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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.1997
Aktenzeichen: 2 BvR 429/97
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 141 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 429/97 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

des Herrn Z...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Rolf Kronenburg und Kollegen, Merlostraße 2, Köln -

gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Februar 1997 - 17 U 70/96 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Kruis, Winter

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 10. November 1997 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

G r ü n d e :

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Ordnungsgeldbeschluß nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Sie kann nicht zur Entscheidung angenommen werden, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).

Mit der Rüge, das Oberlandesgericht habe § 141 Abs. 3 ZPO in verfassungswidriger Weise angewendet, beanstandet der Beschwerdeführer die Auslegung und Anwendung einer im Rang unter dem Grundgesetz stehenden prozeßrechtlichen Vorschrift in einem Einzelfall. In welchem Umfang dies der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, ist durch die in BVerfGE 18, 85 <92 ff.> veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich geklärt. Soweit der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit des § 141 Abs. 3 ZPO generell bezweifelt, werden ebenfalls keine neuen verfassungsrechtlichen Fragen aufgeworfen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Ob die aus der angegriffenen Entscheidung für den Beschwerdeführer folgende Pflicht zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 500 DM als besonders schwerer Nachteil anzusehen ist oder ob ein solcher Nachteil unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Ordnungsgeldes bereits aus dessen strafähnlichen Charakter folgt, braucht nicht entschieden zu werden. Die Verfassungsbeschwerde hat jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 141 Abs. 3 ZPO greifen nicht durch.

Art. 103 Abs. 1 GG ist ersichtlich nicht verletzt. Die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens dient der Aufklärung des Sachverhalts und gibt damit der von der Anordnung betroffenen Partei gerade Gelegenheit zum Sachvortrag. Die Möglichkeit, unter den in der Vorschrift näher bestimmten Voraussetzungen ein Ordnungsgeld zu verhängen, berührt den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG nicht.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verletzt § 141 Abs. 3 ZPO auch nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, und zwar selbst dann nicht, wenn man den Zweck der Vorschrift nicht allein in der Verfahrensförderung sieht, sondern das Ordnungsgeld - einer vor allem in der älteren Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung folgend - als strafähnliche Sanktion wegen Mißachtung des Gesetzes oder der gerichtlichen Anordnung betrachtet. Auch in zivilgerichtlichen Verfahren, für die die Verhandlungsmaxime gilt und in denen eine Prozeßpartei deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Erklärungen zur Sache abzugeben, ist das Anliegen des Gesetzgebers, den entscheidungserheblichen Sachverhalt so umfassend und rasch wie möglich zu klären, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Ziel jeden Prozesses, zu einer der materiellen Rechtslage möglichst gerecht werdenden Entscheidung zu gelangen, wird auf diese Weise gefördert. Als geeignetes Mittel hierzu darf der Gesetzgeber die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Prozeßpartei zur Aufklärung des Sachverhalts auch dann ansehen, wenn die Partei Erklärungen zur Sache ablehnen kann. Der Gesetzgeber kann dabei davon ausgehen, daß sich Lücken und Unklarheiten im Sachvortrag am zuverlässigsten und schnellsten im Gespräch mit der betroffenen Partei beheben lassen und diese im allgemeinen zu der gewünschten Aufklärung bereit sein wird, schon weil sich an eine verweigerte Erklärung prozessuale Nachteile knüpfen. Dessen ungeachtet begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Gesetzgeber zur wirksameren Durchsetzung des persönlichen Erscheinens zusätzlich noch ein Ordnungsgeld für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens der Partei vorgesehen hat. Eine übermäßige Belastung ist damit für die betroffene Partei nicht verbunden, weil bei Unzumutbarkeit des persönlichen Erscheinens die Anordnung unterbleiben muß (§ 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und weil die Partei sich im übrigen durch eine ausreichend instruierte Person vertreten lassen kann (§ 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO). § 141 ZPO schränkt somit als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit in zulässiger Weise ein.

b) Auch die Anwendung des § 141 Abs. 3 ZPO durch das Oberlandesgericht verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Gewährleistungen.

Das Bundesverfassungsgericht kann die dem angegriffenen Beschluß zugrundeliegende Auslegung und Anwendung des § 141 Abs. 3 ZPO nicht auf ihre Richtigkeit nach den Maßstäben des einfachen Rechts oder daraufhin überprüfen, ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte. Verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber einem Richterspruch kommt - sofern nicht ein anderes Grundrecht betroffen ist - nur am Maßstab des aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Willkürverbots in Betracht, also nur dann, wenn dieser unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß er auf sachfremden Erwägungen beruht; selbst eine fehlerhafte Rechtsanwendung stellt dagegen, wenn die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, noch keine Verletzung des Willkürverbots dar (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.> m.w.N.; stRspr).

Gemessen daran ist Art. 3 Abs. 1 GG im vorliegenden Fall nicht verletzt. Der Beschwerdeführer beanstandet insbesondere, daß das Oberlandesgericht dem § 141 Abs. 3 ZPO die Befugnis entnommen habe, den Prozeßbevollmächtigten generell als Terminsvertreter zurückzuweisen und ein Ordnungsgeld unabhängig davon zu verhängen, ob der Vertreter tatsächlich ausreichend instruiert war. Es kann indessen dahinstehen, ob eine solche Rechtsauffassung im Hinblick darauf, daß in der obergerichtlichen Rechtsprechung Zurückhaltung bei der Anwendung von § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO empfohlen wird (vgl. nur OLG Düsseldorf, MDR 1963, S. 602 f.; KG, JR 1983, S. 156 f.; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1986, S. 997; OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1992, S. 72 f.), verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. Den Gründen des angegriffenen Beschlusses ist nämlich in hinreichender, noch nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, daß die Verhängung des Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall maßgeblich darauf gestützt worden ist, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf den genauen Inhalt eines Telefongesprächs des Beschwerdeführers mit dem Kläger ankommen konnte. Es ist jedenfalls nicht schlechthin unvertretbar, daß das Oberlandesgericht in diesem Fall die Entsendung des Prozeßbevollmächtigten als Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 ZPO als nicht ausreichend und die Verhängung eines Ordnungsgeldes für angemessen erachtet hat (vgl. dazu OLG Frankfurt am Main, NJW 1991, S. 2090). Daß das Oberlandesgericht trotz Ausbleibens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zur Sache hätte verhandeln können, rechtfertigt im vorliegenden Fall keine andere Beurteilung. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht - insoweit in Übereinstimmung mit einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. KG, JR 1983, S. 156 f.; a.A. OLG München, MDR 1978, S. 147) - weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes entnommen hat, daß die Ordnungsmaßnahme grundsätzlich zu unterbleiben habe, wenn das Ausbleiben der Partei eine Verzögerung des Verfahrens und der Entscheidung nicht bewirkt hat.

Eine Verletzung anderer Grundrechte des Beschwerdeführers durch den angegriffenen Beschluß, insbesondere ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insoweit wird von einer Begründung der Nichtannahme abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Limbach Kruis Winter Winter

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