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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: A 14 S 457/02
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 73 Abs. 1
Wird eine in Vollzug eines Verpflichtungsurteils erfolgte Asylanerkennung widerrufen, kommt es für die Frage, ob sich die Verhältnisse i.S. von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nachträglich geändert haben, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheids, sondern auf den für die vorangegangene gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt an.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 14 S 457/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Oktober 2001 - A 7 K 12876/00 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG.

Der 1995 in Deutschland geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit; seine Eltern stammen aus dem Kosovo. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 01.12.1997 ab. Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt mit Gerichtsbescheid vom 12.05.1999 - A 3 K 12821/97 -, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Im Urteil wird ausgeführt, dass die Kosovo-Albaner von einer Gruppenverfolgung betroffen seien; jedenfalls liege, wie die massiven Vertreibungen im Kosovo zeigten, dem Vorgehen der serbischen Staatsmacht ein entsprechendes Verfolgungsprogramm zugrunde. Dieser Verpflichtung kam Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 28.06.1999 nach.

Im September 2000 leitete das Bundesamt das Widerrufsverfahren ein, weil sich die innenpolitischen Verhältnisse im Kosovo seit Beendigung der Kampfhandlungen grundlegend verändert hätten. Im Rahmen der Anhörung wandte der Kläger ein, dass angesichts der unsicheren staatsrechtlichen Einordnung des Kosovo noch nicht von einer derart grundlegenden Veränderung ausgegangen werden könne, die eine Widerrufsentscheidung rechtfertigen würde.

Mit Bescheid vom 01.12.2000 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anerkennung als Asylberechtigter (Ziff. 1) und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (Ziff. 2) und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Ziff. 3).

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass eine wesentliche nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse als Voraussetzung eines Widerrufs nicht eingetreten sei. Denn im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheids vom 28.06.1999 seien die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der NATO und Serbien beendet gewesen und die Serben seien bereits aus dem Kosovo abgezogen.

Mit Urteil vom 24.10.2001 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzung für eine Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG lägen vor; denn der Kläger sei nunmehr im Falle einer Rückkehr vor politischer Verfolgung sicher. Diese Änderung sei auch im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nachträglich eingetreten. Wenn der Anerkennungsbescheid auf Grund eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ergangen sei, sei nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids, sondern auf den Zeitpunkt des Ergehens des Urteils abzustellen. Der Bescheid gründe sich ohne erneute eigene Prüfung auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt vom Gericht festgestellte Sach- und Rechtslage; hierauf sei der Regelungsgehalt des Bescheids beschränkt; er treffe keine rechtsverbindliche Aussage, ob zum Zeitpunkt seines Ergehens der Bescheidadressat politisch verfolgt werde. Die für die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erforderliche Nachträglichkeit könne nur auf die der rechtsverbindlichen Feststellung des Bescheids zugrunde liegenden Tatsachen bezogen sein; dies sei hier die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachlage. Die Klage gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, bleibe jedenfalls deswegen erfolglos, weil diese Feststellung in der Sache zu Recht getroffen worden sei.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 06.06.2002 - A 14 S 1057/01 - zugelassen, soweit der Kläger sich gegen die Widerrufsentscheidung wendet.

Zur Begründung seiner Berufung verweist der Kläger - unter Bezugnahme auf seinen Zulassungsantrag - wie schon im erstinstanzlichen Verfahren auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 16.11.2000 - 20 ZBH 00.32237 -, AuAS 2001, 23 f.), wonach beim Widerruf einer Asylanerkennung wegen nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse für die Nachträglichkeit das Wirksamwerden des behördlichen Anerkennungsbescheids auch dann maßgeblich sei, wenn ihm ein rechtskräftiges Verpflichtungsurteil vorausgegangen sei. Seit dem 28.06.1999 habe sich die Lage aber nicht in entscheidungserheblicher Weise geändert. Schließlich sei der Widerrufsbescheid nicht unverzüglich ergangen; auf einen solchen Fehler könne er sich berufen, da dieses Tatbestandsmerkmal auch seinem Interesse diene.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 24. Oktober 2001 - A 7 K 12876/00 - zu ändern und den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 01. Dezember 2000 in Ziff. 1 und 2 aufzuheben.

Die Beklagte teilt die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsansicht.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - auch die im Anerkennungsverfahren (A 3 K 12821/97) - vor. Diese Unterlagen waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die den Beteiligten dort - wie in der Sitzungsniederschrift aufgeführt - im einzelnen bezeichnet bzw. zuvor durch die Übersendung einer Erkenntnismittelliste bekannt gegebenen Erkenntnismittel.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht alle Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten waren; denn auf diese Möglichkeit ist in der ordnungsgemäß bewirkten Ladung hingewiesen worden (§§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, zu Recht abgewiesen. Der Widerrufsbescheid verletzt den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die angefochtene Widerrufsentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Es bedarf folglich einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage, die dazu führt, dass die Voraussetzungen politischer Verfolgung nicht mehr gegeben sind; eine lediglich abweichende Bewertung der entscheidungserheblichen Umstände auf der Grundlage einer unveränderten Tatsachenbasis oder eine Änderung der Erkenntnislage reicht demgegenüber nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80 <82 ff.>). Dabei ist für die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unerheblich, ob die Anerkennung zu Recht oder zu Unrecht ausgesprochen worden ist; es genügt, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegeben ist, die eine neue Beurteilung erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80 <85 f.>).

Für die Frage, ob nachträglich eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, ist der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids maßgeblich, sofern das Bundesamt die Anerkennung aufgrund eigener Prüfung und Entscheidung ausgesprochen hat (siehe zu dieser Fallgestaltung BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80 <82>). Beruht die Anerkennung hingegen auf einem Verpflichtungsurteil, ist , falls dieses Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen ist, auf den hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, anderenfalls auf den Zeitpunkt, in dem es gefällt worden ist (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), abzustellen (so auch Nds. OVG, Beschluss vom 21.02.2002 - 8 LB 13/02 -, AuAS 2002, 90 <91>; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.1999 - A 6 S 1974/98 -, ESVGH 50, 125 <129>; Hess. VGH Urteil vom 02.04.1993 - 10 UE 1413/91 -, NVwZ-RR 1994, 234 <LS>; im Anschluss hieran Marx, AsylVfG, 4. Aufl. 1999, § 73 Randnrn. 9, 14), nicht aber, wie der Kläger im Anschluss an eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs meint, auf das Ergehen des in Vollzug des Urteils erlassenen Bescheids.

Ist der Anerkennungsbescheid aufgrund eines verwaltungsgerichtlichen Urteils ergangen, folgt schon aus dem Rechtsinstitut der Rechtskraft, dass eine Abänderung des Bescheids nur nach Änderung der für das Urteil maßgeblichen Sach- oder Rechtslage erfolgen darf. Rechtskräftige Urteile binden nach § 121 VwGO die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Die Rechtskraft erschöpft sich nicht darin, dass die Behörde ihrer Verpflichtung nachkommt und - wie hier - die begehrte Anerkennung als Asylberechtigter ausspricht und das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG feststellt, sondern sie hindert grundsätzlich jede erneute und erst recht jede abweichende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung über den Streitgegenstand. Von dieser Bindung stellt § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Behörde nicht frei. Diese Bestimmung setzt vielmehr voraus, dass die Rechtskraftwirkung geendet hat, weil sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert hat und so die sogenannte zeitliche Grenze der Rechtskraft überschritten ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118 <120 f.>). Diese Lösung der Bindung an das rechtskräftige Urteil ist nicht nur notwendige, sondern - unter dem zeitlichen Aspekt - zugleich hinreichende Bedingung für einen Widerruf; es kommt nicht darauf an, ob die Änderung der Sachlage vor oder nach dem Erlass des Bescheids eingetreten ist.

Mit Erlass des Bescheids kommt das Bundesamt der im Urteil ausgesprochenen Verpflichtung nach; der Bescheid bezieht sich demnach allein auf die dem Urteilsausspruch zugrundeliegende, in Rechtskraft erwachsene Feststellung, wonach dem Begünstigten nach der für das Gericht maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ein entsprechender Anspruch zustand. Hierauf ist dann notwendigerweise die Frage der Nachträglichkeit einer Änderung der Verhältnisse bezogen.

Die abweichende Auffassung, die auch in diesem Fall auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids abstellt, lässt sich nicht auf die Erwägung stützen, dass das Bundesamt vor der Erfüllung der Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Urteil stets gehalten sei zu prüfen, ob die die gerichtliche Entscheidung tragenden Gründe, insbesondere die Verfolgungsprognose, ungeachtet der zwischenzeitlichen Entwicklung weiterhin Bestand haben können. Mit dem Erlass des Bescheids gebe es folglich zu erkennen, dass aufgrund eigener Prüfung auch zu diesem Zeitpunkt die dem Urteil zugrundeliegende asylrechtliche Einschätzung zutreffend sei; dies rechtfertige insoweit die Gleichbehandlung aller Widerrufsentscheidungen.

Diese Überlegung ist allerdings im Ausgangspunkt insofern richtig, als eine rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Verurteilung nicht zwingend von der Verwaltung umgesetzt werden muss. Vielmehr ist dem Bundesamt die Möglichkeit eröffnet, Einwendungen gegen den im Urteil rechtskräftig festgestellten materiell-rechtlichen Anspruch zu erheben, wenn bereits vor Erlass des Bescheids aufgrund entscheidungserheblicher Veränderungen der Sach- oder Rechtslage die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft überschritten sind. Das Bundesamt ist indessen nicht verpflichtet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Der Wegfall der den Erlass des Anerkennungsbescheids rechtfertigenden Verfolgungsgefahr kann - abgesehen von der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, das die Berücksichtigung neuer Tatsachen erlaubt - ordnungsgemäß nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden. Diese Klage lässt die Rechtskraft des Urteils unberührt und ist nur darauf gerichtet, die Vollstreckbarkeit des Urteils unter Berufung auf rechtshemmende bzw. - wie hier - rechtsvernichtende Einwendungen zu beseitigen (vgl. hierzu Pietzner in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, § 167 Randnrn. 20, 30). Ob die Behörde verpflichtet ist, die Berechtigung des titulierten Anspruchs auf diesem verfahrensrechtlichen Weg in Frage zu stellen, hängt maßgeblich von den Folgen einer Erfüllung der sich aus dem Urteil ergebenden Verpflichtungen ab. Insbesondere dann, wenn sich hieraus ein dauerhafter Widerspruch zur materiell-rechtlichen Lage ergäbe oder dieser Widerspruch nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder beseitigt werden könnte, ist im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage geboten. Dementsprechend findet sie in der verwaltungsgerichtlichen Praxis ein Anwendungsfeld im Baurecht bei nachträglicher Änderung der bauplanungsrechtlichen Situation, die nunmehr dem Erlass der erstrittenen Baugenehmigung entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.101984 - 4 C 53.80 -, BVerwGE 70, 227); denn dort behauptet sich eine erteilte Baugenehmigung gegen Rechtsänderungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 39.82 -, BVerwGE 69, 1). Auch kann einem Urteil, das einen Folgenbeseitigungsanspruch bejaht, die mittlerweile erfolgte Legalisierung des bislang rechtswidrigen Zustandes entgegengehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 -, BVerwGE 80, 178).

Demgegenüber besteht im Asyl- und Flüchtlingsrecht - wenigstens in aller Regel - kein Anlass und keine Verpflichtung, eine dem Ausländer günstige rechtskräftige Entscheidung - abweichend vom regulären Abschluss des Rechtsstreits durch Erlass des erstrittenen Bescheids - noch vor deren Umsetzung zur Vermeidung nicht mehr oder nur schwer korrigierbarer Folgewirkungen einer nochmaligen inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen. Denn gerade aus § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG folgt, dass die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht unentziehbar auf Dauer verliehen bzw. festgestellt werden, sondern jeweils unter dem Vorbehalt des Fortbestands der Verfolgungsgefahr stehen. Die Einschränkung, die dieser Grundsatz durch die auf humanitären Überlegungen beruhende Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erfährt, hat wegen deren Ausnahmecharakter hier außer Betracht bleiben.

Aber selbst wenn eine entsprechende Verpflichtung des Bundesamts angenommen würde, könnte der Ausländer sich auf deren Verletzung nicht berufen. Denn eine solche Verpflichtung obläge dem Bundesamt nur im öffentlichen Interesse, nicht aber in dem des betroffenen Ausländers, dem nicht daran gelegen ist, dass sein Prozesserfolg in Frage gestellt wird.

Der Erlass des Bescheids stellt sich demnach lediglich als Erfüllung des rechtskräftigen Urteils dar, während Folgerungen aus Änderungen der Sach- oder Rechtslage, die nach dem Urteil eintreten, im Widerrufsverfahren zu ziehen sind. Diese rechtliche Einordnung kommt letztlich auch dem Ausländer zugute, der dann während eines Rechtsstreits über die Bewertung der neuen Verhältnisse im Rahmen eines Widerrufsverfahrens über einen förmlichen Anerkennungsbescheid verfügt und damit alle mit diesem Rechtsstatus verbundenen Rechte in Anspruch nehmen kann (siehe Hailbronner, AuslR, § 2 AsylVfG Randnr. 4 m.N.). Auch entfallen weitere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten. Denn im Falle eines Erfolgs der Vollstreckungsgegenklage erwächst die Feststellung, dass ein Asylanspruch nicht (mehr) besteht, nicht in Rechtskraft; Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nämlich lediglich die Vollstreckbarkeit des vorangegangenen Urteils (vgl. hierzu Pietzner, a.a.O., VwGO, § 167 Randnr. 21). Folglich wäre die Rechtslage in einem nachfolgenden Anfechtungsprozess - eine neue anfechtbare Entscheidung über den Asylantrag wäre vom Bundesamt zu treffen, da die Aufhebung des ersten Ablehnungsbescheids aufgrund der Gestaltungswirkung des weiterhin rechtskräftigen Urteils wirksam bliebe - wiederum zu prüfen.

Hiernach erweist sich das angefochtene Urteil als richtig. Dabei bedarf die Lage der albanischen Volkszugehörigen während des Kosovo-Krieges, auf die der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts vom 12.05.1999 abstellt, auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden asylrechtlichen Bewertung, da es - wie ausgeführt - auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Anerkennung nicht ankommt. Jedenfalls hat sich die Sachlage seither infolge des Endes der kriegerischen Auseinandersetzungen, des Abzugs der serbischen bewaffneten Verbände aus dem Kosovo und des Regimewechsels in Belgrad nach dem Sturz von Milosevic wesentlich und grundlegend verändert. Angesichts dieser Veränderungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht (mehr) zu; zur Begründung verweist der Senat - wie bereits das Verwaltungsgericht - auf seine dem Prozessbevollmächtigten des Klägers geläufige Rechtsprechung (siehe nur Urteile vom 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 -, vom 27.04.2000 - A 14 S 2559/98 - und vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 -; vgl. auch Urteil vom 23.05.2002 - A 14 S 831/00 -), die dieser nicht in Zweifel gezogen hat und an der auch unter Würdigung neuer Erkenntnismittel festzuhalten ist.

Schließlich rügt der Kläger ohne Erfolg, dass der Widerruf nicht, wie nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG geboten, unverzüglich erfolgt sei. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 27.06.1997 - 9 B 280.97 -, NVwZ-RR 1997, 741; vom 12.02.1998 - 9 B 654.97 -; vom 25.05.1999 - 9 B 288.99 -) und der Obergerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.10.1995 - 23 A 4111/94.A -; Nds. OVG, Urteil vom 10.01.1997 - 1 L 3062/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.04.1997 - 11 A 10920/97 -), insbesondere auch des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 27.11.1996 - A 13 S 2935/95 -; Beschluss vom 26.03.1997 - A 14 S 2854/96 -; Urteil vom 16.04.1997 - A 16 S 2955/96 -), ist geklärt, dass die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Asylanerkennung dem Bundesamt nicht im Interesse des einzelnen Ausländers als Adressaten des Widerspruchsbescheids, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beendigung der ihm nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition des anerkannten Asylberechtigten auferlegt ist. Angesichts der gesetzlichen Verpflichtung der Behörde zum Widerruf soll die bei Fehlen der Verfolgungsgefahr nicht länger gerechtfertigte Asylberechtigung im Interesse der alsbaldigen Entlastung der Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat unverzüglich beseitigt werden. Ein als asylberechtigt Anerkannter wird demnach nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass das Bundesamt einen - ansonsten berechtigten - Widerruf der Asylanerkennung nicht unverzüglich ausspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Nachträglichkeit der Änderung der Verhältnisse abzustellen ist, wenn der Anerkennungsbescheid in Vollzug eines Verpflichtungsurteils erlassen worden ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht noch nicht geklärt. Eine Klärung ist im Verfahren 1 C 15.02 zu erwarten.

Ende der Entscheidung

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