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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: A 14 S 2078/99
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 a
AuslG § 51 Abs. 1
Kosovo-Albaner sind nach derzeitiger Erkenntnis auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung. Auf die Einschätzung, ob der Kosovo für jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit eine inländische Fluchtalternative ist, kommt es mithin nicht mehr an (vgl. hierzu Senatsurteile v. 17.3.2000 - A 14 S 1167/98 - und v. 26.5.2000 - A 14 S 709/00 -).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 14 S 2078/99

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 1998 - A 10 K 18551/93 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1966 geborene Kläger Ziff. 1 und seine 1971 geborene Ehefrau, die Klägerin Ziff. 2, sind jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit und stammen aus dem Kosovo. Sie haben nach ihren Angaben gemeinsam am 5.9.1991 das Heimatland verlassen und sind am Tag darauf auf dem Landweg ins Bundesgebiet eingereist. Hier haben sie am 17.9.1991 Antrag auf politisches Asyl gestellt.

Zu dessen Begründung trug der Kläger Ziff. 1 bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 10.9.1993 vor, acht Jahre die Grundschule in Likovc und drei Jahre die Mittelschule in Serbice besucht zu haben. Anschließend habe er eine kaufmännische Lehre absolviert und zwei Jahre lang ein eigenes Textilgeschäft geführt, das er aber bald wieder habe aufgeben müssen. Danach sei er drei Jahre lang arbeitslos gewesen. Ab 1990 habe er bis zu seiner Ausreise aus der Heimat in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet. Ausgereist sei er eine Woche nach dem Erhalt eines Einberufungsbefehls, weil er nicht habe zum Militär gehen wollen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, in das Gefängnis geworfen oder umgebracht zu werden, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe. Auf ausdrückliche Frage bejahte der Kläger, dass dies alle Gründe für sein Asylbegehren seien. Die Klägerin Ziff. 2 sagte bei ihrer Anhörung am 10.9.1993 aus, sie habe keine eigenen Asylgründe und sei ihrem Mann ins Ausland gefolgt, weil er nicht zum Militär habe gehen wollen.

Mit Bescheid vom 17.9.1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorlägen und auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestünden, und drohte den Klägern die Abschiebung nach Restjugoslawien oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat an, falls sie die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung verlassen hätten. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG lägen offensichtlich nicht vor. Die dem Kläger Ziff. 1 drohende Heranziehung zum Wehrdienst stelle keine asylrelevante Maßnahme dar. Seinem Vorbringen sei auch nicht zu entnehmen, dass er sich in der Heimat oppositionell engagiert habe. Er sei dort auch keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen oder vor einer ihm drohenden Verfolgung geflohen. Die Klägerin Ziff. 2 habe ihrerseits keine eigenen Asylgründe geltend gemacht.

Die Kläger haben am 16.11.1993 beim Verwaltungsgericht Stuttgart rechtzeitig Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Ebenfalls am 16.11.1993 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zu dessen Begründung wurde auf ihren Vortrag im Klageverfahren verwiesen. Durch Beschluss dieses Gerichts vom 29.6.1995 - A 10 K 18552/93 - wurde die aufschiebende Wirkung der Klage der Kläger angeordnet.

Zur Begründung ihrer Klage trugen die Kläger vor, dass in der Anhörung vor dem Bundesamt ihr Verfolgungsschicksal nur bruchstückhaft wiedergegeben worden sei. Der Kläger Ziff. 1 sei im November, nach der Teilnahme an einer Demonstration für die Autonomie des Kosovo, von der Polizei schwer misshandelt worden. Seit dem leide er an Angstzuständen und sei unfähig, sich zu konzentrieren. Hierdurch sei auch seine Aussage vor dem Bundesamt beeinflusst worden. Richtig sei, dass er im Kosovo an der Universität Pristina studiert und sich dort öfters an Demonstrationen für die Unabhängigkeit des Kosovo beteiligt habe. Die Situation dort sei durch die Repressalien der serbischen Sicherheitskräfte gegen die albanische Bevölkerung geprägt. Der Kläger Ziff. 1 sei im Fall einer Rückkehr zudem der Gefahr ausgesetzt, zwangsweise dem Militärdienst zugeführt zu werden. Zur Bestätigung legte der Kläger eine nach eigener Aussage mit Hilfe eines deutschen Freundes verfasste schriftliche Stellungnahme vor. In einer weiteren Stellungnahme vom 18.8.1995 führte der Kläger aus, seit 1986 in Pristina Jura studiert zu haben. Im November 1990 sei er bei dem Versuch, zwei an Vergiftung leidende Schüler in ein Krankenhaus zu überführen, von der serbischen Polizei angehalten, mehrere Tage festgehalten und bei dem Verhör gefoltert worden. Außerdem sei er bei einer späteren Demonstration im Februar 1991 mit Gummiknüppeln geschlagen und schwer verletzt worden. Danach habe die Polizei nach ihm gefahndet. Ausweislich der vom Kläger u.a. vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen des xxx xxxxxx vom 22.8.1995, des xxx xxxxxxx vom 24.8.1995 und des xxx xxxxxxx vom 11.4.1997 und 21.4.1998 war er seit Januar 1992 in psychiatrischer Behandlung und ist er wegen einer akuten Psychose den Belastungen einer gerichtlichen Befragung nicht gewachsen.

Nach Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung und Vernehmung des Bruders des Klägers als Zeuge über eine politische Betätigung des Klägers im Kosovo hat das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 24.4.1998 - A 10 K 18551/93 - die Beklagte zur Feststellung verpflichtet, dass beim Kläger Ziff. 1 ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bestehe, und Ziff. 3 des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17.9.1993 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Beim Kläger Ziff. 1 lägen die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vor. Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 21.4.1998 sei er auf Grund der bei ihm diagnostizierten Psychose sowohl auf ausreichende ärztliche Versorgung als auch auf ihn betreuende Verwandte angewiesen. Bei den gegenwärtig im Kosovo stattfindenden Auseinandersetzungen sei eine ausreichende Betreuung durch Angehörige und eine ausreichende ärztliche Versorgung nicht gewährleistet. Deshalb sei die Gefahr gegeben, dass sich die Krankheit des Klägers im Falle seiner Abschiebung verschlimmere. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet. Beide Kläger hätten keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG. Im Falle der Klägerin Ziff. 2 liege auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG vor. Die vom Kläger Ziff. 1 befürchtete Einziehung zum Wehrdienst und Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung stelle für sich genommen keine politische Verfolgung dar. Die Kläger unterlägen im Hinblick auf ihre albanische Volkszugehörigkeit derzeit auch keiner Gruppenverfolgung. Ungeachtet der gegen albanische Volkszugehörige ausgeübten Repressalien fehle es an der hierfür notwendigen Verfolgungsdichte im Sinne flächendeckender Verfolgungsmaßnahmen. Wegen der Widersprüchlichkeit der Angaben über das Verfolgungsschicksal sei auch die vom Kläger Ziff. 1 geltend gemachte individuelle Verfolgung nicht glaubhaft. Die vom Kläger behaupteten Angstzustände seien keine ausreichende Erklärung für seine unterschiedlichen Angaben, insbesondere über seine Schulausbildung und seine berufliche Tätigkeit. Bestätigt werde die mangelnde Glaubwürdigkeit auch dadurch, dass die Angaben der Klägerin Ziff. 2 zur politischen Betätigung ihres Ehemanns vage, unbestimmt und ausweichend seien. Auch die Angaben des als Zeugen gehörten Bruders des Klägers Ziff. 1 seien insoweit nicht glaubhaft, zumal sie in einigen Punkten von den eigenen Aussagen des Klägers abwichen. Das Urteil wurde den Klägern am 6.10.1998 zugestellt.

Auf Antrag der Kläger hat der Senat durch Beschluss vom 16.11.1999 - A 14 S 2377/98 -, den Klägern zugestellt am 26.11.1999, die Berufung zugelassen. Am 13.12.1999 haben die Kläger die Berufung begründet.

Sie tragen vor: Im Hinblick auf die beim Kläger Ziff. 1 festgestellte schwere Traumatisierung habe das Verwaltungsgericht zu Recht ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG bejaht. Dass der Kläger Ziff. 1 auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung nicht in seine Heimat zurückkehren könne, sei jedoch unabhängig hiervon auch asylerheblich. Der Kläger Ziff. 1 habe seine Heimat politisch vorverfolgt verlassen. Auf Grund der dort erlittenen Verfolgung und schweren Misshandlung habe sich bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Im Sinne eines objektiven Nachfluchtgrunds sei zudem zu berücksichtigen, dass albanische Volkszugehörige seit dem Frühjahr 1999 bis zum Einmarsch der KFOR-Truppen im Kosovo einer Gruppenverfolgung ausgesetzt waren. Hierbei habe es sich zumindest um eine regionale, die gesamten Kosovo-Albaner betreffende Gruppenverfolgung gehandelt. Dass einzelne Albaner, die sich außerhalb des Kosovo aufgehalten und in den serbischen Staat integriert hätten, von der Verfolgung nicht betroffen waren, sei unerheblich. Damit könnten die Kläger nur dann auf eine Rückkehr in die Heimat verwiesen werden, wenn sie landesweit vor Verfolgung hinreichend sicher seien. Dies sei aber auch nach dem Einmarsch der KFOR-Truppen nicht der Fall, da außerhalb des Kosovo weiterhin die Gefahr einer politischen Verfolgung bestehe. Den Klägern stehe im Kosovo auch keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Voraussetzung hierfür sei, dass dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohten, die ihrer Intensität und Schwere nach einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkämen. Zumindest dem Kläger Ziff. 1 drohten auf Grund seines Gesundheitszustands im Fall einer Rückkehr jedoch existentielle Gefahren, weil sich sein Zustand erheblich und existenzbedrohend verschlechtern würde. Auch sei die vorliegende schwere Traumatisierung gerade auf die Verfolgungshandlungen des serbischen Staates zurückzuführen und somit verfolgungsbedingt. Im Fall des Klägers Ziff. 1 sei deshalb ein Asylanspruch und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG begründet, der Anspruch der Klägerin Ziff. 2 folge aus § 26 AsylVfG. Ergänzend wird eine weitere ärztliche Bescheinigung des xxx xxxxxxx vom 28.12.1999 vorgelegt. Hiernach werde das Krankheitsbild des Klägers nicht durch eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung oder eine andere schwere Traumatisierung mitbestimmt. Es sei davon auszugehen, dass bei der labilen psychischen Konstitution des Patienten die Erlebnisse in seinem Heimatland zur Dekompensation in Form einer Psychose geführt hätten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 1998 - A 10 K 18551/93 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17. September 1993 zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG,

hilfsweise des § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor. Diese Unterlagen waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die den Beteiligten bekannt gegebenen Erkenntnismittel und verschiedene Zeitungsartikel.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Urteil enthält, ohne diese Frage näher zu erörtern, weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen (vgl. hierzu GK-AsylVfG II § 78 RdNr. 37; BVerfG, Beschl. v. 11.12.1985 - 2 BvR 361/83 und 2 BvR 449/83 -, InfAuslR 1986, 159, 163) einen näheren Hinweis darauf, dass der geltend gemachte Asylanspruch der Kläger und deren Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG als offensichtlich unbegründet einzustufen seien. Die dahingehenden Anträge der Kläger sind damit - abweichend vom Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - nur als einfach unbegründet abgelehnt.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger haben weder Anspruch auf Asylanerkennung noch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsschutzes nach § 51 AuslG vorliegen.

Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt ist, wer in Anknüpfung an die politische Überzeugung, die religiöse Grundentscheidung oder andere unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt intensive und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen erlitten hat oder wem diese unmittelbar drohten oder noch drohen (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - u. a. - E 80, 315 <333 ff.>).

Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann nicht nur aus einer gegen den Asylbewerber selbst gerichteten Maßnahme folgen, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet, so dass[!Duden1] es als eher zufällig anzusehen ist, dass er bislang von ausgrenzenden Rechtsgutsverletzungen verschont geblieben ist (Gruppenverfolgung).

Hat eine bestimmte Personengruppe asylerhebliche Verfolgung nicht landesweit, sondern nur in bestimmten Teilen des Staatsgebietes zu befürchten, so kann eine regionale Gruppenverfolgung oder aber auch nur eine örtlich begrenzte Verfolgung vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 171.95 - E 101, 134 <139>; Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 - E 105, 204). Kennzeichen einer regionalen Gruppenverfolgung ist es, dass der unmittelbar oder mittelbar verfolgende Staat die gesamte, durch eine oder mehrere Merkmale oder Umstände verbundene Gruppe im Blick hat, sie aber - als "mehrgesichtiger Staat" - beispielsweise aus Gründen politischer Opportunität oder wegen fehlender Verfolgungsmöglichkeiten nur regional, aber nicht landesweit verfolgt. Bei einer derartigen Regionalisierung des äußerlichen Verfolgungs-geschehens, das unter gewissen Bedingungen stets in eine landesweite Verfolgung umschlagen kann, bleiben die außerhalb der Region, in der die Verfolgung praktiziert wird, lebenden Gruppenmitglieder mitbetroffen. Ihre potentielle[!Duden2] Gefährdung macht sie zwar nicht selbst zu Verfolgten, rechtfertigt aber die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auch dann, wenn die regionale Gefahr als objektiver Nachfluchttatbestand erst nach ihrer Flucht auftritt (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 - a.a.O.). Anders ist es hingegen, wenn sich die Verfolgungsmaßnahmen nicht gegen alle durch übergreifende Merkmale wie Ethnie oder Religion verbundene Personen richten, sondern nur gegen solche, die (beispielsweise) zusätzlich aus einem bestimmten Ort oder Gebiet stammen oder dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt oder Grundbesitz haben. Dann besteht schon die Gruppe, die der Verfolger im Blick hat, lediglich aus solchen Personen, die alle Kriterien - etwa Religion einerseits, Gebietsbezogenheit andererseits - erfüllen (örtlich begrenzte Verfolgung).

Ist der Asylsuchende vorverfolgt ausgereist, gilt der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, d. h. er hat einen Asylanspruch, wenn er im Falle seiner Rückkehr in seinem Heimatland nicht vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist. Hat er seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, so hat sein Asylantrag nur Erfolg, wenn er sich auf beachtliche Nachfluchtgründe berufen kann und ihm in seinem Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (BVerfG, B. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - a.a.O.).

Bei der Prognose, ob dem Ausländer bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat politische Verfolgung droht, ist das Staatsgebiet in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.10.1999 - 9 C 15.99 - InfAuslR 2000, 32). Ist ein vorverfolgt Ausgereister im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat vor regionaler politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher bzw. droht einem unverfolgt Ausgereisten jetzt regionale politische Verfolgung, so sind die Grundsätze über die inländische bzw. innerstaatliche Fluchtalternative anzuwenden. Sowohl der vorverfolgt als auch der unverfolgt Ausgereiste dürfen danach nur dann auf einen anderen Landesteil ihres Heimatstaates verwiesen werden, wenn sie dort vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind (BVerfG, B. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 - a.a.O.). Dem unverfolgt Ausgereisten dürfen in diesem anderen Landesteil auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren drohen, durch die er in eine ausweglose Situation geraten würde. Der vorverfolgt Ausgereiste muss darüber hinaus vor solchen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher sein, die ihm im Zeitpunkt seiner Flucht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in dem vor politischer Verfolgung sicheren Landesteil gedroht und damit ein Ausweichen dorthin unzumutbar gemacht hatten, d.h. es gilt insoweit ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab; andere Nachteile und Gefahren, die bei seiner Flucht einem Ausweichen in einen anderen Landesteil nicht entgegenstanden, dürfen ihm bei einer Rückkehr nicht drohen (BVerfG, B. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502.86 - a.a.O.), d.h. sie dürfen nicht beachtlich wahrscheinlich sein.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze wurde im Fall der Kläger ein Asylanspruch zu Recht verneint.

Zu dieser Feststellung bedarf es keines näheren Eingehens darauf, ob der Kläger Ziff. 1 vor seiner Ausreise aus dem Heimatstaat individueller Verfolgung ausgesetzt war, was im angefochtenen Urteil wegen der Widersprüchlichkeit des dahingehenden Sachvortrags verneint worden war.

Ebenso offen kann auch bleiben, ob albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo in dem Zeitraum zwischen Frühjahr 1999 und dem Einmarsch der KFOR-Truppen aus ethnischen Gründen einer Gruppenverfolgung durch ser-bische Sicherheitskräfte ausgesetzt waren. Für eine derartige Verfolgungssituation sprechen gewichtige Anhaltspunkte, dies gilt jedoch nur für das Vorliegen einer sog. örtlich begrenzten Verfolgung und nicht für die Annahme einer sog. regionalen Gruppenverfolgung (zur Abgrenzung vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 171.95 -, a.a.O.; Urt. v. 9.9.1997, a.a.O.; Beschl. v. 8.3.2000 - 9 B 620.99 -, Juris).

Denn Voraussetzung einer regionalen Gruppenverfolgung wäre, wie dargelegt, dass etwa alle Personen einer bestimmten Volkszugehörigkeit von Sicherheitskräften pauschal des Separatismus verdächtigt werden, ihnen aber aktuelle Verfolgungsmaßnahmen nicht landesweit an jedem beliebigen Ort, sondern nur in einer örtlich umgrenzten Region drohen (BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 43.96 -, DVBl. 1998, 274). Diese Situation wäre im Fall der Kläger jedoch nur dann gegeben, wenn ethnische Albaner im vorgenannten Zeitraum im gesamten Staatsgebiet des Staates Jugoslawien von politischer Verfolgung bedroht waren, wenngleich sich die Verfolgungshandlungen - aus welchen Gründen auch immer - nur auf die Provinz Kosovo beschränkt hatten. Dies war jedoch nicht der Fall. Außerhalb der Provinz Kosovo waren albanische Volkszugehörige zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in dem hier in Frage stehenden Zeitraum, von einer Gruppenverfolgung bedroht oder dieser gar ausgesetzt. Für die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung ethnischer Albaner fehlt es einerseits an einer hinreichenden Zahl von Referenzfällen, auf Grund derer auf eine landesweite Gefährdung aller albanischen Volkszugehörigen im Staat Jugoslawien geschlossen werden könnte (zur erforderlichen Verfolgungsdichte vgl. BVerwG, Urt. v. 20.6.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 57; Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175; Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 170.95 -, NVwZ 1996, 1110), andererseits bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass in ganz Jugoslawien gegen ethnische Albaner ein Verfolgungsprogramm eingeleitet oder vorbereitet worden sei (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175). Soweit in der Rechtsprechung (VG Karlsruhe, Urt. v. 17.6.1999 - A 6 K 12203/95 -, Urt. v. 25.8.1999 - A 4 K 10370/97 -) in diesem Zusammenhang auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 6.4.1999 Bezug genommen wird, wonach während der Luftangriffe der NATO in Belgrad ein Ladengeschäft eines albanischen Volkszugehörigen verwüstet worden sei, reicht ein derart isolierter Vorgang angesichts der im selben Artikel genannten Größe der albanischen Volksgruppe in Belgrad von über 100.000 Volkszugehörigen nicht aus, um auf eine Gruppenverfolgung gegen ethnische Albaner in Belgrad oder gar im gesamten Staatsgebiet zu schließen. Im Übrigen bestehen auch bereits Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Mitteilung, weil ein derartiges Geschehen in sonstigen Erkenntnisquellen keinen Niederschlag gefunden hatte und es auch in dieser Zeitung selbst später keine Erwähnung mehr fand. Die im Kosovo gegen ethnische Albaner verübten Repressalien waren vielmehr allein Ausdruck einer gezielt gegen die dort ansässige Bevölkerung gerichteten Verfolgungsabsicht. Anlass hierfür war nicht die albanische Ethnie schlechthin, sondern die als Bedrohung des Staats empfundene Bestrebung des albanischen Bevölkerungsteils im Kosovo, sich aus dem Staatsverband zu lösen. War aber Anknüpfungspunkt für die politische Verfolgung nicht die ethnische Zugehörigkeit als solche, sondern zusätzlich ein weiteres Merkmal, nämlich der Wohnsitz oder Herkunftsort im Kosovo, kommt insoweit nur die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung in Betracht (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 30.4.1996 - 9 C 171.95 -, a.a.O.; Urt. v. 9.9.1997, a.a.O.; Beschl. v. 8.3.2000 - 9 B 620.99 -, Juris). An dieser Beurteilung würde sich auch dann nichts ändern, wenn, wofür viel spricht, die albanische Bevölkerungsgruppe im Kosovo in dem in Frage stehenden Zeitraum nicht nur in dieser Provinz selbst, sondern auf dem gesamten Territorium des Staates Jugoslawien von politischer Verfolgung bedroht war, d.h. diese sich wegen des ihr unterstellten Separatismusverdachts auch durch einen Wegzug in andere Regionen außerhalb des Kosovo der Verfolgungsgefahr nicht hätte entziehen können. Denn auch die - insoweit unterstellte - landesweite Verfolgung eines durch zusätzliche Merkmale wie Wohnsitz oder Herkunftsort charakterisierten Teils einer Volksgruppe steht der Annahme nicht entgegen, dass es sich hierbei um eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 34.96 -, DVBl. 1998, 274, 276, rechte Spalte = BVerwGE 105, 204, 209).

Einer abschließenden Feststellung über eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung der albanischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo im vorgenannten Zeitraum bedarf es aber ebenso wenig wie einer Entscheidung über die vom Kläger Ziff. 1 geltend gemachte Vorverfolgung vor seiner Ausreise aus dem Heimatstaat. Der behauptete Asylanspruch der Kläger scheitert nämlich schon daran, dass eine - hier unterstellte - individuelle oder kollektive Verfolgung zwischenzeitlich beendet ist und ihr Wiederaufleben nicht nur nach dem Maßstab einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit, sondern mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - BvR 502/86 -, InfAuslR 90, 21, 31; BVerwG, Urt. v. 3.10.1999 - 9 C 15.99 -, NVwZ 2000, 333; Urt. v. 16.2.1993 - 9 C 31.92 -, NVwZ 1993, 791).

Bezogen auf den Kosovo hat der Senat bereits früher entschieden, dass albanische Volkszugehörige dort gegenwärtig und auf absehbare Zeit hinreichend sicher vor politischer Verfolgung durch die Bundesrepublik Jugoslawien sind. Auf Grund der jüngsten politischen Entwicklung in Jugoslawien und speziell im Teilstaat Serbien geht der Senat aber nunmehr davon aus, dass landesweit (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urt. v. 5.10.1999 - 9 C 15.99 -, NVwZ 2000, 332) eine Fortsetzung der - unterstellten - individuellen Verfolgung der Kläger ebenso auszuschließen ist wie eine gegen die albanische Bevölkerungsgruppe aus dem Kosovo gerichtete Verfolgung. Durch die zwischenzeitlich eingeleitete Öffnung und Demokratisierung des gesamten Staatswesens ist auch hinreichend gewährleistet, dass die Rechte der Minderheiten in Zukunft gewahrt bleiben und politische Repressalien und ungesetzliche Maßnahmen jeder Art speziell gegen die albanische Bevölkerungsgruppe im Kosovo unterbleiben. Dabei legt der Senat folgenden Sachverhalt zugrunde:

Die Präsidentschaftswahlen vom 24.9.2000, bei denen Kostunica als Kandidat der serbischen demokratischen Opposition mit weitem Vorsprung vor dem Amtsinhaber Milosevic den Sieg errungen hatte, haben im Gesamtstaat Jugoslawien einen politischen Wandel eingeleitet, der sich zwischenzeitlich durch den Erfolg der serbischen Oppositionsparteien bei der serbischen Parlamentswahl noch vertieft hat. Hierbei erzielte das aus 18 Parteien bestehende Wahlbündnis DOS 64 %, Milosevics Sozialistische Partei SPS 13,7 %, die Nationalistische Partei von Seselj 8,5 % und die ebenfalls rechtsextreme Serbische Einheitspartei 5,3 % der Stimmen. Sowohl die Serbische Erneuerungsbewegung von Draskovic wie auch die von Milosevics Ehefrau geführte Linkspartei scheiterten an der 5 % Hürde. Die von der demokratischen Oppositionsbewegung erzielte Mehrheit von nahezu zwei Dritteln der Abgeordnetenmandate sichert dem zum Ministerpräsidenten gewählten bisherigen Oppositionsführer Djindjic eine breite parlamentarische Unterstützung (Cosmopolis: Parlamentswahlen in Serbien - Internet -; Süddeutsche Zeitung v. 23.1.2001: Parlament in Serbien; Stuttgarter Zeitung v. 26.1.2001: Djindjic ist neuer Premier).

Die hierdurch bewirkte demokratische Öffnung in Jugoslawien hat neben dem Parlament und der Regierung auch sonstige staatliche und gesellschaftliche Institutionen erfasst. Ein wichtiger Beitrag zur Herstellung der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt in den Medien stellt insbesondere die Aufhebung des bisher sehr restriktiven, die Diktatur von Milosevic stützenden Mediengesetzes von Oktober 1998 dar (Rüb in FAZ v. 22.2.2001: Schüsse in der Nacht; FR v. 15.2.2001: Repressives Mediengesetz abgeschafft), auf Grund dessen wegen regimekritischer Berichterstattung bisher vielfach Geldbußen und auch Gefängnisstrafen gegen Journalisten verhängt worden waren. Hiermit einher ging in Serbien eine Säuberung im Justizapparat und in anderen staatlichen Institutionen. So beschloss das Parlament auf Vorschlag des Justizministers am 14.2.2001 die Entlassung mehrerer Richter und Staatsanwälte, denen eine "schändliche Tätigkeit" während des Milosevic-Regimes zur Last gelegt wurde (FR v. 17.2.2001: Nächtliche Schüsse, Stuttgarter Zeitung v. 17.2.2001: Die alte Garde). Gleichzeitig wurde die unter der Milosevic-Regierung verfügte Entlassung mehrerer Richter rückgängig gemacht, die wegen ihres Festhaltens an der Unabhängigkeit der Justiz entlassen worden waren (FR v. 15.2.2001 - Asylfakt -). Als erste Maßnahme der Regierung wurden zudem die Leiter der Staatsicherheit (RDB) und der öffentlichen Sicherheit (RGB) abgelöst und diese durch der Oppositionsbewegung nahe stehende Personen ersetzt (Stuttgarter Zeitung v. 1.2.2001; FR v. 27.1.2001).

Als schwerer Schlag für die alte Regierung und als deutliches Signal für die eingetretene Wende wird in der Presse (FR v. 26.2.2001; Die Welt v. 27.2.2001: Serbiens Justiz; Stuttgarter Zeitung v. 2.3.2001) auch der Umstand bezeichnet, dass auf Veranlassung der neuen Regierung der frühere serbische Geheimdienstchef Markovic unter Mordverdacht festgenommen wurde. Ihm wird u.a. der Mordanschlag auf den Oppositionspolitiker Draskovic zur Last gelegt. Außer ihm wurden weitere 15 ranghohe Geheimdienstmitarbeiter verhaftet (Die Welt v. 27.2.2001; Stuttgarter Zeitung v. 26.2.2001). Auch gegen andere Führungskräfte des alten Regimes wurden gerichtliche Verfahren eingeleitet. So wurde etwa der ehemalige Direktor des Staatlichen Fernsehens RTS, Milanovic, wegen der ihm zur Last gelegten Inkaufnahme des Todes mehrerer Mitarbeiter während der NATO-Luftangriffe in Untersuchungshaft genommen. Auch der ehemalige Chef der jugoslawischen Zollverwaltung befindet sich wegen Betrugsverdacht in Untersuchungshaft (Rüb in FAZ v. 22.2.2001; Stuttgarter Zeitung v. 26.2.2001).

Wenngleich die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft in Serbien derzeit noch dadurch behindert wird, dass einzelne Funktionäre und Repräsentanten des alten Regimes, die sich später der Opposition angeschlossen hatten, durch ihre Vergangenheit belastet sind (Der Spiegel v. 19.3.2001: Täuschen und Vertuschen; Die Welt v. 27.2.2001: Serbiens Justiz; Rüb in FAZ v. 22.2.2001: Schüsse in der Nacht), und vereinzelt durch ehemalige Nutznießer des Regimes Attentate und Gewaltakte mit dem Ziel verübt werden, die politische Entwicklung aufzuhalten (Die Welt v. 8.2.2001: Terror wütet hinter den Kulissen; FR v. 17.2.2001: Nächtliche Schüsse; FAZ v. 22.2.2001: Schüsse in der Nacht; Stuttgarter Zeitung v. 17.2.2001: Die alte Garde), stellt sich der politische Prozess in Serbien angesichts der geänderten politischen Einstellung breiter Bevölkerungskreise im Ganzen als unumkehrbar dar. Der politische Stimmungswandel kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass eine Verurteilung des ehemaligen Staatschefs Milosevic derzeit weite Zustimmung finden würde und selbst dessen Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in der Bevölkerung mehrheitlich nicht auf Widerspruch stieße. Nach neuesten Umfragen würden 56,3 % der Bevölkerung eine Verurteilung von Milosevic durch das Kriegsverbrechertribunal befürworten und billigen (Der Spiegel 10/2001: In die Donau entsorgt; FR v. 2.3.2001: Belgrad erörtert die Verhaftung; Stuttgarter Zeitung v. 2.3.2001). Serbiens Regierung bereitet in Übereinstimmung hiermit auch bereits ein Gesetz vor, das die Auslieferung von Milosevic an das Kriegsverbrechertribunal ermöglichen soll (Die Welt v. 8.2.2001: Terror).

Die politischen Änderungen in Serbien haben ersichtlich auch das Verhältnis der serbischen Führung zu den im Staate lebenden ethnischen Minderheiten, insbesondere zu den albanischen Volkszugehörigen, nachhaltig beeinflusst. So hat der neue Ministerpräsident Djindjic versichert, Belgrad sei zu einem Dialog mit den gemäßigten politischen Führern der Kosovo-Albaner bereit. Die Albaner im Kosovo könnten ihre wirtschaftlichen und menschlichen Interessen in Zusammenarbeit mit Serbien verwirklichen (FR v. 26.1.2001: Djindjic richtet Blick auf die EU; FAZ v. 26.1.2001: Neue serbische Regierung). Die Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog wird namentlich aus der Reaktion der serbischen Regierung auf die seit längerem andauernden bewaffneten Provokationen albanischer Extremisten in Südserbien erkennbar.

Zur Beendigung der Krise in Südserbien wurde seitens der serbischen Regierung ein Friedensplan verabschiedet, der eine Entmilitarisierung der umkämpften Gebiete, eine wirtschaftliche Förderung dieses Landesteils und eine politische und soziale Einbindung der albanisch-stämmigen Bevölkerung in die staatlichen Institutionen vorsieht (Stuttgarter Zeitung v. 7.2.2001; Friedensplan; v. 1.2.2001: Belgrad ruft). Der durch maßgebliche Repräsentanten des Staates, wie etwa durch den Präsidenten Kostunica bei einer Fernsehansprache (NZZ v. 20.2.2001: Provokationen und Kämpfe in Südserbien), vermittelte Eindruck, die Sicherheitskräfte sollten ihren Einsatz in Südserbien auf die Verhinderung von Terroranschlägen beschränken und unter größtmöglicher Schonung der Zivilbevölkerung vorgehen, wird auch von unabhängigen Beobachtern bestätigt. So stellt etwa Rüb am 20.2.2001 (in FAZ: Die drei albanischen Fragen) fest, dass die serbische Seite in dem Konflikt in Südserbien den Ausgleich suche und sich jeglicher Gewalt enthalte. Diese Einschätzung wird durch die seitherige Entwicklung eher noch bestätigt und verstärkt.

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Tendenzen im Gesamtstaat Jugoslawien - außerhalb des Kosovo - und speziell in Serbien ist danach mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass eine - hier im angegebenen Zeitraum unterstellte - politische Gefährdung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo in den serbisch besiedelten Landesteilen in absehbarer Zeit wieder aufleben könnte. An dieser Einschätzung würde sich auch dann nichts ändern, wenn - worauf die Kläger unter Hinweis auf die von ihnen vorgelegten Zeitungsausschnitte abgehoben haben - sich die bewaffneten Konflikte in Südserbien noch intensivieren oder - worauf erste Zwischenfälle hindeuten - sich die Auseinandersetzungen mit albanischen Extremisten auf Mazedonien ausdehnen würden. Denn da, wie dargelegt, die albanische Bevölkerung in Serbien (außerhalb des Kosovo) selbst während der NATO-Luftangriffe keiner politischen Verfolgung ausgesetzt war, spricht nichts dafür, dass unter der neuen politischen Führung in Serbien etwaige Konflikte in Südserbien oder Mazedonien Veranlassung geben könnten, politische Repressalien gegen die hiervon nicht betroffene albanisch-stämmige Bevölkerung aus dem Kosovo einzuleiten. Die Frage, ob ethnische Albaner aus dem Kosovo von der nunmehr bestehenden Möglichkeit einer ungefährdeten Einreise nach Restjugoslawien tatsächlich Gebrauch machen könnten oder ob sie faktisch daran gehindert würden, in das jugoslawische Staatsgebiet - außerhalb des Kosovo - einzureisen, lässt sich anhand der vorliegenden Erkenntnisse nicht abschließend beurteilen. Hierauf kommt es indessen im Ergebnis auch nicht an. Denn die bloße Verweigerung einer Einreise ethnischer Albaner aus dem Kosovo in außerhalb des Kosovo gelegene Landesteile würde für sich genommen den Tatbestand einer politischen Verfolgung nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.1997 - 9 B 11.97 -, DVBl. 1997, 912; Beschl. v. 6.3.2000 - 9 B 82.00 - <Juris>).

Sind die Kläger mithin derzeit landesweit sowohl vor einer individuellen wie auch vor einer kollektiven Verfolgung hinreichend sicher, stellt sich die Frage nach einer inländischen Fluchtalternative und insbesondere auch die Problematik, ob den Klägern im Kosovo sonstige Nachteile und Gefahren drohen, die ihnen dort eine menschenwürdige Existenz unmöglich machen würden (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.2.1993 - 9 C 31.92 -, NVwZ 1993, 791), nicht. Das Vorbringen des Klägers Ziff. 1, dass er im Falle einer Rückkehr in den Kosovo aus gesundheitlichen Gründen einer existenzbedrohenden Gefährdung ausgesetzt sei, ist mithin im vorliegenden Verfahren unerheblich.

Liegen damit im Fall der Kläger die Voraussetzungen eines Asylanspruchs nicht vor, ist auch ein Abschiebungshindernis nach § 51 AuslG, das in seinen Voraussetzungen mit denen des Asylanspruchs im Wesentlichen identisch ist, nicht gegeben.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungshindernis zu Gunsten der Kläger nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG bestehen nicht. Ob im Fall der Klägerin Ziff. 2 ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG besteht, bedarf keines näheren Eingehens, da im Berufungsrechtszug ausdrücklich keine dahingehende Feststellung beantragt wurde. Im Übrigen wäre ein derartiger Anspruch aber wohl ohnehin zu verneinen. Im Fall des Klägers Ziff. 1 stellt sich eine dahingehende Frage nicht, da im Urteil des Verwaltungsgerichts bereits eine entsprechende Feststellung zu seinen Gunsten getroffen wurde.

Die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass in dessen Bescheid statt der hier maßgeblichen einmonatigen Ausreisefrist (§ 38 Abs. 1 AsylVfG) nur eine einwöchige Frist (vgl. zu § 36 Abs. 1 AsylVfG) eingeräumt wurde, ist vorliegend unerheblich. Als Folge des von den Klägern eingeleiteten und erfolgreich abgeschlossenen Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde die Ausreisefrist kraft Gesetzes auf einen Monat nach Abschluss des Asylverfahrens verlängert (vgl. § 37 Abs. 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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