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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.08.1999
Aktenzeichen: 1 BvR 421/96
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG § 93 c Abs. 1 Satz 1
BverfGG § 34 Abs. 2
BAföG 1990 § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
BAföG 1990 § 11 Abs. 3 Satz 3
BAföG 1990 § 36 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

- 1 BvR 421/96 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der Frau Sabine S.,

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Joachim Krempin und Kollegen, Am Berge 36, Lüneburg -

1. unmittelbar gegen den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 5 B 113.95 -,

2. mittelbar gegen § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936)

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Kühling, die Richterin Jaeger und den Richter Steiner

am 4. August 1999 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 5 B 113.95 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Versagung elternunabhängiger Ausbildungsförderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936; im folgenden: BAföG 1990) für ihre Zweitausbildung.

1. Die 1968 geborene Beschwerdeführerin ließ sich nach der mittleren Reife zur staatlich geprüften Wirtschaftsassistentin ausbilden. Nach eineinhalbjähriger Berufstätigkeit begann sie ab August 1990 eine Ausbildung zur Erzieherin. Auf ihren Antrag wurde ihr ab August 1990 monatlich 40 DM Ausbildungsförderung unter Anrechnung des väterlichen Einkommens in Höhe von monatlich 514,88 DM gewährt. Die gegen die Anrechnung erhobenen Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Zur Begründung ist in den auf die Rechtsbehelfe ergangenen Entscheidungen im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin könne wegen § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 keine elternunabhängige Ausbildungsförderung auf der Grundlage des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BAföG 1990 beanspruchen. Ihr gesetzlich bewirkter Ausschluß von der elternunabhängigen Ausbildungsförderung sei verfassungsgemäß.

Im Juli 1993 schloß die Beschwerdeführerin ihre Ausbildung zur Erzieherin ab. Seitdem ist sie berufstätig.

2. Zur Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung namens der Bundesregierung Stellung genommen.

II.

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung maßgebliche Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990 hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

2. Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stützt sich auf § 11 Abs. 3 Satz 3 BAföG 1990. Diese Vorschrift ist nach dem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (1 BvL 50/92) in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Satz 2 BAföG 1990 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt daher die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung. Sie ist aufzuheben. Um der Beschwerdeführerin die Chance zu erhalten, aus der gesetzlichen Neuregelung möglicherweise Nutzen zu ziehen, ist das Gerichtsverfahren auszusetzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.



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