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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: A 2 S 1517/00
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51
AuslG § 53
Der Norden des Iraks (Provinzen Dohuk, Arbil und Sulaimaniya) bietet nicht nur für Kurden, sondern für alle Binnenflüchtlinge des Iraks eine sog. inländische Fluchtalternative, ungeachtet der Frage, ob sie dort über familiäre, gesellschaftliche oder politische Bindungen verfügen (wie Urteil vom 11.4.2002 - A 2 S 712/01 -).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

A 2 S 1517/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Semler, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert

am 30. Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten und des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. Mai 2000 - A 3 K 10021/99 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im ersten Rechtszug, die dieser selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Beschluss nach § 130a VwGO, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und einstimmig der Auffassung ist, dass die Rechtsmittel Erfolge haben müssen.

Die vom Senat zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 46 des Zuwanderungsgesetzes). Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Klage des Klägers insgesamt abweisen müssen. Dieser hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks oder die für das Bestehen von Abschiebungshindernissen (§ 53 AuslG) gegeben sind, noch ist die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 4.12.1998 aus Rechtsgründen zu beanstanden (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist, was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 21.2.1992, Buchholz 402.22 Art. 1 GK Nr. 22; auch etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG Rdnr. 9). Politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).

Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.12.1995 - 9 B 79.95 -; BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart "real" sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.).

Wer demgegenüber bereits vor der Flucht von Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).

Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.

Geht man von seinen Angaben aus, so ist er 1994 in Haft genommen worden, weil er die Mitarbeit im Geheimdienst verweigert hat. Ob der Sanktion Verfolgungscharakter zukommt, die die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, kann jedoch offen bleiben. Jedenfalls war dieses Ereignis nicht ursächlich für den Entschluss des Klägers, das Heimatland zu verlassen. Grund für die Ausreise war seinen Angaben nach vielmehr die wegen seiner mit einem Geschäftspartner erfolgten Betätigung im Grenzverkehr zwischen Irak und Iran ausgelösten Maßnahmen, vor denen er sich in "Kurdistan" in Sicherheit gebracht hat. Diese erst 1997 eintretenden Umstände weisen einen Zusammenhang mit den Ereignissen des Jahres 1994 nicht auf und sie sind auch nicht solche, die eine politische Verfolgung nahe legen könnten. Denn Maßnahmen wegen Schmuggelns sind ersichtlich strafrechtlichen Sanktionen des Staates zuzuordnen. Dass ein Bewaffneter des iranischen Geheimdienstes auf ihn geschossen haben soll, ist ungeachtet des Zusammenhangs wohl mit der behaupteten Schmuggeltätigkeit jedenfalls nicht dem irakischen Staat zuzurechnen.

Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Ob mit dieser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, es drohe dem Kläger Verfolgung wegen der hier allein in Betracht kommenden Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet, seinem mehrjährigen Aufenthalt hier oder wegen der Möglichkeit einer Sippenhaft, ist fraglich geworden. Der Senat hat sie für arabische Volkszugehörige aus dem Zentralirak bei einer Rückkehr dorthin bejaht (dazu das Urteil vom 5.12.2000 - 2 S 1/98 -; ferner Beschluss vom 28.1.2002 - 2 S 1052/01 -), sie indes für einen Iraker kurdischer Volkszugehörigkeit, der in der sog. Schutzzone im Nordirak wohnt, ausgeschlossen (Urteil vom 21.2.2002 - 2 S 1690/00 -). Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Denn politisch motivierten Maßnahmen der zentralirakischen Staatsgewalt ist der Kläger bei einer Rückkehr nicht ausgesetzt, da ihm die Rückkehr in den Norden des Landes möglich und zumutbar ist und ihm dort auch nicht wegen seinen Fall kennzeichnender besonderer Umstände Maßnahmen der Zentralregierung drohen, weil er in deren Blickfeld geraten sein könnte (dazu BVerwG, Urteil vom 17.1.1989, BVerwGE 81, 170, 174; Urteil des Senats vom 21.1.1999 - A 2 S 2429/98 -).

Bei der Prognose, ob dem Ausländer bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat politische Verfolgung droht, ist das Staatsgebiet in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 5.10.1999, NVwZ 2000, 332). Ist ein vorverfolgt Ausgereister im Falle seiner Rückkehr in Teilen seines Heimatstaats vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher bzw. droht einem unverfolgt Ausgereisten jetzt politische Verfolgung, so sind die Grundsätze über die inländische bzw. innerstaatliche Fluchtalternative anzuwenden. Sowohl der vorverfolgt als auch der nicht vorverfolgt Ausgereiste darf danach nur dann auf einen anderen Landesteil seines Heimatstaats verwiesen werden, wenn er dort vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist (BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwGE 105, 204). Dem nicht vorverfolgt Ausgereisten dürfen in diesem anderen Landesteil auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren drohen, durch die er in eine ausweglose Situation geraten würde. Der vorverfolgt Ausgereiste muss darüber hinaus vor solchen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher sein, die ihm im Zeitpunkt seiner Flucht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in dem vor politischer Verfolgung sicheren Landesteil gedroht und damit ein Ausweichen dorthin unzumutbar gemacht hatten, wobei insoweit ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt. Andere Nachteile und Gefahren, die bei seiner Flucht einem Ausweichen in einen anderen Landesteil nicht entgegenstanden, dürfen ihm bei einer Rückkehr nicht beachtlich wahrscheinlich drohen (BVerfGE 80, 315 ff.). Die Grundsätze über die inländische Fluchtalternative sind dabei auch dann anwendbar, wenn der Verfolgerstaat in einer Region seine Gebietsgewalt vorübergehend faktisch verloren hat (BVerwG, Urteil vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 84 ff.).

Der Kläger kann danach auf die autonomen Kurdengebiete im Norden des Iraks (Provinzen Dohuk, Arbil und Sulaymaniya) als Ort der geschilderten Fluchtalternative verwiesen werden, da ihm dort eine Abschiebungsschutz ausschließende Sicherheit vor Verfolgung gewährleistet ist.

Die irakische Staatsmacht übt gegenwärtig in den genannten Provinzen keine effektive Gebietsgewalt aus, von der politische Verfolgung ausgehen könnte. Es fehlt auch an Anzeichen dafür, dass sich an dieser Situation in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Auch bleibt festzuhalten, dass der irakische Staat seine Gebietsherrschaft dort noch nicht in einem Maß verloren hat, dass diese Region asylrechtlich als Ausland zu betrachten wäre (so der Senat im Urteil vom 21.1.1999 - A 2 S 2429/98 -; ferner Urteile vom 21.1.1999 - A 2 S 2429/98 -, vom 5.12.2000 - A 2 S 1/98 - und Urteil vom 11.4.2002 - A 2 S 712/01 -). Nach wie vor fehlt es an konkreten Erkenntnissen dafür, dass der Irak seine Staatsgewalt auf die Autonomiegebiete im Norden auszudehnen sucht (AA, Lagebericht vom 5.9.2001, S. 9; Lagebericht vom 20.3.2002, S. 10: "in hohem Maß unwahrscheinlich").

Festzustellen ist auch, dass in der die genannten Gebiete umfassenden Schutzzone für irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit keine Gefahr politischer Verfolgung durch den irakischen Staat droht, es sei denn, sie seien in das Blickfeld dieses Regimes geraten und würden deshalb gesucht oder etwa Opfer eines gezielten Anschlags irakischer Sicherheitsdienste (dazu Senat, Urteil vom 21.1.1999 - A 2 S 2429/98 -). Dass Letzteres beim Kläger der Fall sein könnte, ist nicht erkennbar und ist von ihm im Übrigen auch - insbesondere mit dem Hinweis auf eine Schmuggeltätigkeit -nicht schlüssig behauptet.

Auch eine Verfolgung asylrechtlich erheblicher Art durch die im Norden "herrschenden" Kurdenparteien muss der Kläger ersichtlich nicht befürchten. Sein Vorbringen bei einer Vernehmung durch die Polizei, er sei in der kurdischen Freiheitsarmee gewesen und von dort "abgehauen", hat er im Antragsverfahren nicht mehr aufgegriffen, und diese Angaben lassen auch keinen Rückschluss zu, er werde von einer der beiden Kurdenorganisationen gesucht, ungeachtet der Frage, ob KDP oder PUK in ihrem jeweiligen Herrschaftsgebiet als quasi-staatliche Organisation tätig sind oder nicht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.2.2001, NVwZ 2001, 815 und AA, Lagebericht vom 20.3.2002, S. 7).

Dem Kläger drohen in dem genannten Gebiet der drei nordirakischen Provinzen auch keine verfolgungsunabhängigen sonstigen Nachteile oder Gefahren, die nach ihrer Tragweite und Gewicht einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung gleichstünden und die - als existenzielle Gefährdung (BVerfGE 80, 315, 343 f.) - am Herkunftsort im Zentralirak so nicht bestünden.

Namentlich das zu fordernde Existenzminimum ist ihm in den genannten Gebieten gewährleistet. Es umfasst das zum Führen eines menschenwürdigen Lebens wirtschaftlich Notwendige, das dann gesichert ist, wenn der Betroffene am Ort der Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtungsweise nicht auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt (BVerwG, Urteil vom 30.4.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG § 1 Nr. 145). Dieses Existenzminimum ist zum einen gegeben, wenn sich der Betroffene das hierfür Notwendige aus eigener Kraft beschaffen kann, zum anderen aber auch dann, wenn ihm die Hilfe Dritter zur Existenzsicherung eröffnet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.3.1991, NVwZ-Beil. 9/1997, 65 f.). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hat seinen Angaben nach im Gebiet von Sulaimaniya nicht nur familiäre Bindung zu seiner dort lebenden Ehefrau, sondern auch zu deren Familie, bei der die Ehefrau auch lebt. Er wäre deshalb bei einer Rückkehr dorthin nicht gezwungen, ein Leben ohne das wirtschaftlich Notwendige zu führen. Insbesondere bei solchen Betroffenen, die in den genannten Provinzen direkte oder enge Beziehungen zu einem Stamm, einer (Groß-)Familie oder zur Nachbarschaft verfügen, steht der Rückkehr unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nichts entgegen (UNHCR, Stellungnahme vom Januar 2001 in: Asylmagazin 4/2001, 21, 23). An dieser Einschätzung der kurdischen Solidarität (zu ihr schon das Urteil des Senat vom 5.12.2000 - A 2 S 1/98 - m.w.N.) ist nach wie vor festzuhalten. Wie sich ferner seinem Vorbringen entnehmen lässt, hat der Kläger in der Provinz Sulaimaniya auch Verwandte, auf deren Hilfe er nach dem Gesagten bauen dürfte. Ein Sohn eines Verwandten hat ihm nämlich bei der Flucht geholfen und ihn dazu nach Sulaimaniya gebracht. Dies trägt die Annahme, dass er auch wegen dieser verwandtschaftlichen Beziehung der genannten existenziellen Gefährdung nicht ausgesetzt wäre.

Die Zumutbarkeit, die inländische Fluchtalternative zu ergreifen, wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass der Kläger den Ort, an dem ihm die Sicherheit geboten wird, nicht erreichen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.2001, BVerwGE 112, 345). Für ihn als Kurde irakischer Staatsangehörigkeit besteht die zumutbare Möglichkeit, den Norden des Iraks über die Türkei zu erreichen. Abschiebungsschutz ist daher in seinem Fall nicht geboten.

Dies gilt auch mit Blick auf die Bestimmung in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Ob dabei diese Gefahr vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen wäre, ist für den Abschiebungsschutz nicht entscheidend. Auch hier ist aber zu fordern, dass die Gefahr landesweit droht und ist deshalb ein Absehen von der Abschiebung dann nicht mehr geboten, wenn sich der Betroffene ihr durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324), wie dies hier der Fall ist.

Der Einwand des Klägers, in der Rechtsprechung des Senats zur Zumutbarkeit der inländischen Fluchtalternative werde die Prüfung der individuellen Lebensumstände des Betroffenen vernachlässigt und fälschlicherweise davon ausgegangen, alle Flüchtlinge aus dem Zentralirak hätten sich in wirtschaftlicher Notlage befunden, während sie in Wahrheit regelmäßig erst infolge ihrer Flucht ihre Existenzgrundlage verloren hätten, ist nicht berechtigt. Mit ihm wird verkannt, dass es regelmäßig nicht darum gehen kann, ob Nachteile jeglicher Art am Ort der inländischen Fluchtalternative drohen, die so am Herkunftsort nicht bestehen, sondern ausschlaggebend sein muss, ob solche Nachteile in Rede stehen, die auch die Annahme einer Gefährdung des Existenzminimums rechtfertigen.

Unabhängig davon drohte dem Kläger auch dann kein Abgleiten unter das genannte Existenzminimum, wenn man die persönlichen Bindungen im Nordirak - seien es familiäre, stammesmäßige oder verwandtschaftliche - außer Acht lässt. Denn mittlerweile ist davon auszugehen, dass allen Binnenflüchtlingen aus dem Zentralirak, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, in den genannten Provinzen eine Fluchtalternative eröffnet ist (dazu Urteil des Senats vom 11.4.2002 - A 2 S 712/01 -; so auch UNHCR vom 29.4.2002 an VG Leipzig). Das für das Existenzminimum Notwendige ist - wenn es nicht aus eigener Kraft beschafft werden kann - bei den Flüchtlingen aus dem Zentralirak jedenfalls durch eine ausreichende Hilfe von dritter Seite gewährleistet (DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald; DOI vom 6.5.2002 an VG Leipzig: alle Binnenflüchtlinge werden vom WFP versorgt). So kann festgestellt werden, dass die Unterbringung und die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet sind und namentlich wegen der für den Norden günstigen Auswirkungen des "oil-for-food"-Programms dem Grunde nach sogar Verbesserungen der allgemeinen sozialen Verhältnisse in den drei genannten Provinzen eintreten. Ferner haben sich auch die Aktivitäten auf dem Gebiet von Bildung, Wirtschaft und Wohnungsbau verstärkt (AA , Lagebericht vom 20.3.2002, S. 23.; vom 20.6.2001 an VG Aachen; DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald und vom 6.5.2002 an VG Leipzig; Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Allgemeiner Lagebericht Nordirak vom 11.4.2001, teilweise Übersetzung des niederländischen "algemeen ambtsbericht Noord-Irak" vom April 2001 - im Folgenden "Amtsbericht" - Nr. 2.5.). Den Vereinten Nationen zufolge ist die Wirtschaftslage in den drei autonomen Provinzen des Nordiraks wesentlich besser als in den irakischen Gebieten unter der Kontrolle der Zentralregierung. Gleiches gilt für die Landwirtschaft. Im Norden gibt es zwar keine funktionierende Marktwirtschaft, aber keinen Hunger und keine Unterernähung. Die Nahrungsmittelrationen, die von den Vereinten Nationen dort verteilt werden, gelangen größtenteils auf Märkte in der Türkei oder in irakische Gebiete unter Regierungskontrolle (so die Österreichische Botschaft Amman, Länderbericht Irak, Stand Dezember 2001). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass nicht nur für Kurden, die durch die jeweilige "herrschende" Kurdenpartei nicht behelligt werden, sondern auch für alle übrigen Flüchtlinge der Norden im Bereich der genannten Provinzen als sicheres "Aufnahmeland" anzusehen ist, selbst wenn sie dort weder über gesellschaftliche noch über familiäre oder politische Beziehungen verfügen (vgl auch OVG Nieders., Urteil vom 21.6.2002 - 9 LB 3662/01 -; OVG NW, Urteil vom 19.07.2002 - 9 A 1346/02.A - und auch SächsOVG, Urteil vom 28.8.2001 - A 4 B 4388/99 -, SächsVBl. 2002, 179 LS).

Wenn der UNHCR demgegenüber die Hilfe Dritter für die Existenzsicherung des Flüchtlings im Nordirak fordert - die familiäre, gesellschaftliche oder politische Bindung -, so geht er dabei von einer Gewährleistung aus, die eine Integration in die dortigen Lebensverhältnisse voraussetzt, namentlich den Zugang zu wesentlichen wirtschaftlich-sozialen Menschenrechten (so die Stellungnahme vom März 2002 zum Relokationsprinzip; ferner die Auskunft vom 23.11.2001 an das VG Leipzig). Dieser Zugang ist aber dann als gegeben anzusehen, wenn bei einem Verweisen auf die in Rede stehende Fluchtalternative die Gewährleistung des o.a. Existenzminimums nicht zweifelhaft ist, mag auch eine weitergehende Integration der Betroffenen durchaus erstrebenswert sein. Zwar ist der zunehmende Wohlstand im Norden denjenigen nicht ohne weiteres eröffnet, die nicht über die oben genannten Verbindungen oder Kontakte zu den jeweils maßgeblichen Kurdenparteien verfügen (dazu UNHCR vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt). Aber auch dieser Kreis von Binnenflüchtlingen nimmt an der verbesserten Lage teil, mag ihr Lebensstandard auch unter dem üblichen im Nordirak liegen (UNHCR, Stellungnahme vom März 2002). So sind für diese Betroffenen eine Vielzahl von Hilfsorganisationen tätig - solche der Vereinten Nationen (AA, Lagebericht vom 20.3.2002, S. 18), solche lokaler Art und "non-government-organisations" ("NGO"s) (Amtsbericht Nr. 4.3), aber auch verschiedene karitative Einrichtungen, was die Feststellung rechtfertigt, dass nahezu für jede Bedarfslage eine besondere Institution vorhanden ist (DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald). So wird dargestellt, dass die Binnenflüchtlinge - unabhängig von ethnischen oder sonstigen Kriterien - (Hajo/Savelsberg vom 1.4.2002 an BayVGH) eine Unterkunft auch dann erhalten, wenn sie sich diese aus eigener Kraft nicht verschaffen können. Die dementsprechend vorgesehene Lagerunterbringung entspricht regelmäßig den Anforderungen an eine menschenwürdige Behandlung. Sie erfolgt überwiegend in festen "Lagern" und nur noch ausnahmsweise in Zelten (Amtsbericht Nr.4.3; DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald.). Aber auch in letzterem Fall sind die Betroffenen gegen Witterungseinflüsse geschützt (AA Lagebericht vom 20.3.2002, S. 18; Amtsbericht Nr. 2.5 und 4.3; UNHCR vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt). Anhaltspunkte dafür, dass die Unterbringung der Binnenflüchtlinge menschenunwürdig erfolgt, finden sich daher nicht.

Gleiches gilt für ihre Versorgung mit Lebensmitteln. Sie wird von Mitarbeitern des World Food Programm (WFP) sichergestellt durch sog. "food baskets", die eine durchschnittliche tägliche Ration vom 2.229 kcal und 50,24 g Protein pro Person enthalten (AA, Lagebericht a.a.O.; DOI vom 6.5.2002 an VG Leipzig, vom 3.4.2002 an VG Greifswald). Ungeachtet des Umstandes, dass regelmäßig in den Lebensmittelpaketen kein Fleisch, kein Obst und auch kein frisches Gemüse enthalten ist (dazu die vorgenannten Erkenntnisse), lässt sich feststellen, dass die Lebensmittelversorgung jedenfalls ausreicht, um die Betroffenen vor Hunger und Verelendung oder Tod zu schützen (DOI vom 6.5.2002 an VG Leipzig: "Verhungern muss in kurdischen Gebieten niemand"). Der Hinweis des UNHCR, die Lebensmittelpakete könnten nur 90% bzw. 84% des "normalen Bedarfs" decken (vom 23.11.2002 an OVG Sachsen-Anhalt), steht dem ebenso wenig entgegen wie Berichte darüber, dass die Lebensmittelpakete in weniger als einem Monat verbraucht seien (DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald). Ersteres versteht sich vor dem Hintergrund der Forderung des UNHCR nach voller Integration der Binnenflüchtlinge, was auch eine den Mehrbedarf an Kalorien bedingende Arbeitsaufnahme umfasst, um die es für die Frage nach der Sicherung des Existenzminimums hier nicht gehen kann, während der "zügige" Verbrauch auch eine Ursache in dem damit eingeleiteten Tauschhandel haben kann (UNHCR vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt) oder in dem Umstand, dass die Lebensmittelpakete sogar auf den Märkten der Türkei und des Zentraliraks verkauft werden (Österreichische Botschaft Amman, Länderbericht Irak, Stand Dezember 2001). Die detaillierten Äußerungen derjenigen Organisation der Vereinten Nationen, die die Lebensmittelversorgung der Binnenflüchtlinge zu gewährleisten hat und auch gewährleistet, zu Umfang und Art dieser Versorgung, kann sich der Senat zu eigen machen, zumal das WFP schon früher (Februar 2001) bekundet hat, dass der Bedarf an benötigten Lebensmitteln für Binnenflüchtlinge uneingeschränkt durch ein Lebensmittelpaketnetz abgedeckt ist (dazu die Wiedergabe im Amtsbericht Nr.4.3.). Jedenfalls lässt sich festhalten, dass der durchschnittliche Bedarf gedeckt ist, der für das existenziell Notwendige erforderlich ist, mag dieser Bedarf auch "eher knapp" berechnet sein (so Hajo/Savelsberg vom 18.4.02 an VG Leipzig).

Dass durch die Zusammenstellung der Lebensmittel in den Paketen Mangelerscheinungen nicht auszuschließen sind, berührt nicht in erster Linie die Frage nach der Eignung der Versorgung, das Existenzminimum zu sichern. Sollten solche Mangelerscheinungen Krankheitswert erreichen - worüber bisher keine substantiierten Erkenntnisse vorhanden sind -, wäre dem durch die gleichfalls gesicherte Krankengrundversorgung zu begegnen. Diese erfolgt mittlerweile in einem derartigen Umfang, dass von einer gesundheitsbeeinträchtigenden Existenzgefährdung nicht gesprochen werden kann. Die Grundversorgung der Kranken ist dabei auch in den Lagern gewährleistet (für den UNHCR Frau Hoog am 6.12.2001 beim OVG Sachsen-Anhalt; DOI vom 6.5.2002 an VG Leipzig). Binnenflüchtlinge haben nicht nur den gleichen Zugang zur Gesundheitspflege wie die ansässige Bevölkerung; die meisten Medikamente sind in öffentlichen Krankenhäusern auch kostenlos erhältlich (Amtsbericht Nr.4.3.).

Auch die Versorgung mit trinkbarem Wasser, die nach wie vor im Norden des Iraks ein Problem darstellen kann, rechtfertigt die Annahme einer Existenzgefährdung nicht. In den kurdischen Provinzen gibt es kein grundsätzliches Wasserproblem, der Zugang zu Trinkwasser in dem nötigen Umfang scheint allgemein vorhanden zu sein, was im Wesentlichen auf vorhandene bessere natürliche Quellen zurückzuführen ist (DOI vom 3.4.2002 an VG Greifswald). Wird auf die nicht immer gewährleistete Wasserversorgung abgehoben, wird zugleich betont, dass das Wasser aus Flüssen und Brunnen zu holen sei (Hajo/Savelsberg vom 18.4.2002 an VG Leipzig). Der Hinweis (UNHCR vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt) auf bakteriologische Verunreinigung über die von der WHO festgesetzten Grenzwerte hinaus, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme einer hiervon ausgehenden Gefährdung. Im Übrigen gibt es im Norden des Iraks Projekte von UN-Organisationen und NGO's auf dem Gebiet der Bewässerung und der Trinkwasserversorgung (Amtsbericht Nr. 2.5), die gleichfalls die Annahme einer durch fehlende Wasserversorgung hervorgerufene Existenzgefährdung ausschließen.

Diese vom Senat getroffene Einschätzung ist auch nicht mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu hinterfragen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 31.7.02 - 1 B 128.02 - das die Annahme einer inländischen Fluchtalternative für Kurden bejahende Urteil des OVG Sachsen-Anhalt v. 06.12.2001 (Asylmagazin 2002, 19) aufgehoben, weil dieses eine eigene Sachkunde zur Frage der Lebensmittelversorgung in den in den Provinzen eingerichteten Lagern für Binnenflüchtlinge nicht dargelegt habe. Darum kann es nicht gehen, nimmt man den Fall des Klägers in Blick, der - wie dargelegt - als Kurde nicht auf eine Unterbringung in einem der Lager des Nordiraks angewiesen ist, weil er dort über familiäre und/oder verwandtschaftliche Bindungen verfügt und deshalb auch eine Existenzgefährdung nicht zu befürchten hat. Im Übrigen wird in der angeführten Entscheidung selbst darauf abgehoben, dass eine Auskunft der eigentlich zuständigen Unterorganisation der Vereinten Nationen (dem World-Food-Program - WFP -) zu der Frage nahegelegen habe, ob und warum sie selbst die Lebensmittellieferungen als ausreichend ansieht. Auf eine solche Angabe kann sich der Senat im vorliegenden Fall aber beziehen, die zudem auch inhaltlich die Feststellung trägt, eine Existenzgefährdung wegen der Lebensmittelversorgung sei für Binnenflüchtlinge im Nordirak nicht zu befürchten (dazu die Wiedergabe im Amtsbericht Nr.4.3.).

Selbst wenn man - unabhängig von der geschilderten Erkenntnislage - eine existenzielle Notlage wegen der angeführten Versorgungslage bejahen würde, ist die Annahme einer inländischen Fluchtalternative für Binnenflüchtlinge des Iraks nicht ausgeschlossen. Denn eine solche Notlage lässt diese Annahme einer inländischen Fluchtalternative nur dann entfallen, wenn diese Not am Herkunftsort - ohne die dortige Verfolgung - so nicht besteht, sie also ihre Ursache in der Verfolgung hat (dazu BVerwG, Urteil vom 9.9.1997, BVerwGE 105, 204). Geht es um einen unverfolgt ausgereisten Betroffenen, muss - anders als bei Vorverfolgten - die wirtschaftliche Lage im verfolgungsfreien Gebiet mit derjenigen verglichen werden, die im Zeitpunkt einer Rückkehr in den Heimatstaat am Herkunftsort besteht (BVerwG, Urteil vom 9.9.1997, a.a.O.). Dabei ist grundsätzlich von einer generalisierenden Betrachtungsweise auszugehen, die allerdings die Berücksichtigung individueller Besonderheiten nicht ausschließt (so BVerwG, Beschluss vom 16.6.2000, Buchholz 402.24 § 51 AuslG Nr. 34).

Zu dieser Lage ergeben sich auf Grund der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel übereinstimmende Aussagen dahin, dass sich die sozialen und ökonomischen Verhältnisse im Nordirak seit 1999 deutlich verbessert haben und im Verhältnis zu der des Zentraliraks sich als günstiger darstellen (Amtsbericht Nr. 2.5 "Wohlstandsniveau ist sichtbar höher als im Zentralirak"; UNHCR vom März 2002; AA, Lagebericht vom 20.3.2002, S. 23; DOI vom 6.5.2002 an VG Leipzig, vom 3.4.2002 an VG Greifswald; Hajo/Savelsberg vom 1.4.2002 an BayVGH). Als Grund hierfür wird übereinstimmend angegeben, dass die Lieferungen im Rahmen des "oil-for-food"-Programms im Norden eine wesentlich höhere Quote pro Kopf der Bevölkerung zulassen als im Zentral- und Südirak (Bevölkerungsanteil der Nordprovinzen 12,5 %, bereitgestellte Quote aus den "oil-for-food"-Erlösen ca. 13 % - Bevölkerungsanteil des Zentral- und Südirak 87 %, bereitgestellte Quote aus den "oil-for-food"-Erlösen seit Dezember 2000 etwa 59 %), dass sie direkt von den VN-Organisationen und ausländischen NGO's betreut werden und erhebliche Gewinne aus Transitgebühren und Schmuggelaktivitäten hinzukommen. Die VN-Aktivitäten, finanziert aus dem mit über 13 % überproportional hohen Anteil an den Erlösen aus den irakischen Ölverkäufen, umfassen im Gegensatz zum Zentralirak auch den Bildungs-, Wirtschafts- und Wohnbausektor (AA, Lagebericht vom 5.9.2001). Sodann werden Kaufanträge des irakischen Regimes häufig deshalb nicht genehmigt, weil die gewünschten Güter - wie etwa Techniken zur Wasseraufbereitung, zur Instandsetzung der Stromversorgung - auch militärisch eingesetzt werden können. Die Lieferwünsche des Nordirak werden dagegen in aller Regel unproblematisch erfüllt, wobei das "Office for the Iraq Program" der UNO die Verteilung der für die Kurden zustehenden Gelder im Namen des irakischen Regimes übernimmt (DOI, Gutachten für OVG Magdeburg vom 23.11.2001).

Der zunehmende Wohlstand kommt allerdings der Bevölkerung im Nordirak nicht in gleichem Maß zugute. Auch kann nicht die Rede von einer verhältnismäßigen Einkommens- und Wohlstandsverteilung sein. Heimatlose und alleinstehende Frauen mit Familien stehen im Allgemeinen unten an der Einkommensleiter. Hilfsorganisationen und lokale Behörden achten jedoch darauf, dass die wichtigsten Lebensbedürfnisse, wie Nahrung und Obdach, der am meist verletzbaren Gruppen im Nordirak durch Gratisabgabe von Gütern und Dienstleistungen erfüllt werden. Heimatlose werden durch die lokalen Behörden, durch Nichtregierungsorganisationen, ICRC, IFRC und VN-Organisationen unterstützt. Dies gilt auch für sunnitische und schiitische Araber, die im Allgemeinen anders als etwa Kurden aus dem Zentralirak nicht über Verbindungen in den Nordirak verfügen. Auch die Heimatlosen haben einen Vorteil von den verbesserten sozialökonomischen Umständen im Nordirak. Hilfsaktivitäten, gerichtet auf Heimatlose, werden von VN-Instanzen (WHO, UNDP, UNHCR, UNICEF, FAO usw.) und von Nichtregierungsorganisationen unternommen. Viele Heimatlose sind in alten Schulen, Fabriken, Hotels, verlassenen Kasernen, Baracken, Notwohnungen und Zelten untergebracht. Internationale Organisationen haben in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen im Nordirak neue Unterkünfte gebaut, um Heimatlosen ein besseres Obdach zu bieten. Die große Zunahme von verfügbaren Fonds aus dem "oil-for-food"-Programm hat in dem vergangenen Zeitraum für einen Aufschwung an neuen Bauprojekten gesorgt. Auf dem Gebiet der Unterkünfte konnte deshalb in dem vergangenen Zeitraum ein substantieller Fortschritt gebucht werden. Dementsprechend müssen im Nordirak jetzt kaum noch Heimatlose in Zelten untergebracht werden (Ambtsbericht a.a.O.; hinsichtlich der Aufnahme von Arabern in die Flüchtlingslager im Nordirak: mündliche Erläuterung des UNHCR-Gutachtens vom 23.11.2001 in der Sitzung des OVG Magdeburg vom 6.12.2001).

Auf Grund der insgesamt günstigeren Verhältnisse im Nordirak gestalten sich danach die allgemeinen Verhältnisse für die Teile der irakischen Bevölkerung, die auf den "Warenkorb" des genannten Programms" zur Deckung ihres Nahrungs-Grundbedarfs angewiesen sind, dort besser als im Zentral- und Südirak (so ausdrücklich DOI vom 20.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt), dessen Bevölkerung zu 2/3 von den Lebensmittelpaketen der UN abhängig sind (DOI vom 20.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt und vom 3.4.2002 an VG Greifswald), obwohl die im "Warenkorb" zusammengefassten Nahrungsmittel nach einem zwischen der irakischen Regierung und dem Sanktionskomitee ausgehandelten Plan für den gesamten Irak, also auch für den Nordirak, auf Veranlassung des Bagdader Regimes einheitlich eingekauft werden. Hinzu kommt, dass die Verteilung der Rationen im Zentral-Süd-Irak durch die irakische Regierung erfolgt, die diese Möglichkeit auch zur Disziplinierung und Diskriminierung benutzt, etwa hierdurch gezielt vermeintliche Gegner zur Umsiedlung zwingt (vgl. AA, Lagebericht vom 5.9.2001), während die Verteilung im Nordirak dem World-Food-Program der UNO (WFP) obliegt, wobei die Lebensmittelpakete in den von VN-Organisationen betriebenen Lagern direkt verteilt werden (DOI Gutachten vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt und die o.a. mündliche Erläuterung des UNHCR-Gutachtens vom 23.11.2001). Während immerhin 90 % der Bevölkerung im Nordirak mit vorbehandeltem Wasser versorgt werden können, wobei allerdings Verunreinigung ein weit verbreitetes Problem ist, dem aber durch ständige Anstrengungen begegnet wird (UNHCR vom 23.11.2001 an VG Sachsen-Anhalt und der diesem Gutachten angeheftete Bericht des Security Council vom 28.9.2001), ist demgegenüber davon auszugehen, dass im Zentral- und Südirak das Wasser zum Teil in Tankwagen geliefert werden musste, wobei lediglich 25 bis 50 % des Bedarfs erfüllt werden konnte. In diesem Zusammenhang wird der Mangel von Laborausstattung und Chemikalien zur Wasserbehandlung erwähnt. 70 % der gelieferten Leitungen könnten derzeit wegen unzureichender Transport- und Konstruktionsausstattung nicht verlegt werden. Dem entspricht es, dass das Orient-Institut in seinem Gutachten vom 20.11.2001 (an OVG Sachsen-Anhalt) darauf hinweist, dass das im "Warenkorb" enthaltene Babymilchpulver schlechterdings wertlos sei, wenn kein sauberes Wasser zur Zubereitung der Babynahrung zur Verfügung stehe, soweit das Sanktionskomitee den Einkauf von Wasseraufbereitungsanlagen verhindere, weil diese etwa auch zu militärischen Zwecken benutzt werden könnten. Hingegen besteht - wie dargelegt - in den kurdischen Nordprovinzen kein grundsätzliches Wasserproblem, vielmehr ist allgemein der Zugang zu Trinkwasser in dem nötigen Umfang vorhanden. Im Hinblick hierauf kann auch dann nicht von einer schlechteren Wasserversorgung der Heimatlosen in den Lagern im Nordirak ausgegangen werden, wenn etwa 40 % von ihnen in Unterkünften leben müssen, die hinsichtlich der Wasserversorgung unter dem Durchschnitt der dortigen Bevölkerung liegen (UNHCR vom 23.11.2001 an OVG Sachsen-Anhalt). Auch die Versorgung im Bereich des Gesundheitswesens im Zentralirak fällt im Vergleich mit der im Norden ab und wird als "ausgesprochen schlecht" bezeichnet (AA, Lagebericht vom 22.3.2002, S. 22). Dies rechtfertigt nach allem die Annahme, dass die Versorgung im Nordirak keinesfalls schlechter ist als die im Zentralirak, was gleichermaßen für alle Binnenflüchtlinge des Iraks gilt.

Geht man davon aus, dass die Bevölkerung im Irak gleichwohl allgemein den Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist, die sich langfristig aus Fehl- und Mangelernährung ergeben, kann hieraus auch nicht die Verpflichtung des Bundesamts folgen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG festzustellen. Denn erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, werden nach § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG lediglich bei der Entscheidung nach § 54 AuslG berücksichtigt. In diesen Fällen einer allgemeinen Gefahr gilt im Grundsatz - d.h. wenn keine extremen Gefahren vorliegen - die Sperrwirkung des § 54 i.V.m. § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG, d.h. ein Abschiebungsschutz kann ohne Erlass nach § 54 AuslG nicht gewährt werden, weil dies wegen der Vielzahl der Anwendungsfälle und der daraus resultierenden Präzedenzwirkung einer politischen Entscheidung der obersten Landesbehörde vorbehalten bleiben soll (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 und dem folgend Treiber in GK-AuslR, 2000, § 53 Rdnr. 245). Die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG entfällt jedoch dann, wenn nach Art. 1 und 2 GG bei entsprechender Gefahrenverdichtung Abschiebungsschutz zwingend verfassungsrechtlich geboten ist und § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG - mit auf Null reduziertem Ermessen - deshalb zwingend zur Anwendung kommen muss (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 und BVerfG, Beschluss vom 21.12.1994 - 2 BvL 81 und 21/92 -, InfAuslR 1995, 251). Eine extreme Gefahrenlage, bei deren Vorliegen die Sperrwirkung durchbrochen wird, setzt eine extrem hohe Gefahr in dem Sinne voraus, dass der Betroffene "durch die Abschiebung unmittelbar, nämlich sehenden Auges dem sicheren Tod" ausgeliefert würde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, aaO). Eine derartige Gefahrenlage besteht allerdings nicht nur, wenn Tod oder schwerste Verletzungen, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebestaat, sondern beispielsweise auch, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Beschluss vom 26.1.1999, InfAuslR 1999, 265). Dass hiervon nicht ausgegangen werden kann, folgt aus dem Gesagten.

Schließlich scheidet der Nordirak ebenso wie für den Kläger auch für andere Binnenflüchtlinge nicht wegen fehlender zumutbarer Erreichbarkeit von vornherein als sicherer Landesteil, in dem sie Zuflucht finden können, aus (dazu BVerwG, Urteil vom 16.1.2001 - 9 C 16.00 -). Die vom Senat angenommene Möglichkeit, den Norden des Iraks über die Türkei zu erreichen, ist nach wie vor eröffnet. Selbst wenn eine zwangsweise Abschiebung durch die Türkei wegen fehlender Bereitschaft der türkischen Behörden zur Ermöglichung des Transits zur Zeit nicht möglich ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.9.2001), ändert allein diese Tatsache nichts an der grundsätzlichen Eignung dieser Rückreiseroute (dazu das o.a. Urteil vom 21.1.1999).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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