruf in einem anderen Mitgliedsstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre berufliche Qualifikation erworben haben und sieht als geeignetes Mittel hierfür die gegenseitige Anerkennung der für den Berufszugang erforderlichen Qualifikationen an. Die Richtlinie geht dabei davon aus, dass die Hochschulabschlüsse in den Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten im Grundsatz gleichwertig sind, trägt aber gleichzeitig dem Umstand, dass nicht gewährleistet ist, dass der Inhaber eines Diploms, der seinen Beruf in einem anderen Staat als dem Herkunftsstaat ausüben will, zu einer sachgerechten Berufsausübung in dem Aufnahmestaat in der Lage ist, dadurch Rechnung, dass die Mitgliedsstaaten den Berufszugang für Zuwanderer trotz Anerkennung der Diplome von zusätzlichen Leistungen zum Nachweis der Anpassung an das neue berufliche Umfeld abhängig machen dürfen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 20.07.1999 - 6 B 51/99 -, NJW 1999, 3572; Beschluss vom 26.10.1999 - 6 B 69/99 -, NJW 2000, 553).

Nach Artikel 1 a) RL 89/48/EWG gelten als Diplome in Sinne dieser Richtlinie alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt,

- die in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt werden,

- aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, und

- aus denen hervorgeht, dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind, wenn die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde oder wenn dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis eines Drittlands anerkannt hat.

Einem Diplom im Sinne von Unterabsatz 1 sind alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt gleichgestellt, die von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, wenn sie eine in der Gemeinschaft erworbene und von einer zuständigen Stelle in diesem Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannte Ausbildung abschließen und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung dieselben Rechte verleihen.

In Ansehung dessen hat der Kläger als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 16 Abs. 1 EuRAG insgesamt mit seinem Studium in Österreich (1993-1999), dem mit dem New York Bar Exam abgeschlossenen Postgraduiertenstudium in den USA (1999-2000), seiner anschließenden Berufstätigkeit als Associate in den USA (9/2000-2/2002 mit Zulassung als Attorney at law im März 2001) und Großbritannien (ab 2/2002) sowie zuletzt der erfolgreichen Ablegung einer Eignungsprüfung in Großbritannien im November 2002, dem sog. "Qualified Lawyers Transfer Test" (QLTT), eine Berufsausbildung abgeschlossen, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts (Zulassung als solicitor in Großbritannien ab dem 15.01.2003) berechtigt. Die Diplomanerkennungsrichtlinie setzt - wie in § 16 Abs. 1 EuRAG jetzt auch ausdrücklich formuliert (vgl. zum früheren Recht: BVerwG, Beschluss vom 26.10.1999, a.a.O., Beschluss vom 10.07.1996 - 6 B 8/95 -, NJW 1996, 2945) - eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anderen Vertragsstaat voraus, die dem Antragsteller den unmittelbaren Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in einem Mitgliedsstaat eröffnet. Das heißt, der Bewerber muss in dem Mitglieds- bzw. Vertragsstaat alle Voraussetzungen erfüllt haben, die ihm dort den unmittelbaren Zugang zur selbständigen und eigenverantwortlichen Ausübung eines Berufes - hier des solicitor - eröffnen, der in den Vertragsstaaten dem deutschen Rechtsanwaltsberuf entspricht (vgl. Feuerich/Weiland, BRAO, 6 Aufl., § 16 EURAG Rn. 3). Dies ist hier der Fall.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 1 EuRAG und seinem dargestellten Sinn und Zweck ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts unerheblich, dass die Zugangsmöglichkeit zum Beruf des solicitor in Großbritannien auch auf einer Anerkennungsentscheidung der britischen Behörden bezüglich der in den USA durchlaufenen Ausbildung und der dadurch erlangten Qualifikation (sog. "Certificate of Egibility") beruht. Denn wie der Kläger zutreffend vorträgt, erfordert die Berufsausbildung zum solicitor sowohl auf dem herkömmlichen Weg als auch im Wege des QLTT nach vorheriger Anerkennung der in einem Drittland erworbenen Qualifikation neben dem in der Regel aus einem dreijährigen juristischen Universitätsstudium mit erfolgreichem Abschluss bestehenden akademischen Teil oder der erfolgreichen Ablegung des QLTT jedenfalls auch eine zweijährige praktische Tätigkeit unterschiedlicher Ausgestaltung. Erst nach Absolvierung einer solchen praktischen "Ausbildung" - und hier erfolgreichem QLLT - wird der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung von der Law Society bescheinigt und der Nachwuchsanwalt vom Master of the Rolls zugelassen und in das Anwaltsverzeichnis der Law Society eingetragen (vgl. Qualified Lawyers Transfer Regulations 1990 - List of jurisdictions/lawyers eligible to transfer under the qualified Lawyers Transfer Regulations 1990, Stand Januar 2005, - education and traning unit - und - experience requirement -, Stand Oktober 2004; zu den Einzelheiten der verschiedenen Möglichkeiten einer Ausbildung zum solicitor: http://www. lawsociety.org.uk/becomingasolicitor.law; vgl. auch Kalliopi Kerameos, Der Rechtsanwalt in England und Wales, abgedruckt unter: www.uni-koeln.de/jur-fak/dzeuanwr/derrechtsanwaltinenglandundwales.pdf und ferner http://www. uni-koeln.de/jur-fak/dzeuanwr/dokuzengland.html). Erst diese Befähigungsbescheinigung der Law Society ermöglicht danach als letzter Schritt den unmittelbaren Zugang zum Beruf des solicitors. Dass der Kläger seine akademische wie praktische Berufsausbildung, die ihm insgesamt den unmittelbaren Zugang zum Beruf des solicitor eröffnete, nicht nur in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz absolviert hat, gewinnt vielmehr erst mit Blick auf die Artikel 1 a) Unterabsatz 1 Alternative 2 RL 89/48/EWG aufgreifende Ausnahmeregelung in § 16 Abs. 2 EuRAG an Bedeutung, wogegen mit Blick auf höherrangiges Recht keine Bedenken bestehen (vgl. zum vergleichbaren § 1 Abs. 2 Satz 2 EigPrG: BVerwG, Beschlüsse vom 20.07.1999 und vom 26.10.1999, a.a.O.; Urteil des Senats vom 23.03.1999 - 9 S 1158/97 -, NJW 1999, 3138; OVG Berlin, Beschluss vom 14.04.2000 - 4 SN 7.99 -, iuris). Hiernach ist dem Kläger aber die Zulassung zur Eignungsprüfung derzeit noch zu versagen, da seine für den Zugang zum Beruf des solicitor erfolgte Berufsausbildung nicht überwiegend in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz stattgefunden hat und er eine dreijährige tatsächliche und rechtmäßige Ausübung des Berufes eines europäischen Rechtsanwalts - also frühestens beginnend ab dem 15.01.2003 - (noch) nicht vorweisen kann.

Die hier für die allein maßgebliche Zulassung zum solicitor erforderliche Berufsausbildung des Klägers nach den Qualified Lawyers Transfer Regulations 1990 - education and traning unit - und - experience requirement -, Stand Oktober 2004, fand zum überwiegenden Teil in den USA und nur zu einem geringen Teil in Großbritannien statt. Ausschlaggebend für die danach gegebene Möglichkeit, sich als sog. "qualified overseas lawyer" über eine bestimmte zweijährige praktische Tätigkeit und den QLLT für den Beruf des solicitor in Großbritannien qualifizieren zu können, war - wie der Kläger selbst einräumt - allein die Zulassung und Berufstätigkeit des Klägers als Attorney of Law in New York (vgl. Qualified Lawyers Transfer Regulations 1990 - List of jurisdictions/lawyers eligible to transfer under the qualified Lawyers Transfer Regulations 1990 -, Stand Januar 2005, und - education and traning unit - Nr. 5 und 11, Stand Oktober 2004). Auf welche Art und Weise der Kläger diese Qualifikation erreichte, also auch der Umstand, dass der Kläger zuvor ein juristisches Studium in Österreich absolviert hatte, war hingegen für die Entscheidung der britischen Stellen insoweit unerheblich, auch wenn die diesbezüglichen Unterlagen zum Erhalt des "certificate of egilibility" der Law Society vorzulegen waren. Maßgeblich für die Zulassung zum QLTT war vielmehr allein die als gleichwertig anerkannte amerikanische Berufsqualifikation. Im Übrigen fand auch der überwiegende Teil der - offenbar insoweit ebenfalls angerechneten - zusätzlich erforderlichen praktischen Berufsausbildung ("legal practice experience") in den USA statt, wo der Kläger nach seinen eigenen Angaben von 9/2000 bis 2/2002, mithin ca. 18 Monate als associate tätig war, während seine praktische Tätigkeit als associate in Großbritannien bis zum QLLT im November 2002 nur noch ca. 9 Monate dauerte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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