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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: DL 17 S 5/03
Rechtsgebiete: LDO, EMRK, OWiG


Vorschriften:

LDO § 11
LDO § 14
LDO § 18 Abs. 3
LDO § 18 Abs. 4 Satz 1
LDO § 62 Abs. 4
LDO § 62 Abs. 5
EMRK Art. 6
OWiG § 53 Abs. 1 Satz 1
1. Mit dem Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer Frist zur Vorlage der Anschuldigungsschrift nach § 62 LDO kann der Beamte eine unangemessene Verzögerung des behördlichen Disziplinarverfahrens und daraus eventuell entstehende Belastungen wirksam abwenden; nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist eine erneute disziplinarrechtliche Verfolgung wegen desselben Sachverhalts ausgeschlossen.

2. Im Hinblick auf diese effektive verfahrensrechtliche Möglichkeit verlangt das Gebot der Verhältnismäßigkeit auch in Fällen offenkundiger, vom Beamten nicht zu vertretender Verschleppung des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht, von der Dienstentfernung abzusehen oder aus der überlangen Verfahrensdauer entstandene Nachteile auszugleichen (vgl. den dahingehenden Vorbehalt in BVerfGE 46, 17, 28 f.; BVerwGE 76, 201, 203).

3. Dienstentfernung eines Polizeibeamten, der unter Ausnutzung dienstlicher Möglichkeiten versucht hat, die bei der Polizei verwahrte Blutprobe eines Bekannten als Beweismittel für dessen Ordnungswidrigkeit zu entwerten.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

DL 17 S 5/03

Verkündet am 18.06.2003

In dem förmlichen Disziplinarverfahren

wegen Dienstvergehens

hat der 17. Senat - Disziplinarsenat - des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Ecker als Vorsitzende, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Christ, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Demmler sowie die Beamtenbeisitzer Erster Polizeihauptkommissar Malchow und Kriminalkommissar Wüstemann auf Grund der Hauptverhandlung vom 18. Juni 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2002 - DL 20 K 11/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihm für die Dauer von einem halben Jahr ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 60 % des erdienten Ruhegehalts bewilligt wird.

Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

1. Der Beamte ist am 7.2.1960 geboren. Seine Berufungen zum Beamten auf Widerruf (verbunden mit der Ernennung zum Polizeiwachtmeister) und sodann auf Probe erfolgten am 1.3.1979 und am 7.2.1980. Zum 1.9.1980 wurde er dem Polizeirevier XXXXXXX - Streifen- und Verkehrsdienst - der Polizeidirektion XXXXXXXX zugeteilt. Mit Wirkung vom 24.9.1980 wurde der Beamte zum Polizeioberwachtmeister und mit Wirkung vom 1.2.1982 zum Polizeihauptwachtmeister ernannt. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde ihm am 9.2.1987 verliehen. Er wurde am 23.7.1987 zum Polizeimeister und am 3.6.1991 zum Polizeiobermeister ernannt. Die letzte Regelbeurteilung vom 31.1.1992 lautet auf "ausreichend" (3,75).

Der Beamte ist unverheiratet.

2. Durch Urteil des Amtsgerichts XXXXXXXX vom 24.11.1994 - XXXXXXXX - wurde der Beamte wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit versuchter Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; ferner wurde gegen den Beamten eine Geldbuße in Höhe von 2.500,-- DM verhängt. Der Verurteilung lagen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

"Am 26.6.1992 gegen 0.25 Uhr wurde der Freund des Angeklagten XXXXX XXXXXX mit seinem PKW Suzuki, amtliches Kennzeichen: XX-XXXXXX, in XXXXXXX-XXXXXXX von den Polizeibeamten XXXXX und XXXXX einer Alkoholüberprüfung mittels Alcomat unterzogen, welche eine Atemalkoholkonzentration von 0,84 Promille ergab. Die daraufhin von PHM XXX angeordnete Blutprobe wurde am 26.6.1992 gegen 0.40 Uhr im Kreiskrankenhaus XXXXXXX durchgeführt. Nachdem der Angeklagte von XXXXX XXXXXXX über die Verkehrskontrolle informiert worden war, versuchte dieser zunächst auf Betreiben seines Freundes telefonisch und später auf dem Polizeirevier, auf den Sachbearbeiter XXX einzuwirken, die Angelegenheit bezüglich XXXXX XXXXXX auf sich beruhen zu lassen. Als sich PHM XXXX nicht darauf einließ, nahm der Angeklagte zunächst auf Drängen des XXXXX XXXXXX zwei Leervenülen aus dem Polizeirevier mit und brachte diese XXXXXXXX. Am nächsten Morgen übergab XXXXX XXXXXXXX dem Angeklagten in der Wohnung des Angeklagten eine Venüle mit frischem Blut des XXXXXX und forderte ihn auf, die Blutproben zu vertauschen. Gegen 6.30 Uhr erschien der Angeklagte auf dem Polizeirevier XXXXXXX in der Absicht, entsprechend der Bitte seines Freundes die Venülen zu vertauschen. Unter dem Vorwand, Unterlagen aus seinem Dienstfach herausnehmen zu wollen, entnahm er eine der vier Blutproben aus dem Kurierfach, wobei äußerlich nicht sichtbar war, um wessen Blutprobe es sich dabei handelte. Die Blutprobe des XXXXXX XXXXXX befand sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Postausgangsfach. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte der Angeklagte nicht die Blutprobe des XXXXX XXXXXX entnommen. Der Angeklagte begab sich unmittelbar, nachdem er die Blutprobe in Händen hielt, in sein Dienstzimmer, um dort die Blutproben auszutauschen. Er hatte beabsichtigt, entweder den Blutprobenaufkleber auf der Venüle mit dem Blut des XXXXXXX XXXXXX abzulösen und diesen Aufkleber auf der Venüle mit dem später entnommenen Blut anzubringen, oder das frische Blut in die Venüle mit dem ursprünglich entnommenen Blut zu leeren und anschließend diese "Blutprobe" wieder ins Postausgangsfach zu legen. Bevor er jedoch zum Ablösen des Blutprobenaufklebers kam bzw. das Blut umleeren konnte, wurde vom Polizeibeamten XXXXXX das Fehler einer Blutprobe im Postausgangsfach entdeckt und der Angeklagte anschließend in seinem Zimmer mit der Originalblutprobe in der Hand und der neuen Blutprobe in seiner Jackentasche angetroffen. Die ursprüngliche Blutprobe des XXXX XXXXXXX wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,02 Promille auf, die neue Blutprobe eine solche von 0,31 Promille."

Seine Berufung begrenzte der Beamte nachträglich auf das Strafmaß. Mit Berufungsurteil vom 15.2.1996 (XXXXXXXXXX) änderte das Landgericht XXXXX das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch ab; der Beamte wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieses Urteil wurde aufgrund Rechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.

3. Nach Abschluss der mit Verfügung der Polizeidirektion XXXXXXXXXX vom 30.6.1992 aufgenommenen disziplinarrechtlichen Vorermittlungen leitete das Regierungspräsidium XXXXXXX das förmliche Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 30.9.1992 ein und setzte es zugleich bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Das Regierungspräsidiums XXXXXXX hat den Beamten dann mit Verfügung vom 22.10.1992 suspendiert und 15 % seiner Dienstbezüge einbehalten. Diese Anordnungen, gegen die der Beamte am 11.3.1996 gerichtliche Entscheidung beantragt hatte, bestätigte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 18.4.1997 (D 20 K 4/96); die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm der Beamte zurück (Senatsbeschluss vom 23.6.1997 - D 17 S 11/97 -). Mit Verfügung des Regierungspräsidiums XXXXXXX vom 16.10.1997 wurde das förmliche Disziplinarverfahren wieder aufgenommen und eine Untersuchungsführerin bestellt, die jedoch am 19.2.1998 durch einen neuen Untersuchungsführer ersetzt wurde. Nach der ersten Vernehmung des Beamten im Untersuchungsverfahren am 23.4.1998 beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.5.1998 die Einholung eines fachpsychologischen Gutachtens. Ein solches wurde im Auftrag des Untersuchungsführers am 17.9.1998 von Prof. XXXXXXX (XXXXX XXX XXXXX XXXXXXXXX XXXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXX) erstattet. Der Gutachter kommt zum Ergebnis, dass zum Tatzeitpunkt keine psychische Störung vorlag und der Beamte als voll schuldfähig zu betrachten ist. Das Gutachten wurde am 25.2.1999 besprochen. Mit Schriftsatz vom 15.4.1999 beantragte der Verteidiger die Einholung eines Obergutachtens; diesem Antrag kam der Untersuchungsführer in der Folgezeit nicht nach. Im Termin am 27.10.1999 wurde u.a. der Gutachter befragt. Dem Vertreter der Einleitungsbehörde wurde der Abschlussbericht im Dezember 1999 zugeleitet.

II.

1. Der Vertreter der Einleitungsbehörde legte die Anschuldigungsschrift erst am 20.8.2002 beim Verwaltungsgericht Stuttgart vor. Darin wird dem Beamten das im Strafurteil des Amtsgerichts XXXXXXXX festgestellte Verhalten vorgeworfen (Dienstvergehen nach §§ 70 Abs. 1, 73 Satz 3 LBG und Verstoß gegen die Pflicht zur Erforschung und Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten).

Mit Urteil vom 9.12.2002 entfernte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beamten aus dem Dienst, legte ihm die Kosten des Verfahrens auf und bewilligte ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 % des zuletzt erdienten Ruhegehalts für die Dauer von 6 Monaten.

2. Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung beantragt der Beamte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.12.2002 - DL 20 K 11/02 - aufzuheben und das Verfahren einzustellen, hilfsweise, eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst anzuordnen, weiter hilfsweise, ihm bei verlängerter Dauer einen höheren Unterhaltsbeitrag zu bewilligen.

Er trägt vor: Das Verfahren sei wegen überlanger Verfahrensdauer mit Blick auf Art. 6 EMRK und das rechtsstaatliche Beschleunigungsgebot einzustellen. Das förmliche Disziplinarverfahren sei bereits vor mehr als 10 Jahren eingeleitet worden. Seit der rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren seien schon 7 Jahre und seit dem Abschluss des Untersuchungsverfahrens mehr als 3 Jahre vergangen. Für die von der Behörde zu vertretenden Verzögerungen gebe es keine Rechtfertigung. So sei nicht nachvollziehbar, weshalb das ausgesetzte Disziplinarverfahren erst zwei Jahre nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wieder aufgenommen worden sei. Jedenfalls könne er wegen der überlangen Verfahrensdauer nicht aus dem Dienst entfernt werden. Ein entsprechendes Maßnahmeverbot ergebe sich aus Art. 6 EMRK sowie dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Dem stehe nicht entgegen, dass er nach § 62 LDO die Möglichkeit gehabt hätte, einen Antrag auf gerichtliche Fristsetzung für die Einreichung der Anschuldigungsschrift zu stellen. Denn diese Vorschrift verpflichte den Beamten nicht, aktiv für die Beschleunigung des behördlichen Disziplinarverfahrens zu sorgen; dies sei allein Sache der Disziplinarbehörde. Jedenfalls lägen Milderungsgründe vor, welche die Dienstentfernung ausschlössen. Das Dienstvergehen stelle sich als persönlichkeitsfremde Augenblickstat dar. Er sei nämlich in der Tatnacht von Herrn XXXXX völlig überraschend aufgefordert worden, die vermeintliche Trunkenheitsfahrt zu verdecken. Daher habe er die Tat dann auch nicht etwa planvoll, sondern "stümperhaft" und dilettantisch begangen. Dies zeige schon der Umstand, dass er die Venülen in Anwesenheit von Streifendienstkollegen habe austauschen wollen. Außerdem habe mit Blick auf den kurz zuvor erfolgten Tod seines Großvaters, der für ihn wie ein Vater gewesen sei, und die zeitgleiche schwere Erkrankung seiner Mutter eine psychische Ausnahmesituation vorgelegen. Schließlich sei ein Unterhaltsbeitrag von 50 % des zuletzt erdienten Ruhegehalts zu gering bemessen. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage und wegen seines Alters werde er keinen Arbeitsplatz mehr finden; er verfüge lediglich über die bei der Polizei erfahrene Ausbildung.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die geltend gemachten Milderungsgründe lägen schon deshalb nicht vor, weil der Beamte mehrfach Gelegenheit gehabt habe, von seinem pflichtwidrigen Handeln Abstand zu nehmen, ohne dass dies weitere Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Die lange Verfahrensdauer, die auf verwaltungsinterne Schwierigkeiten zurückzuführen sei, stehe der Dienstentfernung nicht entgegen. Hinsichtlich der Dienstentfernung habe der Gesetzgeber gerade kein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs normiert.

Der Senat hat den Beamten in der Hauptverhandlung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zur Sache gehört; das vom Untersuchungsführer eingeholte fachpsychologische Gutachten Prof. XXXXXXXX vom 17.9.1998 wurde auszugsweise verlesen.

Dem Senat liegen die Personalakten des Beamten, die Vorermittlungs- und Untersuchungsakten der Polizeidirektion XXXXXXXX und des Regierungspräsidiums XXXXXXX, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft XXXXXX, die Strafverfahrensakte (Amtsgericht XXXXXX und Landgericht XXXXXXX) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (DL 20 K 11/02 und D 20 K 4/96) vor.

III.

Die zulässige Berufung des Beamten ist nicht begründet. Die Disziplinarkammer hat den Beamten zu Recht aus dem Dienst entfernt; allerdings ist ihm ein gegenüber dem Ausspruch der Disziplinarkammer etwas höherer Unterhaltsbeitrag zu bewilligen.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO ist für das Disziplinarverfahren von den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts XXXXXXX auszugehen, die vom Beamten im Übrigen auch nicht in Abrede gestellt werden. Danach hat der Beamte unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten versucht, die Blutprobe seines Bekannten XXXXXXX zu manipulieren um zu verhindern, dass dieser wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt wird (vgl. § 24 a StVG). Dieses - innerdienstliche - Verhalten stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und zur Unparteilichkeit (§§ 70 Abs. 1 Satz 2, 73 Satz 3 LBG) und insbesondere gegen die Pflicht eines Polizeibeamten zur Erforschung von Ordnungswidrigkeiten dar, wie die Disziplinarkammer zutreffend ausgeführt hat. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass angesichts der Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Dienst geboten ist (unten 1.) und die überlange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens dieser Maßnahme nicht entgegensteht (unten 2.).

1. Der Beamte ist durch sein Verhalten für den öffentlichen Dienst untragbar geworden. Er hat das Vertrauen des Dienstherrn in seine pflichtgemäße Amtsführung und sein Ansehen als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit sowie bei den Kollegen endgültig verloren; daher ist seine Entfernung aus dem Dienst aus Gründen der Funktionssicherung geboten (vgl. nunmehr ausdrücklich § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).

Die Disziplinarkammer hat die besondere Schwere des Vergehens zu Recht darin gesehen, dass der Beamte bewusst und gezielt versucht hat, Verhältnisse zu schaffen, die zu verhindern seines Amtes als Polizeibeamter gewesen wäre. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 OWiG gehört es zu den Aufgaben der Polizei, alles zu unternehmen, um die Verdunkelung einer möglicherweise begangenen Ordnungswidrigkeit zu verhüten (ebenso hinsichtlich etwaiger Straftaten § 163 Abs. 1 der StPO). Der Beamte hat dieser Kernpflicht eines Polizeibeamten diametral zuwider gehandelt, indem er seine ihm als Angehörigem der Polizeistation XXXXXXXX eröffneten dienstlichen Möglichkeiten genutzt und alles unternommen hat, die in Betracht kommende Ordnungswidrigkeit seines Bekannten zu verdecken. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass ein Polizeibeamter, der seine dienstlichen Möglichkeiten ausnutzt, um aktiv zu versuchen, eine konkret in Betracht kommende Straftat zu verdecken, typischerweise aus dem Dienst zu entfernen ist (vgl. Urt. vom 28.5.1980 - DH 4/80 - : Warnung vor der Verhaftung; Urt. vom 20.10.1997 - D 17 S 13/97 - : Information einer der Bildung einer kriminellen Vereinigung verdächtigen Person über laufendes Ermittlungsverfahren; Urt. vom 28.9.2000 - D 17 S 11/00 -: uneidliche Falschaussage vor Gericht zur Deckung der Straftat eines Vorgesetzten). Ob diese Rechtsprechung auch auf den hier in Rede stehenden Versuch der Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit - dem Beamten war der BAK-Wert von nur 0,84 Promille nach dem Alcomat-Test bekannt - übertragbar ist, wie das Verwaltungsgericht meint, kann offen bleiben. Denn auch bei Berücksichtigung der Einzelfallumstände ist die Verfehlung derart gewichtig, dass ein weiterer Verbleib des Beamten im öffentlichen Dienst nicht in Betracht kommt.

Dies folgt einmal daraus, dass der Beamte die Ordnungswidrigkeit verdecken wollte, indem er die in der besonderen Verwahrung der Polizei befindliche Blutprobe seines Bekannten als belastendes Beweismittel entwerten wollte. Im Interesse einer effektiven und gerechten Strafjustiz muss die Allgemeinheit unabdingbar darauf vertrauen können, dass in der Verwahrung der Polizei befindliche Beweismittel nicht in Begünstigungsabsicht manipuliert werden. Diese für die Handlungsfähigkeit der Strafjustiz unerlässliche Vertrauensgrundlage hat der Beamte für seine Person zerstört und dadurch zugleich jedes öffentliche Ansehen als Polizist verloren. Erschwerend fällt außerdem ins Gewicht, dass er hartnäckig versucht hat, den mit der Sache seines Bekannten befassten Kollegen dazu zu bewegen, die Angelegenheit "aus der Welt zu schaffen". Durch diesen Versuch, einen Kollegen aus eher geringfügigem Anlass zu einem schwerwiegenden Dienstvergehen zu verleiten, hat der Beamte sein Ansehen bei den Kollegen vollkommen verloren, so dass seine Entfernung aus dem Dienst auch unter diesem Aspekt im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes geboten ist.

Der Beamte ist zudem auch deshalb untragbar geworden, weil er zu erkennen gegeben hat, dass er eine völlig verfehlte Auffassung vom Inhalt und von der Bedeutung der besonderen Pflichten eines Polizeibeamten besitzt und dazu neigt, deren Übertretung zu verharmlosen. Dies folgt einmal aus der Art und Weise seines pflichtwidrigen Handelns. Indem er vom zuständigen Kollegen hartnäckig verlangt hat, in der Sache seines Bekannten "etwas zu machen", ist er ein erhebliches Risiko eingegangen, und dies, obwohl lediglich eine Ordnungswidrigkeit in Rede stand und sein Bekannter ihm noch nicht einmal mit der Aufkündigung der Freundschaft gedroht hatte, falls er ihm nicht hilft. Danach hat der Beamte sogar den Versuch gewagt, die Blutprobe in Anwesenheit seiner Kollegen zu manipulieren. Schließlich hat er diesen Versuch auch dann noch "auf gut Glück" fortgesetzt, als er feststellen musste, dass er unter den vier im Postfach lagernden Blutproben diejenige seines Bekannten nicht identifizieren konnte. Diese Dreistigkeit erklärt sich nicht daraus, dass der Beamte in einer für ihn überraschenden und psychologisch schwierigen Situation lediglich "stümperhaft" und dilettantisch handelte. Sie wurzelt nach Überzeugung des Senats vielmehr in einer verfehlten Dienstauffassung, die den Beamten zu der Einschätzung gelangen ließ, sein Verhalten liege im tolerablen Bereich. Das machen etwa seine - insoweit in der Hauptverhandlung verlesenen - Angaben gegenüber dem vom Untersuchungsführer bestellten Gutachter deutlich. Ausweislich des Gutachtens vom 17.9.1998 gab der Beamte als Motiv für sein Verhalten an: "Herr XXXXXXXX sei sein bester Freund und er habe sich für ihn verantwortlich gefühlt. Darum habe er den sachbearbeitenden Kollegen angerufen. Er habe sich über den Sachverhalt informieren und schauen wollen, ob man noch etwas machen könnte. Auf die Frage, was er mit "Möglichkeiten" gemeint habe, antwortete er, dass er vielleicht gehofft habe, der Kollege könne den ganzen Vorgang einfach vergessen. Im Nachhinein sei ihm klar, dass so etwas nicht gehe. Auf Nachfrage gibt er an, dass er den Gedanken, mit diesem Ansinnen einen anderen zu einer Straftat zu verleiten, verdrängt habe." Des weiteren erklärte der Beamte gegenüber dem Gutachter noch, bei ihm komme "die Familie... an erster Stelle, deswegen habe er auch vielleicht nicht einfach ablehnen können. Er sei auch ein Mensch, der nur schwer nein sagen könne."

In der Hauptverhandlung hat der Beamte im Übrigen nicht zu erkennen gegeben, dass sich seine Einstellung zu den dienstlichen Pflichten eines Polizeibeamten grundlegend verändert hätte. So äußerte er, die Angelegenheit hätte damals - wie in anderen schwerwiegenderen Fällen auch - intern ohne Disziplinarverfahren "geregelt" werden müssen. Dies sei jedoch deshalb nicht erfolgt, weil er keine "gute Lobby gehabt" habe, nachdem er sich von der in XXXXXXX damals geltenden Praxis strenger Alkoholkontrollen distanziert und sich an diese Praxis auch nicht gehalten habe. Unter diesen Umständen fehlt jeder konkrete Anhaltspunkt für eine günstige Prognose.

Der Milderungsgrund der "persönlichkeitsfremden Augenblickstat" liegt nicht vor. Es kann keine Rede davon sein, dass der Beamte in einer unerwarteten Überraschungssituation versagt hat. Die Versuche des Beamten, die Ordnungswidrigkeit seines Bekannten zu verdecken, erstreckten sich über einen längeren Zeitraum. Außerdem sah er sich während dieser Zeit mehrfach vor Situationen gestellt, in denen er sich neu entscheiden musste, ob er sein pflichtwidriges Verhalten fortsetzt oder nicht. Obwohl es ihm jeweils möglich gewesen wäre, von seiner Verdeckungsabsicht abzurücken, ohne deshalb Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, entschloss er sich jedes Mal erneut zur Fortsetzung seines pflichtwidrigen Handelns. Der Beamte hat auch offenkundig nicht in einer "psychischen Ausnahmesituation" gehandelt. Es liegt völlig fern anzunehmen, der Versuch des Beamten, die Blutprobe seines Bekannten zu manipulieren, sei die typische Folge eines Schockzustandes, in den er infolge des Todes seines Großvaters und der schweren Erkrankung seiner Mutter geraten sei. Wie bereits ausgeführt, hat er vielmehr auf der Grundlage einer verfehlten Auffassung seiner Pflichten als Polizeibeamter versucht, seinen Bekannten zu begünstigen und dessen Ordnungswidrigkeit mit allen Mitteln zu verdecken.

Nach allem ist der Beamte wegen endgültigen Vertrauens- und Ansehensverlustes untragbar und aus dem Dienst zu entfernen.

2. Dem steht die unangemessen lange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht entgegen.

Auch wenn es für die Entscheidung letztlich nicht darauf ankommt, gibt der vorliegende Fall Anlass, mit Blick auf die künftige Handhabung des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebots die Feststellung vorauszuschicken, dass dieses Gebot, zu dessen Einhaltung die Disziplinarbehörde stets verpflichtet ist, hier in erheblichem Maße verletzt wurde. Das behördliche Disziplinarverfahren dauerte etwa zehn Jahre. Davon sind zwar etwa fünf Jahre nicht der Disziplinarbehörde anzulasten, nämlich insbesondere nicht die - gemäß § 18 LDO gebotene - Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, und angesichts der fachpsychologischen Begutachtung des Beamten auch nicht die Dauer des Untersuchungsverfahrens. Abgesehen von diesen Verfahrensabschnitten wurde das behördliche Disziplinarverfahrens jedoch während eines Zeitraums von etwa vier Jahren in keiner Weise gefördert, ohne dass es hierfür nachvollziehbare Gründe gegeben hätte. Zum einen wurde das für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzte Disziplinarverfahren entgegen der Vorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 3 LDO nicht unmittelbar nach dessen rechtskräftigem Abschluss, sondern erst 15 Monate danach wieder aufgenommen; es dauerte dann noch mehr als vier Monate, bis endgültig ein Untersuchungsführer bestellt wurde. Das Gewicht dieser Verfahrensverzögerung wird daran deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Normierung des Antragsrechts davon ausgegangen ist, die Disziplinarbehörde sei in der Regel in der Lage, den Sachverhalt innerhalb von sechs Monaten soweit aufzuklären, dass sie über die Einstellung des Verfahrens oder die Zustellung der Anschuldigungsschrift entscheiden kann (vgl. LT-Drs. 3, Beilage 1090, S. 1844 zur insoweit dem § 62 LDO entsprechenden Vorgängerregelung). Das von März 1996 bis Juni 1997 laufende gerichtliche Verfahren zur Suspendierung und Kürzung der Dienstbezüge vermag den Stillstand des behördlichen Disziplinarverfahrens schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil das summarische Beschlussverfahren nach § 93 Abs. 2 LDO das behördliche Untersuchungsverfahren ohnehin nicht ersetzen kann. Das behördliche Disziplinarverfahren wurde dann vor allem nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens im Dezember 1999 nochmals gravierend verschleppt. Die Anschuldigungsschrift wurde nämlich erst am 20.8.2002 bei der Disziplinarkammer eingereicht. Damit ist die Disziplinarbehörde mehr als zweieinhalb Jahre lang gänzlich untätig geblieben. Insgesamt ist das behördliche Disziplinarverfahren durch einen vierjährigen Verfahrensstillstand gekennzeichnet. Eine solche Verfahrensweise ist auch mit Blick auf den Grundsatz des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern - der suspendierte Beamte hat hier während eines Zeitraums von gut 10 Jahren 85 % seines Gehalts bezogen - völlig unverständlich und inakzeptabel. Auf die vom Vertreter der obersten Dienstbehörde geltend gemachten personellen Schwierigkeiten und Engpässe kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Disziplinarbehörde ist vom Dienstherrn so auszustatten, dass das behördliche Disziplinarverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.11.1999, NJW 2000, 797). Im Übrigen erforderte die Umsetzung des Untersuchungsberichts in eine Anschuldigungsschrift keinen besonderen Aufwand.

Gleichwohl kann der Beamte aus dieser eklatanten Missachtung des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebots nichts für sich herleiten:

a) Die vom Beamten begehrte Einstellung des Verfahrens wegen einer Verletzung des in Art. 6 EMRK normierten Beschleunigungsgebots kommt nicht in Betracht.

Die Vorschrift ist im Disziplinarverfahren schon nicht anwendbar. Sie gilt, soweit "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" geltend gemacht oder "strafrechtliche Anklagen" erhoben werden. Das deutsche Disziplinarrecht berührt diese Sachbereiche aber weder formal noch inhaltlich, weil es allein auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentliches Dienstes zielt (vgl. BVerwGE 73, 361, 363 ff.; Urteil vom 19.9.1989, DÖD 1990, 268; offengelassen im Urteil vom 27.2.2002 - 2 BD 18/01 -). Art. 6 EMRK ist zudem nur für das gerichtliche Verfahren einschlägig. Insoweit macht der Beamte aber keine überlange Verfahrensdauer geltend. Sie liegt offenkundig auch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat Hauptverhandlung bereits dreieinhalb Monate nach Einreichung der Anschuldigungsschrift und der Senat etwa vier Monate nach Einreichung der Berufungsschrift anberaumt. Auch unter Berücksichtigung der vorangegangenen langen Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens kann darin keinesfalls eine unangemessene Verfahrensverzögerung gesehen werden.

b) Ungeachtet der allein von der Disziplinarbehörde zu vertretenden Verschleppung des behördlichen Disziplinarverfahrens verstößt die Dienstentfernung auch nicht gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

aa) Die Landesdisziplinarordnung lässt es nicht zu, von einer Dienstentfernung wegen Zeitablaufs abzusehen. Wie die Disziplinarkammer zu Recht ausgeführt hat, ist der von der Dienstentfernung betroffene Beamte allein darauf verwiesen, eine unangemessene Verzögerung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch einen Antrag nach § 62 LDO abzuwenden. Diese "Rügeobliegenheit" ist auch in Fällen offenkundiger Verschleppung des Disziplinarverfahrens mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot vereinbar, weil § 62 LDO dem Beamten ein wirksames Mittel zur aktiven Verfahrensbeschleunigung an die Hand gibt und es dessen Sache ist, seine Interessenlage mit Blick auf die Verfahrensdauer einzuschätzen.

Die Landesdisziplinarordnung enthält keine Rechtsgrundlage, um von der Dienstentfernung eines für den öffentlichen Dienst untragbar gewordenen Beamten wegen Zeitablaufs absehen zu können. Die in § 14 LDO normierten Maßnahmeverbote wegen Zeitablaufs betreffen gerade nicht die Dienstentfernung, sondern nur die darunter liegenden Maßnahmen. Damit hat der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, dass die bloße Dauer des Disziplinarverfahrens nichts an der Notwendigkeit einer Dienstentfernung zu ändern vermag. Diese Rechtslage ist auch sachgerecht. Denn die Maßnahmeverbote des § 14 LDO tragen der Tatsache Rechnung, dass bereits die mit einem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile erzieherisch auf den Beamten wirken können mit der Folge, dass das aufgrund des Dienstvergehens ausgelöste Erziehungsbedürfnis gemindert werden oder sogar ganz entfallen kann (vgl. zu dieser ratio der Maßnahmeverbote LT-Drs. 10/3702, S. 86; BT-Drs. 14/4659, S. 39). Dementsprechend ist auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 14 LDO bei der Frage, welche erzieherisch wirkende Disziplinarmaßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erforderlich ist, zu prüfen, ob und inwieweit bereits mit einem langen Disziplinarverfahren konkret verbundene Nachteile erzieherisch auf den Beamten eingewirkt haben (so ausdrücklich zur Gehaltskürzung BVerfGE 46, 17, 29 f.; vgl. BVerwGE 46, 122, 124; 63, 195, 198; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.2.2002, a.a.O. zum besonders gelagerten Fall der Aberkennung des Ruhegehalts). Bei der Dienstentfernung geht es jedoch nicht darum, erzieherisch auf den Beamten einzuwirken, sondern das Dienstverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil jedes Vertrauen unwiederbringlich verloren gegangen ist, dass sich der Beamte künftig noch pflichtgemäß verhalten werde. Erzieherisch wirkende Maßnahmen können diesen vollständigen Vertrauensverlust ebenso wenig beheben wie die aus einer langen Verfahrensdauer dem Beamten entstehenden Nachteile. Ein solcher Beamter ist vielmehr für den öffentlichen Dienst untragbar geworden und muss aus Gründen der Funktionssicherung aus dem Dienst entfernt werden, gleichgültig, wie lange das Disziplinarverfahren gedauert hat und wem Verfahrensverzögerungen anzulasten sind (so auch BVerfGE 46, 17, 28 zur auf voraussichtliche Untragbarkeit gestützten Suspendierung; ebenso BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 8.9.1993, NVwZ 1994, 574 und vom 9.9.1994, NVwZ 1996, 1199, 1200; BVerwGE 63, 195, 197; Urteil vom 19.9.1989, a.a.O.; Senatsurteil vom 18.6.2001 - D 17 S 2/01 -, UA S. 16; zur Möglichkeit der Nachbewährung eines nicht suspendierten Beamten vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2002, a.a.O.).

Die fehlende Möglichkeit, eine überlange Verfahrensdauer im Falle einer notwendig werdenden Dienstentfernung zu berücksichtigen, begegnet auch mit Blick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Dabei kann offen bleiben, ob die Nachteile, die eine unangemessen lange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens mit sich bringen kann, in besonders krassen Fällen ein Ausmaß annehmen können, dass dem Beamten auch mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung, die der Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zukommt, die Dienstentfernung nicht mehr oder nur zusammen mit einem Nachteilsausgleich zugemutet werden kann; Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht haben angedeutet, dass die Zumutbarkeitsschwelle bei einer - hier wohl vorliegenden - offenkundigen Verfahrensverschleppung erreicht sein könnte (zu dahingehenden Vorbehalten vgl. BVerfGE 46, 17, 28 f.; BVerwGE 76, 201, 203). Denn der Landesgesetzgeber hat den Gesichtspunkt der Verfahrensdauer nicht nur in § 14 LDO geregelt, der ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs bei der Dienstentfernung gerade ausschließt. Er hat vielmehr daneben mit den Regelungen der §§ 18 Abs. 4 Satz 1, 62 LDO Verfahrensrechte geschaffen, die es auch einem von der Maßnahme der Dienstentfernung betroffenen Beamten ermöglichen, eine unangemessene Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens und eventuell daraus entstehende unzumutbare Beeinträchtigungen wirksam abzuwenden. Mit diesen verfahrensrechtlichen Regelungen ist den Anforderungen des rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebots unabhängig von der Ausgestaltung des konkreten behördlichen Disziplinarverfahrens ausreichend Rechnung getragen.

Nach § 62 Abs. 1 LDO kann der Beamte schon sechs Monate nach Zustellung der Einstellungsverfügung bei der Disziplinarkammer die Bestimmung einer Frist beantragen, in der entweder die Anschuldigungsschrift vorzulegen oder das Verfahren einzustellen ist. Die Disziplinarkammer hat diesem Antrag stattzugeben, wenn sie eine unangemessene Verzögerung feststellt (§ 62 Abs. 2 LDO). Zwar ist der Lauf der Frist von sechs Monaten für den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung gemäß § 62 Abs. 5 LDO gehemmt, solange das Verfahren nach § 18 LDO ausgesetzt ist. Bei einer Aussetzung des Verfahrens nach § 18 LDO kann jedoch von einer unangemessenen Verfahrensverzögerung keine Rede sein. Sie erfolgt mit Blick auf eine vorgreifliche Sachverhaltsklärung in einem anderen gesetzlich geregelten Verfahren und ist sachlich gerechtfertigt, um Doppelprüfungen mit eventuell unterschiedlichen Ergebnissen zu vermeiden (vgl. zur Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO). Sobald kein sachlicher Grund mehr für eine Aussetzung besteht, etwa weil vom Strafverfahren keine für das Disziplinarverfahren relevante Sachaufklärung (mehr) zu erwarten ist (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 1 LDO), hat der Beamte zudem gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 LDO die Möglichkeit, gegen die Aussetzung Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen; auf diese Weise kann er erreichen, dass die Frist von sechs Monaten nach § 62 Abs. 1 LDO wieder zu laufen beginnt.

§ 62 LDO ist vor allem auch deshalb ein effektives Mittel des Beamten, sich gegen eine unangemessen lange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens zu wehren, weil nach fruchtlosem Ablauf der von der Disziplinarkammer gesetzten Frist für die Einreichung der Anschuldigungsschrift das Disziplinarverfahren beendet ist und wegen desselben Sachverhalts nicht erneut eingeleitet werden darf. Der abweichenden, lediglich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Kommentierung von Claussen/Janzen zur Vorschrift des anders lautenden § 66 BDO a.F. begründeten Auffassung von Alberti/Gayer/Roskamp (LDO, § 62 Randnr. 11), vermag der Senat nicht zu folgen. Die Einschätzung des Senats lässt sich ohne weiteres aus Wortlaut und Zusammenhang der gesetzlichen Regelung entnehmen. In § 62 Abs. 4 Satz 1 LDO wird die Fiktion der Einstellung des Disziplinarverfahrens nach fruchtlosem Fristablauf ausdrücklich als endgültig qualifiziert, und § 62 Abs. 4 Satz 2 LDO bestimmt, dass die Disziplinarkammer auf Antrag des Beamten die Fiktion der - endgültigen - Verfahrenseinstellung durch unanfechtbaren Beschluss feststellt. Dieser Regelungen hätte es nicht beduft, wenn das Disziplinarverfahren wegen desselben Sachverhalts erneut eingeleitet werden könnte, zudem mit der Folge, dass der Beamte mit seinem auf Verfahrensbeschleunigung gerichteten Antrag nach § 62 LDO das Gegenteil, nämlich eine weitere Verfahrensverzögerung bewirkte. Auch die Entstehungsgeschichte des § 62 Abs. 4 LDO zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber dem Beamten ein wirksames Mittel zur aktiven Verfahrensbeschleunigung an die Hand geben wollte. Denn die Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 LDO vom 20.7.1962 (LT-Drs. 3, Band V, Beil. 2331, S. 4409) hatte - wie § 66 BDO a.F. - für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der vom Gericht bestimmten Frist für die Vorlage der Anschuldigungsschrift weder die Einstellungsfiktion noch einen der Rechtskraft fähigen Beschluss hierüber vorgesehen (nunmehr ist auch das bundesrechtliche Disziplinarverfahren nach § 62 Abs. 3 BDG nach fruchtlosem Ablauf der Frist durch einen der Rechtskraft fähigen Beschluss einzustellen, so dass eine erneute disziplinarrechtliche Verfolgung ausgeschlossen ist, vgl. BT-Drs. 14/4659, S. 50).

Dem von einer Dienstentfernung betroffenen Beamten wird schließlich auch nichts Unzumutbares abverlangt, wenn er zur Wahrung seiner Rechte darauf verwiesen ist, die genannten verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen. Eine solche "Rügeobliegenheit" ist schon deshalb gerechtfertigt, weil es vom Einzelfall abhängt, ob eine überlange Verfahrensdauer mit erheblichen Belastungen für den Beamten verbunden ist. So wird etwa ein vom Dienst suspendierter Beamter, der keine oder nur eine geringfügige Kürzung des Gehalts hinzunehmen hat und ohnehin mit der Dienstentfernung rechnet oder sich auf irgendeine Weise "umorientiert" hat, die überlange Dauer des Disziplinarverfahrens nicht notwendig als unzumutbare Belastung empfinden. Daher ist es ungeachtet dessen, dass die Dienstbehörde stets verpflichtet bleibt, das behördliche Disziplinarverfahren in angemessener Zeit zu beenden, durchaus sachgerecht, dem Beamten selbst die Entscheidung aufzuerlegen, ob er bei unangemessenen, von ihm nicht zu vertretenden Verzögerungen einen raschen Abschluss des Verfahrens herbeiführen oder die Verzögerungen hinnehmen will, dann allerdings mit der Folge, dass - wie oben dargelegt - dieser Umstand jedenfalls im Falle der Dienstentfernung keine Rolle mehr spielt.

Der in der Hauptverhandlung erhobene Einwand des Beamten, dass der Dienstherr ihn aus Gründen der Fürsorge auf das - ihm nach seinen Angaben nicht bekannte - Antragsrecht nach § 62 LDO hätte hinweisen müssen, geht schon deshalb fehl, weil er nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Vertreters der obersten Dienstbehörde während der gesamten Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens keine Sachstandsanfrage gestellt, geschweige denn auf eine schnellere Bearbeitung gedrängt hat.

bb) Unabhängig davon steht im vorliegenden Fall die überlange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens der Dienstentfernung auch deshalb nicht entgegen, weil weder dargelegt noch sonst erkennbar ist, dass sie für den Beamten unzumutbare Belastungen zur Folge hatte.

Bereits der Umstand, dass der suspendierte Beamte keinen Antrag nach § 62 LDO gestellt noch auf andere Weise auf eine Beschleunigung des behördlichen Disziplinarverfahrens gedrängt hat, ist deutliches Anzeichen dafür, dass er bei einer Gehaltskürzung von nur 15 % kein erhebliches Beschleunigungsinteresse hatte. Die in der Hauptverhandlung gestellte Frage, welche konkreten Nachteile die überlange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens für ihn gebracht habe, beantwortete der Beamte lediglich mit dem vagen Hinweis auf die Ungewissheit der Situation und seine Untätigkeit während dieser Zeit, ohne allerdings plausibel machen zu können, weshalb er nie einen Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit gestellt hat. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass die überlange Verfahrensdauer für den Beamten mit konkreten und gewichtigen Nachteilen und Belastungen verbunden war.

3. Dem Beamten wird in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ein Unterhaltsbeitrag gewährt. Unwürdigkeit liegt nicht vor. Der Beamte ist auch bedürftig; er verfügt weder über Einnahmen noch über Vermögen. Im Hinblick darauf, dass das vom Beamten bis jetzt erdiente Ruhegehalt nach der Berechnung des Landesamts für Besoldung und Versorgung den Mindestbetrag von etwa 1.175,-- EUR nicht übersteigt, erscheint dem Senat zur Wahrung eines ausreichenden Abstandes von der Sozialhilfe (sozialhilferechtlicher Regelsatz für Alleinstehende zuzüglich einer sozialhilferechtlich angemessenen Miete) ein Beitrag in Höhe von 60 % des zuletzt erdienten Ruhegehalts angemessen (vgl. von Alberti/Gayer/Roskamp, a.a.O., § 75 Randnr. 10). Der Senat weist darauf hin, dass die vom Beamten derzeit gezahlte Miete von 500,-- EUR die sozialhilferechtlich angemessene Höhe für einen Alleinstehenden um nahezu das Doppelte übersteigt (vgl. dazu Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 8.2.2001 - 7 S 354/98 -). Der Beamte hat keinen Anspruch, seine zu teure Wohnung beibehalten zu können, weil es nicht Zweck des Unterhaltsbeitrags ist, einen standesgemäßen Unterhalt zu sichern (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Auflage, § 77 Randnr. 4a). Ebenso wenig sind die vom Beamten angegebenen Schulden zu berücksichtigen (vgl. Claussen/Janzen, a.a.O., § 77 Randnr. 4d). Angesichts des Alters des Beamten erscheint es dem Senat - ebenso wie der Disziplinarkammer - ausreichend, den Unterhaltsbeitrag für ein halbes Jahr zu bewilligen. Weist er nach Ablauf eines halben Jahres konkret nach, dass er trotz erheblicher Anstrengungen keine Arbeit erhalten konnte, kann Unterhaltsbeitrag neu bewilligt werden (vgl. § 108 Abs. 2 Satz 2 LDO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 LDO; der Senat sieht keinen Anlass, den Beamten wegen der geringfügigen Erhöhung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 112 Abs. 2 LDO teilweise von den Kosten zu verschonen.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).

Ende der Entscheidung

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