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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 20/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 19
Die Einleitung eines Betreuungsverfahrens ist ebenso wenig wie die Beauftragung eines Sachverständigen eine anfechtbare Verfügungen gemäß § 19 FGG.
BayObLG Beschluss

LG Ansbach 4 T 1745/00; AG Ansbach XVII 424/00

3Z BR 20/01

31.01.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 31.Januar 2001

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 5.Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Am 23.10.2000 ging beim Amtsgericht die Anregung des Bruders des Betroffenen ein, für diesen einen Betreuer zu bestellen. Mit Beschluss vom 24.10.2000 beauftragte das Amtsgericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen der Betreuung. Gleichzeitig bat es die Betreuungsstelle um "Sachverhaltsermittlung und gegebenenfalls Betreuervorschlag". Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Einleitung des Betreuungsverfahrens und die Beauftragung des Sachverständigen hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.12.2000 verworfen. Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Entscheidung des Landgerichts unterliegt unabhängig von der Statthaftigkeit der Erstbeschwerde der weiteren Beschwerde (BayObLGZ 1993, 253). Der Betroffene ist beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht die Erstbeschwerde verworfen hat (BayObLGZ 1998, 195). Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde zu Recht verworfen, da weder die Einleitung eines Betreuungsverfahrens noch die Beauftragung eines Sachverständigen als solche gemäß § 19 Abs. 1 FGG anfechtbare Verfügungen darstellen.

a) Die Einleitung des Betreuungsverfahrens durch das Amtsgericht ist keine Verfügung gemäß § 19 Abs. 1 FGG (BayObLG BtPrax 1998, 148; KG Rpfleger 1971, 180; Bassenge/Herbst FGG/ RPflG 8.Aufl. § 19 FGG Rn. 10). Sie ist eine verfahrensleitende Maßnahme, keine Sachentscheidung und greift für sich genommen nicht in die Rechtssphäre des Betroffenen ein.

Aus diesen Gründen bedarf im übrigen die Verfahrenseinleitung, entgegen der Auffassung des Betroffenen, nicht der vorherigen Anhörung. Das Gesetz schreibt die Anhörung des Betroffenen erst vor der Bestellung eines Betreuers vor (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FGG). Dies gilt auch für die lediglich der Sachaufklärung dienende Einschaltung der Betreuungsstelle (vgl. § 68a Satz 1 FGG).

b) Bei der Anordnung der Einholung des Gutachtens handelt es sich ebenfalls nicht um eine Verfügung im Sinne von § 19 Abs. 1 FGG.

Nach dem Gesetz darf ein Betreuer erst bestellt werden, nachdem das Gutachten eines Sachverständigen über die Erforderlichkeit der Betreuung eingeholt worden ist (§ 68b Abs. 1 Satz 1 FGG). Die Anordnung der Einholung dieses Gutachtens stellt eine Zwischenverfügung dar.

Solche Verfügungen sind nach der Rechtsprechung des Senats und nach herrschender Meinung grundsätzlich nicht der Beschwerde nach § 19 FGG unterworfen. Sie sind nur anfechtbar, wenn die angeordnete Maßnahme unmittelbar in Rechte des Betroffenen eingreift, insbesondere von ihm ein bestimmtes Verhalten verlangt, und zwar in so erheblicher Weise, dass ihre selbständige Anfechtbarkeit geboten ist (BayObLGZ 1982, 167/169; BayObLG FamRZ 1998, 436/437; vgl. auch Bassenge/ Herbst aaO Rn. 13; Keidel/Kahl FGG 14.Aufl. § 19 Rn. 9).

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 24.10.2000 greift nicht in derart erheblicher Weise in Rechte des Betroffenen ein. Er ordnet nur die Erholung eines Gutachtens an, legt dem Betroffenen aber keine Handlungs- und Duldungspflicht auf. Denn die gerichtliche Anordnung, ein Gutachten einzuholen, bewirkt noch nicht die Verpflichtung des Betroffenen, sich begutachten und untersuchen zu lassen. Der Betroffene braucht sich einer Untersuchung nur mit seiner Einwilligung zu unterziehen (BayObLGZ 1995, 222/223). Fragen braucht er nicht zu beantworten, an Tests nicht teilzunehmen (Keidel/Kayser § 68b Rn. 12; Bassenge/Herbst § 68b Rn. 10). Der Senat sieht deshalb in ständiger Rechtsprechung in der Anordnung der Gutachtenseinholung keine anfechtbare Zwischenverfügung (BayObLGZ 1995, 222/223; BayObLG FamRZ 2000, 249/250; Rpfleger 1981, 401; ebenso OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1019; vgl. auch BayVerfGH BtPrax 1995, 179; BayObLG NJWE-FER 1998, 43).

Soweit der Entscheidung des Kammergerichts vom 12.9.2000 (FGPrax 2000, 237) anderes zu entnehmen sein sollte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Insbesondere lassen sich nach seiner Auffassung aus der Regelung des § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG, wonach die Anordnung der Vorführung des Betroffenen zur Untersuchung durch den Sachverständigen nicht anfechtbar ist, keine Rückschlüsse auf die Anfechtbarkeit der Anordnung der Gutachtenseinholung ziehen. Zwar lassen, wie das Kammergericht anführt, weder der Wortlaut noch die Materialien des Gesetzes erkennen, dass die Regelung in § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG auch die Entscheidung über die Einholung des Gutachtens erfassen sollte. Der Gesetzgeber brauchte sich aber mit dieser Frage in den Materialien nicht näher zu befassen. Insoweit bestand kein Regelungsbedürfnis, da Rechtsprechung (vgl. BayObLGZ 1982, 167; OLG Hamm FamRZ 1989, 542; KG OLGR 12, 196) und Literatur (vgl. Jansen FGG 2.Aufl. § 19 Rn. 26; Keidel/Kahl FGG 12.Aufl. § 19 Rn. 9 unter Fn. 35) übereinstimmend der Auffassung waren, dass Anordnungen zur Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Geisteszustand des Betroffenen, die dem Betroffenen keine Handlungs- oder Duldungspflicht auferlegen und keinen Zwang androhen, nicht anfechtbar seien. Dies galt auch für die Fälle der Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem Verfahren zur Genehmigung der vorläufigen Unterbringung nach § 64c a.F. FGG (BayObLG Rpfleger 1981, 401), der bereits vor dem Inkrafttreten des Betreuungsrechts für die Begutachtung des Betroffenen in Unterbringungssachen eine dem § 68b Abe.3 Satz 2 FGG entsprechende Bestimmung enthielt (vgl. BT-Drucke. 11/4528 S.215). Auch aus den vom Kammergericht zitierten Entscheidungen des Senats BayObLG NJW 1967, 685 und BayObLGZ 1972, 201/202 ergibt sich nichts anderes. Ihnen lagen jeweils Fallgestaltungen zu Grunde, bei denen auf Grund der angefochtenen Entscheidung eine Verpflichtung des Betroffenen zur Duldung der Untersuchung in Frage stand.

Zwar muss der Betroffene, worauf das Kammergericht (FGPrax 2000, 237/238) zu Recht hinweist, nach Anordnung der Gutachtenseinholung mit dem Erlaß einer Anordnung nach § 68b Abs. 3 FGG rechnen, wenn er nicht vor dem Gutachter erscheint. Der Ausschluss der Anfechtung in § 68b Abs. 3 Satz 2 FGG hat damit zur Folge, dass der Betroffene gehindert ist, die Rechtmäßigkeit seiner Vorführung vor den Sachverständigen in irgend einem Stadium des Verfahrens durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe die bis dahin nicht anfechtbare Anordnung der Gutachtenseinholung nunmehr der Beschwerde unterwerfen wollen, obwohl der damit verbundene Nachteil nach der Rechtsprechung gerade nicht als ausreichend angesehen wurde, die Beschwerde zu begründen. Dies widerspräche dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, die Rechtsmittel in Nebenverfahren zu beschränken (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S.215).

2. Die Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG ist nicht veranlasst, weil das Kammergericht nicht als Gericht der weiteren Beschwerde entschieden hat.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abe.2, § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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